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Die Entwicklung der kulturellen Außenbeziehungen der Vereinigten Staaten von Amerika


© by Reinhold Wagnleitner


III. Organisation und Aufgaben der US-Kulturmission in Österreich 1945-1955


With God's help we will lift Shanghai up and up, ever up until it is just like Kansas City.
U.S. Senator Kenneth Wherry in Eric Goldman, The Cultural Decade and After, 1945-1961 (New York, 1960), p. 116.

La nécessité politique d'influence culturelle en Europe Centrale est la raison profonde de notre presence en Autriche.
Le prob1ème autrichien actuel. Pourquoi la France estelle en Autriche? Commandement en chef français en Autriche. Secrétariat genéral. Section d' études. Imprimerie nationale de France en Autriche, ohne Datum.

Die Niederschlagung der Achsenmächte war für die Alliierten zunächst vorwiegend ein militärisches Problem. Je näher aber das Kriegsende rückte, desto mehr beschäftigten sich die US-Planungsstäbe auch mit der Frage der Etablierung einer pluralistischen, demokratischen Kultur in den besiegten Ländem. Viele Bewohner des zerstörten "Dritten Reiches", bei Kriegsende konfrontiert mit ungeheurem menschlichen Leid, materieller Not, moralischen (Selbst-)Vorwürfen und dem Zusammenbruch ihres Weltbildes, waren gleichwohl nicht imstande, die Ursachen dieses Chaos im militärischen und rassistischen Größenwahn ihres eigenen Systems zu erkennen. Der faschistische Staatsapparat, besonders die NS-Propaganda, hatte eben mit der totalen Durchdringung des menschlichen Bewußtseins operiert.

Den US-Experten erschien deshalb nur eine Strategie Erfolg zu versprechen: faschistischen Verhaltensmustern und autokratischen Einstellungen, die als Resultat faschistischer Gehimwäsche diagnostiziert worden waren, konnte nur mit demokratischer Dekontaminierung begegnet werden. Parallel zu den DDT-Entlausungsaktionen mußte also auch die „Entlausung der Gehirne“ vorgenommen werden. Das viel verspottete und verhaßte Schlagwort für dieses Programm, das den Gesundheitszustand Demokratie durch Verschreibung öffentlicher Krankenscheine erreichen wollte, hieß „Re-education“. In den ersten Nachkriegsjahren stand die gesamte US-Besatzungspolitik in Deutschland im Dienste dieser Umerziehung. „Re-education“ im engeren Sinne meint die Indoktrinierung durch Massenkommunikationsmittel und die Versuche zur Demokratisierung des Kultur- und Bildungswesens. (65
Aber nicht Übermut und Torheit der Besatzer waren der eigentliche Grund für die Umerziehung, wie es gerade von jenen Kritikern immer wieder behauptet wurde, die sich vorher der faschistischen Indoktrination widerstandslos geöffnet hatten. Die Voraussetzungen für dieses Programm lagen vielmehr in den naturrechtlichen Grundsätzen der staatstheoretischen Auffassungen in den Vereinigten Staaten, die "moralische“ Werturteile gegenüber dem Verhalten anderer Staaten immer wieder förderten. Zum einen waren die US-Planer völlig überzeugt, daß das „liberal“-kapitalistische System der USA, gleichsam als Kulmination aller bisherigen menschlichen Organisationsformen, allen anderen gesellschaftlichen Systemen nicht nur materiell, sondern auch moralisch überlegen war. Zum anderen beruhte die Umorientierung auf dem optimistischen Fortschrittsglauben, daß politische Reformen und die Etablierung der Demokratie „westlicher“ Prägung längerfristig nur über eine allen offene, pluralistisch-liberale Erziehung zu erreichen seien. (66
Dieses Programm zur kulturellen Emeuerung durch soziales Management, das nach dem Zusammenbruch des Faschismus nicht nur von den US-Autoren als durchaus fortschrittlich empfunden wurde mußte, um erfolgreich zu sein, allerdings alle gesellschaftlichen Bereiche erfassen. Da sich die US-Demokratisierungspolitik, deren antifaschistische Tendenzen schnell vom Antikommunismus überwuchert wurden, aber vor allem auf personelle, inhaltliche und formale Reformen im politisch institutionellen Bereich beschränkte, ohne eine Veränderung der sozialen Verhältnisse anzustreben, muß hier allerdings der Zweifel angebracht werden, ob eine Bewußtseinsänderung (...) ohne Änderung der gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen Bewußtsein sich konstituiert, überhaupt längerfristig möglich ist. (67
Im Gegensatz zu den strikten Umerziehungsmaßnahmen in Deutschland war für Österreich eine weichere Linie vorgesehen: „Re-orientation" statt "Re-education“. Die US-Propaganda für die Österreicher hatte sich schon seit der Moskauer Deklaration Ende 1943 von jener gegenüber den Deutschen unterschieden. (68 Wenn also die Reorientierungspolitik auch gewisse Härten zu vermeiden suchte - deshalb war wohl auch in Österreich weniger Kritik zu hören, während die Umerziehung in Deutschland schnell als Gehirn- und Charakterwäsche diffamiert wurde -, so sahen die US-Besatzer, und übrigens nicht nur sie, auch für Österreich ein strenges Programm der kulturellen Kontrolle, Entnazifizierung und Reform vor.
Die kulturelle Bedeutung der Okkupation und die einmalige Chance für die Alliierten stand bei den Planern außer Zweifel, wenn auch militärische, politische und ökonomische Fragen im Vordergrund zu stehen schienen. Deshalb nützten alle vier Besatzungsmächte jede Möglichkeit aus, um die österreichische Bevölkerung mit ihren jeweiligen kulturellen Produkten zu beeindrucken. Neben das zunächst vorrangige Ziel der Entnazifizierung des österreichischen Kulturlebens trat schon in der ersten Besatzungsphase die Konkurrenz der Alliierten. Die Kulturmission war ein wichtiges Mittel für die Stärkung politischer Macht und ökonomischen Einflusses.

Unmittelbar nach Kriegsende wurden die Organisationen der französischen Division des Affaires Culturelles, des British Council, der sowjetischen Gesellschaft zur Pflege der kulturellen und ökonomischen Beziehungen zwischen Österreich und der UdSSR und des US-Information Services Branch in den jeweiligen Besatzungszonen etabliert. Neben den unmittelbaren Aufgaben bei der Unterstützung der Militärregierungen und der Verbreitung der Proklamationen der Befehlshaber begannen diese Kulturabteilungen rasch mit Aktionen zur demokratischen Reorientierung und Kontrolle des österreichischen Kulturlebens.
Während aber die französische und britische Kultur und, bis zu einem gewissen Grad, auch die (traditionelle) russische Kultur bei vielen gebildeten Menschen hoch im Ansehen standen, verachteten viele österreicher(innen), wie viele andere Europäer, die USA als eine von Neureichen und tölpelhaften Emporkömmlingen bevölkerte kulturelle Wüste. Daher war die Ausgangslage für die US-Vertreter zunächst nicht gerade günstig. Ironischerweise kosteten die alliierten kulturellen Propagandainitiativen dann allerdings viel Geld. Und diese Ironie bezieht sich übrigens nur auf ein scheinbares Paradoxon, das "idealistischen" Gehirnen entspringt. Denn während sich die Träger dieser Gehirne nur allzu gerne an jenen Produkten der Hochkultur erfreuen, die im Umkreis des Adels und der Bourgeoisie gefördert wurden, bleibt ihnen der Zusammenhang zwischen Geld, Macht und Kultur, Basis und Überbau Anathema.
Und während sich die französischen und britischen Kulturprogramme immer knapp am Rande des finanziellen Abgrundes bewegten - so mußte etwa das Personal des British Council zwischen 1947 und 1952 um fünfzig Prozent reduziert werden -, hatte die Sowjetunion mit ihren Kulturinitiativen überhaupt kaum eine Chance, mehr als eine winzige Minorität im stramm antikommunistischen Österreich zu erreichen. Aber auch die französischen und britischen Programme erzielten wenig Breitenwirkung. Besonders die "steifen" französischen Hochkulturprogramme, die von kleinen Elitegruppen in Wien und Innsbruck enthusiastisch aufgenommen wurden, waren kaum geeignet, mit dem materiell mächtigsten Mitbewerber, den Vereinigten Staaten, in Konkurrenz zu treten.69 Die USA hatten nicht nur den Zweiten Weltkrieg als einzige der Großmächte unzerstört überstanden. Darüber hinaus war die wirtschaftliche Kraft der Vereinigten Staaten, die noch in den 1930er Jahren mit fast unüberwindlichen Problemen konfrontiert gewesen waren, durch die immense Kriegsproduktion, vom zerstörten Europa aus gesehen, ins scheinbar Unermeßliche gestiegen. Die Attraktion dieser materiellen Überlegenheit der USA, deren kulturelle Botschaften sich mit einer immer stärker werdenden - und durchaus wohlgelittenen - Dosis Antikommunismus umgaben, war (nicht nur) in Österreich groß. In der Psyche der Besiegten wurden die Vereinigten Staaten deshalb bald zu den relativ harmlosesten (siehe oben unter-. tölpelhaft) Siegern ernannt. Die USA avancierten zur Chiffre des eigentlichen Gewinners schlecht hin, auf dessen Seite „man“ eigentlich ohnehin gekämpft hatte. Wenn sich das reale Verhalten der Gls in vielen Belangen auch kaum von dem der Soldaten anderer Besatzungsarmeen unterschied, dann doch in einem wesentlichen Punkt. Sie verfügten nicht nur über Dollars, sondern über eine damals noch härtere Währung: Nahrungsmittel, Zigaretten, Nylonstrümpfe, Penicillin... kurzum, über die Überlebensnotwendigkeiten für die geplagten, hungernden, verwirrten Menschen.

Die ungeheure Faszination des scheinbar grenzenlosen Reichtums der Vereinigten Staaten, ja mit vielem Amerikanischen an sich, half der US-Kulturpropaganda auch dort, wo sie mit den "ureigensten Besitztümern“ - Stichwort: abendländische Kultur - der europäischen Besatzungsmächte konkurrieren mußte. Mochte die Zahl der französischen und britischen Kunstausstellungen jene der USA auch übertreffen, so gelang es den US-Behörden doch, selbst auf diesem Terrain aufzuholen. Die Kuratoren der Grandma-Moses-Ausstellung in Wien konnten daher 1950 stolz melden, daß diese Veranstaltung mehr Besucher anziehen konnte, als jede andere Ausstellung. Selbst die Werke Pablo Picassos hatten kaum halb so viele Menschen angelockt. Zweifellos ist dies nur ein Indiz, wenn auch kein unbedeutendes, für den Erfolg der US-Kulturplaner in Österreich. Und diese Erfolge betrafen nicht nur die populäre Kultur und einzelne Bereiche der Hochkultur. Die materielle Kultur wurde dadurch ebenso beeinflußt wie die politische Kultur - auch wenn wir angesichts des Präsidentschaftswahlkampfes von 1986 und der unsäglichen Asylanten-Diskussion daran zweifeln mögen. Ein zynischer Betrachter könnte jedenfalls immerhin zu dem Schluß kommen, daß die als „Noricum-Skandal" verharmlosten Waffen-Export-Verbrechen eben nur die schlampige Österreich-Version des Iran-Contra-Gate-Skandals darstellen.
Die Organisation der Umerziehung wurde in Österreich von der US-Information Services Branch ISB geleistet, die am 15. Mai 1945 ihre Tätigkeit aufnahm. Am 6. Juli 1945 ging der Oberbefehl über die ISB vom Supreme Headquarters Allied Expeditionary Forces (SHAEF) an die United States Forces in Austria (USFA). Die ISB, die aus der Information, News and Censorship Section (INC) hervorgegangen war und sich zuerst hauptsächlich aus Mitarbeitern des Office of War Information (OWI) zusammensetzte, profitierte von der Verzögerung der Etablierung des Alliierten Rates in Wien. Sie konnte so eine relative organisatorische Unabhängigkeit erreichen und damit die US-Kulturpolitik in Österreich in der unmittelbaren Nachkriegszeil. entscheidend dominieren. Letztlich unterstand die ISB der Civil Affairs Division (CAD) des War Departments in Washington. Koordinierungsstelle für die laufenden Aufgaben in den USA war das New York Field Office der CAD. Ab 1947 gewann das Department of State zunehmend Einfluß auf Planungsarbeiten und Entscheidungen. Am 16. Oktober 1950 übernahm das Außenministerium dann auch endgültig die Leitung. (72 Der Aufbau der ISB wurde von Oberstleutnant Robert V. Shinn, James J. Minifie und Albert van Eerden unter der Führung von Brigadegeneral A-J. McChrystal durchgeführt. Die ISB hatte folgende Abteilungen:

1. Press Scrutiny und Austrian Publications Control

Diese Abteilung erteilte Lizenzen und überprüfte Publikationen auf Verletzungen alliierter Dekrete. Mit den Papierzuweisungen verfügte sie über ein wirksames Druckmittel. Diese Papierrationierungskontrolle wurde im November 1946 an die österreichische Regierung abgetreten, die Lizenzierung des Verlagswesens im März 1947.

2. Theater & Music

Diese Sektion sollte für die Entnazifizierung der Kunstszene sorgen, eine schwierige Aufgabe, die im Herbst 1947 der österreichischen Regierung überlassen wurde. Die Kontrolle reisender Schauspieler und Musiker wurde 1949 eingestellt. Sie plazierte eine größtmögliche Zahl von US-Künstlern und Werken an österreichischen Bühnen. Für österreichische Musiker wurde außerdem eine Bibliothek mit US-Kompositionen aufgebaut.

3. Films

Diese Abteilung arbeitete eng mit Hollywoods Motion Picture Export Association (MPEA) zusammen und sorgte für die Distribution kommerzieller US-Filme. Bis 1949 wurde gemeinsam mit der britischen Besatzungsmacht die Wochenschau Welt im Film produziert. Die konfiszierten Filmanlagen in der US-Zone wurden 1946 der österreichischen Regierung übergeben. Alle deutschen und österreichischen Filme wurden beschlagnahmt und auf ihren politischen Gehalt geprüft. 1948 erhielt die österreichische Regierung das Film-Lizenzierungsrecht zurück. Neben der Produktion von Propagandafilmen wurden auch Synchronisationsarbeiten durchgeführt. Zwei für die Kulturszene der Zweiten Republik später bedeutende Persönlichkeiten wirkten in dieser Abteilung: Ernst Haeusserman und Marcel Prawy.

4. Pictorial

Hier wurde das benötigte Bildmaterial beschafft und an alle anderen ISB-Agenturen verteilt.

5. Communications

Diese Abteilung kontrollierte die österreichischen Fernschreibverbindungen mit dem Ausland. Zeitungen und Rundfunk wurden mit Nachrichtenmaterial versorgt. Außerdem wurden die Sendungen der Voice of America mitgeschnitten und andere ausländische Stationen mitgehört. Die Kontrolle der Nachrichtenverbindungen mit Italien wurde 1947, jene mit der BRD 1949 an die österreichische Regierung abgetreten.

6. News Operations

Dieser Sektion unterstand das gesamte Pressewesen. Der Amerikanische Nachrichtendienst (AND) versorgte die österreichischen Medien kostenlos mit Informationen. Im September 1946 überließ er das lokale Geschäft UPI und AP, spielte aber noch eine wichtige Rolle bei der Ausbildung vieler Journalisten. Die Features and Pictures Services übersetzten US-Artikel und plazierten sie mit großem Erfolg in mehr als 200 österreichischen Publikationen.

7. Graphic Display

Dieser Abteilung unterstanden die Amerika Häuser in Wien, Linz und Salzburg und neun weitere Informationszentren und Leseräume in Wels, Steyr, Ried im Innkreis, Gmunden, Zell am See, Hallein, Innsbruck, Graz und Klagenfurt.

8. American Publications

Diese Abteilung hatte drei Aufgaben:

a) Import und Vertrieb von US-Publikationen
b) Herstellung von US-Büchern und Zeitschriften in Österreich
c) Kontaktbüro für österreichische Verlage

9. Radio Section

Diese Sektion kontrollierte die US-Radiostation Rot-Weiss-Rot mit Sendeanlagen und Studios in Wien, Linz und Salzburg.

10. Education Division

Dieser Abteilung oblag die Entnazifizierung und Reform des Erziehungswesens, vom Kindergarten bis zur Universität.

11. Exchange of Persons

Diese Stelle kontrollierte die Austauschprogramme und betreute Wis- senschaftler, Studenten und andere offizielle Besucher aus den USA

12. Youth Clubs

Von dieser Abteilung wurde die wichtigste Zielgruppe überhaupt betreut - die Jugend. Hunderte 4-H-Klubs (Haupt, Herz, Hände, heilsames Leben) in allen Besatzungszonen, die sowjetische eingeschlossen, garantierten den Kontakt mit der Landjugend. Spiel- und Sportprogramme, Geschenke von Spielzeug und Sportartikeln - vom Boxhandschuh bis zum Baseballschläger -, die Ausbildung von Jugendführern, die Errichtung der AYA-Clubs (Austrian Youth Activities), die Herausgabe von Zeitschriften, Film- und Tanzveranstaltungen, Diskussionen und Weihnachtsparties für alle Schüler in der US-Zone, sowie die Unterstützung bei der Wiedererrichtung und beim Neubau von Sportanlagen garantierte den ständigen Kontakt mit der Jugend.

13. Administration & Financial

Diese Abteilung erledigte alle Verwaltungs-, Rechnungs- und Perso- nalangelegenheiten.(73

Diese umfassenden, im Laufe der Besatzungszeit noch erweiterten Aufgaben der ISB spiegelten sich im Personalstand wider. Dabei ist zu beachten, daß die vorhandenen Unterlagen nur Annäherungswerte zulassen. Nicht nur wechselte der Mitarbeiterstab der ISB von Monat zu Monat, die US-Kulturagenden wurden auch nicht ausschließlich von der ISB erledigt. Fallweise assistierten Mitglieder der diplomatischen Mission in Wien, verschiedener Militärdienststellen, aber auch des Marshall-Plan-Büros (ECA). Die US-Kulturbehörden hatten 1945/46 etwa 140 Mitarbeiter, 1947 schon 737,1948 dann 760, erreichten 1949 mit 1.060 einen Höhepunkt und hielten dann bis zum Ende der Besatzungszeit bei einem Stand von etwa 900. Die große Mehrheit der Beschäftigten waren Österreicher. So setzte sich der Mitarbeiterstab 1947 aus 62 US-Amerikanern und 765 Österreichern, der von 1952 aus 58 US-Amerikanern und 879 Österreichern zusammen.(74
Ähnliche Schwierigkeiten bereitet die Zusammenstellung einer verläßlichen Budgetübersicht für die einzelnen Kulturprogramme. Sie wurden nicht nur über verschiedene Quellen der US-Armee und des Department of State gespeist. Die Übernahme der Agenden durch das US-Außenministerium verringerte zwar ab 1950 die häufigen Kompetenzkontlikte, die neuen Budgets berücksichtigten aber noch immer nicht die zahlreichen Einzelprogramme, die genauen Einnahmen in Schillingbeträgen und die finanziellen Beiträge der ECA Jedenfalls konnte die ISB in den ersten Nachkriegsjahren - etwa durch steuerfreie Profite vor der Abgabe der Salzburger Nachrichten und der Oberösterreichischen Nachrichten (öS 2,632.858), beim Wiener Kurier (alleine bis Oktober 1947 öS 14,093.387), durch Kinoeinnahmen (als Deutsches Eigentum), durch die Wochenschau Welt im Film (bis Oktober 1947 öS 4,447.708) und durch andere Publikationen - gewinnbringend operieren. Dies war auch besonders wichtig, weil der US-Kongreß der Kulturpropaganda in der unmittelbaren Nachkriegszeit noch ablehnend gegenüberstand. Obwohl die Ausgaben gegen Ende der 1940er Jahre langsam an die Einnahmen herankamen, betrug der Gewinn zwischen Juli und September 1949 7,085.610 Schilling und zwischen Juli 1949 und März 1950 immer noch 1,534.718 Schilling.(75 Die Dollarbudgets der ISB, bzw. der USIE bewegten sich bis 1955 zwischen ein und zwei Millionen Dollar, von etwa 1,295.481 Dollar im Jahre 1950 über 1,814.082 im Jahre 1951 auf 821.300 im Jahre 1952. Diese Zahlen berücksichtigen einzig die Ausgaben in Dollar, für die lokalen Kosten wurden in den 1950er Jahren pro anno zwischen zwanzig und dreißig Millionen, 1953 sogar knapp über einhundert Millionen Schilling vorgesehen.76 Grundsätzlich konnten etwa neunzig Prozent des Programms in Österreich mit Schillingeinnahmen abgedeckt werden. Bei einer Berücksichtigung der gesamten Operationskosten kommen wir immerhin noch auf einen Wert von etwa sechzig Prozent. (77 Wenn die ISB auch nicht über grenzenlose Beträge verfügen konnte und die Ausweitung der Kulturpropaganda immer kleinere Gewinne und schließlich Verluste einbrachte, konnten doch alle im Laufe der Besatzungszeit als notwendig erachteten Programme zügig durchgeführt werden. Die ISB war jedenfalls über eigene Gewinne gut abgesichert und konnte den budgetären Vorgaben des US-Kongresses, die sich im Verlaufe des Kalten Krieges ohnehin ständig erhöhten, mit Gelassenheit entgegensehen. Im Gegensatz zur Kulturpropaganda der anderen Alliierten lag die ISB im Aufwind, nicht nur hinsichtlich der Finanzen, sondern auch im Bereich der Akzeptanz bei der österreichischen Bevölkerung. Martin F.,Herz, US-Gesandtschaftssekretär in Wien, meinte sogar, daß incidentally, as to payment in Austrian currency, ISB has more Schillings than it knows what to do with. (78

An Möglichkeiten, diese Gelder auszugeben, herrschte jedenfalls kein Mangel. Die Aufgaben der ISB waren umfangreich, die Funktionen klar definiert. War sie doch gegründet worden, to utilize every possible material and psychological means to create respect, if not admiration, for the American attitude, and thereby to vitiate the propaganda of competing political philosophies. (79
In der ersten Besatzungsphase kontrollierte sie das Filmwesen, Iheateraufführungen, Opern, Konzerte, Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, Flugschriften, die Werbung, den Rundfunk, Nachrichtenagenturen, das Schulwesen, ja sogar Puppentheater, Zirkusvorstellungen, Faschingsveranstaltungen, Bälle, religiöse Prozessionen, Kirtage und Jahrmärkte. (80 Die Ansätze zur totalen Kontrolle des kulturellen Lebens durch die US-Behörden erinnern strukturell an die Besatzungspolitik, die die siegreichen Nordstaaten dem unterworfenen Süden nach dem US-Bürgerkrieg in der Rekonstruktionsperiode verordneten. Diese Kontrolle führte nicht nur zu dem Paradox, demokratische Kultur mit potentiell undemokratischen Methoden durchsetzen zu wollen. Die US-Reorientierung, die spätestens ab 1947 fast ausschließlich im Zeichen des Antikommunismus stand, ging auch über die liberaleren, meist aber äußerst ungeschickten, kulturellen Kontroll- und Zensurmaßnahmen der sowjetischen Besatzungsmacht hinaus.
Anfänglich lag die politische Hauptaufgabe der ISB in der Überwindung faschistischer Relikte in der österreichischen Kultur. Wichtigstes Ziel war, to assist in the eradication of Nazism, militarism and GERMAN, Austrian Nazi or Fascist or pan-German sources. (80 Wenn in dieser ersten Full-and-Fair-Picture-Phase heftige Angriffe auf die Sowjetunion auch noch unterblieben, so zeigen etwa die Kriegsberichte in den US-Medien doch bereits einen deutlichen Trend: Aufwertung des Kriegsbeitrages der Westmächte, vor allem der USA, bei gleichzeitigem Herunterspielen der Rolle der UdSSR. Der Kalte Krieg machte diese Zurückhaltung rasch obsolet und führte, über erste heftige antisowjetisehe Attacken 1946, gegen Ende 1947 zur totalen Konfrontation in diesem Krieg der Worte. (82 Die Verschiebung dieser politischen Schwerpunkte zeigt sich in den internen Zielvorgaben der US-Behörden ganz deutlich. Die Verwischung der Unterschiede und Gegensätze zwischen Faschismus und Kommunismus durch die Totalitarismustheorie gestattete, die neue politische Stoßrichtung ideologisch zu untermauern. Der weit gefährlichere Gegner stand nun links, wie etwa der USIE Country Plan on Austria von 1950 deutlich macht. Hauptaufgabe war nun to counteract totalitarian influences in Austria, whether from the communist left or the neo-Nazi right, and particularly to encourage democratic stability by exposing and attacking Communist attempts to encroach upon the authority of the Austrian Government. (83 Die psychologischen Ziele des USIS Country Plan - Austria für 1953 zeigen dies noch deutlicher: Encourage Austrian will to resist pressures from the East and'instill and strengthen kinship with the West. Demonstrate U.S. concem for Austria and its welfare, particularly its independence from interference or influence by the Soviet Union or satellites. (84

Grundsätzlich richtete sich die Informations- und Kulturpolitik der USA an die gesamte Bevölkerung, die primären Zielgruppen waren jedoch: die meinungsmachenden Exponenten der gebildeten Mittelschichten. Dazu zählten, neben Lehrern und Journalisten, auch Techniker, Wissenschaftler, Juristen und Künstler. Ein weiteres Primärziel war die Arbeiterschaft, vor allem auch deswegen, weil die US-Experten in der politischen Führung der SPÖ und des Gewerkschaftsbundes - zu Recht eine der wesentlichsten antikommunistischen Speerspitzen und den wirksamsten antisowjetischen Alliierten in Österreich erkannten. (Die politische Absurdität der von der ÖVP in Wahlkämpfen ständig aufgewärmten Rote-Katze-Parolen bot den US-Vertretern in Österreich bis 1955 wiederholt Anlaß zu ironischen Kommentaren.) Als weitere Zielgruppen wurden besonders angesprochen: die 'häufig anti-intellektuelle“ Mittelklasse im kleinstädtischen und ländlichen Raum und die Jugend, vornehmlich die Jugendorganisationen der politischen Parteien und der katholischen Kirche. (85
Im Frühjahr 1948 erreichte die antisowjetische Propaganda der US-Medien einen so hohen Sättigungsgrad, daß es den US-Experten im Lande ratsam schien, von dieser allzu offenen, negativen und aggressiven Strategie abzugehen und sie durch eine weichere, die positiven Seiten der USA betonende Informationslinie zu ersetzen. Meinungsumfragen hatten ergeben, daß eine große Mehrheit deutlich Überdrußerscheinungen gegen den Holzhammerstil zeigte. Auch aus anderen Gründen meinten die ISB-Experten auf aggressive Propaganda verzichten zu können. Zum einen wurde die antikommunistische Berichterstattung nun ohnehin von der großen Mehrzahl der österreichischen Medien selbst erledigt. Denn eines war selbst für die liberalen ISB-Mitarbeiter selbstverständlich: Medien, deren Haltung nicht eindeutig pro-westlich war, galten als kommunistisch, waren also per definitionem zu bekämpfen. Obwohl die ISB-Politik mit ihrer Förderung unabhängiger Medien in Österreich erfolgreich war, konnte es deshalb in diesem Selbstverständnis unabhängige Medien im eigentlichen Sinn gar nicht geben. (86 Zum anderen schien die ideologische Schlacht in Österreich ohnehin bereits zugunsten der USA entschieden. Die ISB-Experten hatten erkannt, daß politische Propaganda, die als solche erkennbar war, häufig geradezu Ablehnung provozierte. Diese negativen Publikumsreaktionen waren zweifellos das Resultat der intensiven Dauerberieselung mit Propaganda, die nun, wenn auch mit verschiedenen ideologischen Zielvorstellungen, bereits mehr als eine Dekade andauerte.
Die Madison-Avenue-Methode der positiven Selbstdarstellung und Überredungskunst bot sich deshalb geradezu von selbst an. Der Direktor der ISB, Ray E. Lee, erließ daher die Anweisung, antisowjetische Tiraden durch die neue Linie zu ersetzen, denn:
Our real task is to sell America. We doubt that we are selling America by lambasting the Soviets. Putting it another way, someone said that the Austrians dislike the Russians already. lt is hardly necessary for us to prove further tö the Austrians that they should dislike the Russians. (87

Die ISB hatte in den ersten Nachkriegsjahren also effizient gearbeitet. Zur Sammlung von Informationen, war schon Mitte 1946 die Counter-Propaganda PolicyGroup gegründet worden. Mitte 1947 wurde dann der Information Coordinating Board (ICB) formiert, der sich aus Mitgliedern der Intelligence Coordination Branch und der ISB zusammensetzte. Diese neue Abteilung fungierte als zentrale Schaltstelle aller US-Abteilungen für die Beschaffung, Bearbeitung und Medienverwertung antikommunistischer Propaganda in Österreich. Im Gegensatz zur sowjetischen Propaganda, die sperrfeuerartig antiamerikanische Parolen repetierte, welche am mehrheitlich antikommunistischen Publikum wirkungslos abprallten, wenn sie nicht überhaupt antisowjetische Ressentiments verstärkten, erzielte die vom ISB zentral koordinierte, aber durchaus mit variablen Registern gespielte US-Informationsstrategie wichtige Erfolge. Das rasche Reagieren auf Entwicklungen innerhalb und außerhalb Österreichs wurde durch die ab 1949 wöchentlich abgehaltenen Telekonferenzen zwischen Abteilungen des Department of State, des Pentagon und des Information Coordination Committee noch erleichtert. Die Zentralisierung der Nachrichtenbeschaffung im ICB war nicht nur bei der Streuung antikommunistischer Informationen in den Medien erfolgreich. Es gelang sogar, immer wieder bestimmte Meldungen gezielt in Reden österreichischer Regierungsmitglieder und anderer Politiker einzuschmuggeln. (88
Die ursprüngliche Kontrollfunktion der US-Kulturbehörden wandelte sich im Laufe der Jahre 1947/48 allmählich in eine den lokalen Umständen besser entsprechende dirigierende Ratgeberrolle. Dieser Kurswechsel entsprach durchaus den ursprünglich geplanten Phasen der US-Reorientierungspolitik, die alle Facetten - vom totalen Verbot über vorsichtige Lockerungen bis zur Übergabe aller Kontrollfunktionen nach der Wiederherstellung der Demokratie - vorgesehen hatte. Obwohl nicht nur die US-Experten vor Ort wußten, daß nur eine varianten- und abwechslungsreiche Kultur- und Informationsstrategie langfristig erfolgreich sein würde, widersetzten sich die übergeordneten Stellen der USArmee und des Department of State jedoch hartnäckig jeder Abschwächung der Attacken gegenüber der Sowjetunion. Ja, die Vertreter einer härteren Gangart in Washington, vor allem aber im New York Field Office, forderten wiederholt nicht nur die Beibehaltung der Propagandaintensität, sondern sogar noch deren Eskalation. Auf völlige Ablehnung stieß auch die Praxis der liberalen ISB-Mitarbeiter, die totale Weißfärberei als unglaubwürdig ablehnten und deshalb'manchmal auch vorsichtige Kritik gegenüber Zuständen in den Vereinigten Staaten (etwa: Rassismus) in den US-Medien in Österreich durchgehen ließen. Zwar meinten auch die Kontrolleure in Washington und New York, daß Kritik zweifellos zum Wesen der Demokratie gehöre. Innerhalb der USA dürfe deshalb auch Kritik geäußert werden, nicht dagegen im okkupierten Ausland, noch dazu auf Kosten der US-Steuerzahler.
Dieser latente Konflikt zwischen den ISB-Experten, die die lokalen Verhältnisse kannten, und den verantwortlichen Behörden in den Vereinigten Staaten, die die reine Lehre propagiert sehen wollten, trieb manchmal seltsame Blüten. Dazu hier nur ein Beispiel, das die gegensätzlichen Positionen aufhellt. Im Juli 1948 kam die Order aus New York, daß Kritik an den USA nicht mehr toleriert werden könne, denn when everybody else is criticizing this country and emphasizing its shortcomings, it has become our task to seek out the points which make the American system appear good, sound and the best possible o f all systems. (89
Dieser Logik folgend mußte daher gerade auch das kapitalistische System in positiver Weise propagiert werden. Denn, so die Anordnung aus New York:
it is not official policy to 'sell' the capitalistic system. under which this country prospered, but the fact remains that it is the only system which has been able, up to this minute, to guarantee the greatest number of individual freedoms which survived anywhere. Now, it is perfectly legitimate for Americans to criticize the American system and to advocate change as, for instance, socialization. Nevertheless, capitalism is basic to the American way of life as it is known töday, and secondly, it is attacked from all sides. Therefore, it should be our task to emphasize the good points of capitalism whenever possible. (90

Bei vielen ISB-Mitgliedem erregten diese Interventionen Verwunderung, Mißmut, Verbitterung und Ablehnung. Sie kannten die Wirkungslosigkeit der sowjetischen Propaganda und hatten die Erfahrung gemacht, daß ihre eigene flexiblere Werbestrategie besser ankam. Darüber hinaus war ihnen nur allzu klar, was die propagandistische Forcierung des kapitalistischen US-Systems in einem Land mit einer starken sozialistischen Partei und Gewerkschaft bedeutete. Wenn schon Kapitalismus, dann einer à la New Deal, wie ihn der gerade anlaufende Marshall-Plan vorexerzierte. Denn:
Any attempt to emphasize the good points of capitalism will boomerang, especially in central Europe, where the Social Democratic Party has millions of followers. The suspicion and hostility, which will be engendered by any prating of capitalism's benefits, will go a long way toward making all of our propaganda suspect. Our job is not to 'ballyhoo' capitalism, but to sell democracy. Any effort to ram alien economic concepts down the throats of suspicious Europeans will fail (...) In addition, a frank acknowledgement of our own shortcomings endows our output with that quality of verisimilitude which makes propaganda effective. (91

So lange die ISB relative Unabhängigkeit besaß, konnten Interventionen dieser Art wenigstens abgeschwächt werden. Im Zuge der Übemahme durch das D(epartment of State wurde jedoch der ICSB aufgelöst und die ISB wurde zum verlängerten Arm der USIA- Ab 1950 wurde der ISB auch eine neue Hauptaufgabe zugeteilt: sie wurde immer mehr zur Schaltstelle für die US-Propaganda in Richtung Östblockländer. (92
Im Österreichplan der USIE für die Jahre 1951 und 1952 wurden die bisherigen Leistungen der ISB resumierend als durchaus positiv bewertet. Zwar unterstütze die UdSSR den Propagandaapparat der KPÖ und kontrolliere auch den Regierungssender RAVAG. Die US-Medien hätten noch gewisse Schwierigkeiten bei der Durchdringung der sowjetischen Zone. Auf Grund der Erfahrungen mit den deutschen und alliierten Besetzungen mißtrauten die Österreicher darüber hinaus jeder Art von Propaganda. Neben den natürlichen Ressentiments eines Volkes gegen Besatzer mit ihren militärischen Installationen, Soldaten und Requirierungen, bestünden auch noch latente Ängste, nur ein Pfand im Konflikt der Großmächte und potentielles Schlachtfeld in einem militärischen Konfliktfall zu sein. Diese exportierte Position im Fall eines Krieges und die Furcht vor der Vergeltung durch die UdSSR ließe auch apathischen Neutralismus aufkommen. Noch ein weiterer Faktor - und nicht der unbedeutendste - schien für die Interessen der USA ungünstig: Österreichs traditionelle Vermittlerrolle im Ost-West-Handel!
Dennoch, die positive Bilanz der ISB-Arbeit überwog in diesem Resümee sehr deutlich. Die US-Zeitung Wiener Kurier habe den größten Leserkreis von allen österreichischen Zeitungen. Der US-Rundfunk Rot-Weiss-Rot verfüge nicht nur über die stärksten Sendeanlagen, sondern habe auch die bei weitem größte Akzeptanz. Daneben verfügten die USA nun über elf äußerst gut besuchte Informationszentren. Außerdem seien die österreichischen Massenmedien der US-Politik gegenüber positiv eingestellt und die österreichische Regierung vertrete konsequent antikommunistische und antisowjetische Haltungen. Nicht nur seien die Kommunisten in Österreich quantitativ unbedeutend, das Land vertilge darüber hinaus auch noch über tiefverwurzelte katholische Traditionen. (93

Angesichts dieser für die USA positiven Voraussetzungen nach fünf Jahren ISB-Arbeit informierte US-Außenminister Dean Acheson bei Übernahme des Programms die US-Stellen in Österreich, daß von nun an vom Gebrauch des Begriffes Reorientierung abzusehen sei. Wenn es auch noch Gruppen gäbe, deren Umerziehung und Reorientierung nicht abgeschlossen sei, so sei nun doch der Zeitpunkt gekommen, wo die anweisende Rolle der US-Medienpolitik in Österreich in eine Funktion der Unterstützung umgewandelt werden sollte. Der Begriff "Reorientierung“, bei dem die ungewünschten Konnotationen „Bevormundung" und "aufgezwungene Reformen“ mitklangen, mußte demnach verschwinden. Interessant scheint in diesem Zusammenhang vor allem die Begründung des US-Außenministers für diesen Schritt: sollten doch einerseits vor allem jene Österreicher, die als Meinungsmacher über die Austauschprogramme in die USA eingeladen wurden, vom Stigma der Bevormundung befreit werden. Andererseits waren aber gerade diese Einladungen Teil einer langfristigen US-Strategie in Österreich. Denn die Reisestipendien ergingen ja vorwiegend an solche Personen, die nicht ausgewählt worden waren,
because of any speeially urgent need on their part for psychological reconditioning but because they are considered especially useful in communicating inforrnation about the United States and its democratic institutions to their fellow citizens, they themselves being already most favorably disposed in that direction. (94

Dieses Abgehen vom Reorientierungskonzept resultierte allerdings in keiner Verminderung der US-Propaganda, sondem, ganz im Gegenteil, in einer deutlichen Intensivierung. Am 13. September 1950, also noch vor den Oktoberstreiks, erließ das Department of State eine Direktive zur Psychologischen Offensive in Österreich. (95 Der Grund für diese Ausweitung der US-Aktivitäten lag nicht etwa in einer Überschätzung der Stärke der KPÖ oder der sowjetischen Position. Wenn auch die Aktionen der UdSSR und der österreichischen Kommunisten weiter mit äußerstem Mißtrauen verfolgt wurden, so glaubten sich die Experten im Department of State doch auf die antikommunistischen Abwehrkräfte in Österreich voll verlassen zu können. Diese neue Propaganda-Offensive war daher vor allem eine Reaktion auf zwei andere Probleme.

Erstens intensivierte die lange Dauer der Besatzung in Österreich zunehmend Gefühle der Hilflosigkeit und Apathie, die sich vor allem in steigender Kritik an der ÖVP-SPÖ-Koalitionsregierung aus dem "rechten“ Lager entluden. Zweitens hatte die US-Regierung kaum mehr direkte Einflußmöglichkeiten in den Ländern des Ostblocks, so daß nunmehr Wien immer mehr zum vorgeschobenen Brückenkopf der US-Informations- und Propagandaanstrengungen in diese Richtung avancierte.
Die Sorge um das Wiedererstarken "rechter", autoritärer Tendenzen in Österreich zeigt sich ganz deutlich in den Berichten der US-Behörden in jenen Jahren. In einer Analyse der Situation zwischen Oktober 1950 und Dezember 1951 wurde, nach den VdU-Erfolgen bei den Nationalratswahlen 1949 und dem relativ guten Abschneiden des Bundespräsidentschaftskandidaten Dr. Burkhart Breitner 1951, bestürzt das Wiederaufleben antiparlamentarischer, traditionalistischer und neofaschistischer Strömungen konstatiert. Besonders stark sei dieser Trend in den ländlichen Gebieten zu vermerken, wo er sich vor allem auf lokale Obskuranten, Antisemiten, Neonazis und ungebildete Nihilisten stützen könne, deren einigendes Motiv einzig in der totalen Ablehnung der Koalitionsregierung bestehe. Allerdings könnten sich diese Gruppen auf eine vorwiegend rechtsgerichtete Presse stützen, die von den geschickt gemachten Salzburger Nachrichten angeführt würde, deren antidemokratische und regierungsfeindliche Haltung genauso notorisch sei wie ihre Kritik an der US-Besatzungspolitik. (96
Um diese Entwicklungen zu konterkarieren, verstärkte die USIE im Rahmen der Psychologischen Offensive ihren Einsatz in allen Bereichen. Die Bibliotheken wurden ausgebaut, ein neues Informationszentrum in Gmunden gegründet. Die Übersetzung von Kinder- und Jugendbüchern wurde forciert. Eine neue USIE-Zeitschrift Young People, die als Unterrichtsbehelf für Englischklassen konzipiert worden war, wurde vom Unterrichtsministerium approbiert und konnte daher auch in der sowjetischen Zone eingesetzt werden. Die Education Section wurde personell erweitert und das Programm der Zeitschrift Erziehung, die an alle Lehrer kostenlos verteilt wurde, überarbeitet. Das Österreichisch-amerikanische Institut für Erziehung und die Österreichisch-amerikanische Gesellschaft bekamen einen US-Konsulenten und finanzielle Unterstützung von der Rockefeller Foundation und vom Marshall-Plan-Büro. Dadurch konnten die beiden Gesellschaften ihre monatliche Reichweite nicht nur auf 20.000 Personen ausdehnen, sondern auch Unterabteilungen in der sowjetischen Zone etablieren. Neben dem Wiener Kurier und schon bestehenden Zeitschriften für verschiedene Zielgruppen wurde der Publikationssektor weiter ausgebaut. Die USIE verfügte neben einer Nachrichtenagentur nun auch über ein Fernschreibernetz, das nicht nur mit den US-Behörden, sondern auch mit Zeitungsredaktionen in ganz Österreich verbunden war. Das Flugschriftenprogramm wurde ebenso erweitert wie die Photographieabteilung. Bildbeilagen, Bildmatrizen und aktuelle Bulletins wurden an Zeitungen im ländlichen Raum, aber auch an interessierte Einzelpersonen versandt. Der quantitative Ausstoß dieses Programms, das übrigens fast ausschließlich mit Counterpart-Schillingen vom ECA-Büro finanziert wurde, war beeindruckend. Alleine in den letzten sechs Monaten des Jahres 1951 wurden 2,820.400 politische Pamphlete verteilt.
Die Filmprogramme wurden ebenso verstärkt, wie die politischen Sendungen von Radio Rot-Weiss-Rot. Diskussionsprogramme und politische Kommentare erhielten mehr Sendezeit, und Rot-Weiss-Rot entwickelte nun auch ein tägliches Kurzprogramm, das sich besonders an Arbeiter richtete. Den Inhalt dieses Programms koordinierten US-Verbindungsoffiziere mit Funktionären des ÖGB. Die Austauschprogramme wurden um das Fulbright Programm erweitert, eine Alumni Association wurde gegründet und eine Datensammlung über alle bisherigen Teilnehmer angelegt. Für junge Akademiker wurden in Zusammenarbeit mit dem ECA-Büro Trainingsprogramme eingerichtet. Das Visual Media Programm konzentrierte sich nun vor allem auf die Herstellung von Plakaten, vor allem dem neuen Bild der Woche, das wöchentlich in einer Auflage von 2.000 Exemplaren an Straßen und Bahnhöfen (auch in der sowjetischen Zone) affichiert wurde.
Besondere Aufmerksamkeit wurde den Jugendprogrammen geschenkt. Politisch weniger relevante Aktivitäten wurden eingeschränkt, die Bemühungen auf wichtige Zielgruppen konzentriert. In der Nähe der Universität Wien wurde ein Kulturzentrum für Studenten eingerichtet, Seminare für Englischlehrer wurden intensiviert und die Jugendprogramme generell politischer gestaltet, wobei in diesem Bereich wieder die antikommunistische Ausrichtung besonders betont wurde. US-Jugendbetreuer wurden explizit angewiesen,
to concentrate less on Kindergarten and sport activities, as it were, and to devote their energies in developing contacts with a view to indoctrinating Austrian youth leaders with a sense of civic responsibility and to attempt to organize and strengthen a strong anti-Communist front in the Austrian youth organizations. (97

Die neuerliche Verhärtung der Propagandalinie - also gewissermaßen. die Reorientierung des Reorientierungsprogrammes - bereitete der österreichischen Bevölkerung übrigens weniger Schwierigkeiten, als einigen langjährigen ISB-Mitarbeitern. Die liberalen US-Experten standen der neuen Psychologischen Offensive durchaus ablehnend gegenüber. Deshalb wurden detaillierte Anweisungen ausgearbeitet, um sie auf den rechten Kurs zu bringen, denn,
perhaps the chief obstacle in this regards ist the reorientation [!] of thinking of the staff members responsible for carrying out the program, who, during the past five years or longer, have become too deeply indoctrinated [!] with the 'full and fair picture' concept of American information work that they completely miss the political meaning and opportunities of the new program. (98

Keine Widerstände. bestanden dagegen gegen den verstärkten Einsatz US-amerikanischer und österreichischer Medien als Propaganda-Instrumente gegen Ostblock-Staaten. Allfällige österreichische Bedenken gegen eine Intensivierung der US-Programme auf österreichischem Staatsgebiet sollten vor allem mit zwei Methoden überwunden werden: Einerseits mußten österreichische Persönlichkeiten von der politischen Notwendigkeit und vom langfristigen Vorteil für Österreich selbst überzeugt werden. Andererseits mußten österreichische Meinungsmacher auch selbst mitarbeiten, damit die Informationen so lanciert werden konnten, daß die eigentliche Quelle im verborgenen blieb. Jedenfalls mußte im propagandasaturierten Österreich der Made-in-America Stempel vermieden werden. Die US-Experten verfügten offenbar bereits über einen guten Einblick in die österreichische Journalistenseele. Waren sie doch überzeugt, kaum auf Widerstand zu treffen, so lange die lancierten Artikel - fix und fertig in deutscher Sprache - nur exklusiv auf die Bedürfnisse eines Redakteurs zugeschnitten waren. Kooperative Journalisten wurden übrigens nicht nur privilegiert mit Informationen versorgt, in einigen Fällen kam es auch zu direkten finanziellen Unterstützungen. (99 Alleine in der zweiten Hälfte des Jahres 1951 konnten so ca. 2.500 aktuelle Artikel, 5.200 Features und 2.600 Bilder untergebracht werden.(100
Und jede dieser Aktionen erfüllte, auf Grund der geographischen Lage Österreichs, insbesondere Wiens, einen doppelten Zweck. Die US-Propagandaexperten kalkulierten ganz richtig, daß jedes ihrer österreichischen Produkte is potentially able to do the double duty of local information and curtain penetration. (101 Um die Ausstrahlung tief in die Ostblockstaaten hinein zu verstärken wurden daher die Sendekapazitäten von Radio Rot-Weiss-Rot weiter ausgebaut. Im Sommer 1951 gingen neue, stärkere IOOKW Sender in Wien und Linz in Betrieb, to make deep penetration into neighboring Soviet-dominated areas (...) to make of it a strategic political weapon throughout this Central European area. (102

Die Anlagen von Radio Rot-Weiss-Rot in Salzburg, die sich der geographischen Lage wegen für diese Zwecke nicht eigneten, wurden nicht modernisiert.
Auch im Programmbereich von Rot-Weiss-Rot wurden neue Schwerpunkte geschaffen. Um möglichst viele Menschen in Ostblockstaaten ansprechen zu können, wurden eigene Nachtprogramme entwickelt. Weltnachrichten, Informationen über Osteuropa, Kommentare, Tagesüberblicke und politische Satiren richteten sich speziell an jene Hörer hinter dem "Eisernen Vorhang", die sich traditionell Wien kulturell verbunden fühlten. Den USIE-Experten ging es allerdings kaum um diese traditionelle Rolle Wiens, auch nicht um Informationen aus und über Österreich. In ihrem Kalkül hatte Wien nur die Rolle eines geographischen Brückenkopfes, des easternmost outpost of western ways and influence, [that] lends itself uniquely as an advanced base from which to spread information and exert political attraction.(103
Zweifellos machten diese Sendungen von Rot-Weiss-Rot viele Zuhörer jenseits der Grenzen glauben, daß es sich dabei um österreichische Programme handelte. Und gerade diese Täuschung machte Rot-Weiss Rot eben besonders wertvoll, erhöhte es doch die politische Glaubwürdigkeit. All dies wurde zu einem wichtigen Erfolg für die verfeinerte und raffiniertere Propaganda im Sinne der Psychologischen Offensive. Mit Zufriedenheit konnte deshalb nach Washington berichtet werden:
In this, Red-White-Red has been guided by the method of oblique rather than frontal Propaganda - a tactic made possible because of the opportunity of locally blending U.S. information policy into an indigenous-seeming Austrian home network. When heard beyond the border (or rather, 'overheard') the network will continue to appear simply as Vienna speaking to Austria, although much of its content will be selected so as to have special impact upon listeners to the East. (104

Auch die anderen US-Medien wurden herangezogen. Für den Wiener Kurier wurde eine Wochenendbeilage entwickelt, von deren Auflage ein Teil speziell für Leser in Staaten des Ostblocks konzipiert war. Denn gerade ein unpolitisches Magazin would lend itself also to strategic distribution in the Soviet Zone and in areas beyond the border by special means. (105. Außerdem wurde eine neue Flugschriftenabteilung organisiert, die auf die Adaptierung von US-Texten für lokale Verhältnisse spezialisiert war. Daneben wurden auch kleine Broschüren von österreichischen Autoren, vor allem Berichte von Teilnehme'rn an Austauschprogrammen, verlegt. (106. Selbst eine Cartoon History of the United States (If well done, this could be very usetul for Austrian youth, an important target group for which little printed 'ammunition' has been available) wurde aus Washington angefordert. (107

Die Durchführung dieser neuen Progammschwerpunkte kostete viel Geld, vor allem der Bau der neuen Sendeanlagen von Radio Rot-Weiss-Rot in Wien und Linz. Während die Dollarbudgets fast unverändert blieben, stiegen die Schillingausgaben von ca. 30 Millionen im Jahre 1952 auf über hundert Millionen im Jahre 1953.108 Die entscheidende Frage, inwieweit sich der finanzielle Aufwand für die US-Informationspolitik und Medienpropaganda bezahlt machte, inwieweit dadurch direkter Einfluß auf die Menschen in Österreich und in den Nachbarländern des Ostblocks ausgeübt werden konnte, läßt sich nicht exakt beantworten. Zu bedenken ist auch, daß die US-Propagandastrategie in Österreich nie als Selbstzweck konzipiert war, sondern in einem größeren, weltpolitischen Zusammenhang verstanden werden muß. (109 Es darf auch nicht übersehen werden, daß die große Mehrheit der österreichischen Bevölkerung, gerade in den ersten Nachkriegsjahren, mit immensen materiellen Problemen konfrontiert war, sodaß die USPropaganda aus sich alleine wohl keine entscheidenden Veränderungen bewirkte. Ernst Hanisch behauptet mit Recht, daß die Stimmung der Bevölkerung (...) dem Steigen oder Fallen des Kaloriensatzes folgte.(110
Freiheit und Gleichheit kamen allerdings in einer neuen Verpackung als Liberty Corn, Freedom Grain und Equality Beans. Ohne materielle Unterstützung, ohne Marshall-Plan, wären die Erfolge der Reorientierungs-Programme zweifellos bescheidener ausgefallen. Gerade der Marshall-Plan war eben auch ein hervorragender propagandistischer Erfolg, dessen psychologische Wirkung ohne die publizistische Unterstützung durch die US-Medien, die ihn pausenlos begleitete, undenkbar gewesen wäre. Es gelang den US-Medien, die Vereinigten Staaaten als das Vorbild für materiellen Fortschritt, für Modernität schlechthin, zu präsentieren.
America seemed to represent not merely the future but something futuristic, a technological comucopia whose products were being poured coruscating on a world accustomed to scrimping and saving but inevitably to be wiped away in the science fiction future for which we were all destined. (111

Politische Vorstellungen und ideologische Grundmuster, die bereits vor Eintreffen der US-Besatzer bestanden hatten, wurden durch die US-Informationspolitik zweifellos verstärkt, wie etwa der Antikommunismus, aber auch die Zustimmung zum System der parlamentarischen Demokratie. Bei der Uberwindung autoritärer Denkmuster oder bei antisemitischen Vorurteilen dagegen, dies zeigten Umfragen der US-Besatzungsmacht deutlich, war den Reorientierungsbemühungen allerdings weniger Erfolg beschieden.(112 Die US-Experten waren ebenfalls in einem entscheidenden Punkt mit der Auswirkung ihres Einsatzes zufrieden:
The effect of this work cannot precisely be measured. However, its dissemination is believed to contribute in substantial measure to Austria's strongly anti-Communist attitude, as demonstrated in seveml elections in which the nation's rejection of Communism has been underwritten by 95% of the voters. (113

Der Terminus 'Re-education" war der Psychiatrie entlehnt worden. Den Deutschen wurde also gewissermaßen eine kollektive Heil-Behandlung verordnet. (114 Der Geisteszustand der Österreicher, um im Bild zu bleiben und ohne auf die Folgen für die politische Kultur eingehen zu wollen, wurde als weniger besorgniserregend angesehen, deshalb auch nur die Verschreibung des weniger starken Medikaments „Re-Orientierung". Wie immer die Namen der Programme auch lauteten; ob sie Verbote und Kontrolle betonten oder Anleitung und Unterstützung in den Vordergrund rückten, immer standen die US-Experten vor der heiklen Aufgabe, daß one of the more delicate functions of American personnel in Austria is not to encourage people to say what they feel (...) but rather try, as well as we can to suggest to them the right thing to think. (115

In Graham Greenes Roman The Quiet American (1955) formuliert der US-Agent Alden Pyle, der kurz vor dem Zusammenbruch der französischen Kolonialherrschaft angetreten war, Indochina vor dem Kommunismus zu retten, eine schwierigere, schließlich auch gescheiterte Mission weniger elegant: They'll be forced to believe what they are told, they won't be allowed to think for themselves. Kommentar von Thomas Fowler, den Greene als abgebrühten, müden, alternden, europäischen "Rivalen" dem jugendlich-aggressiven US-Idealisten Pyle gegenübrr stellte: He was impregnably armored by his good intentions (...) I never knew a man who had better motives for all the trouble he caused. (116

Nach einer These von Frank Ninkovich besitzen Kulturen verschiedene Grade der Durchlässigkeit für Einflüsse von außen. Daher könnten etwa materielle Güter und Technologien bestehende Barrieren viel schneller überwinden, als neue Ideen. Deshalb wiesen Staaten auch militärischer Macht Priorität zu, wogegen kulturelle Belange gewöhnlich zuletzt kämen. Intellektuelle Penetration könne demnach nur nach einer Demonstration militärisch-ökonomischer Macht statthaben und auch dann nur in einem begrenzten Ausmaß. Kulturbeziehungen (ganz allgemein) seien deshalb von einer kulturellen Zeitverschiebung (im speziellen Sinn) geprägt. (117

Die USA hatten ihre militärische Macht während des Zweiten Weltkriegs demonstriert, sie wurden zur fahrenden Weltmacht. Der Nachschub materieller Güter aus den USA schien endlos zu sein, und die Vereinigten Staaten wurden zum Synonym für technologischen Fortschritt schlechthin. Wenn auch die pluralistische Demokratie in Europa nichts Neues war, so boten die USA doch ein besonders kraftvolles Anschauungsmaterial, besonders in einem Land wie Österreich, in dem die demokratischen Traditionslinien ohnehin nur schwach entwickelt und bereits seit 1933/34 abgebrochen worden waren. Daneben verfügten die Vereinigten Staaten über eine eigene Tradition der Hochkultur (im europäischen Sinne, wenn auch in Europa kaum wahrgenommen), vor allem aber.über eine für viele attraktive populäre Kultur und eine voll entwickelte Kulturindustrie, deren Einfluß in Europa ja auch schon vor dem Zweiten Weltkrieg spürbar gewesen war.
Die Anwesenheit von Millionen Gls in Europa, die Kontrolle der besetzten Gebiete, die Abhängigkeit europäischer Länder von Hilfsleistungen aus den USA, die rasche Übernahme der weltpolitischen Rollen der abdankenden europäischen Großmächte, besonders aber die Übernahme der antikommunistischen Schutzschirmherrschaft als Resultat des Kalten Krieges - all dies bot den Vereinigten Staaten eine noch nie dagewesene Chance in Europa, ihre Ideen zu verbreiten und ihre politischen Konzepte durchzusetzen. Die US-Armee war nicht nur mit militärischen Waffen nach Europa gekommen. Bei Kriegsende verteilte sie America, ein Werk des US-amerikanischen Autoren Stephen Vincent Benét, in millionenfacher Ausführung. Schon die ersten Zeilen dieses Werkes, das in einer Auflage verbreitet wurde, die kein anderes US-Buch jener Zeit erreichte, machten das Credo deutlich, mit dem die modernen US-Missionare in Europa antraten:
AMERICA
There is a country of hope, there is a country of freedom. There is a country where all sorts of different people, drawn from every nation in the world, get along together under the same big sky. They go to any church they choose - Catholic, Protestant, Jewish, Mohammedan, Buddhist - and no man may be persecuted there for his religion. The men and women of this country elect the people they wish to govern them, remove those people by vote - not by revolution - lf they feel their representatives have done badly, speak their minds about their government and about the running of their country at all times, stay themselves and yet stay loyal to one cause, one country, and one flag.
The flag is the Stars and Stripes. The country is the United States of America. The cause is the cause of democracy.
It is not an earthly paradise, a Garden of Eden, or a perfect state. It does not pretend to be any of those things.
lt has not solved every problem of how men and women should live. lt has made mistakes in its own affairs, mistakes in the affairs of the world. But it looks to the future always - to a future of free men and women, where there shall be bread and work, security and liberty for the children of mankind.
lt does not want to rule the world or set up an American empire in which Americans will be the master race and other people subject races. If you ask any real American whether he believes in a master race, you will get a long stare or a long laugh. Americans do not believe in master races.
(118

Es ist wohl mehr als bezeichnend für das politische Klima in den USA der 1950er Jahre, daß Stephen Vincent Benét, dessen Schrift America den universalistischen, liberalen Ansatz der US-Kulturdiplomatie beispielhaft verkörperte, zur Zeit des McCarthyismus auf den Index verbotener Autoren gesetzt wurde.
Die folgenden Seiten werden zeigen, in welchen Bereichen der kulturelle Kreuzzug der USA besondere Erfolge erzielte und in welchen Gebieten der Durchlässigkeitskoeffizient eher zu Null tendierte.

Anmerkungen:

65) Bungenstab, Karl-Ernst: Umerziehung zur Demokratie? Re-education Politik im Bildungswesen der US-Zone 1945-1949.- Düsseldorf 1970, S. 190.
66) Breen, Robert: Das deutsch-amerikanische Austauschprogramm im Rahmen der Umorientierung Westdeutschlands.- Phil.Diss. Heidelberg 1956; Schlander, Otto: Re-education.- Bern, Frankfurt 1975; Knapp, Manfred et al.: Die USA und Deutschland 1918-1975.- München 1978; Lange-Quassowski, Jutta: Neuordnung oder Restaurierung? - Opladen 1979; Tent, James F.: Mission on the Rhine.- Chicago 1982; Niethammer, Lutz: Die Mitläuferfabrik.- Berlin, Bonn 1982; Prinz, Friedrich (Hg.): Trümmerzeit - Kultur und Gesellschaft Münchens unter amerikanischer Besatzung 1945-1948/49.- München 1983; Jonas, Manfred: The United States and Germany.Ithaca, N.Y. 1984; Quandt, Siegfried und Gerhard Schult (Hg.): Die USA und Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg.- Paderbom 1985; Adams, Willi Paul und Knud Krakau (Hg.): Deutschland und Amerika: Rezeption und historische Realität.Berlin 1985; Pronay, Nicholas und Keith Wilson (Hg.): The Political Re-Education of Germany and her Allies after World War II.- Beckenham, Kent 1985; Herbst, Ludolf (Hg.): Westdeutschland 1945-1955.- München 1986; Frei, Norbert: Amerikanische Lizenzpolitik und deutsche Pressetradition.- München 1986.
67) Mettler, Barbara: Demokratisier-ung und Kalter Krieg: Zur amerikanischen Informations- und Rundfunkpolitik in Westdeutschland 1945-1949.- Berlin 1975, S. 11.
68) Siehe USIAL/HC. Office of War Information, June 10, 1944: Radio: General 1943- . 1950. Development of German Section; Wagnleitner, Reinhold: Die kulturelle Reori-entierung Österreichs nach dem Zweiten Weltkrieg. In: Zeitgeschichte, vol. 11, Juni/Juli 1984, No. 9/10, S. 326-344.
69) Lettner, Lydia: Die französische Österreichpolitik von 1943 bis 1946.- Phil. Diss. Salzburg 1980, S. 313-351; Arnoldsen, G.: Französischer Geist und Österreich. In: Die Bastei. vol. 1, 1946/1947, No. 8, S. 3-5.
70) Hiscocks, Richard: Österreichs Wiedergeburt.- Wien 1954, S. 218-242.
71) Hanisch, Emst: Historische Überhänge in der österreichischen politischen Kultur. In: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft, vol. 13,1984, No. 1, S. 15-19.
72) Rathkolb, Oliver. Politische Propaganda der amerikanischen Besatzungsmacht in Österreich 1945-1950.- Phil. Diss. Wien 1981; Hiller, Alfred: Amerikanische Medien und Schulpolitik in Österreich 1945-1950.- Phil. Diss. Wien 1974; Schönberg, Michael: Amerikanische Informations- und Medienpolitik in Österreich 1945-1955.Phil. Diss. Wien 1975; Sieder, Elfriede: Die Alliierten Zensurmaßnahmen zwischen 1945-1955.- Phil.Diss. Wien 1983; Leidenfrost, Josef. Die amerikanische Besatzungsmacht und der Wiederbeginn des politischen Lebens in Österreich 1944-1947.Phil. Diss. Wien 1986.
73) Washington National Records Center (=WNRC) 260/889/43. Memorandum: Connaughton, 16. Februar 1950: Responsibilities Turned Over to the Austrians.
74) National Archives (=NA) 511.63/2-1252. Department of State to the Officer in Charge of the American Mission Vienna, 12. Februar 1962-. USIE Country Paper. 1951-1952; NA 511.63/12-952. Department of State to Officer in Charge of the American Mission in Vienna, 9. Dezember 1952; USIE Country Plan Austria. 1953.
75) WNRC 260/889/40. Memorandum: Col. Pesch an War Department und Department of State, Wien, 15. September 1947. Siehe auch Rathkolb, Oliver US-Medienpolitik in Österreich 1945-1950. Von antifaschistischer "Reorientierung" zur ideologischen Westintegration. In: Medien-Joumal, vol. 8,1984, No. 3, S. 2-9, hier S. 3.
76) WNRC 260/862/93. Total estimated cost for fiscal year 1951.
77) WNRC 260/889/40. Telegramm: General Keyes an War Department, Jänner 1948.
78) Memorandum: Herz an Denby, Wien, 2. Juni 1948. In: Wagnleitner, Reinhold (Hg.): Understanding Austria: The Political Reports and Analyses of Martin F. Herz, Political Officer of the U.S. Legation in Vienna 1945-1948.- Salzburg 1984, S. 398.
79) WNRC 260/59372-1. ISB Policy. Siehe Hiller, Amerikanische Medien- und Schulpolitik, S. 25.
80) Siehe Rathkolb, Politische Propaganda, S. 265; Hiller, Amerikanische Medien- und Schulpolitik, S. 20-23; Schönberg, Amerikanische Informations- und Medienpolitik, S. 43-47; Sieder, Die alliierten Zensurmaßnahmen, S. 12-88.
81) WNRC 260/102/11. USFA. ISB. Memorandum: Control of Austrian Informational Services, 6. August 1945.
82) Rathkolb, Politische Propaganda, S. 31-124; Hiller, Amerikanische Medien- und Schulpolitik, S. 52.
83) WNRC 260/889/43. USIE Country Paper on Austria 1950.
84) NA 511.63/12-952. USIS Country Plan Austria 1953,
85) Ebd.
86) Rathkolb, Politische Propaganda, S. 143 und 161.
87) WNRC 260/889/43. Memorandum: Lee: Distribution of Anti-Soviet Material, Wien, 22. März 1949.
88) Rathkolb, Politische Propaganda, S. 146-180.
89) WNRC 260/41/6. Chief, New York Field Office an Chief, CAD, 20. Juli 1948.
90) Ebd.
91) WNRC 260/41/6. Memorandum: Grouman an Kaghan, Wien 18. August 1948.
92) Rathkolb, Politische Propaganda, S. 233-245; Hiller, Amerikanische Medien- und Schulpolitik, S. 24.
93) NA 511.63/2-1252. USIE Plan for Austria 1951-1952,12. Februar 1952.
94) NA 5 1 1.63/4-1050. Department of State to Officer in Charge of American Mission in Vienna, 7. April 1950.
95) NA 511.63/5-1551.
96) NA 511.63/3-1252. USIE Semi-annual Evaluation Report, Wien, 12. März 1952; USIE Semi-annual Evaluation Report, Wien, 9. Juni 1951; NA 511.63/6-1953. Minu-tes: Information Projects Committee, Wien, 15. Juni 1953.
97) NA 511.63/5-1551. U.S. Legation, Vienna, to Department of State, 15. Mai 1951. Subject: Development of Psychological Offensive by U.S. Information and Cultural Media in Austria.
98) Ebd.
99) NA 511.63/4-1251. Department of State to Officer in Charge, U.S. Legation, Vienna, , 12. April 1951.
100) NA 511.633-1252. U.S. Legation Vienna to Department of State. Semi-annual Evaluation Report, 12. März 1952.
101) NA 511.63/5-1551. U.S. Legation, Vienna, to Department of State, 15. Mai 1951.
102) Ebd.
103) Ebd.
104) Ebd.
105) Ebd.
106) Siehe USIS (Hg.): Sozialversicherung in den USA.- Wien o.J.; U.S. Archiv-Dienst Frankfurt (Hg.): Der Neger im amerikanischen Leben.- Frankfurf/Main o.J.; USIS (Hg.) Quellen der Produktivität.- Wien 1953; USIS (Hg.): TVA- Wandlung eines Flußtales.- Wien o.J.; Prmwreferat des ÖGB (Hg.): 5 Gewerkschafter sehen Amerika.- Wien 1951; Amerikanische Wirtschaftsmission Wien (Hg.): Besser Leben: Frauen lösen das Problem.- Wien o.J.; USIS (Hg.): Der österreichische Staatsvertrag: Eine Darstellung der westlichen Bemühungen und der Obstruktion der Sowjets.Wien 1952.
107) NA 511.63/i-852. U.S. Legation, Vienna, to Department of State, 8. Jänner 1952. Subject: Pamphlets Adapted to Austria Program.
108) NA 511.63/12-952. Department of State to U.S. Mission Vienna, 9. Dezember 1952.
109) Rathkolb, Politische Propaganda, S. 200.
110) Hanisch, Ernst: Von den schwierigen Jahren der Zweiten Republik - Salzburg im Wiederaufbau. In: Zwink, Eberhard (Hg.): Salzburg und das Werden der Zweiten Republik. VI. Landessymposium am 4. Mai 1985.- Salzburg 1985, S. 13-26, hier S. 23.
111) Temperley, Howard: Anglo-American Images. In: Allen, H.C. und Roger Tompson (Hg.): Contrast and Connection.- London 1976, S. 321-347, hier S. 333.
112) Hiller, Amerikanische Medien- und Schulpolitik, S. 159-165.
113) NA 511.63/3-1252. U.S. Legation Vienna to Department of State, 12. März 1952. Semi-annual Evaluation Report.
114) Siehe dazu die Beiträge im Heft 2 der Zeitschrift für Kulturaustausch, vol. 37, 1987
115) "RC 260/52/72. Undatiertes ISB-Memorandum. Rathkolb, Politische Propaganda, S. 452.
116) (Greene, Graham: 'Me Quiet American.- Harmondsworth 1980, S. 95.
117) Ninkovich, Diplomacy of Ideas, S. 6.
118) Bendt, Stephen Vincent: America.- Wien 1947, S. 7-8.


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