Mind Expand im Museum Moderner Kunst


Eine erweiterte Ausstellungsbetrachung von Franz Krahberger



Das Museum Moderner Kunst erinnert mit der Ausstellung Mindexpanders Performative Koerper - utopische Architekturen um 1968 an das Jahr der Revolte.

Die Schau wurde vom Direktor des Museums Edelbert Koeb und von den Co-Kuratoren Rainer Fuchs und Tina Lipsky geschickt wie kenntnisvoll zusammengestellt und vermittelt passendes Zeitgefuehl wie ein gueltiges Zeitbild. Die Exponate haben hohen Erinnerungswert fuer alle jene, die damals die Wiener Kunst- und Subkulturszene bildeten. Abgesehen vom Wiener Aktionismus und von der Wiener Gruppe, die zum Standardwerk dieser Zeit wie auch der Museumssammlung zaehlen, wird die Bedeutung der Wiener Architekten im damals utopischen Diskurs in Szene gesetzt.
Fruehe Arbeiten von Hans Hollein, die sowohl archaische Assoziationen wie auch Eindruecke einer militaerisch geordneten Architektur erwecken, koennen heute als Signaturen des Kalten Krieges gewertet werden. Hollein liess sich damals von Christian Skrein als GI mit US Army Helm und Sonnenbrillen ablichten. So haette er in jedem Hollywoodfilm ueber den Vietnamkrieg, der damals zu grossen Protesten in der Neuen Linken gefuehrt hat, und das ausloesende Moment langjaehriger Demonstrationen und Auseinandersetzungen auf den Strassen der europaeischen Metropolen gewesen ist, posieren koennen.
Formal aesthetische Analogien zu Hollein finden sich sich bei Walter Pichler und spaet bei Raimund Abraham in dessen Bau des Oesterreichischen Kulturzentrums in New York. Wer da wenn mehr beeinflusst hat, laesst sich heute nicht mehr herausfinden. Hollein hat erstmals in Oesterreich Architektur als frei zu formende Skulptur angesehen, ein Konzept das ebenso fuer Coop Himmelblau wegweisend war.

Tatsaechlich hatte die lockere Gruppe um Hollein und Pichler einen an die Navy erinnernden Spitznamen. Man nannte sie die Englische Flotte. Vordergruendig weil sie in einem Modegeschaeft gleichen Namens feine britische Kleidung einkauften und bestens gesackelt herumliefen. Da duerfte auch das Dandy Image, das H.C. Artmann bereits mehr als Jahrzehnt zuvor propagiert hatte, eine Rolle gespielt haben. Es duerfte kein Zufall gewesen sein, dass Hollein zu ersteinmal zwei Boutiquen in bester Wiener Geschaeftslage gebaut hat. Das waren damals die Sensationen der Stadt und wirklich gute und grosse internationale Architektur konnte man damals in Wien nur sehen, wenn man sich beim Prachner auf der Kaerntnerstrasse entsprechende Fachliteratur besorgte.
Immerhin, fuer das Design des kleinen Kerzengeschaeftes Retti auf dem Kohlmarkt bekam Hollein 1966 auf Anhieb den renommierten Reynolds Award.


Hollein und Pichler 1963 in der Galerie St.Stefan


Gemeinsam mit dem Kuenstler Walter Pichler war Hollein das Interesse an der skulpturalen Architektur. Beide entwickelten 1967 die pneumatischen Gebilde, aufblasbare Gehaeuse als demonstrativer Formulierungen leichter, provisorischer, transportabler Environments. Das Thema der inflatable structures, die etwa zeitgleich in Amerika von Ant Farm entwickelt wurden, wird in Oesterreich von Haus Rucker Co und Coop Himmelb(l)bau weitergedacht.
Joerg Wolfert im Folder zur Ausstellungsebene 3.

Diese inflatable Structures wurden von Peter Weibel in seiner Grazer Nomadologie erneut aufgenommen, sie dienten hier vor allem der Anreicherung des Kulturfestivals Steirischer Herbst
Die Idee der wandernden Stadt wurde von der amerikanischen Gruppe Ant Farm vertreten, die beeinflusst von Buckminster Fuller Architekturen zum Selbermachen entwickelten.


Die Motivation der Gruppe aus Umweltschuetzern, Kuenstlern, Designern, Bauhandwerkern, Schauspielern und Hippies bestand darin, die Umwelt durch totale Veraenderung der sozialen und oekonomischen Systeme retten zu wollen. Die Gruppe war eher eine Kommune, die mit ihren nomadischen Visionen ein neues Weltbild verwirklichen wollte. Die Verwendung der kissenaehnlichen aufblasbaren Strukturen - die tatsaechlich realisiert wurden- waren daher Events, Manifestationen oder Rockkonzerte. Joerg Wolfert ebenda.

Zu wirklich dauerhaften internationalem Erfolg und Praesenz hat sich das Projekt Coop Himmelb(l)au entwickelt, ein Erfolg, der vor allem von Wolf D. Prix auf die Spitze getrieben worden ist. Damals experimentierten sie mit Objekten aufblasbarer mobiler Architektur . Heute fertigt Prix Repraesentationsarchitektur im internationalem Masstab und globaler Verbreitung. Mit ausgekluegelter Statik und moderner Metallskelett Bauweise und einer ganzen Menge Glas versucht er immer wieder der Schwerkraft ein Schnippchen zu schlagen, die zu atemberaubenden Ansichten , Aus- und Einblicken fuehren. Prixens Architektur. Die Funktionalitaet seiner Architektur wird jedoch hin- und wieder kritisch hinterfragt.




Ebenso Vertreter der skulpturalen Architektur sind Guenter Domenig ( siehe auch sein Steinhaus am Millstaetter See) und Eilfried Huth: Sie zeigen das Exponat Ueberbauung Stadt Ragnitz, die an Raumfahrtarchitektur erinnert. Es darf angenommen werden, dass die NASA Entwuerfe und die utopischen Visionen von kuenstlichen Raumkoerpern ebenso die Phantasie der jungen Architekten und Kuenstler angeregt haben, vor allem die Losloesung der Architektur aus der Stabiltas Locis, aus der unabdingbaren Verortung die Herausforderung gewesen ist..


Walter Pichler hat den ultimativen TV-Helm entworfen, und zeigte damit damit einen der ersten Beitraege zur Medienkunst. Der TV Konsument wird damit voellig von der Aussenwelt isoliert und nimmt die Welt nur mehr via Monitor wahr. Pichler schuf damit den passenden skulpturalen Ausdruck fuer den Masseneremiten, wie ihn Guenter Anders konstatiert hat. Der einzelne, in der Masse isolierte Mensch, abgeschottet von den Mitmenschen durch Massentechnologie, die auf den Eigenbedarf zugeschnitten ist. Eine Erfahrung, die mehr denn je zutrifft. Der Monitor ist uns zum Fenster zur Welt geworden, in Form des TV- und des PC Zuganges, wie der Spielekonsole und deren Display. Das Tafelbild ist so gesehen eine Raritaet geworden. Uber den Monitor hat sich die Vision Walter Benjamins der Kunst im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit erfuellt und ist weit darueber hinaus gelangt, hat expandiert. Das haben einige der Exponenten der Ausstellung damals sowohl intuitiv wie auch analytisch erkannt. Medienkunst ist zur global vernetzten Medienkultur expandiert. Perspektiven, die sich in den magischen Kanaelen von Marshall Mc Luhan, bereits Ende der 60 er Jahre ein Kultautor, abgezeichnet haben, die eine weitere Expansion mit dem PC und dessen globaler Vernetzung in Form des Internets erreicht haben. Expansion kann auch als Faehigkeit angesehen werden, die menschlichen Sinne durch Technologien auszuweiten. Zum Bespiel eben fern sehen, fern hoeren, mit unbemannter Raumfahrt das Universum ausloten, andere Planeten beruehren.

Bemerkenswert das Motto Hans Holleins: Jeder ist ein Architekt, alles ist Architektur Eine Ansicht, die er mit Joseph Beuys teilte. Die wirkliche Bedeutung darin liegt, dass die Kunst um und vor 1968 von einer allgemeinen Emanzipation ausgegangen ist, in der jede und jeder ihre eigene Kreativitaet entwickeln konnte, ob die nun qualitativ wertvoll war, oder nicht. Damit waren aber auch die Kunst ins Volk Konzepte obsolet geworden. Am wenigsten begriff die neue Entwicklung die organisierte Linke. Die verordnete Staats- und humanistische Gymasialkultur war ohnehin allen zuwider geworden. Das Genie ging in den Massen auf. Das bedeutet nicht, dass auch die Individualitaet den Massen geopfert werden musste. Im Gegenteil, die Szene wurden von betont selbstbewussten Personen gebildet, deren Selbstverstaendnis in provokative Dominanz wechseln konnte.

Missing Link mit Angelika Hareiter, Otto Kapfinger und Adolf Krischanitz , erweiterten in bewussten Grenzüberschreitungen mit künstlerischen Objekten, Graphiken, Aktionen, Performances, Experimentalfilmen das Repertoire der Architektur. Die fruehen Aktionen von Missing Link kann man als Eroberung des oeffentlichen Raumes mit einfachen Mitteln der Aktion ansehen.

Diese fuer die Zeit charakteristische interdisziplinaere Orientierung zeigte sich ebenso in der Strukturierung der als Gegenorganisation zum konservativen oesterreichischen PEN gegruendeten Grazer Autorenversammlung, in der Filmemacher, Fotografen, Kuenstler die mit Neuen Medien experimentierten und Musiker Aufnahme fanden. Allerdings erwies sich die oesterreichische Literatur weitgehend resistent gegen die neue Sichtweise.
Die Ausstellung zeigt eine Fotodokumentation des Literarischen Kabaretts Ende der 50 Jahre. Gerhard Ruehm, dessen Werk neu gesichtet werden sollte, und Oswald Wiener zertruemmerten ein Klavier. Der spaetere Architekturkritiker Friedrich Achleitner bot Achleitner Quargel feil. Tatsaechlich wird allein dieses Exponat der Bedeutung der Wiener Gruppe nicht gerecht. 1968 spielten sie als Gruppe keine Rolle mehr. Viele junge Kuenstler dieser Tage waren jedoch davon stark beeindruckt und beeinflusst.

Der Titel der Ausstellung leitet sich her von einem Objekt der Hausrucker Co, die von Ortner und Pinter gegruendet worden war, vom Mind Expander, eine Sitzschale fuer zwei Personen mit einer helmartigen Halbkugel mit Visier, die über die Köpfe der beiden Sitzenden gekippt wird. Der Schmusehelm fuer zwei. Laurids und Manfred Ortner planten den Neubau des Museums Moderner Kunst im Museumsquartier.


Der Begriff Mind Expand, der eigentlich die Erweiterung des Bewusstseins meint, zaehlte damals zu einflussreichsten Code Woertern der internationalen Szene, bevor er im deutschen Sprachraum durch den Begriff der gesellschaeflichen Veraenderung Platz gemacht hat. Der Code Mind Expand stand aber ebenso fuer die rapid um sich greifende Drogenkultur, die noch keine Junkie Szene gewesen ist, in der LSD, Mescalin und Cannabis ausprobiert worden ist. Ich spreche nicht von Drogenmissbrauch und Sucht. Aber das Experiment und die Erfahrung mit Drogen gehoerte einfach zur schoenen neuen Welt. Arnulf Rainer experimentierte sogar unter aerztlicher Aufsicht mit LSD. Timothy Leary war der Prophet und die Rockmusiker der Woodstockgeneration waren die Propagandisten. Das war eigentlich der Ausloeser der Esoterikwelle, die die Welt heute noch gefangen haelt. Psychedelic Media Art taucht in Oesterreich eigentlich nur in Form von Werbeplakaten der Musicszene auf. High sein, dabei sein, frei sein…. Das hat sich jedoch alsbald als Irrlauf herausgestellt.
Die Disco hatte den Jazzclub abgeloest und wurde zum fixen Bestandteil der neuen Kulturszene. Der Schluesselclub Vanilla ist Legende. Was fuer Handke in Graz die Jukebox gewesen ist, war fuer die Wiener Szene das ebenso legendaere Voom Voom mit DJ Lippy, Weltmeister im Plattenauflegen. Permanent Free Body Performing. Die Stones, die Beatles und Jimmy Hendrix hatten Kultstatus. Dagegen kamen die komplizierten Neutoener nicht an. Die Rolling Stones beherrschen heute noch mit dem androgynen Frontman Mick Jagger das Megakonzert Geschaeft in globalem Massstab.

Die britische Gruppe Archigram, eine Fuegung aus den Begriffen telegram und architecture, die auch die oesterreichische Szene beeindruckten, betonte vor allem den kommunikativen Charakter der Architektur. Diese Sehweise kehrte umgekehrt im avancierten Neuen Medien Diskurs in den 90er Jahren wieder, in dem von Netzarchitekturen als Kommunikationsstruktur gesprochen wurde.
Die Archigrams setzten sich eingehend mit der Sprache der amerikanischen Pop Art und deren oeffentlichen Strategien auseinander.


Naturgemaess kann in einer oesterreichischen Ausstellung der Wiener Aktionismus nicht weggelassen werden. In der Rueckschau wirkt er wie finstere archaische Rituale , indem offensichtlich instrumentalisierte sadomasochistische Doppelbindungen als Mittel der Provokation und der Irritation eingesetzt worden sind, etwa bei Brus, Schwarzkogler und Muehl. Erkenntlich wird dies auch bei Valie Export, etwa in ihrer Aktion mit Peter Weibel, in der Weibel auf allen Vieren an der Leine von der Kaerntner Strasse in die Galerie Sankt Stefan laufen musste. Auf den Fotos ist der triumphierende Gesichtsausdruck der Export ueber den Mann und Partner Weibel unuebersehbar.

Das zeugt keineswegs von Emanzipation, wenn man die vermeintlichen Unterdrueckungsmechanismen des Geschlechteralltags schlicht umdreht, im uebrigen von der Jelinek und der Streeruwitz in deren Texte bis zu gaehnender Ermuedung ausgewalzt.
Sowohl bei der Export wie auch in der Muehl Kommune spielte die sexuelle Revolution eine Rolle, etwa im Film Unsichtbare Gegner. Anstelle des mueden Oswald Kolle trat Wilhelm Reich, und die Gier nach dem funktionierenden Orgasmus machte die Angelegenheit zu einem oeffentlichen, alle Gesellschaftsschichten erfassenden Begehren. Beides erhoehte den Umsatz von Beate Uhse und schuf die Grundlagen fuer eine permanent expandierende Sex Industrie. Make Love, not War. Die Export sorgte fuer eine spezielle Wiener Variante. Sie liess ein Plakat von sich in den Szenelokalen achiffieren, dass sie mit offener Jean und hervorquellenden Schamhaaren zeigte, in der linken Hand hielt sie eine Maschinen Pistole, einige Jahre bevor die Sex Pistols den Zusammenhang von Sex und Gewalt vermarkteten. Mit ihrem Taps und Greif Kino, eine Aktion an der Strassenecke, die in der Ausstellung zu sehen ist, schaffte sie es in Muenchen gleich in die BILD Zeitung.
Sex sells. Die Berliner Love Parade, von RTL meist live uebertragen, wurde von Jacques Lang, dem Kultusminister von Francois Mitterand, extra in Paris implantiert und Kesslers Life Ball im Wiener Rathaus zaehlt heute zu den High Lights der Wienwerbung. Eine ganze Menge von Subkultur Ideen aus dem 68er Jahr haben heute Massenstatus.

Der selbstquaelerische Autismus von Brus, Schwarzkogler, aber auch in den Koerperaktionen der Export zeigt eine Gebrochenheit der oesterreichischen Kunst zu einer freien, selbstbestimmten sinnlichen Koerperlichkeit. Auf mich wirkte der Aktionismus nie expanded, nicht befreiend , sondern immer repressiv als geplante Tortur der negativen Belehrung, als eine Fortsetzung von Kunst und Kultur als Mittel der Zuechtigung, obwohl sie staendig behauptet haben, genau dagegen ihre Kritik zu richten.

Dazu passend die Performances der serbischen Kuenstlerin Marina Abramovic, deren Arbeit als part of Expanded ausgestellt wird. Da werden quaelende Grenzueberschreitungen durchgezogen, in denen kein Gefuehl der Befreiung entstehen kann.

Otto Muell, den meisten Menschen als Provokateur und zuegelloser Sexist bekannt, galt in Insiderkreisen immer als repressiver Charakter. Irgendwann hat er das Vorbild seiner Koerpermalaktionen genannt. Es waren die Leichen amerikanischer und deutscher Soldaten, die von den Panzern in der Ardennenoffensive, sozusagen im letzten Aufgebot im frisch gefallenen Schnee in den feuchten Boden eingemantscht worden sind. Muell hat einen Hang zur formalen Brutalitaet.

Die Aktionisten haben sich nie auf das intellektuelle Niveau der Architekten begeben, haben das sogar bewusst vermieden. Ihre Spielform ist das Primitive, verkleidet als dyonisischer Exzess.

Expanded Minds allgemein gedacht hingegen war eine neue Form der Utopie in ihrem besten Sinn, die sowohl auf Befreiung von repressiven Verhaltensmustern wie auf Erweiterung des Formenkanons und nicht auf dessen Zerstoerung aus gewesen ist.

Oswald Wiener setzte hin und wieder gerne auf das Banale. So findet sich in der Ausstellung die Gruendungsdokumente des Veranstaltungsvereins Die Zeugen und des Wiener Mickey Mouse Fan Clubs Flakturm mit den Mitgliedern Dominik Steiger, Reinhard Priessnitz, Oswald Wiener, Kurt Kalb und der Witwe Konrad Bayers, Traudl Bayer. Kurt Kalb ist da mit einer Tafel zu sehen, auf der steht: Der Filosof ist doof und Reinhard Priessnitz kalauert Die Philosophie ist ein Gurkerl im Knie. Andererseits konnte man sich in diesen Kreisen nicht bewegen, ohne zumindest einen Band Freud und einen von Wittgenstein gelesen zu haben. Oswald Wiener hat seine Wirtshausfans und Cafehausrunden mit einer umfangreichen Leseliste in seiner Verbesserung von Mitteleuropa des Buches schlicht eingeschuechtert. Wiener scheint der subversivste Charakter der Wiener Gruppe gewesen zu sein. Weder Artmann, noch Ruehm, Achleitner schon gar nicht verfuegte ueber dessen anarchistisches Potential und der frueh verstorbene Konrad Bayer war wohl eher ein Romantiker mit surrealen Phantasien gewesen. 1968 bereiteten Oswald Wiener, Otto Muehl, Peter Weibel, Guenter Brus und weitere Akteure mit dem Programm Kunst und Revolution der 2. Republik den groessten Kulturskandal auf Hochschulboden im Hoersaal 1 des Neuen Institutsgebaeudes der Universitaet Wien und brachten damit auf einen Schlag die Studentenbewegung in Verruf. Frei nach der Verszeile scheissen und brunzen sein kunsten von Konrad Bayer. Wieder nicht expanded, sondern eben bloss verschiessen. Robert Schindel empfahl laut Express eine Wiederholung im Wiener Dom. Drei der Akteure, Wiener, Muehl und Brus mussten das Land verlassen. Wiener ging nach Berlin ins Exil und wurde Wirt. Brus und Wiener erhielten Jahrzehnte danach den grossen Staatspreis der Republik. Mit der gleichnamigen Schrift von Leo Trotzki hatte die Aktion nichts zu tun. Oesterreichische Subversion laesst sich nicht definieren. Am ehesten triffts noch zu mit die Sau raus lassen oder mit dem Arsch ins Gsicht fahren. Ein Sprachkanon, der der Wiener Gruppe bestens bekannt gewesen ist, beschaeftigte sie sich doch lange Jahre mit dem Wiener Slang in seiner deftigsten Form, bemueht um dessen literarische Verwertung. An anderer Stelle habe ich Alfred Hrdlicka mit der erfolgreichen TV Figur Mundl verglichen. Die Wiener Gruppe wusste bereits lange vorher ueber die Publikumswirksamkeit des Wiener Slangs Bescheid. Das hat wahrscheinlich zu ihrem Erfolg entscheidend beigetragen. Sie waren aber so schlau, dem ganzen eine avantgardistische Verfassung zu verleihen. Der totalitaere Staatspraktiker Joseph von Sonnenfels hatte bereits im Namen der josefinischen Aufklaerung und im Sinne der Neuberin in seiner Schrift von der Polizeywissenschaft dem Wiener Kasperl das scharfe Mundwerk auf der Buehne untersagt und ist ihm maechtig uebers Maul gefahren. Doch der Kasperl ist ein langlebiges Stehaufmanderl.
Es sei noch erwaehnt, dass nicht allein Wilhelm Reichs Orgasmus und Orgontheorie, sondern die Mutzenbacher von Felix Salten zu den 68 er Kultbuechern zaehlte. Salten hat andererseits das Bambi, nachdem heute noch der deutsche Filmpreis heisst, verfasst. Soviel zur Wiener Ambivalenz, dessen ausgschamte Doppelbindungen von Kuenstlern immer wieder geschickt genutzt worden sind. Das entspricht in etwa der Formel: Koid und woam in oan Die intelligent verpackte Zotte ist des Wieners liebstes Kind.


Die neueren Maler, und damit meine ich nicht die juengeren stehen dem Experiment und der Utopie gleichgueltig gegenueber. Sie interessiert vor allem der Kunstmarkt. Frei nach Lioba Redekker, die den Kunstladen von Red Bull Mateschitz im Salzburger Hangar Sieben schmeisst. Sie verlangt ihren Kuenstlern vor allem Figuratives ab, weil wir keine Lust haben, unserem Publikum schon beim Eingang zu erklären, dass es sich hierbei um Kunst handelt und nicht um irgendwelche abstrakten Gegenstände der technischen Einrichtung.
Das nennt man perfekte Anpassung an den Salzbuerger Publikumsgeschmack und an die Vorstellungen eines flotten Kunsthandels. So schlicht kann nur jemand denken, der viel Geld hat, oder von viel Geld gehalten wird. Fragt sich bloss, mit welcher Kompetenz die Dame die Basis Wien leitet und geleitet hat.

Eines macht die Ausstellung Expanded Minds deutlich. Den wirklich bedeutenden Beitrag der Oesterreicher in der zweiten Haelfte des 20. und zu Beginn des 21.Jahrhunderts zur internationalen Kunst haben die Architekten mit ihrem Lebenswerk erbracht. Es laesst sich Entwicklung von ihren ersten avangardistischen Ansaetzen bis zum heutigen Erfolg erkennen. Der Aktionismus ist schon laengere Zeit ein Kuriosa, das bloss nur mehr durch politischen Streit kuenstlich am Leben gehalten worden ist. In diesem Streit hat die Sozialdemokratie alle Ansaetze einer vernuenftigen Kulturpolitik restlos verloren. Eines ist gewiss, das schlimmste und das langweiligste sind die Epigonen, die auch dann noch weiter machen, wenn das meiste ausgeschoepft und aller Reiz verflogen ist.

Eine aktuelle Uberblendung zwischen den Zeiten muss ich erwaehnen. Der Cover des Folders der Ebene 1 zeigt eine Aktion des tschechischen Kuenstlers Jiri Kovanda im Prag von 1976, die ich als Reminiszenz an die Niederschlagung der Bewegung des Prager Fruehlings im August 1968 deute.
Die russischen Panzer rollen wieder, diesmal in Georgien. Jetzt geht es jedoch nicht mehr um Ideologie, sondern ums pure Oel.
Ich erwaehne den Prager Kontext ausdruecklich, der Prager August gehoert zum Jahre 1968 wie der Pariser Mai. Beide Ereignisse waren bestimmend fuer die politische Athmosphaere, in der sich die Expansionen der Freiheit und der Meinung abgespielt haben.
Es hat zwar nichts mit dieser Ausstellung und diesem Text zu tun. Es sei trotzdem angemerkt. Moskau/New York - Der Georgien-Konflikt hat für Russland wirtschaftliche Folgen. Ausländische Geldgeber treten derzeit die Massenflucht an, berichtet die "Financial Times". Demnach ist der Kapitalabfluss so stark, wie zuletzt während der Rubelkrise 1998.


Fotonachweis: Haus-Rucker-Co, Mind Expander II, 1969 Foto: MUMOK, Lisa Rastl

Günther Domenig/Eilfried Huth Stadt Ragnitz, 1965-1969 Foto: Archiv Günther Domenig, Graz

Archigram (Ron Herron) Trondheim Theatre, 1969 Foto: MUMOK, Lisa Rastl

Ant Farm Enviroman, 1969 Foto: MUMOK, Lisa Rastl





Medienbaustein


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