Kunst im Zeitalter der Globalisierung
30 Jahre Ars Electronica

Hiroshi Ishiguro praesentiert den Androiden Geminoid auf der Ars Electronica 2009

Franz Krahberger ueber begleitende Publikationen bei Hatje Cantz








Hiroshi Ishiguro & Geminoid
Geminoid was developed by ATR Intelligent Robotics and Communication Laboratories
Quelle: rubra Ars Electronica 2009

Androide Geminoid

Hiroshi Ishiguro






Ludwig Boltzmann Institute Media.Art.Resaerch


Yuri Szukis Hommage an die Vinylplatte


Wird so das Ende der natuerlichen Evolution simuliert ?

Ars Electronica Bilanz



Nachschrift bios Robot Lab

Ars Electronica 2009 Human Nature
Hrsg. Christine Schöpf, Gerfried Stocker
ISBN 978-3-7757-2498-2 Hatje Cantz

CyberArts 2009 International Compendium - Prix Ars Electronica 2009
Hrsg. Christine Schöpf, Gerfried Stocker, Hannes Leopoldseder
Broschur, mit DVD
ISBN 978-3-7757-2499-9 Hatje Cantz

Quelle: rubra Ars Electronica 2009

Ars Electronica Center

MIT Media Lab



Hatje Cantz hat einen weiteren Band zur Ars Electronica herausgebracht und erinnert an die ersten 30 Jahre des Netzwerkes fur Kunst, Technologie und Gesellschaft. Peter Weibel hat dieses Projekt wesentlich mitgepraegt. Von 1986 bis 1991 war er kuenstlerischer Berater und von 1992 bis 1995 kuenstlerischer Leiter der Ars Electronica. In seinem Beitrag streicht er vor allem die globale Positionierungsleistung heraus.

Tatsaechlich ist die Ars Electronica als Praesentationsplattform von elektronischer Kunst zu einem weltweit bekannten und anerkannten Festival gewachsen.

Der Steirische Herbst, 1968 gegruendet, hingegen nennt sich zwar ein internationales Festival, ist jedoch ueber die Landesregion die Jahrzehnte hinweg nicht weit hinausgekommen. Den ueberregionalen Anspruch in Beziehung zu seinen suedlichen Nachbarn konnte das Grazer Festival nur Ende der 60 er Jahre mit dem Trigon Konzept des steirischen Landtagspraesidenten Josef Korens einloesen. Immerhin reichte es danach aus, die Grazer Autorenversammlung zu gruenden.

Wien hat auf ein vergleichbares Avantgarde Festival verzichtet und verweilt lieber in der Tradition der Wiener Festwochen und des ohnehin permanenten Kulturbetriebes. Die Hauptstadt prunkt lieber mit Tanz und Musik, so mit dem Operball, mit dem schraegen Konkurrenzunternehmen, dem Life Ball, mit dem traditionellen Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker und dem Donau Insel Festival mit bis zu 3 Millionen Besuchern. Die Viennale ist fuer Wien konzipiert und hat kaum Bedeutung unter den internationalen Filmfestivals. Manchmal gilt es auch einen aufgelegten Flop zu verkraften, wie etwa juengst das Michael Jackson Tribute Konzert, geplant vor der Kulisse des imperialen Schlosses Schoenbrunn.

Zur Avantgarde hatte das rote Wien immer eine schlechte Beziehung und so trifft sich die neuere oesterreichische Kunst eher in den OEVP dominierten Landeshauptstaedten wie Graz und Linz, obwohl viele der KuenstlerInnen in Wien leben. Linz wird zwar von Sozialdemokraten regiert, die Leistung der Ars Electronica waere jedoch ohne Unterstuetzung des Landes Oberoesterreich und des ORF Studios Linz, hier ist vor allem der vormalige Landesintendant Hannes Leopoldseder und Christine Schoepf zu nennen, so nicht moeglich gewesen. Es geriet zur Definitionsleistung im internationalen Masstab.
Peter Weibel schreibt in seinem Beitrag:
Wusste man vor dreissig Jahren nicht, was elektronische Kunst sein koennte, so wissen wir es heute nach dreissig Jahren dank des Festivals Ars Electronica. Das Festival hat also durch seine 30 jaehrige Taetigkeit einen Begriff, naemlich den der "elektronischen Kunst", erst geschaffen und definiert. Eine Kulturleistung, die nicht nur in Oesterreich kein Festival fuer sich beanspruchen kann.

Tatsaechlich hat sich die Ars Electronica zu einer wirklich internationalen Adresse mit globalen Anspruch entwickelt, die nur mehr von wenigen Instituten wie etwa dem MIT in Cambridge, Massachusetts, dem elektronischen Bauhaus des 21.Jahrhunderts, ueberragt wird. Karlsruhe hat das ebenfalls von Weibel geleitete ZKM, Zentrum fuer Kunst und Medientechnologie. Venedig, Berlin und Cannes steht fuer den Film mit seinem Goldenen Loewen, dem silbernen Baeren und der Goldenen Palme. Venedig beherbergt auch die bedeutenste europaeische Kunstbiennale in den Guardinis und Kassel hat seine Dokumenta. Linz bietet den Prix Ars Electronica und verleiht die Goldene Nica. In diesem weitgesteckten Rahmen kann sich die Ars in Linz durchaus sehen lassen und hat ihren eigenstaendigen Charakter durchgesetzt. Peter Weibel gelang es, sich sowohl in Graz wie in Wien, in Linz und infolge in der BRD als Co-Veranstalter, Gestalter, Lehrender und Medienkuenstler sich bestens zu vermarkten.

Ob die biologische Evolution jemals durch die technische Revolution ersetzt werden kann, wie viele Neuen Mediateure glauben machen wollen, wage ich zu bezweifeln. Die Vorgaenge der natuerlichen Evolution erscheinen noch immer komplexer als der kuenstliche Wille zu sein und wir laufen akut Gefahr, mehr in der Natur zu zerstoeren, als wir ersetzen koennten. Viele technische Applikationen und Apparaturen wirken gegen die Funktionen, die die Evolution hervorgebracht hat, wenig ueberzeugend. Ich bezweifle, dass es bereits eine Maschine gibt, die den haertesten Pruefstein kuenstlicher Intelligenz, den Turing Test besteht.

Ebenso zurueck und ungeloest liegen alle ueber die Semiotik hinausgehenden kuenstlichen Semantik Projekte. Sinngebung in der Sprache ist nach wie vor dem menschlichen Hirn vorbehalten und kann noch immer nicht an Maschinen so deligiert werden, dass die imstande waeren, in Form des Einfalls, in Form der Erkenntnis und des freien Dialogs zu antworten. So sind viele Projekte der Ars Electronica Potemkinische Mediadoerfer, die die menschlichen Faehigkeiten nicht uebersteigen, ihnen nicht gleichkommen, sondern diese eher einschraenken, den Menschen an die Maschine adaptieren und nicht umgekehrt erweitern. Medienkunst wird so zum Korsett, wie Schreibprogramme, die zuviel koennen.

Das mag in vielen Bereichen, etwa in der angewandten Medizintechnologie von Vorteil sein, ist aber bloss als partieller Fortschritt zu werten. Ebenso bedenklich erscheinen die genetischen Cloneversuche, die den Menschen in Richtung Norm verschieben und festhalten, und damit den fuer die natuerliche Evolution unerlaesslichen Zufall hemmen. Hiroshi Ishiguros Roboter ist bloss faehig, nachzuahmen, und das nur mit Hilfe und staendiger Begleitung des Menschen.

Das kann man jedoch nicht als Schwaeche der Ars Electronica werten, das ist ein generelles Probleme im Mensch / Maschinenverhaeltnis, im Wettbewerb von kuenstlicher und natuerlicher Evolution, der einseitig vom Menschen bestimmt und belastet wird.

Die 2009 in Linz verkuendete Epoche des Anthropozaen koennte auch die letzte des Menschen sein. Mit dem Menschen wuerden auch die Automaten untergehen. Diese Zaesur muss aber nicht und wird nicht die natuerliche Evolution beenden. Bloss wuerde diese nicht mehr unter der Wahrnehmung und Kontrolle des menschlichen Bewusstseins stehen.
Seitdem ich in diesem Jahr meines Geruchssinns verlustig gegangen bin - ich hoffe, das es nicht auf Dauer ist - weiss ich aus eigener Erfahrung und Reflexion wie komplex und umfassend die natuerliche Evolution den Menschen ausgestattet hat.

Die Ars kann nun auf eine langjaehrige Geschichte zurueck blicken, die aber bloss wie ein Staubkorn im Masstab der Evolution der Erde und des Kosmos wirkt .

1979 wird die erste Ars Electronica mit der ersten Linzer Klangwolke unter der Betreuung des Komponisten Walter Haupt mit der 8. Symphonie Anton Bruckners eroeffnet. 1980 folgt die Wiedergabe von Bruckners 4., und schafft so einen Klangraum ueber Linz.

Dazu Peter Weibel:
Am Anfang herrschte ein bisschen Verwirrung und das Festival lief Gefahr, zwischen Popmusik, Messe, ars metallica, ars pneumatica und ars pyromanica, also zwischen kinetischen Metallskulpturen, Luftballons und Feuerwerk zu scheitern. Doch der Name selbst setzte einen Schwerpunkt, den es nur klar zu definieren galt. Dem Festival Ars Electronica ist es in seiner 30 jaehrigen Geschichte gelungen, nicht nur wesentliche kuenstlerische und und theoretische Beitraege zu leisten, sondern vor allem den Begriff selbst zu entfalten.

Den Spektakel- und Eventcharakter hat die Ars Electronica, seit 1995 gemeinsam von Christine Schoepf ORF und Gerfried Stocker geleitet, jedoch nie voellig ablegen koennen, oder es auch gar nicht wollen. Im Gegensatz zum MIT, dass ein Forschungs- und Entwicklungsinstitut ist, das sich unter anderem der Medienkunst zur Anschaulichkeit bedient, hat die Ars Electronica einen ausgepraegten Public Event Charakter, der deutlich von der oeffentlichen Finanzierung abhaengig ist. Das Projekt steht nicht allein fuer Peter Weibels Kuenstlichen Willen.

1987 wird erstmals die Goldene Nica an John Lasseter von den Pixar Studios fuer seine Computeranimation Luxor verlieren. Heute haben die Pixar Studios fuehrenden Einfluss auf die Walt Disney Produktion gewonnen. 1993 zeigt Stelarc seine Third Hand, eine hautnahe Symbiose von Mensch / Maschine, ein electromechanischer Bioadapter. 1994 praesentiert Linz Karel Dudeseks Van Gogh TV.
1996 wird die Goldene Nica an die e-toys verliehen, von denen man nicht weiss, ob sie in ihrem kollektiven Outfit Vorbild bei Disneys Panzerknackern oder bei rechten Skinheadtrupps genommen haben. 1999 werden Grenzbereiche im Bereich Life Science erkundet. Eduardo Kac zeigt sein Genesis Projekt.

2000 wird Reinhold Grether mit seinem agent.NASDAQ Toywar im Rahmen des Prix ehrenvoll erwaehnt. Das war etwa zeitgleich mit der Implosion der New Economy nach dem Zerfall der Dotcom Blase. Die NASDAQ, die groesste vollelektronische Boersenplattform hat sich davon bis heute davon nicht erholt und es ist anzunehmen, dass dieser erste grosse Zusammenbruch bloss ein Vorlaeufer des gesamten Einbruchs des kapitalistischen Wirtschaftssystems, beginnend mit dem Absturz der Lehmann Bank 2008, gewesen ist. Sozusagen eine sichtbare und spuerbare Signatur in der Aufzeichnung der Marktspannungen, bevor das grosse Beben aufgetreten ist. Der Kapitalismus wurde kurzfristig mit oeffentlichen Mitteln gerettet. Ob dies eine nachhaltige Rettung ist, kann bislang nicht guten Gewissens bestaetigt werden.
Der kuenstliche Wille ist ausser Kraft gesetzt. Die Menschheit muss in Demut zur Kenntnis nehmen, dass nicht alles moeglich ist. Die Computer gestuetzte Kunst hat m it dieser Einsicht ihren Zenit ueberschritten. Anstelle der euphorisch betriebenen Virtualitaet und der semiotischen Gewalttaetigkeit der Computerspiele tritt die bittere Realitaet. Aus dem Spiel wurde am 9. September 2001 ernst, als zwei Verkehrsmaschinen die Twin Towers des World Trade Centers in Manhattan einebneten. Der asynchrone Krieg war wirksam geworden und hatte voll zugeschlagen. Der Terror ist der dritte Arm des realen Krieges, der im Irak stattgefunden hat, in Afghanistan am Laufen ist und kuenftig im Iran nicht ausgeschlossen werden kann. Alle bisherigen Anschlaege in Europa, in den USA, in Russland und in Asien haengen damit zusammen. Der asynchrone Krieg hat uns erstmals gezeigt wie verletzlich und verwundbar die entwickelten Industrielaender sind. Entwicklungen, die in der Postulierung des Themas InfoWar anlaesslich der Ars Electronica 1998 bei weitem nicht erkannt und nicht vorhergesehen worden sind.

2005 und 2006 widmet die Ars Electronica dem Thema Virtuelle Welten, der Flucht aus der Realen Welt in die Vorstellungswelt des Digitalen Traumes, vergleichbar der Vorstellung Ted Nelsons traeumender Maschinen. Mit Mercan Dedes Secret Tribe, einer modifizierten Form des Sufi Tanzes naehert man sich der Esoterik, die parallel zur Entwicklung der Ars Electronica das Denken der Menschen zu beherrschen begonnen hat.

2008 widmet man sich sich A new cultural Economy dem Stadium, in dem Eigentum an seine Grenzen stoesst. Das ist zweifellos eines der empfindlichen Themen unserer Zeit. Zuerst sichtbar geworden an der weltweiten Monopolstellung vom microsoft, aktuell erkennbar an der Urheberrechtsdebatte rund um Google, an der Zentralisierung und Monopolisierung des Wissens, um es in Zukunft totalitaer verwalten und vermarkten zu koennen. Erkennbar an all den staatlichen Eingriffen und Kontrollen, die sich (noch) in ihren Massnahmen mittels der Sicherheit von Buergerin und Buerger legitimieren.

Die Vertreter des kuenstlichen Willens und der kuenstlichen Intelligenz sind in sich ambivalent, sie sind nicht allein Kritiker, sondern auch Wegbereiter eines neuen, technologisch basierten Totalitarismus. Sie entsprechen durchwegs den Kriterien der Californian Ideology, die die Entwicklung des Silicon Valley gepraegt hat, eine Mischung aus ausgepraegtem Geschaeftssinn und anarchischem Technofreak Wesen, smarten Business Men wie etwa Gates, Hewlett und Packard und Sonderlingen in Form von Nerds.

Die Ars Electronica hat in 30 Jahren eine Reihe interessanter ReferentInnen versammelt. Unter vielen anderen Alain Robbe Grillet, Otto Piene, Herbert W.Franke, Mitbegruender der Ars Electronia, Robert A.Moog, Nam June Paik, Charlotte Moorman, Gyoergy Kepes, Hubert Bognermayer, Isao Tomita, Juergen Claus, John Lasseter, Hans Donner Globo TV, Graf und ZYX, Gerhard Ruehm, Alvin Curran, Joseph Weizenbaum, Konrad Zuse, Heinz von Foerster, Vilem Flusser, Jean Baudrillard, Friedrich Kittler, Waltraud Cooper, Timothy Leary, Donna Harraway, Peter Arnett, Paul Virilo on-line zugeschalten, Jeremy Riffkin, Natascha Merrit, Howard Rheingold, Michael Nyman, Heidi Grundmann, Valie Export, Tomotaka Takahashi usw. und mehr.

Fuer mich war die Begegnung mit Juergen Claus, der fuer sein Konzept eines Elektronischen Bauhauses geworben hat, und mit Joseph Weizenbaum, der im Abseits der Linzer Veranstaltung 1987 sich gegen das ungewisse wie unsichere Star Wars Concept von Ronald Reagan ausgesprochen hat, besonders aufschlussreich. Weizenbaum war ein ebenso mutiger Mann wie Andrej Sacharow. Erfreulich ist, dass Barack Obama den Einsichten von Robert Mc Namara und Joseph Weizenbaum folgt, und den Aufbau eines Raketenabwehrschildes in Tschechien und in Polen ersatzlos gestrichen hat. Weizenbaum hat mit seinem am MIT entwickelten Programm ELIZA (1966) gezeigt, wie man Maschinenintelligenz vorspiegeln kann und so Menschen taeuschen kann. Es gab Psychiater, die glaubten, dieses Programm in der Psychotherapie zum Einsatz bringen zu koennen. Diese Erfahrung und die allgemeine Leichtglaeubigkeit der Menschen, die keinerlei wissenschaftlichem Anspruch genuegt, verwandelte Weizenbaum in einen kritischen Betrachter von Technik und Gesellschaft.

Der ORF unter der Leitung von Hannes Leopoldseder und unter Koordinaton von Christine Shoepf hat all die Akteure ins grelle Scheinwerfer gestellt und ihnen so den Glanz von Stars verliehen. Die Goldene Nica wurde entweder von den Kanzlern der Republik oder deren Unterrichtsministern persoenlich uebergeben. Die Ars Electronica in Linz ist eine der wenigen merkbaren Pionierleistungen des ORF in den letzten Jahrzehnten, der ansonsten in der Pflege eines ueberholten oesterreichisch populistischen und breit ausgewalzten Identitaetskonzeptes stecken geblieben ist.

















Bildmaterial © Ars Electronica

Hatje Cantz

Medienbaustein


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