Zabriskie Review 2004


© Franz Krahberger


World does'nt change

bodenfunde virtualisert - ein dynamisches procedere


entwickelt und praesentiert von franz krahberger


von leonardo da vinci ist ueberliefert, dass er sich zeit seines ebens mit dingen beschaeftigt hat, die andere uebersehen, vergessen oder links liegen gelassen haben, und daraus schluesse fuer seine eigene arbeit zog.
von ihm stammt auch der rat, einfach hin- und wieder an die atelierwand zu spucken, und zu beobachten, wie sich aus dem schleim ein bild, ein sich dynamisch veraenderndes bild entwickelt. leonardo wusste genau, dass ungeregelte, nicht naeher definierte vorgaenge die innere phantasie evozieren.
in gewisser hinsicht formulierte er damit den rohrschachtest vorweg, der davon ausgeht, dass menschen die neigung haben, in nicht naeher definierte vorgaenge ihre eigenen vorstellungen zu projezieren.

es geht also um prozesse, die ausserhalb der norm liegen. die de-normierung, nicht die dekonstruktion wurde wesentlich von paul feyerabend im letzten jahrhundert in seiner einflussreichen schrift wider den methodenzwang angeraten, um zu neuen sehweisen und erkenntnissen zu gelangen.
feyerabend steht damit in einer zutiefst oesterreichischen denktradition. schon der biedere hofbibliothekar grillparzer wusste, dass die (normierte) sprache den blick auf die wirklichkeit verstelle, was nun die wirklichkeit auch immer sein mag.

aus solchen und anderen einsichten entwickelte sich die kunst der moderne, die radikal den ort der gesicherten mitte, die zwar stimmenmehrheiten und groesstmoeglichen umsatz verspricht, aber wenig erkenntnisse wie neue blickwinkel bewirkt, gemieden hat.

das brachte der moderne den vorwurf des anarchischen, des chaotischen, der subversion ein und gipfelte in der verdammung der nazis, die alles, was ausserhalb ihres kulturellen normenkanons gelegen hat, als entartet denunzierten. sie waren, es die den allgemeinen, einfaeltigen wie ungebildeten kunstverstand gepraegt haben.

nicht nur die nazis sahen scheel auf die entwicklung, auch der kirche war im zuge des 19.jahrhunderts und in folge die hoheit ueber den formenkanon der europaeischen kultur entglitten. sie konnte keine hosenmaler mehr anstellen, wie sie dies noch machen musste, um die bloessen der figuren des michelangelo in der sixtinischen kapelle zu verhuellen. noch hans sedlmayr beklagt in seinem umstrittenen buch verlust der mitte die scheinbare erosion. 1985 veroeffentlichte wolfgang kraus sein buch ueber den nihilismus heute, in dem letztendlich die sedlmayersche argumentationslinie radikalisiert wie denunzierend fortgesetzt wird.

die kunst hat sich selbststaendig gemacht und mit ihr die menschen und die lassen sich nicht mehr in alte korsette zwaengen.
daran scheiterte der reale sozialismus ebenso, der noch einmal die prinzipien einer normativen kunst, den sozialistischen realismus, einzurichten unternahm und dabei tief im 19.jahrhundert stecken geblieben ist.

die amerikanische, von der cia forcierte antwort darauf waren die abstrakten expressionisten und die formel alles ist moeglich - anything goes. diesem anarchischen aufruf zur freiheit zeigte sich der utilitaristische, scheinbar in humanitaet wurzelnde sozialistische realismus nicht gewachsen. was nun nicht heisst, dass all die kuenstler, die den amerikanischen stroemungen anhingen oder sie bestimmten , cia agenten gewesen waeren oder im widerspruch dazu dem kgb angehoerten. das geschaeft der kulturpolitik wird immer von einer eigenen, merkwuerdigen klasse betrieben. hueben wie drueben, wie da und dort.

die kunst der moderne, die von der postmoderne nicht wesentlich ueberholt werden konnte, lebt von kulturbruch, vom stilbruch. man sollte jedoch darin nicht allein die subversion, die revolte oder die erfindung immer neuer marktgaengiger maschen sehen. sie kuendet schlicht und einfach das ende hermeneutischer, immer auch an zentralistische herrschaft gebundener modelle. umberto eco, obwohl selbst begnadeter hermeneutiker und erfinder des synthetischen romans, hat das in seiner theoretischen fruehschrift ueber das offene kunstwerk ueberzeugend belegt.

die verwandlung, das entdecken und aufreissen neuer moeglichkeiten, deren kuenstlerische umsetzung, und nicht allein die metaphorische transformation des ewig gleichen, ist eben zu einem wesentlichen charakteristikum unserer zeit geworden, dass sich eben nicht mehr in restauration oder andere neo oder post histoires zwaengen laesst.

die konzeptkunst und die computerbasierte kunst hat wege eroeffnet, die auch den naturwisschaftlichen physikalischen verstand uebersteigen und diesen ironisierend in frage stellen.
man kann davon ausgehen, dass es neue, eben noch nie dagewesene welten gibt, die im wechselspiel von menschlicher kreativitaet, wissenschaftlichen erkenntnissen und technisch entwickelten faehigkeiten enstanden sind und weitere entstehen werden. es gibt also etwas wie eine kuenstliche evolution, die aus der natuerlichen evolution heraus nicht mehr erklaert werden kann.

trotzdem oder gerade deswegen erleben wir erneut einen neokonservativen zwang, der in der usa soweit geht, anstelle der gesicherten erkenntnisse ueber die evolution wieder die alttestamentarische schoepfungsgeschichte zu stellen. das kann nur schief gehen.

was wiederum nicht heisst, dass alle menschliche vor-und interpretationsgeschichte ausser kraft gesetzt werden soll. der unterschiedliche stand von anschauung, glauben, erkenntnis und gesichertem wissen gehoert eben zur geschichte der menschheit und der verschiedenen kulturen.

auch ich mag mich beziehen auf die mosaische schluesselstelle ueber den tanz ums goldene kalb, die sich so einschneidend auf die hebraeische geschichte ausgewirkt hat und anstelle den materiellen guetern der macht des wortes den vorzug gegeben hat, wie den menschlich moeglichen ideen und einer gottesvorstellung, die von anbeginn an den menschlichen verstand und die menschlichen faehigkeiten unerreichbar uebersteigend begriffen worden ist.

so kann der mensch auch gar kein ebenbild gottes werden oder sein, aber er wird doch in unendlich wie zeitlos angelegter vielfalt neue erkenntnisse und ansichten sammeln koennen, die ihm sein muehselig erarbeitetes ordnungssystem staendig ueber den haufen werfen.

du sollst dir kein bild machen.

die metapher des tanzes ums goldene kalb steht in anderer weise fuer den hedonismus und den materialismus unserer zeit, die den schoenen schein und den materiellen klang der muenze ueber alles gesetzt hat.
andererseits hinterlaesst die materielle gier und die voll gepowerten produktions- und verbrauchszyklen, vor denen bertolt brecht zu beginn der fuenfziger jahre vorigen jahrhunderts nach seinem usa aufenthalt in seinem lehrgedicht von der natur des menschen gewarnt hat, eine ungeheure, nicht mehr bewaeltigbare abraum- und muellhalde, die am anderen ende des schoenen glanzes steht.

der produktions-und ruestungswettlauf der beiden globalen systeme endete vorlaeufig im supergau des atomkraftwerkes tschernobyl, aus dem sich bitterer atomarer wermuth ueber den kontinent ergoss.

heute ist es rotchina, dass uns besorgt macht. wieviel an oekologischer substanz wird nun der wirklich grosse sprung nach vorne verschlingen ? tatsaechlich ist es rotchina, das heute die rohstoffmaerkte der welt aus dem gleichgewicht bringt und absaugt, was es zu kaufen gibt.

der kampf um rohstoffe hat sowohl den kapitalismus wie den kommunismus gepraegt und ist am radikalsten wie brutalsten von den nationalsozialisten forciert worden. es war eben nicht allein ein kampf um mehr lebensraum, sondern eben kampf und krieg um die verfuegbarkeit ueber rohstoffe, die letztendlich auf kosten der natur, der oekologie gehen, inbesondere zwangslaeufig der verwertung und abschliessenden verbrauches.

etwa zeitgleich zu den ersten veroeffentlichungen des club of rome drehte der italienische regisseur michelangelo antonioni , ebenso wie brecht von einem langen aufenthalt in den usa inspiriert, seinen film zabrieskie point, der prompt zum kultfilm geworden ist. 1995 hat antonioni in los angeles den oskar fuer sein lebenswerk erhalten.

Antonioni hat eindrucksvolle, wenngleich artifizielle optische Symbole für sein Amerikabild gefunden.
Ihre Kennzeichen sind Gewalt (Gewehre, Gitterstäbe) und Irrealität. Als Hoehepunkt der Irrealitaet erscheinen die Szenen im Death Valley....Um so eindrucksvoller am Schluß das in Zeitlupe und mehrfacher Wiederholung gefilmte Explodieren einer Villa: alle Bestandteile des amerikanischen Traums wirbeln wie in einer Weltuntergangsvision durcheinander.
Ulrich Gregor - Geschichte des Films

tatsaechlich hat diese unglaubliche minuten andauernde schlussequenz des filmes all jener von der explosion in fetzen gerissenen, in partikeln aufgeloesten und pulverisierten wohlstands- wie alltagsgueter einen ungeheuren eindruck hinterlassen.
weniger dass man sich an dem ausgeloesten inferno begeistert, sondern vielmehr eine ahnung davon gewonnen hat, was uns da eines tages alles um die ohren fliegen koennte. fraglich ist, ob ein solcher film in amerika nach 11/9/2001 ueberhaupt noch gedreht werden kann, obwohl hollywood in den letzten jahrzehnten noch viel perfidere wie massivere filmische szenarien des ultimativen schreckens in den globalen alptraum distributionsraum eingespielt hat. schwer verdauliche wie nervlich aufreizende kost aus dem stechpalmenwald.

schon karl may hat eines seiner buecher im tal des todes angesiedelt. das war einer der ganzen wenigen may-bucher, die ich in meiner kindheit gelesen habe und die meinen sinn fuer soziale ungerechtigkeit von frueh an geweckt haben.
es geht u.a. um die ausbeutung der indios in den quecksilberbergwerken, die da zu tode geschunden worden sind.
tod durch arbeit war nicht allein ein kennzeichen von arbeitsorganisation der nazis, er zieht sich ebenso durch die geschichte des kapitalismus bis hin zu den sibirischen bergwerken des sowjetkommunismus.
unter jeder schwelle der union pazific railway liege ein toter chinese begraben, so geht die rede.

die industrie-und verbrauchergesellschaft verbraucht menschen und materie, in letzter konsequenz produziert sie muell, vernichtung von lebensgrundlagen, krieg und vernichtung. der kampf um rohstoffe setzt sich aktuell fort in der amerikanisch islamischen auseinandersetzung. zumindest ist dies ein nicht ubersehbares teilmotiv des krieges wider den terror, der aus unterentwickelten und im zug der kolonialisation verarmten staaten heraus den westen bedroht.

in den achtziger jahre kam ein weiterer apokalyptischer schocker mahnend in die kinos der welt. koyaanisqatsi, gedreht von godfrey reggio, praesentiert von francis ford coppola, hinterlegt mit der eindringenden musik von philip glass.

Ko.yaa.nis.qatsi stammt aus der sprache der hopi indianer, und meint, dass etwas unwiederruflich aus dem gleichgewicht geraten ist. und dieses ungleichgewicht der welt zeigt der film in dramatisch gerafft gereihten bildern.

auf einer phil glass website habe ich eine naehere defintion der apokalyptischen indianischen vision gefunden.

Ko.yaa.nis.qatsi (from the Hopi language), n.
1. Crazy life.
2. Life in turmoil.
3. Life disintegrating.
4. Life out of balance
5. A state of life that calls for another way of living

The Hopi Prophecies

If we dig precious things from the land, we will invite desaster. Near the day of Purification, there will be cobwebs spun back and forth in the sky.
A container of ashes might one day be thrown from the sky, which could burn the land and boil the oceans.

aufmerksamen betrachtern meiner blackseria I - IV, bodenfunde wird nicht entgehen, dass ich diese arbeit max ernst und benjamin lee whorf widme. beide hatten enge beziehungen zu den hopi indianern. benjamin lee whorf hat ihre sprache studiert und aus seinen erkenntnissen das relativitaetsprinzip der sprache in die allgemeine linguistik eingebracht. das ist insofern von bedeutung, dass whorf erkannt hat, dass die sprache unterschiedlicher kulturen und ethnien in der lingua-basicstructure different angelegt ist, und so unterschiedliche wahrnehmungen und sehweisen hervorbringt. siehe oben: die grammatik der sprache, die den blick auf die wirklichkeit verstellt und damit den blickwinkel des wahrnehmenden wie erkennenden formt..

max ernst hat eine eindrucksvolle sammlung von hopi puppen hinterlassen und ist andererseits einer der konsequentesten assamblierer des surrealismus gewesen, der einen praegenden einfluss auf die kunstgeschichte des 20. jahrhunderts hatte und auch meine generation wesentlich inspirierte. ernst wurde von ueberlebenden hopis derart geschaetzt, dass sie ihn sogar zum ehrenhaeuptling ernannt haben.

koyaanisqatsi und die duesteren prophezeihungen der hopis sind aber nicht allein eine apokalyptische vision der vergaenglichkeit alles lebens, die ohnehin zu den kernaussagen unserer christlichen religion zaehlt.

sie verweisen auf die irreversibilitaet der vorgaenge und auf die unerbittliche gerichtetheit des zeitpfeiles aller dynamischen prozesse, dem die theorie von der ewigen wiederkehr des gleichen wie auch die troestungen der religion nichts entgegen zu setzen haben.

der vom physiker robert mayer im 19.jhdt artikulierte 2.hauptsatz der thermodynmik, wie in den schlussendlich ausformulierten theorien von ludwig boltzmann, besagt, dass je unordentlicher ein zustand ist, um so groesser seine entropie geraet, und beruecksichtigt, dass viele prozesse im universum nicht umkehrbar, also irreversibel sind.

Der 2. Haupsatz postuliert als einziges physikalische Grundgesetz eine Richtung der Zeit. Er hat damit etwas Geheimnisvolles, denn eine Richtung der Zeit ist aus den anderen pysikalischen Grundgesetzen nicht zu erkennen.

der begriff entropie stammt von clausius, er hat ihn aus dem altgriechischen in der bedeutung > verwandlung, transformation, wendung, aenderung zu erneuter anwendung gebracht.

Der 2. Hauptsatz definiert eine Richtung der Zeitachse: Auf der Zeitachse kann man sich nur in Richtung höherer Entropie bewegen.

die zeit fliesst immer nur in eine richtung

Der 2. Hauptsatz definiert den Wärmetod des Universums: Irgendwann wird universelles Gleichgewicht im wahrsten Sinne des Wortes, und damit maximale Unordnung erreicht sein. Nichts wird sich mehr ändern - das Universum erleidet den Wärmetod.

der erste hauptsatz beschreibt nichts anderes als das gesetz der erhaltung von energie, waehrend hingegen der 2.hauptsatz dieses gesetz der erhaltung von energie einschraenkt, da waermeenergie nie vollstaendig in mechanische energie sich umsetzen laesst.

Im thermodynamischen Gleichgewicht hat ein System eine möglichst große Entropie
und
Die Entropie eines abgeschlossenen Systems wird nie von alleine kleiner.

ausser eben man fuehrt wieder neue energie zu, die dann anderen orts wieder abgeht. dies ist der eigentliche grund, warum ein perpetuum mobile zwar denkbar, aber naturwissenschaftlich nicht haltbar und so auch nicht in die praxis umgesetzt werden kann.

gewissermassen war das extrem verlangsamte schlussbild in antonionis zabrieskie point fuer mich ein sinnbild dieses physikalischen postulats mit seiner unentrinnbaren konsequenz. in wachsender entropie gleicht das eine immer mehr dem anderen, es sind bloss noch die fetzen und futzelchen einer in sich zusammenbrechenden welt, die sich einer gleichheit des zustandes, in dem nichts mehr laeuft, annaehert. der finale megastau, in dem alles steht. virilios rasender stillstand, bevor er sich in explosion und implosion verwandelt.

einmal dem fehllaeuten der nachtglocke gefolgt, nie wieder zurueck gekehrt
Franz Kafka im Landarzt

tatsaechlich bilden die summe der teile nicht das funktionierende ganze, so wie ich die truemmer, die ich auf der strasse aufgelesen habe, nie wieder in den urspruenglichen zusammenhang versetzen kann.

es ist wie mit dem glas, das vom tisch gefallen ist, dessen scherben nun unwiederruflich auf dem boden liegen und das nur mit hilfe des filmtricks, so man den vorgang mitgefilmt hat, sich im reverse modus in den urspruenglichen (visuellen) zustand versetzen laesst. ist die einmal innert eingebrachte ordnende und gestaltetende spannung in materie wie gesellschaft zerbrochen, ist alles vorbei.

der unerbittliche zeitpfeil markiert in anderer weise gevattern heins ebenso unerbittliches werkzeug, die sense.

Alles was entsteht, ist wert, daß es zugrunde geht.
J. W. von Goethe, Faust I

tatsaechlich habe ich in meinem projekt bodenfunde gar keine absicht, den dingen eine neue gestalt zu verleihen.
die nutzung des scanners als vermittelnde ebene von asssemblierung und collagierung lag nahe und einmal begonnen verlangte die moeglichkeit nach ausformung, nach mehr.

so kam es zum peripatetischen vorgang des sammelns von gegenstaenden, bruchstuecke verlorenen guts auf den strassen, die ich im zeitraum eines vierteljahres begangen habe. es sind daraus mehr als 140 assemblagen entstanden und man mag aus der summe der teile ermessen, wie oft ich mich dafuer zu buecken hatte.

um einen entropierten zustand, und der verlust auf der strasse zeigt bereits ein sehr hohes mass an entropie, zu veraendern, bedarf es der zuwendung von energie, also buecken, aufheben, transportierten, neu-zusammen-fuegen,
also eines vorgang, den wir schlichthin sammeln und arbeit nennen.

ist der strassenfund allein schon an den zufall des verloren-gegangen-seins gebunden, habe ich in der wiederverwertung den vorgang weiter randomized, die zufaelligkeit der anordnung verschaerft.
ich habe keinen augenblick darauf verschwendet, besonders marquante stuecke zu einander zu fuegen, sondern in einem mehr oder minder fliessbandmaessigen vorgang die dinger aus der massensammeltuete gefischt, auf dem scanner angeordnet und davon ein digitales abbild gezogen.

so gibt es keine chronologie, einzig jener, dass ich die dinger in vier tranchen angefertigt habe.
es gibt auch keine ortbezogenheit mehr, ausser jenem, dass der suchvorgang sich auf ein paar fund-areale in drei, vier wiener bezirken und drei grossen parks, dem botanischen garten, dem esterhazy park in eisenstadt und den laxenburg schlosspark erfolgte.

streng genommen ist es ein cadavre exquisite, wie in vergleichsweise die surrealisten geuebt haben, eine sammlung von objet trouvets und von ready mades, die im gegensatz zu marcel duchamps ready mades eben keine fertigprodukte mehr sind, sondern eben bereits zerstoerte reste von fertig- wie naturprodukten.

es erforderte keinen besonderen zeitaufwand, da ich ohnehin zu gehen hatte, um meine alltaeglichen besorgungen oder um mich ueber andere dinge von interesse kundig zu machen.
ebenso ausgedehnte spaziergaenge, die ich unternommen habe, um endlich einen teil des laestigen uebergewichtes los zu werden.
und das ist auch gelungen. ich habe ebensoviel gesammelt, wie ich an koerpergewicht los geworden bin. 10 kg, die letztendlich endgueltig in der muelltonne verschwunden sind und jetzt nur mehr virtuell in ansicht im internet gegenwaertig verbleiben.

ueberraschend letztendlich, dass sich bei allem randomizing trotzdem eine spannende formale wie inhaltlich aesthetik entwickelt, die radikal dem zufall ueberlassen worden ist.
das mag daran liegen, dass selbst an resten industriell gefertigter waren noch ein hohes mass an gestalterischem design sichtbar und erkennbar bleibt.

an der auswahl der dinge liegt es nicht. denn ausser vogelkadavern, hundescheisse, hingeworfener nahrung, abgefuellten praeservativen, tampons, vollgerotzten papiertaschentuechern und der kotze besoffener passanten habe ich eigentlich nichts ausgelassen.
jenen absoluten puristen, die nun sagen wollen, ich waere da nicht konsequent genug gewesen ist, kann ich nur empfehlen, sich den mist selbst zu besorgen und zu verarbeiten und jener taetigkeit nachzugehen, die die muellmaenner der stadt ohnehin taeglich zu leisten haben, damit die stadt fashionable genug aussieht.

der umgang mit mist konnte auch fatal enden. der grossartige mahatma gandhi, abstammend aus einer brahmanenfamilie, wurde erschossen, weil er am hellichten tag in bombay in aktionistischer absicht vorbildhaft ein scheisshaus geraeumt hat.
diese arbeit durften nur die unberuehrbaren, in der indischen gesellschaft unsichtbar gemachten, verrichten und die herablassung eines brahmanen, also angehoerigen der hoechsten kaste, war gleichbedeutend einem extremen gesellschaftlichen regelbruch, der letztendlich mit dem tod geahndet worden ist. erst in den letzten dezenien des 2o.jahrhunderts gelang es einem angehoerigen der kaste der unberuehrbaren in das amt des indischen vizepraesidenten aufzuruecken.

meine wiener erfahrungen hingegen waren vergleichsweise mild.
ein alter kronenzeitungsleser und oesterreichischer gesellschaftshausmeister zu seiner angetrauten:
der buckt si ja alle zehn meter.
dies ist aber auch schon der einzige life-kommentar zu meinem konzeptuell etwas aus der reihe tanzenden umganges mit dem oeffentlichen raum gewesen.

die aesthetisch wirkung der scans mag auch liegen an unbewusst gehaltener anordnung, die trotzdem zu einem neuen bild fuehrt, aber letztendlich auch auf die eigene ueberraschung aus ist.
und es scheint mir durchaus plausibel, dass diesem randomizing verfahren durchaus eine eigne magie anhaftet, die zu einer bestimmten auratischen wirkung fuehren kann und fuehrt.

in annaeherung an ein virtuelles eisenbahnspiel, habe ich mir ausgehend von der funktion des streckengehers, kurzzeitig die rolle des hobos, des virtuellen railway-schwarzfahrers und des ohnehin peripatetischen sammlers zugelegt.

der hobo, der clochard, bewegt sich im gegensatz zum buergerlichen flaneur in den resten einer welt, die ihm nur mehr spaerlich ueberlassen worden ist, in der er um seinen aufenthalt taeglich kaempfen muss und in der nur mehr die verbrauchten reste unserer wohlstandsgesellschaft vorfindet. auch er sammelt manchmal, und bewahrt sich so den letzten anschein von eigentum, ueber das er wesentlich nicht mehr verfuegt.

in der alten griechischen humanistischen philosophie ist uns das noch als existentiell bedeutende metapher vorgefuehrt worden. siehe diogenes und sein fass usw. von kommunisten und priestern verlangte man vorgelebte armut und sozialisten und werktaetige haben prinzipiell genuegsam zu sein.
auch die pensionisten haben gefaelligst mit weniger vorlieb zu nehmen.

alles was nun nicht mehr im radikal wie global beschleunigten produktions- wie verbraucherzkylus der neuen (alten) oekonomie taetig ist, wird unerbittlich an den rand und in vielen faellen in den abgrund gedraengt.

als wirklich grosses verdienst der mutter theresa habe ich nicht ihre froemmigkeit angesehen, sondern ihre enrage, menschen zumindest einen humanen sterbeplatz zu bieten, die ansonsten wie vieh in den strassen bombays verreckt waeren. theresa hat genau gewussst, dass das barbarische antlitz der menschheit an deren raendern erwaechst aus den ursachen, die in ihrer nichtleitung entstehen, und dort zuallererst verhindert werden muss, bevor es uns alle in den abgrund zieht, so wie das schiff des lebens in den strudeln das mahlstroms zermalmt wird, wie es uns bereits edgar alan poe drastisch wie symbolisch vorgefuehrt hat.

oder das bild der millionen menschen, die von abfaellen der mega-metropole mexico city leben muessen. ein nicht unerheblicher teil von ihnen verbringt das leben nur mehr auf der muellkippe und wohnt dort auch.

die auseinandersetzung mit den raendern und den letzten fragen hat immer auch etwas duesteres an sich und so habe ich meine serie bodenfunde blackseria I- IV genannt, ohnehin hier jedoch allzu apokalyptisches zum sprechen bringen zu wollen.

die betrachtung des alltags reicht eigentlich aus.

der hobo, den ich in ein cyberrailprojekt als new hoboism in the arts eingefuehrt habe , ist eine ferne erinnerung an den tramp, der mangels bleibe und habe, mangels arbeit wie ein armer hund durch das weite land streunt, und immer gewaertig sein muss, dass ihm die grenzenlose freiheit mit einer tracht pruegel erneut eingebleut wird. einige monate danach hat der cyberhobo das eisenbahnspiel wieder verlassen, er fuehlte sich da nicht wohl, unter dieser virtuellen webfahrdienstleitung.

die soziale devastierung ist gleich bedeutend mit dem uebergang in die klassische vogelfreiheit, und damit ist nicht die narrenfreiheit der kunst gemeint.
in der wirtschaftlichen not der dreissiger jahre nannte man die in der steiermark zu hunderten und zu tausenden durch die landschaft, staedte und doerfer ziehenden entwurzelten menschen die strassengams.
das waren keine politisch organisierten demonstrationen, keine zusammenrottungen und organsierte strassengangs. sie hat allein die plaerrende not angetrieben.

gerade deswegen ist die figur charly chaplins the tramp, die ihm zu weltruhm verholfen hat, so beruehrend, weil sie sich in all den widerwaertigkeiten eines daseins am rande die menschlichkeit bewahrt, sie geradezu herausarbeitet und so mit den grundaengsten seiner zeit, die uns nun gegenwaertig ebenso erwachsen, umgeht.

aktuell gibt es in der schweiz menschen, die ausschliesslich nur mehr in zuegen leben.sie koennen sich keine wohnung mehr leisten, aber sie koennen sich mit ihren mitteln gerade noch eine sozial beguenstigte jahresbahnfahrkarte kaufen, die ihnen die benutzung des interregionalen bahnverkehrs gestattet.
also keine intercity und keine eurocity zuege.
so verbringen sie ihre leben buchstaeblich auf rollender achse. the hobo is realy back !
der melancholische eisenbahnblues des hobo-saengers woodie guthrie, in den sixties weitverbreitet zu gehoer gebracht, dem meine generation so gern in flotten diskotheken und im rundfunk gelauscht hat, ist wiederum knallhart gewordene realitaet. die renaissance der sozialen elends.

in gewisser hinsicht ist new hoboism eine kritische wie ironische antwort auf den flaneur, dem vorgaenger aller freizeit- und eventkultur, auf die weibelsche nomadologie, die ueber lange zeit die oesterreichische kunstszene in (vor allem in) graz, wien und linz beeinflusst hat. obwohl sich die noch am besten auf die von vance packard anfang der siebziger jahre ausformulierte ruhelose gesellschaft, deren ursachen und folgen der mobiliataet, die vor allem in der geschaeftstaetigkeit der multinationalen konzerne wurzelt, jenem nukleus der gegenwaertigen globalisierung, zurueck fuehren laesst.

recycle-art modus- absolut trash combinded assembling - absolut staub- und geruchsfrei - digitalisiert und virtuell weissgewaschen , garantiert nicht subventioniertes wie hundertprozentig meinungsfreies muell-randomizing will natuerlich keine antwort auf all die zu loesenden draengenden fragen unserer zeit sein.
strotter-art will auch nicht als spaetform der arte-povera begriffen und nicht in den jammerchor der problemaufzeiger einbezogen werden.

strotter art is eine straighte wie selbstbewusste antwort an die glitzerwelt des kommerzes und bedient sich deren partikularisierter reste und betreibt die umwertuung aller werte, auch der allerletzten. its the ultimate art, before zabrieskis point realy takes place on the least doomsday.

sie zeigt muell und weist ihm weiteren auf den informationsmuell, der uns taeglich via reklame, tv-medien, printmedien und via computermonitor vor augen gekarrt wird.
eines getraue ich mir zu sagen. meine restmuell-assemblagen wirken auf mich spannender als die hochglaenzenden fertigprodukte, die da taeglich meine aufmerksamkeit erheischen wollen. warum das so ist, darueber werde ich noch nachdenken.

aber nun schluss mit der restmuellsammlung.

sie koennen es auch so sehen.
art is quite useless
lord byron

but i do it and you see it.

das sei ihnen mit auf den weg gegeben, wenn sich nun in betrachtung meines virtuellen strassenfilms begeben, der ansich endlos fortgesetzt werden koennte.

aber ich wende mich nun wieder anderen dingen zu und werde ich mich auf die suche nach dem sternenstaub begeben.

wien, 27.november 2004 franz krahberger

sammler, autor, arrangeur & jongleur und webeditor

das urheberrechtsfreie glueck liegt auf der strasse. so gesehen moechte ich meine arbeit auch als durchaus ironische anmerkung zur copy left bewegung wie auch zu den staendigen allgemeinen copyrights restriktionen im webpublishing verstanden haben wissen.

© der Blackseria Scanoage The Bow: © by franz krahberger !

abschliessend noch etwas fuer jene, die alles und jedes am kulturellen erbe messen wollen.
bodenfunde scheint mir zusaetzlich eine geglueckte version des klassischen still-lebens zu sein.

nature morte oder der tod der natur im post - industriellen zeitalter.

Bodenfunde Blackseria > The Bow


© found and arranged by Franz Krahberger

In Memoriam Max Ernst und Benjamin Lee Whorf

Das mit der Bodensicht hatte Leonardo da Vinci immer schon gepflegt.
Auch die Zöglinge der pädagogischen Provinz in den Wallfahrenden in Wilhelm Meisters Wanderjahren müssen ein Lehrjahr lang den Blick auf den Boden richten.

Viel gehen und sich nach der Vielfalt des Verlorenen auf der Strasse bücken, vermindert das Gewicht und beschleunigt den Gang.
Und dann kann man sich noch ein Bild daraus machen, keine philosphische Peripatetik, sondern eben eine conceptuell wie ästhetische Formalisierung mittels des Scanners eines mehr oder minder vollkommen zufälligen Wahrnehmungs- wie Aufhebungsprozesses.

Bodenfunde BlackSeria The Bow

Production automatique seriell by the way

sculpto peinture von max ernst 1919


frucht einer langen erfahrung



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