KUNSTHALLE wien
"Ein wichtiger Gesamtaspekt bei all meinen Projekten
ist der Versuch, eine neue Konfiguration zwischen
Materialität und Information in Form
einer neuartigen Legierung herzustellen."
Gottfried Bechtold
Gottfried Bechtold, der ursprünglich von der Bildhauerei
herkommt und sich zeitgleich und in Auseinandersetzung
mit den internationalen Strömungen
der Land Art, der Minimal- und Concept Art von den
Fesseln traditioneller Kunstgestaltungs- und Präsentationsformen
gelöst hat, arbeitet seit den sechziger Jahren experimentell,
analysierend und intervenierend in
und mit dem Spannungsfeld der Zusammenhänge von
Natur und Zivilisation, menschlicher und technologiegestützter
Kommunikation, Realität und Virtualität.
Er nutzt und benutzt dabei die unterschiedlichsten Mittel von „gefundenen Objekten“
naturgegebener und artifizieller Herkunft über Materialien wie Eisen, Gips oder
Beton, von Photographie und Video bis hin zu neuesten
elektronischen Medien, verlässt aber dabei nur selten
den Boden der „Realität“, nämlich das räumlich erfahrbare Objekt.
Der Anteil der wahrnehmbaren Wirklichkeit am Kunstwerk übernimmt
für Bechtold nicht allein die Rolle des Vermittlers zwischen Betrachter und
konzeptueller Idee, sondern das Materielle ist für ihn schon
von sich aus potentieller Informationsträger.
Prominente Grossprojekte im öffentlichen Raum - wie z. B. seine
Installationen für das Vienna International Center oder
die Schule von Kaindorf, wo traditionelle und aktuellste
Medien interaktiv zum Einsatz kommen -, machen diesen Aspekt besonders deutlich.
Das inter- und multimediale Vorgehen Bechtolds allerdings macht es dem
enzyklopädisch zu denken gewöhnten Kunstrezipienten nicht leicht, ihn bzw.
sein Werk einer bestimmten Kategorie von Kunst einzuordnen. So
schrieb schon Oscar Sandner 1978:
"Sesam öffne dich: Concept Art, Minimal Art, Land Art, mit diesen
Kategorien wird die Fahndung nach G.B. nicht ganz gelingen. Die
Gegensätze berühren sich, der Konzeptkünstler will gleichzeitig
krude Faktizität", -um, über einen Diskurs über den "Betonporsche",
den der Automobil-Liebhaber Bechtold als Guss von seinem eigenen Porsche 911 im
Jahr 1971 herstellte, den fragenden Vorschlag zu bringen: "Sesam öffne dich: 'Konzept-Realismus'?"
Der hier exemplarisch für den "realen" Aspekt am
Werk Bechtolds erwähnte "Betonporsche" steht innerhalb des OEuvres des
Künstlers zugleich auch paradigmatisch für weitere zentrale Grundkomponenten seiner
Arbeit: Die Reflexion auf Veränderung und Massgeblichkeit von Ort und Zeit, verbunden
mit der Ambivalenz von Identität und Nicht-Identität. Der Betonporsche
nimmt daher den Rang eines Schlüsselwerkes ein, das
quasi an der Schnittstelle steht zwischen Bechtolds
frühen Arbeiten und den grossen, nicht selten monumentale oder doch "herkulische" Dimensionen annehmenden Projekte der letzten zwanzig Jahre.
Denn, in Ergänzung zu obengenannten Komponenten, ist das dem Betonporsche
immanente, fast zynisch instrumentalisierte, translozierende Element ebenso
wie der plastische Aspekt Teil vieler späterer Arbeiten.
Das trans- oder dislozierende Element, das sich etwa
zeitgleich auch in seinen Telephon- und Radioarbeiten
manifestiert, findet sich später in Form von laserstrahl-
oder computergesteuerten Installationen meist in Verbindung mit "greifbaren" plastischen, skulpturalen oder
architektonischen Elementen. Peter Weibel, der Bechtold in die Reihe jener
führenden Künstler stellt, die am Wandel des Skulpturbegriffes massgeblichen Anteil haben -
wie Buren, Graham oder Smithson - bringt beide
Elemente auf den Nenner:
"Wenn Bechtold die erprobten Verfahren und Erfahrungen der immateriellen Medien wie Isomorphie, Homomorphie, Selbstreferenz auf
klassische Materialien und Skulpturenobjekte überträgt, entstehen
perfekte Beispiele der neuen Skulptur
in der Epoche der elektronischen Immaterialität".
1996, 25 Jahre nach dem Betonporsche, entstand ein
zweiter Betonporsche. Ist er, wenn auch kein Abguss des
ersten, das Imitat einer eigenen, älteren Idee - die ihrerseits, als 1:1-Abguss eines
realen Objekts, Imitatcharakter hatte? Gottfried Bechtold gelingt es, ohne aufklärerischen Unterton
darauf hinzuweisen, dass Fragen dieser Art nicht richtig gestellt sind. Sein alter Porsche trägt
die Spuren eines 25-jährigen Ausgesetztseins im öffentlichen Raum. Graffities und Meisselschläge
(be-) zeichnen seine Oberfläche ebenso wie die natürlichen Spuren
der Verwitterung. In der Gegenüberstellung mit dem
neuen Objekt wird deutlich, das Dinge und Begriffe sich
mit der Zeit verwandeln, das der alte Betonporsche von
1971 mitsamt seiner assoziierbaren Begrifflichkeit heute
ein anderer ist und der neue ein anderer als der alte.
Und es wird dann auch klar, dass es hier nicht um die
Frage des Abbildens oder der Nachahmung gehen kann,
so wie es nicht mehr darum geht, "in Bildern Stellvertreter für
die wirkliche Welt zu sehen, sondern zu verstehen, welche Effekte
und Affekte Bilder in der Welt erzeugen" (Yve Lomax).
Wolfgang Fetz, Gerald Matt