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Die Entwicklung der kulturellen Außenbeziehungen der Vereinigten Staaten von Amerika


© by Reinhold Wagnleitner


I. Vom privaten und informellen Kulturexport bis zur Institutionalisierung der Kulturdiplomatie


Cultures are especially resistant to new patterns of thought, so much so that the introduction of new ideas usually comes to resemble domestication rather than assimilation.
Frank A. Ninkovich, The Diplomacy of Ideas (1981)

Americans are old hands at this sort of thing (...) We spend half of our lives selling one another, personally or through a vast system of media outlets, to buy this, support that, believe her, forget him and accept them. These appeals are not confined to ourselves. Ideologically we have never paid attention to the twelve-mile limit. We are always shipping our ideas overseas (...) The fact is that many of us feel a little Americanization wouldn't hurt the rest of the world (...) Our Heavens-to-Betsy protestations about not wanting to impose our ideas on the rest of the world may convince us but our foreign critics know better.
Wilson Dizard, The Strategy of Truth (1965)

Jede Analyse der US-Außenpolitik muß von jener tiefen Überzeugung der Bevölkerung der USA ausgehen, nach der die Vereinigten Staaten von Amerika in ihren Beziehungen zur Außenwelt eine besondere Bestimmung hätten, die sie von allen anderen Staaten der Erde unterscheide. (1 Der Glaube an die weltweite Relevanz des Gesellschaftssystems der USA und der daraus resultierende Missionseifer - exemplarisch verdichtet in der Doktrin des Manifest Destiny - waren schon seit Staatsgründung Bestandteil der US-Außenbeziehungen. (2 Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges umhüllte sich die US-Diplomatie gegenüber Europa allerdings mit einem rhetorischen Schleier von Begriffen wie Isolationismus und Neutralität, Desinteressiertheit und Nichteinmischung. Konnten diese Floskeln schon auf dem Gebiet der "klassischen" Machtpolitik der USA (Lateinamerika, Ostasien) nicht vollständig überzeugen, so waren sie, spätestens seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in den Bereichen der Güterexporte und Direktinvestitionen Oberhaupt gegenstandslos. Dies gilt ganz besonders auch für den Export von Ideen, vor allem der Projektion der Vereinigten Staaten als lxuchtfeuer der Freiheit für die gesamte Menschheit. Eine ideologische Zwölfmeilenzone kam für die USA seit den Tagen von Benjamin Franklin nicht in Frage.
Allerdings wurden die US-Kulturexporte bis 1938 nicht von der Regierung in Washington zentral kontrolliert. Eine bürokratisch gesteuerte Kulturdiplomatie wurde vor allem von den Vertretern des universalistischen Internationalismus abgelehnt, widersprach doch gerade der Staatsinterventionismus in kulturellen Belangen den liberalen Theorien einer durch - natürlich US-amerikanische - Privatinitiative zu modernisierenden Welt. Im Gegensatz zu den zentralgesteuerten Kulturinitiativen der europäischen Staaten setzen die kulturellen Internationalisten der USA auf private und freiwillige Initiativen der neuen professionellen und Business-Eliten. Nur die völlige Handlungsfreiheit dieser Eliten im „rückständigen“ Ausland, so das internationalistische Credo, könne die internationale Modernisierung nach dem Muster der USA garantieren. Als Hauptfeinde des internationalen Fortschritts wurden Nationalismus und Ethnozentrismus identifiziert. Diese antimodernistischen Grundübel meinten die Intemationalisten mit Hilfe wissenschaftlicher Planung und sozialem Management ausrotten zu können. Paradoxerweise erkannten diese Modemitätsapostel nicht, daß die Ideologie der "westlichen" Rationalität ihrerseits nur nationalistische und ethnozentrische Modelle anbot. Da also der liberale Universalismus US-amerikanischer Prägung immer auch gegen lokale Traditionen ankämpfte, könnte daher in diesem Zusammenhang geradezu von Anti-Kulturbeziehungen gesprochen werden.(3
Die einzige Ausnahme bildete das 1917 gegründete „Committee on Public Information“, das die US-Propaganda im Ersten Weltkrieg koordinierte. Wenn auch einzelne Maßnahmen dieser Regierungsagentur, etwa bei der indirekten Kontrolle des Filmmarktes, spätere Entwicklungen anklängen ließen, so beschränkten sich die Eingriffe doch nur auf eine Periode von zwei Jahren. Die US-Außenkulturbeziehungen blieben also bis -zum Zweiten Weltkrieg überwiegend eine Domäne "privater" Initiativen, deren Bogen von den religiösen Missionen bis zur säkularisierten Form der Mission durch die Stiftungen der großen Konzerne reichte.

Aber gerade das Fehlen eines offiziellen Kulturexportes erwies sich als ein Vorteil für die Projektion US-amerikanischer Werte im Ausland - dokumentierte diese Absenz doch scheinbar den Sieg des Individualismus. US-Geschäftsleute, Investoren, Missionare, Ärzte, Philanthropen, Touristen und korporative Stiftungen brachten eben nicht nur Waren, Kapital, verschiedene Formen der christlichen Religion, moderne Medizin, Hilfsgüter und neueste wissenschaftliche Erkenntnisse mit sich. Sie exportierten vor allem auch ganz bewußt das Gesellschaftssystem der USA - machte es nicht überhaupt diese Aktivitäten erst möglich? - und damit auch die Bedürfnisse der Vereinigten Staaten. Die "rückständigen" Gesellschaften brauchten demnach nur die Segnungen des US-Kapitalismus zu akzeptieren und nachzuahmen. Dann würde die daraus resultierende Modernisierung, gleichsam als Nebenprodukt der Beendigung von Armut, Krankheit und Unbildung, auch die Aufhebung der sozialen und politischen Konflikte garantieren. Die gesellschaftlichen Widersprüche sollten durch „rationale“ Modernisierung aufgehoben werden, also, pointiert formuliert, durch pursuit of happiness als pursuit of consumption. Die Gratwanderung zwischen universalistischem Altruismus und nationalem Egoismus zeigte sich bei den US-Modernisierungsversuchen im Fernen Osten, vor allem in China, sowie in Lateinamerika besonders deutlich. (4 Sobald die Tür einmal für die neuen Ideen geöffnet war, blieb sie auch für die Waren offen, und diese Güter brachten wiederum neue Ideen und Bedürfnisse mit sich.

Das International Health Board und die International Health Division, 1913 und 1927 von der Rockefeller Foundation begründet, hatten zweifellos große Erfolge bei der Bekämpfung von Seuchen in über fünfzig Ländern. Darüber hinaus nahmen sie dort aber auch Einfluß auf die Entwicklung des Gesundheitswesens, der medizinischen Ausbildung und auf die Einfuhr von medizinischen Apparaturen und Medikamenten. Die philanthropischen Auslandsaktivitäten der Stiftungen der großen US-Konzerne, deren Management eng mit den politischen Entscheidungsträgern verbunden war, verdeutlichen die enge Verflechtung von "privatem" Kulturexport und „nationalem“ Interesse der USA. Eine staatlich gelenkte Kulturexportoffensive war unter diesen Vorausetzungen also kaum nötig. Die jahrzehntelangen Apstrengungen der Rockefeller Foundation, die Modernisierung Chinas durch die Transplantation von „wissenschaftlicher Rationalität“ in Richtung eines liberal-kapitalistischen Systems voranzutreiben, zeigen exemplarisch, daß, despite its fixation on-the scientific ideal, the Rockefeller strategy was guided less by objectivity than by what modern social science, somewhat belatedly, has come to recognize as an ethnocentrically distored vision of the modernization process. (5
Hatten sich diese Stiftungsprogramme noch vorwiegend direkt an die ausländischen Eliten gerichtet, so brachte das Ende des Ersten Weltkrieges völlig neue Bedingungen für den Kulturexport der USA Der ständig wachsende Einfluß der US-Wirtschaft lief parallel zum Ausbau der dominierenden Stellung der USA im Bereich der Massenkommunikationsmittel. Und diese beherrschende Position auf dem Sektor der Bewußtseinsindustrie führte logischerweise zu einer weiteren Ausdehnung des Marktes für US-Güter und Ideen.
Die Kontrolle der Informationsstränge und des Herrschaftswissens waren immer eine Voraussetzung für politische Macht. Es ist auch sicher kein Zufall, daß der Beginn der Weltmachtstellung der USA mit jenem Zeitpunkt zusammenfiel, zu dem es technisch möglich wurde, hard-ware und soft-ware der modernen Kommunikationstechniken massenhaft zu produzieren und weltweit zu vertreiben. Auf Grund der wirtschaftlichen Probleme der europäischen Staaten besaßen die USA nach 1918 die günstigste Ausgangsposition und konnten sich die wichtigsten Märkte sichern.
Der Begriff Isolationismus, mit dem die US-Außenpolitik der Zwischenkriegszeit charakterisiert wird, verschleiert die tatsächlichen Zusammenhänge. Denn die ökonomische Expansion der USA - ob es sich um Güterexporte, Direktinvestitionen oder um die Finanzierung von Anleihen und Reparationen handelte -, war alles andere als isolationistisch. Noch bis zum Ersten Weltkrieg hatten französische und britische Nachrichtenagenturen den südamerikanischen und asiatischen Markt beherrscht, und der französische Film war der Hauptkonkurrent für US-Produktionen in den Kinos der USA gewesen. Die wirtschaftliche Schwächung Europas erleichterte es den US-Konzernen nach 1918, die europäischen Monopole im Kabelkommunikationswesen und bei den Nachrichtenagenturen zu brechen und sich eine Vorrangstellung bei Radio, Film, elektrischen Produkten und in der Luftfahrt zu sichern.
Schon 1919 gelang es All-American-Cables, die britische Monopolstellung in Südamerika zu durchbrechen. Diese Firma ging dann 1927 in den Besitz von International Telephone and Telegraph über, und ITT beherrschte ihrerseits wiederum große Teile des europäischen Telephonmarktes. 1919 gründeten General Electric, American Telephone and Telegraph, Western Electric und die United Fruit Company gemeinsam die Radio Corporation of America, die den Ausbau der internationalen Radiokommunikation dominierte und eng mit US-Militärbehörden kooperierte. 1927 konnte Associated Press die britische Agentur Reuter in Japan entscheidend schwächen und die japanische Agentur Kokusai an sich binden. Seit den späten zwanziger Jahren durchbrachen United Press International und AP endgültig die regionalen Monopolstellungen der europäischen Agenturen Reuter, Havas und Wolff und etablierten nun ihrerseits ein weltweites Nachrichtenimperium. Gestützt auf eine beherrschende Position bei Produktion, Verleih und technischen Monopolen im Tonfilmsektor, gelang es Hollywood, das europäische Kino entscheidend zu schwächen. 1927 begannen die Pan-American Airways, abgesichert durch exlusive Regierungsaufträge, ihr luftiges Reich aufzubauen. Die US-Regierungen unterstützten diese Entwicklungen aktiv und schufen die gesetzlichen und politischen Voraussetzungen für den Aufbau eines globalen US-Kommunikationssystems. Konzem- und Staatsinteressen waren in diesem Bereich ganz offensichtlich identisch. Die massive Förderung durch Washington machte die erwähnten Firmen gleichsam zu auserwählten Instrumenten für eine Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Emily Rosenberg bezeichnete diese Konzerne treffend als quasi-offizelle Repräsentanten der nationalen Interessen im Ausland, hatten die entscheidenden Wirtschaftsfachleute und Politiker doch erkannt, daß
American trade and investment seemed to increase or decline along with the expansion and contraction of its communication and culture. lf American values were to uplift the world, then, so it seemed, must its capital and its products; and if its goods and capital were to circulate freely, so must American ideas. (6

Hatten schon die Kommunikationssysteme der frühen Neuzeit der raschen Information von Handelshäusern und Banken gedient, so war der Ausbau eines weltweiten Informationssystems durch US-Konzerne gewiß auch von eminent ökonomischer Bedeutung. Die dominierende Stellung am globalen Nachrichtenmarkt spielte darüber hinaus aber auch noch eine wichtige (kultur-)politische Rolle, denn Nachrichten sind ja keineswegs „wertfreie" Informationen, sondern sie sind ja selbst entscheidende Propagandaträger.(7 Darüber hinaus bot sich der US-Kulturindustrie nun die Möglichkeit, die ausländischen Massen direkt zu erreichen. Und - die Bedeutung der Produkte der Kulturindustrie für die Eroberung der Herzen des Publikums wird wohl immer noch unterschätzt. Wenige Kritiker kommen über Urteile ästhetischer Geringschätzung und Beweise ihrer eigenen Überheblichkeit hinaus. Dabei hatte John A Hobson schon 1901 in seiner Studie The Psychology of Jingoism betont, daß die music halls möglicherweise einen stärkeren Einfluß auf die öffentliche Meinung ausübten, als politische Debatten, Kirchen und Schule zusammengenommen. Die stereotype Propagierung des britischen Imperialismus in den nostalgisch idealisierten Produkten der Massenkultur - der Begriff Jingoismus, der den aggressiven Chauvinismus vor allem der britischen Unterschichten charakterisierte, stammte selbst aus einem music-hall-song -, verhalf den herrschenden Klassen to dress economic benefits in idealistic garb, substituting moral crusade for mercenary motive, romance and adventure for political and military aggression. (18 Und wie wir wissen, blieb diese Strategie durchaus nicht auf Großbritannien beschränkt.

Anmerkungen:

1) Heald, Morrell und Lawrence S. Kaplan: Culture and Diplomacy: The American Experience.- Westport, Conn., London 1977, S. 4.
2) Krakau, Knud: Missionsbewußtsein und Völkerrechtsdoktrin in den Vereinigten Staaten von Amerika.- Frankfurt/Main, Berlin 1967.
3) Ninkovich, Frank: 'Me Trajectory of Cultural Intemationalism. In: Kallgren, Joyce K und Dennis Fred Simon (Hg.): Educational Exchanges: Essays on the Sino-American Experience.- Berkeley 1987.
4) Heald und Kaplan, Culture and Diplomacy, S. 9 und 92-123.
5) Ninkovich, Frank: The Rockefeller Foundation, China, and Cultural Change. In: Joumal of American History, vol. 70, March 1984, No. 4, S. 799-820, hier S. 817.
6) Rosenberg, Emily: Spreading the American Dream: American Economic and Cultural Expansion, 1890-1945.- New York 1982, S. 87-107, 203-204, 213-214; Wagnleitner, Reinhold: Propagating the American Dream: Cultural Policies as Means of Integration. In: American Studies Intemational, vol. Y-XIV, April 1986, No. 1, S. 60-84, hier S. 61-62.
7) Stephens, Oren: Facts to a Candid World. America's Overseas Information Progr-am.Stanford, Ca. 1955, S. 109.
8) MacKenzie, John M.: Propaganda and Empire: The Manipulation of British Public Opinion 1880-1960.- Manchester 1984, S. 258.


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