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  • Anmerkung des Herausgebers: Honi soit qui mal y pense

  • Bildschirmflimmern in Platos Höhle

    © by Tassilo Blittersdorff 1994 & D.Kamper & Plato

    „Insofern wäre also zusammenfassend festzuhalten, daß Platon der Erfinder des Bildschirms ist.“ 1.)

    Platos Sprachspiel von den Schattenbildern auf der Rückwand der Höhle steht am Beginn vieler Versuche visuell Wahrnehmbares zu übertagen, er formulierte im Höhlengleichnis das erste Mal die Möglichkeit von Bildübertragung durch Projektion auf eine Wand. Die Rückwand der Höhle ist Bildschirm. Bilder entstehen dort durch:
    „die Schatten, welche das Feuer auf die ihnen gegenüberstehende Wand der Höhle wirft.“ 2.)

    Auch das natürliche Bildschirmflimmern, nämlich das Erzittern der Schatten, wenn ein gelegentlicher Luftzug das Feuer bewegt, eine von Plato gar nicht gesondert erwähnte Folge des offenen Feuers als Lichtquelle bei Schattenprojektionen, deutet darauf hin, daß die Höhlenwand ...
    „der Anfang des langen Vorlaufs ist, für eine Technik des Screens in unserer Zeit.“ 3.)

    die Höhe der Bildfrequenz ist bei Plato noch nicht festgelegt. Sein kompliziertes und weiträumig angelegtes Bildübertragungssystem funktionierte folgendermassen:
    „Licht aber haben sie von einem Feuer, welches von oben brennt. Zwischen dem Feuer und den Gefangenen geht obenher ein Weg, längs diesem ist eine Mauer aufgeführt wie die Schranken, welche die Gaukler vor den Zuschauern sich erbauen, über welche herüber sie ihre Kunststücke zeigen.“ 4.)

    Bildfrequenzen moderner Medien liegen durchschnittlich bei 18 -30 Bildern pro secunde. Zufällig vorübergehende, welche Gegenstände tragen, deren Schatten auf die Rückwand der Höhle fallen, bestimmen bei Plato die Anzahl der Bilder pro sec. Im Gegensatz zu den bewegten Bilderzeugern bleiben die Bildempfänger bewegungslos:
    „Sieh nämlich Menschen wie in einer unterirdischen, höhlenartigen Wohung, die einen gegen das Licht geöffneten Zugang längs der ganzen Höhle hat. In dieser seien sie von Kindheit an gefesselt an Hals und Schenkeln, so daß sie auf demselben Fleck bleiben und auch nur nach vorne sehen, den Kopf aber herumzudrehen der Fessel wegen nicht vermögend sind.“ 5.)

    Die Attraktivität des Bildschirms war so gross, dass sein Publikum ihn auch freiwillig nicht mehr verlassen hätte:
    „dass man auch nur versuche hinaufzukommen; sondern man müsse jeden, der sie lösen und hinaufbringen wollte, wenn man seiner nur habhaft werden und ihn umbringen könne, auch wirklich umbringen.“ 6.)

    Selbst extrem beengende Situationen werden durch Gewöhnung und visuelle Ablenkung erträglich bis angenehm empfunden. Der einfachste Bildschirm, ohne Farbe und Freiheit in der Wahl der Programme genügte Platos Gefangenen. Sie glaubten ausschließlich an die Bilder ihres screens:
    „Auf keine Weise also können diese irgend etwas anderes für das Wahre halten als die Schatten jener Kunstwerke.“ 7.)

    Gewöhnung hilft nicht nur bei Bewältigung schwieriger Situationen, sie ist auch ein wichtiges Instrument der Erkenntnis:
    „Gewöhnung also, meine ich, wird er nötig haben, um das Obere zu sehen. Und zuerst würde er Schatten am leichtesten erkennen, hernach die Bilder.“ 8.)

    Die Möglichkeiten des menschlichen Körpers bestimmen bei Plato noch die Wirkungskette Bilderzeuger- Bildvermittlung - Bildempfänger. Im Gegensatz dazu heute:
    „der menschliche Körper wurde in seiner Funktion als Bildproduzent von Maschinen abgelöst.“ 9.)

    Der körperbetonte Bildschirm der Höhle wurde aufgegeben, die Menschen, welche durch ihre Bewegungen Bilder erzeugten, durch Maschinen ersetzt. Es:
    „scheint so zu sein, daß eine Bewegung von den Körpern zu den technischen Medien stattgefunden hat, und dass das eine Transformation bedeutet, auch in der Erfahrung, im Umgang mit den Bildern.“ 10.)

    Der Mensch kann sich jetzt ganz auf seine Rolle als Zuschauer konzentrieren.
    Zur maschinellen Bilderzeugung fehlten Plato die technischen Möglichkeiten, doch verwendete er mechanische Hilfsmittel (Fesseln) um eine bewegungslose Bildbetrachtung zu garantieren. Ein Verlassen der geschützten Position in der Höhle hätte nicht nur beim Betrachten der Bilder gestört; es hätte noch weitere Gefahren bringen können:
    „so würde er bedenken, daß durch zweierlei und auf zweifache Weise das Gesicht gestört sein kann, wenn man aus dem Licht in Dunkelheit versetzt wird, und wenn aus der Dunkelheit in das Licht. Und ebenso, würde er denken, gehe es auch mit der Seele.“ 11.)

    Die ausschließliche Konzentration auf das Zuschauen kann, wenn Bilderzeugung und Bildvermittlung nicht mehr den menschlichen Betrachter belasten, sondern von hochentwickelten Maschinen geleistet werden, zu mediativen Höhepunkten führen:
    „Wenn die Außenbindung der menschlichen Erfahrung entfällt, bildet die Innenwelt eine unendliche Immanenz aus.“12.)

    1.) D.Kamper; Der andere Schauplatz d. Bilder, in: Bildmaschinen, Berlin 1990, p.76
    2.) Platon, Sämtl. Werke, Bd.2, Politea, Buch VII, Rowohlt, Reinbek 1994, p.420
    3.) D.Kamper, s.a.o p.76
    4.) Platon, s.a.o p.420
    5.) Platon, s.a.o p.420
    6.) Platon, s.a.o p.421 & 422
    7.) Platon, s.a.o p.421
    8.) Platon, s.a.o p.421
    9.) D.Kamper, s.a.o p.73
    10.) D.Kamper, s.a.o p.77
    11.) Platon, s.a.o p.424
    12.) D.Kamper, s.a.o p 80


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