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GOTTFRIED BECHTOLD
WERKSCHAU 1965 -1996

KUNSTHALLE wien

"Ein wichtiger Gesamtaspekt bei all meinen Projekten ist der Versuch, eine neue Konfiguration zwischen Materialität und Information in Form einer neuartigen Legierung herzustellen."
Gottfried Bechtold




Matt und Fetz über Bechtold

Gottfried Bechtold, der ursprünglich von der Bildhauerei herkommt und sich zeitgleich und in Auseinandersetzung mit den internationalen Strömungen der Land Art, der Minimal- und Concept Art von den Fesseln traditioneller Kunstgestaltungs- und Präsentationsformen gelöst hat, arbeitet seit den sechziger Jahren experimentell, analysierend und intervenierend in und mit dem Spannungsfeld der Zusammenhänge von Natur und Zivilisation, menschlicher und technologiegestützter Kommunikation, Realität und Virtualität.
Er nutzt und benutzt dabei die unterschiedlichsten Mittel von „gefundenen Objekten“ naturgegebener und artifizieller Herkunft über Materialien wie Eisen, Gips oder Beton, von Photographie und Video bis hin zu neuesten elektronischen Medien, verlässt aber dabei nur selten den Boden der „Realität“, nämlich das räumlich erfahrbare Objekt. Der Anteil der wahrnehmbaren Wirklichkeit am Kunstwerk übernimmt für Bechtold nicht allein die Rolle des Vermittlers zwischen Betrachter und konzeptueller Idee, sondern das Materielle ist für ihn schon von sich aus potentieller Informationsträger.
Prominente Grossprojekte im öffentlichen Raum - wie z. B. seine Installationen für das Vienna International Center oder die Schule von Kaindorf, wo traditionelle und aktuellste Medien interaktiv zum Einsatz kommen -, machen diesen Aspekt besonders deutlich.
Das inter- und multimediale Vorgehen Bechtolds allerdings macht es dem enzyklopädisch zu denken gewöhnten Kunstrezipienten nicht leicht, ihn bzw. sein Werk einer bestimmten Kategorie von Kunst einzuordnen. So schrieb schon Oscar Sandner 1978:
"Sesam öffne dich: Concept Art, Minimal Art, Land Art, mit diesen Kategorien wird die Fahndung nach G.B. nicht ganz gelingen. Die Gegensätze berühren sich, der Konzeptkünstler will gleichzeitig krude Faktizität", -um, über einen Diskurs über den "Betonporsche", den der Automobil-Liebhaber Bechtold als Guss von seinem eigenen Porsche 911 im Jahr 1971 herstellte, den fragenden Vorschlag zu bringen: "Sesam öffne dich: 'Konzept-Realismus'?"
Der hier exemplarisch für den "realen" Aspekt am Werk Bechtolds erwähnte "Betonporsche" steht innerhalb des OEuvres des Künstlers zugleich auch paradigmatisch für weitere zentrale Grundkomponenten seiner Arbeit: Die Reflexion auf Veränderung und Massgeblichkeit von Ort und Zeit, verbunden mit der Ambivalenz von Identität und Nicht-Identität. Der Betonporsche nimmt daher den Rang eines Schlüsselwerkes ein, das quasi an der Schnittstelle steht zwischen Bechtolds frühen Arbeiten und den grossen, nicht selten monumentale oder doch "herkulische" Dimensionen annehmenden Projekte der letzten zwanzig Jahre.

Denn, in Ergänzung zu obengenannten Komponenten, ist das dem Betonporsche immanente, fast zynisch instrumentalisierte, translozierende Element ebenso wie der plastische Aspekt Teil vieler späterer Arbeiten.
Das trans- oder dislozierende Element, das sich etwa zeitgleich auch in seinen Telephon- und Radioarbeiten manifestiert, findet sich später in Form von laserstrahl- oder computergesteuerten Installationen meist in Verbindung mit "greifbaren" plastischen, skulpturalen oder architektonischen Elementen. Peter Weibel, der Bechtold in die Reihe jener führenden Künstler stellt, die am Wandel des Skulpturbegriffes massgeblichen Anteil haben - wie Buren, Graham oder Smithson - bringt beide Elemente auf den Nenner:
"Wenn Bechtold die erprobten Verfahren und Erfahrungen der immateriellen Medien wie Isomorphie, Homomorphie, Selbstreferenz auf klassische Materialien und Skulpturenobjekte überträgt, entstehen perfekte Beispiele der neuen Skulptur in der Epoche der elektronischen Immaterialität".
1996, 25 Jahre nach dem Betonporsche, entstand ein zweiter Betonporsche. Ist er, wenn auch kein Abguss des ersten, das Imitat einer eigenen, älteren Idee - die ihrerseits, als 1:1-Abguss eines realen Objekts, Imitatcharakter hatte? Gottfried Bechtold gelingt es, ohne aufklärerischen Unterton darauf hinzuweisen, dass Fragen dieser Art nicht richtig gestellt sind. Sein alter Porsche trägt die Spuren eines 25-jährigen Ausgesetztseins im öffentlichen Raum. Graffities und Meisselschläge (be-) zeichnen seine Oberfläche ebenso wie die natürlichen Spuren der Verwitterung. In der Gegenüberstellung mit dem neuen Objekt wird deutlich, das Dinge und Begriffe sich mit der Zeit verwandeln, das der alte Betonporsche von 1971 mitsamt seiner assoziierbaren Begrifflichkeit heute ein anderer ist und der neue ein anderer als der alte. Und es wird dann auch klar, dass es hier nicht um die Frage des Abbildens oder der Nachahmung gehen kann, so wie es nicht mehr darum geht, "in Bildern Stellvertreter für die wirkliche Welt zu sehen, sondern zu verstehen, welche Effekte und Affekte Bilder in der Welt erzeugen" (Yve Lomax).

Wolfgang Fetz, Gerald Matt

© KUNSTHALLE

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