Fotografiert von Marie Mackenroth
Gleisdreieck Berlin







Wundersames Gleisdreieck

© Marie Mackenroth

In Berlin, zwischen den Bezirken Kreuzberg, Schöneberg und Tiergarten, gibt es eine sehr große Fläche, um die seit Jahrzehnten politisch und praktisch gestritten wird. Es handelt sich um das Betriebsgelände des Anhalter Bahnhofs, das Gleisdreieck. Der Bahnhof entstand im 19. Jahrhundert und bildete mit anderen angrenzenden Bahnhöfen und sehr umfangreichem Schienenwerk, Betriebshöfen und vielfältigen Anlagen ein gewaltiges Technik-Dreieck. Sogar der große Joseph Roth wurde davon im Jahr 1924 zu einem Text verleitet, in dem ihm die Technik zu einer Art übermenschlicher Kraft verrutschte die von den Menschen nur noch Bekenntnis zu ihr und Unterwerfung unter sie zu verlangen hatte. Es war der Zeitgeist, der da offenbar besonders heftig wehte.

Dass seit dem Mauerfall immer noch nicht über die Verwendung des großen Bereichs mitten in Berlin entschieden wurde, lag vor allem daran, dass von Anfang an zu mannigfache politische und gesellschaftliche Kräfte ganz ungleiche Vorstellungen von der Entwicklung der großen städtischen Freifläche hatten. Frei wurde die große Stadtfläche vor allem deshalb, weil die Bahnanlagen in neuerer Zeit nur noch einen Bruchteil des Geländes brauchten. Begehrliche Spekulanten versprachen sich natürlich Bauland, Bürgerinitiativen verschiedenster Art hatten unterschiedliche Vorstellungen von der Erhaltung des Geländes als Grünfläche. Gegen eine "moderne" Parkanlage bildeten sich Initiativen, die vor allem auch den Baum- und Pflanzenbestand erhalten wollten, der sich in Jahrzehnten ungeschützten Wachstums da inzwischen gebildet hatte.

Diese "ruderal" genannten Pflanzengemeinschaften sind in jeder Hinsicht von großem Reiz. Ruderal wird im Lexikon ein Biotop genannt, das von Menschen geschaffen wurde, also nicht "natürlich" wuchs. Der Bewuchs einer Schutthalde gilt als Beispiel. Bei einem Teil der Fläche kann man von ruderalem Bewuchs reden. Während der Bauzeit im 19. Jahrhundert musste der Baugrund weitflächig um vier Meter aufgeschüttet werden, teilweise sogar um acht Meter. Die Pflanzenwelt passte sich wie überall den gegebenen Bedingungen an. Sie schickte diejenigen Arten ins Rennen, die dem neuen Grund buchstäblich gewachsen waren. Unsere menschliche Geschichte gab den Pflanzen genügend Zeit, sich zu entwickeln, neue Allianzen zu bilden, ihre Einflussgebiete zu erweitern. Angrenzende Gebiete mit "normalem" Pflanzenbewuchs vereinten sich zum Teil mit den Zugezogenen. Es kamen aber auch neue Einflüsse dazu: Der Fernverkehr brachte gelegentlich Neuankömmlinge und Vögel taten auch ihren Teil dazu. Es ist sehr verständlich, dass es Initiativen und Künstler gibt, die gerade diese Pflanzenwelt in einem neuzeitlichen Park erhalten haben möchten. Da ist ein Schatz zu bewahren, der es wert ist.

www.berlin-gleisdreieck.de


·^·