Warum Franz Kafka lieber die Vienna Boat Show als die Vienna Bookfair besucht haette.

Ein Rundgang von Franz Krahberger










Ueber Buchmessen zu berichten, faellt mir nicht leicht. Welche Buecher sollte man auswaehlen ? Bleibt man an einem Buch haengen, geht's einem wie dem Biblothekar. Ueber der Lektuere eines Bandes vergisst er seine Arbeit und die Bibliothek.
Sollte man es so machen wie Denis Scheck in der Sendung Druckfrisch auf ARD, der miserable Buecher nach kurz wie schluessiger Verurteilung schlicht und einfach vom Foerderband weg in einen Container verwirft ? Es hat sich herausgestellt, dass eine derartige scheckische Vorrichtung in Wien nicht notwendig ist. Das Buchangebot ist passabel, die Verlage sind bemueht und in Richtung geschichtlicher Aufarbeitung ist einiges in Bewegung geraten und auf Schiene gestellt worden.

Voriges Jahr bin ich meiner Ratlosigkeit entgangen, in dem ich das neue Kochbuch von Sarah Wiener rezensierte.

Die Wener Buch Messe hat ihren neuen Platz im Messepalast. Das neue Gebaeude von Gustav Peichl steht ihr besser als der historistizistischen Saele des Rathauses. Die Messe ist entschieden ueberschaubarer, transparenter und lebendiger geworden. Die Misantrophen, die gemeint haben, da wuerden bloss wenig Leute hingehen, allein schon wegen des Eintrittes, muss ich enttaeuschen. Die Messe ist vergleichbar zu anderen Reedmessen ebenso gut besucht. Das ist auch am dritten Tag so gewesen. Das Publikumsinteresse ist gross, ueber das Angebot muss geredet werden. Die Besucherzahlen, die man im Rathaus hatte, wurden bei weitem nicht erreicht.

Doch der Fortschritt ist relativ. Die polnische Literaturagentin Aleksandra Markiewicz beklagte im Standard die "Verwechselbarkeit" der Veranstaltung, in dem Halle, Struktur und Praesentation der Staende zu sehr an andere große Messen erinnerten. Zudem fehlen einige namhafte Haeuser wie Suhrkamp oder Piper auf der Buch Wien. Die auftretenden AutorInnen sind gebunden an die vor Ort austellenden Verlage. So fehlen mit den grossen Haeusern die grossen Namen, es fehlen auf der Messe aber auch die interessanten Namen.

Auch ich hatte als erstes den von der Markiewicz genannten Frankfurter Erinnerungseffekt. Geviert reiht sich an Geviert, Koje an Koje, Leiste ueber Leiste und darauf Buch an Buch. Gelangweilte Verleger oder ihre Repraesentanten warten nervoes, bis ein bekanntes Gesicht auftaucht. An dieser klassischen Praesentationsform, die letztendlich muede macht, wurde nichts geaendert. Laenger als drei Stunden pro Tag halte ich es ohenhin nicht aus.
Ich habe heuer eine Reihe von Messen der Reed Messe AG besucht und muss feststellen, dass die ITnT, die Industrieautomatikhersteller und der Immobilienmarkt bedeutend attraktivere Messestaende zeigten, die sowohl grafisch wie raeumlich einfallsreich von professionellen Standdesignern gestaltet worden sind. Das ist eine Geldfrage. Selbst die Vienna Art blieb im Kojen und Salonkunst Format stecken.

450.000 Euro kostet das Ganze, erzaehlt Alexander Potyka, Praesident des oesterreichischen Buchhandelsverbandes. Aufzubringen durch die Aussteller, mittels der Eintrittsgelder, mittels Sponsoren und oeffentlicher Foerderer. 50.000 Euro, also ca. 10 % hat der Bund, das BMfUKK zugeschossen, die Gemeinde Wien wird einen erklecklichen Zuschuss geleistet haben.


Das Bundesministerium fuer Unterricht und Kunst praesentiert an seinem Stand zwei Studien. Eine zur Foerderung der Lesemotivation in Folge der PISA Studie und eine weitere ueber geschlechtssensible Lesefoerderung: Daten, Hintergruende und Foerderungsansaetze.
Tschechien, Ungarn, Serbien und Bulgarien sind mit offiziellen Staenden vertreten. Das Koenigreich Saudiarabien praesentiert das Ministery for Higher Education.
In der Standgestaltung ist mir die die Verwendung des Symbols fuer Kernenergie aufgefallen. Nach dem die Oel Resourcen, die Grundlage des immensen saudischen Reichtums, zu Ende geht, wollen sie offensichtlich auf Kernenergie umsteigen. Begehrlichkeiten nach Kernwaffen werden entschieden dementiert. Fuer den Fall der Faelle will man sich die friedliche Nutzung der Kernenergie erschliessen. Kein Problem bei soviel angehaeuftem Kapital. Bleibt die oekologische Frage.
S.H. Prinz Mansour Bin Khalid Frahan Al Saud und sein Berater in kulturellen Fragen, Noman Kidwah zeigen sich offensichtlich an guten kulturellen Beziehungen zu unserem Land interessiert. Die OPEC, die Organisation der erdoelfoerdernden arabischen Laender, sitzt seit den 70er Jahren in Wien, ohne sich jemals um kulturelle Beziehungen gekuemmert zu haben..




Neue digitale Medienkultur ist auf der Messe kaum vertreten. Blackbetty, Mobilbook und Hixbooks praesentieren elektronische Lesegeraete, digitale Bookdisplays. blackbetty mobilmedia praesentiert mobile Buchloesungen. Ansonsten ist das digitale Zeitalter weitgehend ausgeblendet. Die oesterreichische Print Branche gebaerdet sich wie der alleinige Gockel im breiten Spectrum aller Medien. Dieses Versaeumnis und diese latente Ignoranz werden sie in den naechsten zwei Dezenien zu spueren bekommen: Man kann auch mit einem Book Display ins Bett gehen. Dorothea Loecker von picus hat vor wenigen Jahren noch gemeint, man koenne mit einem Computer nicht ins Bett gehen. Das Problem ist geloest.






Der tschechische CDF CD- und DVD Hersteller offeriert seine Dienste.

Our company specialises in manufacturing optical storage media. We have been engaged in these activities since 1992 in a modern purpose built manufacturing/administration centre in Celákovice, a picturesque town with a strong industrial tradition in the highest technological sectors and situated only 15 km east of Prague.
Therefore, having acquired the best technology available for the required purpose, we expanded our production to DVDs in 2003. Thus we can now provide our customers with the best services, i.e. supplying DVD5, DVD9 and DVD10 of the highest possible quality, including mastering, replication and offset printing.



Einen interessanten Audio CD Verlag aus Dornbirn habe ich auf der Messe kennen gelernt. Die Unart Produktion. Auf vier CDs laesst sich Toarrabiierarisch (Dornbirnisch) nach der Grammatik der Dornbirner Mundart von Eugen Gabriel lernen. In der Serie Gauls Kinderlieder erscheint ein klingender Adventkalender und Lucia Mennel hat mit Parampampin Musik aus der Karibik fuer Kinder zusammen gestellt.








Nachdem ich ich in den letzten Tagen endlich die ausgezeichnete Biografie von Alois Prinz Auf der Schwelle zum Glueck - Die Lebensgeschichte des Franz Kafka, Suhrkamp, die ein Jahr lang im heimischen Buecherstappel auf Lektuere warten musste, gelesen habe, nahm ich mir vor, nach weiteren Publikationen ueber Kafka auf der Buchmesse zu sehen.


Tatsaechlich bin ich fuendig geworden. In der Serie Picus Lesereisen fand sich ein Band von Paul Kruntorad aus dem Jahr 2004 Kafka, das Schloss und die Schuhfabrik Der Rechtsanwalt Dr. Franz Kafka musste fuer die Arbeits Unfallsversicherungs Veranstalt des oefteren eine Dienstreise unternehmen, um Unternehmen nach sicherheitstechnischen Kriterien zu inspizieren und zu beraten. Kafka war offensichtlich nicht nur Jurist. Er muss gute technische Kenntnisse besessen haben, um die Arbeits- und Gesundheits Risken unter Produktionsbedingungen einschaetzen zu koennen.
Eine dieser Dienstreisen fuehrten Kafka nach Friedland. In diesem Ort liegt das Schloss Liblice, dass spaeter Kafka als Vorbild fuer seinen Roman Das Schloss gedient hat.


Paul Kruntorad, ein ausgezeichneter Kenner der Materie, bezieht sich in seinem Essay Kafka und der Prager Fruehling darauf, allerdings nicht in Kafka Exegese. Er schreibt ueber jenes beruehmte Treffen in Liblice 1963, initiiert vom Prager Germanistik Dozenten Alexjej Kusák, moderiert und durchgefuehrt von Eduard Goldstuecker, auf dem Ernst Fischer einen Freipass fuer Kafka forderte, und damit meinte, das Publikationsverbot fuer Kafka im realen Sozialismus aufzuheben. Aehnliches hatte Jean Paul Sartre kurz vorher auf einem internationalen Kongress in Moskau angeregt. Sartre forderte, so Kruntorad, die Entmilitarisierung der Kulturpolitik der kommunistischen Internationale und fuehrte als revisonsbeduerftiges Beispiel das militante Auftreten gegenueber dem Werk von Kafka vor.
1968 walzten die sowjetischen Panzer den Prager Fruehling, der zweifellos im Kontext zum Liblice Kongess, dem ein hoher Stellenwert sowohl im Osten wie im Westen einzuraeumen ist, gestanden hat, nieder. 1989 brach das sowjetische System auseinander.

Die politischen Standards der postsowjetischen Gesellschaft sind jedoch mit westeuropaeischen Vorstellungen und mit dem generellen Standard der Europaeischen Union nicht wirklich konvertibel. Das zeigt aktuell der Prozess gegen die Killer der russischen Journalistin und Regierungskritikerin Anna Politkowskaja, der nun doch unter Ausschluss der Oeffentlichkeit stattfindet. Was will man verbergen ?

Sie werden sich fragen, was dies mit der Buchmesse zu tun hat ? Die Reed Messeleitung und mit ihr der Partner Gemeinde Wien richten ihr Programm als Wirtschafts- und kulturelle Informationsdrehscheibe nach Osteuropa, nach der GUS und nach den Nachfolgestaaten aus.

Im Geschaeftsbereich mag die Pragmatik ausreichen. In der kulturellen Auseinandersetzung werden wir entschieden darauf achten, dass die europaeischen Standards der freien Meinungsbildung und der freien Ausuebung der Kuenste aller Art, die Freiheit der Presse und der Forschung in keiner Weise beeintraechtigt werden, und vor allem darauf schauen, dass die Qualitaet nicht allein geschaeftstuechtigen, doch konturlosen Opportunismus geopfert wird.

Franz Kafka haette sich im Spektakel der Wiener Buchmesse 2008, die neue Verbindungen in den Osten bewirken soll, nicht wohl gefuehlt. Alle Oeffentlichkeit und der offizielle Kultur- wie Literaturbetrieb waren ihm zutiefst zuwider. Jede Buchwoche ist ein Jahrmarkt literarischer Eitelkeiten, eine gut ausgeleuchtete Showbuehne des Literaturbetriebes, in Oesterreich nach wie vor eingebunden in das staatliche Foerderungswesen. Das haengt zusammen mit der Parteienherrschaft, die die Grundlage der 1. wie der 2.Republik kennzeichnet. Andererseits waere die oesterreichische Kunst- und Literaturszene inklusive ihres sozialen Versorgungsnetzes nicht existenzfaehig.

Der Berliner Verleger Kafkas Wolff sagte einmal zu Kafka, dass er einer der wenigen Autoren waere, die sich um den Verkauf ihrer Werke und um die oeffentliche Erscheinung ueberhaupt nicht kuemmerten.
Kafka bat seinen Freund Max Brod sogar, die unveroeffentlichten Manuskripte, darunter Der Prozess und das Schloss zu verbrennen. Brod hat dieses Vermaechtnis nicht erfuellt und so ist uns dieser wahrhafte Grossmeister der Weltliteratur erhalten geblieben.

Das Bundesministerium fuer Wissenschaft und Forschung hat den umfangreichen und schoen gestalteten Band von Hartmund Binder bei Rowohlt Hamburg Kafkas Welt in die Vorauswahl fuer das beste Wissenschaftsbuch des Jahres 2008 aufgenommen. Endgueltig abgestimmt ueber die Vergabe des Preises wird fuer alle zugaenglich on-line. Rowohlt war in Wien nicht vertreten, um die zu treffen muss ich nach Frankfurt fahren.

Schloss Liblice befand sich urspruenglich im Besitz des Herzogs von Friedland, Albert Wallenstein. Friedland diente in der Logistik des Krieggenerals als wesentlicher und zentraler Versorger. Wallenstein war nicht allein ein herausragender Militaer, er war auch ein geschickter und umsichtiger Unternehmer. Klaus Wagenbach hat dieses Besitzverhaeltnis in der dritten Auflage seines hervorragenden Fotobandes zu Kafka angemerkt. Die dem Schloss vorgelagerte Feintuch Fabriksanlage von Wilhelme Siegmund aus der Gruenderzeit verdeutlicht, dass die Region Friedland auch lange nach Wallenstein der bedeutendste Industriestandort von Boehmen und Maehren, spaeter Tschechoslowakei, CSSR, heute wieder Tschechien, gewesen ist. Kafka hat Friedland nicht aus sentimentalen Gruenden besucht. Er hatte fuer die Arbeiter Unfallversicherung , fuer die der Jurist beruflich taetig gewesen ist, den damals generell mangelhaften Sicherheitsstandard fuer Arbeiten in der Fabrikation festzustellen, Abhilfe zu empfehlen bzw. zu verlangen und so die Haeufigkeit von schweren Arbeitsunfaellen zu mindern und das Scbicksal der Arbeiter und Arbeiterinnen damit wesentlich zu verbessern.




Ich habe mich zeit meines Lebens mit grosser Literatur des 20.Jahrhunderts auseinander gesetzt, aber Respekt hatte ich und habe ich allein vor Franz Kafka.

So paradox es klingt, Kafka war fuer mich das Tor zum chassidischen Denken, das ich auch an Martin Buber bewundert habe. Georg Langer, die neun Tore, zaehlte zu Kafkas Freundeskreis. Wer Kafka kennt, weiss das diese spirituelle Ebene zu seinem Wesen gehoert und keinen unloesbaren Widerspruch darstellt.

Andererseits kann man Kafka auch voellig in seiner Schlichtheit als grossen Realisten, in dem sich die Anfaenge des 20.Jahrhunderts spiegeln, sehen. Auch so habe ich ihn gelesen. Was der KGB und die Stasi so an seiner Darstellung der fatalistischen Macht gefuerchtet hat, koennte durchaus aus Kafkas Kenntnis das K.u.K. Spitzelwesens und des kaiserlichen politischen Geheimdienstes entsprungen sein, aus deren Sicht, und nicht allein aus der seinen strengen Vaters, bewegte sich Kafka in hoechst dubiosen wie umstuerzlerischen Kreisen.

Dazu Alexjej Kusák:

Kafka erscheint mir als ungeheuer, monumentaler Realist des 20.Jahrhunderts, der es besser als viele der so genannten Realisten verstand, nicht nur Charaktere und Situationen zu erfassen und zu typsieren, sondern menschliche Beziehungen, das Teuflische dieser Welt, ihre Verunmenschlichung, aber auch die Gegenbewegung, den Protest, den Aufschrei, den zornerfuellten Schmerz fassbar zu machen

Die Divergenz in seinem Werk zwischen dem spirituellen, dem ueber oder ausserhalb der realen Welt Stehenden und der exakten Betrachtung der Wirklichkeit macht das Interesse und die Faszination aus, die ihm die Surrealisten entgegen gebracht haben.

Kafka waere der Spektakel der Buch Messe unertraeglich gewesen, und er haette sich, so wie ich nach getaner Arbeit, in die Vienna Boat Show verzogen, um da in Ruhe die Schoenheit der Motoryachten und der Segelboote zu geniessen. Kafka waere wahrscheinlich beeindruckt gewesen, und haette einen Artikel vergleichbar dem ueber die Aeroplane von Brescia verfasst.

Das Getue war ihm zuwider, obwohl er den Basistypus des Propaganda Events im Roman Amerika im Kapitel Das Naturtheater von Oklahoma treffend wie aufregend beschrieben hat.

Auf dem Rennplatz in Clayton wird heute von sechs Uhr frueh bis Mitternacht Personal fuer das Theater in Oklahoma aufgenommen! Das große Theater von Oklahoma ruft euch! Es ruft nur heute, nur einmal! Wer jetzt die Gelegenheit versaeumt, versaeumt sie für immer! Wer an seine Zukunft denkt, gehoert zu uns! Jeder ist willkommen! Wer Kuenstler werden will, melde sich! Wir sind das Theater, das jeden brauchen kann, jeden an seinem Ort! Wer sich fuer uns entschieden hat, den beglueckwuenschen wir gleich hier! Aber beeilt euch, damit ihr bis Mitternacht vorgelassen werdet! Um zwoelf Uhr wird alles geschlossen und nicht mehr geoeffnet! Verflucht sei, wer uns nicht glaubt! Auf nach Clayton!

Auch das kippt in die aktuelle Realitaet. Freitags, wie ich erfahren habe, wurde die kompetente Leiterin des Messe Hostessen Teams, die ich als zuvorkommende Persoenlichkeit wahr nehmen konnte, die immer im Interesse des Unternehmens und der Mitarbeiter gehandelt hat, aus heiterem Himmel nach 15 Jahren aus Einsparungsgruenden gefeuert. Die Dame ist 48 Jahre alt. Das entspricht Ablaufdatum und Deadline 50 ! Auch das gehoert zum Prinzip von Clayton.

Richard Pils, der Verleger der bibliothek der provinz ist mit der Messe unzufrieden. Sie sei weder eine echte Publikumsmesse, noch ein kulturpolitisches Bildungsprojekt, wie sie all die 60 Jahre im Rathaus konzipiert gewesen ist. Sie sei auch keine wahre Geschaeftsmesse. Fuer den Umgang mit Buchhaendlern sei sie viel zu spaet angesetzt worden. Das Weihnachtsgeschaeft in den Buchhandlungen sei laengst angelaufen und er bezweifelt, dass es durch die Messe noch zu weiteren Orders kommt. Naechstes Jahr will er nicht mehr teilnehmen.
Alexander picus Potyka bestreitet vehement diese durchaus berechtigte Kritik eines wirklich engagierten, wenn auch eigenwilligen Verlegers. Aber sie ist kaum zu entkraeften. Die Autoren, die am Beginn der Wertschoepfungskette stehen, haben in all diesen Fragen ohnehin nichts zu sagen.

Apropos, ein freier Journalist, der nicht mit Richard Pils gesprochen hat, sich aber in der Branche ausreichend auskennt, ist zu den selben Schluessen gekommen und hat mir das in der Presselounge mitgeteilt. Also da waere die Meinung dieses Mannes, die von Herrn Schaefer, die von Frau Markiewicz, die von Richard Pils und meine Erfahrungen in vier Messetagen. Ich will nun nicht auftischen, was mir sonst so noch erzaehlt worden ist. Der President Potyka und sein Team wird sich anstrengen muessen. Einfach ein neues Messekleid, das im wesentlichen Mindeststandard nicht erkennbar uebersteigt, reicht nicht aus, um der Sache zu einem echten Erfolg zu verhelfen.








Potyka antwortete mir auf meine Verteidigung der Kritik des Verlegers mit einem Bonmot von Ernst Broeselmayer Waldbrunn: Die Demokratie ist eine Demagogie.
Das kann man so oder so auslegen oder anders. Jetzt weiss ich, dass der Praesident des oesterreichischen Buchhandels ein ironisches Verhaeltnis zur Demokratie hat. Darin unterscheiden sich weder der Herr Strudel, der Herr Broeselmayer und der Herr Karl.



Ich haette die Kritik eines Teilnehmers, der seinen Stand cash bezahlt hat, ohne irgenwelche Foerderungsmittel zu beanspruchen, der zwar ein schwieriger, aber gerade deswegen ein origineller Verleger ist, nicht so kaltschnaeuzig abgetan. Wien ist nicht viel anders als Linz und Oberoesterreich, mit einem wesentlichen Unterschied, die Funktionaers- und Managerschicht hebt in Wien leichter ab, bis zur Bruchlandung in Folge.
Der vormalige Chef von Hoer Zu Oesterreich und Initiatior wie Gestalter der erfolgreichen Serie Leipzig liest, Theo Schaeffer haeltt den Termin ebenso fuer ungluecklich. Ansonsten zeigt er sich ueberrascht vom Publikumsandrang.

Kurz habe ich dem Vortrag einer jungen wie unerfahrenen Grazer Autorin zugehoert und zugesehen. Die Dame schlug seitenweise ihr Buch um, las jeweils einen bedeutungslosen Satz und blickt nach jedem Satz um so bedeutungsvoller in die spaerliche Hoererschaft, als ob sie Antwort und nickende Zustimmung einheischen wollte. Doch das Wiener Publikum ist so brav, laesst Lesungen schlicht als Tortur ueber sich ergehen, ohne lauthals Einspruch zu erheben. Man muss schon sehr gut sein, um mit ehrlichem wie spontanen Applaus rechnen zu koennen. Der Wiener murrt nicht, der Wiener schweigt. Zu raunzen beginnt er erst auf dem Heimweg.


Auf der Boot Schau hat der Verlag freytag & berndt seinen Stand. Seit Jahrzehnten kaufe ich meine Wander- und Strassenkarten, meine City Guides bei freytag & berndt ein. Der Verlag und das Geschaeft fuehrt ein grosses Angebot an Seekarten fuer die maritime Kuestenschiffahrt. So hat man mir freundlicherweise eine Carta di Navigazione Fluviale Venezia Rivera der Brenta- Fiume Sile zur Verfuegung gestellt. Der Kartenverlag fuehrt ausgezeichnete Lehrbuecher zur Navigation auf hoher See und hat ebenso gute Lernsoftware fuer die Nutzung von Sextanten, nautischen Messgeraeten und GPS gebundene Navigation im Angebot.



Ich habe nach dem Preis eines Bootes mit Woertherseenutzungsrecht gefragt. 375.000 Euronen. Das Boot kostet 75.000 Euro. Die Lizenz, auf dem Woerthersee zu fahren, kostet 300.000,-. Das ist einer der teuersten Kleingartenvereine der Welt, in dem man nur mit viel Geld und Beziehung hineinkommt. Erst dann, wenn ein Nutzer seine Lizenz zurueck legt. Aber auch da gibts Unterschiede. Die Horten betreibt eine kleine Schiffernakerl Flotte.

Die Saudis, die ihren Messestand auf der Bookfair haben, koennten sich das Ding plus Seenutzungsrecht auf dem Woerthersee im schoenen Kaernten jederzeit leisten, und noch zwei hochseetuechtige Jachten als Neujahrsgabe mitnehmen.


Im Pressecenter habe ich zwei israelische Journalisten kennen gelernt, die wegen der Viennaboat Show nach Wien gekommen sind. Warum ich Kafka mit der Boatshow und der Bookfair verbunden habe, haben sie nicht voellig verstanden. Die Bootshow haben sie toll gefunden, dafuer sind sie extra aus Haifa nach Wien geflogen. In die Buchmesse sind sie nicht gegangen, obwohl die Eintrittskarte fuer die Vienne Boat Zutritt zu beiden Messen beinhaltete. Umgekehrt, also von der Bookfair in die Boat Show musste man Aufzahlung leisten. Kafka haette das auf jeden Fall getan. So oder so, der Himmelsjaeger, der Jaeger Graccus braucht die Barke fuer seine unendlichen Reisen in die Unsterblichkeit. Das kann aber auch ein internetfaehiger PC sein.


Skeptisch bin ich ueber die osteuropaeischen Perspektiven. Die Sprachbarriere wird schwer zu ueberwinden sein. Der Osten kopiert im Moment den Westen. Warum sollten wir Ware nachgeahmter Qualitaet hinnehmen und zusaetzlich teuer subventionieren, wenn wir das hier ohnehin schon gehabt haben. Ich war in den 80 er Jahren wesentlich an Projekten zur Ostoeffnung beteiligt und habe selbst einiges entwickelt und erfolgreich in Szene gesetzt. Keine Kuenstlerfreundschaft aus dieser Zeit hat bis ins heute gehalten und die Inspiration ist alsbald verflogen. Die Kontake wurden alsbald von neuen Kulturfunktionaersseilschaften uebernommen. Es kann kein Zufall sein, dass sich der Wieser Verlag den Stand mit den Kultur Kontakten, eine offizielle Einrichtung der Republik, teilt. Beide organisieren den von der Bank Austria bezahlten Grossen Preis fuer Literatur aus dem Osten und Suedosten Europas. Die erste Gala des Bank Austria Literaris Preises ist am Donnerstag im Metro Kino ueber die Buehne gezogen worden. Den Preis erhielten die beiden slowakischen Autoren Agda Bavi Pain und Rudolf Jurolek..

Vieles ist wieder eingeschlafen und meine ungarischen Drehtueren Freunde haben sich geschwind nach Berlin und nach Paris orientiert. Der DAAD hat ihnen einfach mehr Geld bezahlt, als die Oesterreichische Republik jemals aufbringen haette koennen.Wozu auch ? Wir haben unseren Dienst erfolgreich getan. Eroeffnungen des Weges meinerseits nach Osteuropa mit Wegen der Selbstbehauptung Neue Slowenische Literatur im Wiener Kuenstlerhaus 1990 und GRENZZEICHEN Oeffnung > Neue Kunst aus Oesterreich und Ungarn 1984 in Eisenstadt unter der Patronanz der UNESCO, zwei Wege, die heute zu Hauptstrassen ausgebaut. Jetzt sollten wir uns um neue Projekt kuemmern und uns ueberlegen, ob nicht die ohnehin kargen Mittel besser zu investieren waeren, nach dem die meisten dieser Laender, Tschechien, Ungan, Slowenien usf. bereits Mitglied der europaeischen Union sind oder kurz vor dem Eintritt stehen.


Anlaesslich der Wiener Buchwoche hat sich meine Skepsis nicht loesen koennen. Es fehlen schlicht und einfach langfristige intellektuelle und wohl durchdachte Perspektiven. Das beliebige Titel und Themen Angebot der meisten Verlage wird das Kraut nicht fett machen, weder hueben noch drueben.

Eine Publikums Messe dient der Kommunikation zwischen Verlegern und ihrer Autoren mit den Messebesuchern. Die AutorInnen duerfen sich in den diversen Leseforen schlecht und recht praesentieren: Ich habe bloss am Stand von Pils eine Autorin angetroffen, Maria Eliskases, die sich der ladinischen Sprachgemeinschaft, ein Dialekt des Raetoromanischen, zuzaehlt. Suhrkamp etwa laesst regelmaessig ausgewaehlte juengere AutorInnen am Stand der Frankfurter Buchmesse Rede und Antwort stehen. Zumindest hat das Siegfried Unseld noch so gehalten. Selbst am Stand der IG AutorInnen habe ich abgesehen von Geschaeftsfuehrer Gerhard Ruiss keine KollegInnen vorgefunden. Woran wag das wohl liegen ?.

Es mag ohnehin sein, dass die Weltwirtschaftskrise aller weiteren Entwicklung den Garaus macht. Doch von Defaetismus und Pessimismus habe ich nie etwas gehalten. Man muss auch weiter machen, wenn das Wetter truegerisch ist. Dazu muss man allerdings anerkennen, dass die derzeitige Wetterlage nicht die allerbeste ist: Kein Segler kann auf hoher See umkehren, nur weil ein Sturm aufzieht und mit Gewissheit ueber das Schiff hereinbrechen wird. Soviel Selbstvertrauen muss man mitbringen, bevor man sich auf das wirklich grosse Abenteuer einlaesst.

Der paradox konservativ nihilistisch orientierte Karolinger Verlag bringt Joseph Comte de Maistres Abende in Petersburg heraus, die zuletzt 1823 erschienen sind. Von Ezra Pound werden im Band Maschinen Kunst und andere Schriften bislang unbekannte bzw. seltene Schriften vorgelegt. Kunst schuetzt vor Torheit nicht. Pound entpuppte sich mit seinen antisemtischen Propagandareden im im italienischen Rundfunk wahrend des 2.Weltkrieges als besonders Ekel.

Die Verleihung des Bollingen Mellon Preises für Lyrik 1949 an den wegen seiner öffentlich geaeusserten Sympathien für Hitler verfemten Ezra Pound koennte als Zeichen der paradoxen amerikanischen Vorgangsweise gewertet werden, die Quarantaene gegenüber den Nazis zugunsten des Antikommunismus aufzugeben. Pound sass zum Zeitpunkt der Verleihung des Preises in einer Haftanstalt für geistig unzurechnungsfaehige Straftaeter. Pound war der einzige Amerikaner gewesen, der von den USA wegen Hochverrats angeklagt und verurteilt worden war. Pound hatte während des Krieges im Auftrag des Ministeriums für Volkskultur in Mussolinis faschistischem Staatsrundfunk antiamerikanische Hetzreden im antisemitischen Jargon gehalten.In Hitlers "Mein Kampf" hat Pound eine scharfsichtige historische Analyse erkennen wollen. Das spricht gegen ihn. Andere waren ebenso anfaellig, Sven Hedin, Knud Hamsun, Antonin Artaud, Hans Kloepfer, Josef Weinheber, die Hoerbigers etc.usw.usf. James Joyce hat sich eine Ohrfeige von Nora Barnacle eingefangen, als er beim Fruehstueck Sympathien fuer Hitler geauessert hat. Das hat er dann bleiben lassen.

Der ungarische Kortina Verlag lockt mit einer Gespenstergeschichte aus den Karpaten. Das Gespenst von Podolin und bringt Tamas Jonas Zigeuner Portrait heraus. Nach der Niederschlagung des Ungarn Aufstandes schrieb der Journalist Sandor Fekete eine satrische Taschenenzyklopaedie, die erst jetzt Jahrzehnte spaeter veroffentlicht worden ist. Jetzt legt der Kortina Verlag die deutsche Uebersetzung vor.
Umgekehrt werden oesterreichische AutorInnen, so Alfred Kolleritsch, Lisa Mayer und Peter Waterhouse. in Ungarn verlegt. Apropos, das Podolinische Gespenst von Gyula Krudy muss gut sein. Meine lesebegierige Freundin, die durchaus literarischen Geschmack hat und auf unterhaltende Lektuere aus ist, hat das Buch binnen eines Tages am Stueck gelesen.

Der Metroverlag bietet Oskar Kokoschkas Erinnerungen Mein Leben in einem sorgfaeltig gedruckten Band an, mit der bekannten Federzeichnung von Karl Kraus, von dem Kokoschka gesagt hat, jener habe ihn wieder richtig sprechen gelehrt.
Der Bundesminister Johannes Hahn fuer Wissenschaft und Forschung bittet via Internet zur offenen Wahl der besten Buecher in den Kategorien Naturwissenschaft / Technik, Medizin/Gesundheit, Geistes-/Sozial-/Kulturwissenschaft und Junior Wissensbuecher. Ich habe meinen Favoriten bereits am Stand des Wissenschaftsministeriums entdeckt. Kafkas Welt, eine monumentale Bildbiographie zusammengestellt von Hartmut Binder, erchienen bei Rowohlt Hamburg 2008.

Von Franz Josef Czernin ist ein neuer Gedichtband erschienen. Das war jedoch fuer HANSER kein Anlass, den Band am Stand zu praesentieren. Was zaehlt schon Lyrik im weiten Feld des Printgeschaeftes. Den Rezensionsband hat mir freundlicherweise der Autor selbst zur Verfuegung gestellt. Der Verlag selbst erwies sich als knausrig.

Waltraud Seidlhofer hat im mitter/verlag Wels ebenso einen neuen Gedichteband herausgebracht. Passend zum Titel meiner Buchwochen Besprechung: Boote in den Museen

Der Berliner merve Verlag ist nach Wien gekommen. Der Verleger zeigte sich skeptisch, obwohl der Stand von merve, Verlag für Poststrukturalismus, Kunst, Esthetik, Ethik und Philosophie der neuen Technologien, den sich Weibel im ZKM doch nicht wunschgemaess einverleiben konnte, eine Bereicherung des Messeangebotes war und ein richtiger Schritt in die Zukunft ist.

Ich danke den Saudis und den Verlagen fur das umfangreiche Informationsmaterial und die Besprechungsexemplare, die mir freundlich und grosszuegig zur Verfuegung gestellt worden sind. Gelesen hat u.a. hat Erika Pluhar und Mundl Chef Ernst Hinterberger. Von Ernst Grandits - 3 sat - befragt wurde Professor Anton Pelinka. Zum Thema Papst und Teufel - Die Archive des Vatikans und das dritte Reich antwortete ihm Hubert Wolf. Frau Rachinger von der OENB wurde mit anderen in einem weiteren Format auf die Buehne gebeten.

on-line standard vom 24.11.2008

Wie wird man Buchmesse? Buch Wien: Ein Drittel der Besucher der Buchwoche

Wien - Am Sonntagabend ging die Buch Wien 08 im Messegelände zu Ende. 21.600 Besucher registrierten die Veranstalter in der Halle B. Nicht einmal ein Drittel jenes Publikums, das im Vorjahr zur 60. Buchwoche ins Rathaus gekommen war: Dort zählte man 65.000 Besucher. Im Unterschied zu den hohen Eintrittspreisen der Buch Wien war dort der Besuch gratis.

Knapp 5992 der in den Messehallen registrierten Eintritte waren zudem von der benachbarten Vienna Boat Show zu den Büchern hinübergewechselt - zur Erinnerung: Besucher der Vienna Boat Show erhielten ein Ticket, das gleichzeitig auch zum Besuch der Buch Wien ermächtigt. Umgekehrt ist das Ticket der Buch Wien nur gegen Aufpreis gültig für den Besuch der Vienna Boat Show.

Nur 15.608 Besucher machten sich folglich der Bücher wegen auf ins Pratergelände und zahlten Eintritt. Weitere 9500 besuchten die Veranstaltungen der Lesefestwoche. Skepsis überwiegt denn auch bei den Verlagen, zumal bei jenen, die aus den Bundesländern anreisten und teuer für Übernachtung und Standmiete zahlten.










































Hypertext ala Seidlhofer




Warum Hitler nicht auf den Index kam – Hubert Wolf knackt die Geheimnisse der vatikanischen Archive

In diesem meisterhaft geschriebenen Buch präsentiert Hubert Wolf überraschende Erkenntnisse aus den kürzlich geöffneten vatikanischen Archiven zum Verhältnis von Vatikan und Nationalsozialismus. Auf faszinierende Weise wird dabei die Gedankenwelt von Päpsten, Kardinälen und Bischöfen erkennbar, die sich in einem weltgeschichtlichen Kampf gegen das Böse sahen. Noch nie wurden die Hintergründe ihrer wichtigsten Entscheidungen und Manöver so fundiert und anschaulich dargestellt.
Der Umgang des Heiligen Stuhls mit Weimarer Republik und „Drittem Reich“ ist von Spekulationen und Mythen umrankt. Nach fast siebzig Jahren wurden endlich die entscheidenden Akten für die Zeit bis 1939 freigegeben. Damit werden erstmals die harten Kämpfe hinter den hohen Mauern des Vatikans sichtbar. Philosemiten und Antisemiten, geschmeidige Diplomaten und dogmatische Fundamentalisten, selbstbewußte Bischöfe vor Ort und mächtige Kardinäle in Rom rangen um den richtigen Umgang mit den Mächten der Moderne: Liberalismus, Kommunismus, Faschismus und Nationalsozialismus. Hubert Wolf erklärt, warum eine philosemitische Vereinigung aufgelöst, gleichzeitig aber der Antisemitismus verurteilt wurde, wie es 1933 zum Konkordat mit dem „Dritten Reich“ kam, warum Hitlers „Mein Kampf“ nicht verboten wurde und wie es sich mit dem päpstlichen „Schweigen“ zur Judenverfolgung verhält.

















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