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Die US - Presse Politik in Österreich


© by Reinhold Wagnleitner


I."A fine propaganda medium":
Die Gründung von Zeitungen und Zeitschriften


All news is views.
George Gerbner, Ideological Perspective and Political Tendencies in News Reporting (1964)

Die Kontrolle, Reform und Reorganisation der österreichischen Presse stand zweifellos im Zentrum der (kultur-)politischen Reorientierungsprogramme der vier Siegermächte. Alle vier Alliierten gründeten Zeitungen und erteilten Lizenzen an politisch genehme Herausgeber. Es gelang den US-Informationsoffizieren allerdings erheblich besser als den Presseoffizieren der anderen Mächte, einen starken - direkten und indirekten - Einfluß auf die österreichische Presselandschaft auszuüben: und zwar nicht nur kurz und mittelfristig, sondern in wichtigen Bereichen auch langfristig. Dies war nicht nur auf eine intensivere Planung und die materielle Überlegenheit zuriickzuführen, sondern auch auf die innere Struktur des österreichischen Joumalismus. Damit konnte die US-Informationspolitik jedenfalls den Großteil der österreichischen Presse, also den bedeutendsten meinungstransportierenden Verstärker in den ersten Jahren des Kalten Krieges, für ihre Ziele funktionalisieren.(1
Die Kontrolle des österreichischen Pressewesens war, trotz der anfänglichen totalen Überwachung, im Vergleich mit den US-Plänen für Deutschland weniger radikal. Dennoch war es auch in Österreich das erste und oberste Ziel der US-Medienoffiziere, alle Informationsapparate in die Hand zu bekommen, sie von NS-Mitarbeitern zu säubem und den gesamten Bereich der Presse in Funktionsvorstellungen und Arbeitsmodalitäten nach dem Vorbild der USA auszurichten. Die Vorstellungen zur Überwindung aller faschistischer Überreste bezogen sich in der ersten Besatzungsphase übrigens auch durchaus auf ehemalige Vertreter des Austrofaschismus. Diese radikalen Pläne wurden allerdings, wie etwa das Beispiel der Bestellung von Gustav A Canaval, dem früheren Chefredakteur der Zeitung der Österreichischen Sturmscharen Sturm über Österreich, zum Mitherausgeber und Chefredakteur der Salzburger Nachrichten zeigt, wegen der totalen Opposition der ÖVP-Führung und der katholischen Kirche rasch fallengelassen. (2
Ein weiterer wichtiger Punkt war das Verbot jedes deutschen Einflußes auf die neue Presse, also die Ent-Deutschung (De-Germanization) des gesamten Informationsapparates. Diese Zielvorgabe wurde im Personalbereich erfüllt. Betrachten wir allerdings den Einfluß bundesdeutscher Presseorgane in Österreich seit Beginn der fünfziger Jahre (und ähnliche Entwicklungen im Verlagswesen, bei Schallplatten und anderen Tonträgern, beim Filmverleih und beim Fernsehen) sowie die Konzentrationserscheinungen auf dem Pressesektor in den letzten Jahren, so können wir - langfristig - im ökonomischen Bereich gewiß eine Schwächung, wenn nicht gar das Scheitern dieser Absichten konstatieren.
Obwohl sich die US-Informationsoffiziere in Österreich einen gewissen Bewegungsspielraum offenhielten, zeigt doch das Verbot der in den ersten Nachkriegstagen gegründeten lokalen, antifaschistischen Zeitungen, daß sie nicht gewillt waren, einen spontanen Neube in der demo-kratischen Presse zuzulassen. Der Aufbau der Presse in der US-Zone war damit ausschließlich unter die Kontrolle der US-Armee gestellt. Die österreichische Bevölkerung, die gewiss schlimmere Unterdrückungsmaßnahmen kannte, erlebte diesen Neubeginn also unter dem Paradox: US-Kuratel als demokratisches Konzept (Oliver Rathkolb).
Bei der Lizenzierung von Zeitungen und der Bestellung von Journalisten kamen in der US-Zone in Deutschland unmittelbar nach Kriegsende auch linke Bewerber (vornehmlich Sozialdemokraten, aber auch einige Kommunisten) zum Zug. Auch in Österreich wurden einzelne Bewilligungen an Herausgebergruppen, die sich aus Vertretern der zugelassenen Parteien - wenngleich meist ohne Kommunisten - und zuverlässigen Parteilosen zusammensetzten, vergeben. Bevorzugt verteilt wurden die Lizenzen jedoch vor allem an offiziell parteilose, konservative Einzelpersonen. Dies förderte langfristig die politischen Interessen der USA im Kalten Krieg, denn: auch ohne dauernde direkte Interventionen durch die US-Besatzungsmacht garantierten diese konservativen Lizenzträger eine antikommunistische Blattlinie, deren Aggressivität die US-Presseoffiziere manchmal überraschte, ja ihnen wegen ihrer Primitivität sogar den US-Zielen eher abträglich erschien.
Dieser (Neo-)Antikommunismus konnte allerdings wirklich nur die US-Offiziere überraschen. Gerade die Presseoffiziere der ersten Stunde, die eine demokratische Pressekultur fördern wollten, zweifelten manchmal an der tatsächlichen Unabhängigkeit mancher "unabhängiger Journalisten“. Noch beim Aufbau der Presse in Italien hatten sie die Erfahrung gemacht, daß die italienischen Journalisten große Eigenständigkeit zeigten und nicht gewillt waren, Interventionen ohne Widerstand zu akzeptieren. Mit einer gewissen Überraschung stellten sie nun fest, daß ihre neuen österreichischen Mitarbeiter nichts daran fanden, ihre politischen Vorgaben ohne Einschränkungen zu übernehmen. (3
Hier nur ausschließlich von Servilität zu sprechen, wäre angesichts der großen materiellen und ideellen Notsituation, der langjährigen politischen und intellektuellen Unterdrückung und der abermaligen Kontrolle durch die Befreier sicher übertrieben. Doch Autoritätshörigkeit und Unterwürfigkeit auf österreichischer Seite verstärkten die Schlagkraft der US-Medienoffiziere erheblich. Andererseits verstärkte die häufig kritiklose Übernahme von Stil und Formen des US-Joumalismus ohne gleichzeitig tiefer gehende inhaltliche Verarbeitung von demokratischen Positionen auch Tendenzen der Restauration.
Die jungen, häufig unausgebildeten Journalisten waren dabei gar nicht das Hauptproblem. 1945 brachte zwar einen Bruch in der österreichischen journalistischen Tradition, der Begriff der "Stunde Null' ist aber trotzdem unzutreffend. Denn die Zäsuren waren schon 1933,1934 und 1938 entstanden, als zuerst die linken, liberalen, jüdischen Journalisten und zuletzt dann auch Vertreter des Ständestaates von ihrem Arbeitsplatz und aus dem Land vertrieben worden waren oder gar in Gefängnissen und Konzentrationslagern geendet hatten. Nach 1945 kehrten nur wenige aus der erstgenannten Gruppe zurück, und diesen Verlust an Menschen und Qualität hat der österreichische Journalismus bis heute aufzuarbeiten. Während also der Bruch vor allem auf der einen Seite des politischen Spektrums wirksam wurde, lassen sich bei konservativen Journalisten erstaunliche Kontinuitäten feststellen. So hat Fritz Hausjell nachgewiesen, daß nicht nur Journalisten, die für Presseorgane des austrofaschistischen Staates geschrieben, sondern auch solche, die für NS-Blätter gearbeitet hatten, in erstaunlich großer Zahl wieder rasch integriert wurden.(4
Erstaunlich war diese Entwicklung besonders dann, wenn es sich um Mitarbeiter von Zeitungen handelte, die von den US-Behörden lizenziert worden waren. Aber es klafften eben auch in diesem besonders heiklen Bereich Entnazifizierungspläne und -realität auseinander.(5

Nicht nur der Mangel an qualifizierten, unbelasteten Bewerbern war dafür ausschlaggebend. Auch grundsätzliche demokratiepolitische Überlegungen über den Ausschluß einer großen Gruppe der österreichischen Bevölkerung vom politischen und wirtschaftlichen Leben erzeugten Spannungspunkte beim Aufbau eines demokratischen Gemeinwesens unter den Bedingungen einer militärischen Besetzung. Eine entscheidende Motivation für das allmähliche Abweichen vom harten Entnazifizierungskurs ist überdies in der Logik des Kalten Krieges begründet. Beim Werben um die Zustimmung für den antikommunistischen Kurs der USA konnte auf ein bereits vorhandenes, stark antikommunistisches Potential zurückgegriffen werden. In dem Meinungskrieg mit der Sowjetunion konnten eben auch gerade jene Journalisten funktionalisiert werden, die das Handwerk als Experten des Antikommunismus bereits gelernt hatten. Wenn dies auch nicht den Zielen der "Anti-Hitler-Koalition" entsprach, dann handelte es sich nach Meinung von James A Clark, dem Chef des Interim International Information Service, bei Österreich eben nicht nur um einen schwerfälligen und sonderbaren Fall, sondern geradezu um ein Notoperationsprogramm.(6
So nahm die Intensität der direkten politischen Kontrolle der Presse durch die ISB schon Anfang 1946 spürbar ab. Deren vorwiegend konservative, antikommunistische Ausrichtung erleichterte diese Lockerung wesentlich. Besonders auf dem Gebiet der Nachzensur wurde die Ausweitung des Kalten Krieges ab 1946 sichtbar. Kritik am Vorgehen der Besatzungsmächte wurde, vor allem bei KP-Zeitungen, weiter geahndet. Blätter, deren Kritik am Nationalsozialismus Zweifel offen ließ, diesen Mangel aber durch eine klare, aggressive antikommunistische Blattlinie kompensierten, konnten dagegen mit dem Wohlwollen der US-Zensurbehörden rechnen. Dieses Nachlassen der Nachzensur und ihre schließliche Einstellung im Jahre 1947 war durch eine ideologische Nachjustierung auf totale antikommunistische Propaganda bewirkt worden und war keineswegs ein geplanter weiterer Schritt zur antifaschistischen Reorientierung und demokratischen Neugestaltung der österreichischen Presse. (7
Die hier skizzierten Trends trafen vor aflem auf die von der US-Armee gegründeten Bundesländerzeitungen zu. Die Salzburger Nachrichten, die am 7. Juni 1945 von der ISB gegründet worden waren, erschienen schon am 23. Oktober 1945 unter der Herausgeberschaft von Max Dasch und Gustav A. Canaval. Letzterer fungierte auch als Chefredakteur. (8 Die US-Medienoffiziere meinten, sicher sein zu können, daß sich die Salzburger Nachrichten auch unter österreichischen Herausgebern an die US-Richtlinien halten würden, und Albert van Eerden meldete kurz vor der Übergabe der Zeitung nach New York, daß sich die US-amerikanische Weise, Nachrichten zu präsentieren, in Salzburg bereits durchsetze. Aber die herausgeberische Freiheit sollte doch noch weiter eingeschränkt bleiben, denn turning the paper over to the Austrians does not mean complete freedom.Mey must still follow M[ilitary] G[overnment] regulations on such things as pumping for Nazism in any way, anti-semitism, stories intended to cast reflections on the United Nations, etc.(9
Es sollte aber nicht lange dauern, und diese Bedingungen waren Makulatur. Jedenfalls konnten sich die ISB-Offiziere eindeutig gegen die Forderungen von ÖVP, SPÖ und KPÖ nach besonderer Förderung von Parteizeitungen durchsetzen. Schon am 19. September 1945 hieß es in einem Bericht, daß es geradezu selbstmörderisch für die Intentionen der USA wäre, sollten die Zeitungen Salzburgs exklusiv unter die Kontrolle der drei Parteien kommen, denn a first class independent newspaper is indispensable if we are to help in the leading of Austrians to a democratic state (...) Salzburg need not be a provincial town and certainly during U.S. occupation should not be forced to become one. We shall find Salzburg, along with Linz, a very crucial center in which U.S. efforts should be greatest.(10

Hier sind die US-Pressevorstellungen für Österreich eindrucksvoll komprimiert. Denn die Medienoffiziere der US-Armee waren überzeugt, daß sich in Salzburg kaum vier respektable Blätter würden halten können. Dies hatte weniger mit hellseherischen Fähigkeiten zu tun als mit der intensiven Förderung der parteiunabhängigen Presse durch die US-Behörden. (11
Die langfristigen Auswirkungen auf die österreichische Presselandschaft, nicht nur im Hinblick auf den Niedergang der Parteizeitungen, sondern auch in Richtung Regionalisierung, sind nicht zu übersehen.
In den ersten Besatzungsjahren blieb das Verhältnis zwischen ISB und den Herausgebern der Salzburger Nachrichten ungetrübt, da die politischen Leitlinien der US-Armee meistens ganz ohne Druck erfüllt wurden. Daneben druckten die Salzburger Nachrichten auch zahlreiche Berichte über das Alltagsleben in den Vereinigten Staaten, Artikel über Jazz und Hollywood, Bücher und Filme aus den USA, neue Entwicklungen der Kunst jenseits des Atlantiks, Reiseberichte und Beiträge über die Auswirkungen der Demokratie auf alle Bereiche des Lebens. Symbolwert für die Beziehungen zwischen Siegern und Besiegten kam dabei wohl dem Abdruck des Romanes Vom Winde verweht ab Dezember 1945 zu: allerdings waren nun die Yankees nicht mehr in den Südstaaten, sondern in Österreich. Die "Unabhängigkeit“ der Salzburger Nachrichten ging sogar so weit, daß Canaval im März 1948 US-Offiziere um antikommunistische Direktiven und Meldungen für seine Zeitung bat. Dieser Wunsch war allerdings selbst den Vertretern der Besatzungsbehörde zuviel. (12
Dennoch, diese Beweise von Linientreue brachten den Salzburger Nachrichten bei den US-Behörden Sympathien ein, die gerade zu jenem Zeitpunkt besonders nötig waren. Denn einerseits schienen die Besitzverhältnisse der Zeitung alles andere als klar, und die ÖVP, vor allem Josef Rehrl als Repräsentant des Katholischen Pressevereins, versuchte, die Salzburger Nachrichten in ihre Hand zu bekommen. Andererseits handelte es sich dabei zweifellos auch um Machtkämpfe innerhalb der Salzburger ÖVP. So meinte etwa Landeshauptmann Alois Hochleitner in einem von der US-Civil Censorship Group abgehörten Telephongespräch: Der Rehrl möchte halt auf kaltem Wege Einfluß auf die Presse bekommen. (13
Obwohl Rehrl in seinen Gesprächen mit Vertretern der Besatzungsbehörden vor allem mit der „unverantwortlichen" Berichterstattung der Salzburger Nachrichten (vor allem Viktor Reimanns) gegenüber den Nationalsozialistengesetzen argumentierte, konnte er sich nicht durchsetzen. In dieser Krise sollte es sich nun für die Herausgeber bezahlt machen, daß die Salzburger Nachrichten has consistently supported the policy of the United States and has been consistently opposed to the policy and actions of the Soviet Union and of party politics in Austria. (14 Die US-Behörden begannen nun hinter den Kulissen eine Kampagne zur Unterstützung der Interessen von Canaval und Dasch, wobei es vor allem um die Erhaltung der privaten Konstruktion der Salzburger Nachrichten ging. Dieser Druck der US-Stellen wurde übrigens nicht nur auf Vertreter der ÖVP, sondern auch auf Erzbischof Andreas Rohracher ausgeübt. Und die Interventionen waren drastisch genug, um die Gegner der Zeitung schließlich zum Einlenken zu zwingen. (15
Die Unterstützung der US-Armee bezog sich allerdings nur auf die privatrechtliche Konstruktion der Zeitung, nicht auf die privaten Gewinne der Herausgeber. Denn als die Salzburger Nachrichten am 23. Oktober 1945 an Canaval und Dasch übergeben worden waren, mußten sich die neuen Herausgeber verpflichten, fünfzig Prozent des Reingewinnes für den Wiederaufbau des öffentlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebens in Salzburg zu verwenden. Weitere 25 Prozent mußten an die Mitarbeiter ausgeschüttet werden. (16 Bei dieser Konstruktion einer Zeitung mit sozialisierten Betriebsgewinnen handelte es sich um eine interessante Initiative der liberalen US-Presseoffiziere, die damit zweierlei erreichen wollten. Einerseits meinten sie, die Unabhängigkeit der Presse nur durch die Unterstützung von parteiungebundenen Herausgebern stärken zu können. Andererseits waren sie aber auch überzeugt, daß die Profite und damit die wirtschaftliche und meinungsmachende Macht dieser Herausgeber unbedingt durch rechtliche Konstruktionen, die Ausschüttungen für die Allgemeinheit und die Mitarbeiter garantierten, eingeschränkt werden mußten. Diese Überzeugung beruhte auf der Analyse der politischen Rolle der deutschen und österreichischen Presse in der Zwischenkriegszeit. Die US-Planungen und die ersten Aufbauschritte des neuen Pressewesens in Österreich gingen also eindeutig in Richtung Gewinnsozialisierung.
Diesen Ideen blieb aber nur ein kurzfristiger Erfolg beschieden. Die für den Wiederaufbau bestimmten fünfzig Prozent der Gewinne wurden von den Herausgebern der Salzburger Nachrichten nur für die Jahre 1945/47 widmungsgemäß verwendet, dann wurden die Zahlungen eingestellt. Nur die Gewinnbeteiligung der Belegschaft wurde bis zum Ende der Besatzungszeit beibehalten. Ab 1956 wurden dann auch diese Zahlungen von den Gesellschaftern eingestellt. Das Kuratorium der Salzburger Nachrichten, das seit 1946 nicht nur die Aufteilung der für den Wiederaufbau bestimmten fünfzig Prozent des Reingewinns, sondern auch die Blattlinie überwachen sollte - beide Aufgaben wurden, wenn überhaupt, nur sehr oberflächlich erfüllt -, fügte sich seit 1948 wohlwollend den statutenwidrigen Realitäten und löste sich Ende 1954 überhaupt auf. (17
Das Stillhalten der US-Behörden gegenüber diesen eindeutigen Verstößen und dem Bruch des ursprünglichen Gesellschaftsvertrags zeigt, daß die US-Besatzungspolitik spätestens ab 1947 von anderen gesellschaftspolitischen Prioritäten geprägt wurde. Es beweist außerdem, daß der Förderung von Zeitungen, die nicht unter direkter Kontrolle der politischen Parteien standen, im Sinne der langfristigen US-Medienstrategie absolute Priorität zugemessen wurde. Deshalb kam gegen diese schleichenden Konstruktionsveränderungen, die eindeutig die Herausgeber der Zeitung begünstigten, auch kaum Kritik auf.

Die entschiedene Unterstützung der US-Medienexperten für die Herausgeber der Salzburger Nachrichten gegen alle Interventionsversuche der ÖVP-Politiker sollte den US-Stellen aber doch bald Sorgen bereiten. Den Anlaß dafür boten allerdings nicht die statutenwidrigen finanziellen Entwicklungen, sondern die Wandlung der Berichterstattung. Selbst die erfahrensten Geheimdienstexperten hatten nicht vorhersehen können, daß sich gerade die redaktionelle Linie der von der US-Armee gegründeten Zeitung in Fragen der Amnestie ehemaliger Nationalsozialisten-immer deutlicher gegen die Politik der österreichischen Koalitionsregierung richtete. Vor allem aber die Unterstützung der Salzburger Nachrichten für das "nationale" Lager und die Attacken gegen US-Soldaten (besonders gegen schwarze Gls, mit deutlich rassistischen Untertönen) machten die US-Behörden nervös. Aus der eigenen Zeitung schien nun plötzlich ein antidemokratisches Sprachrohr geworden zu sein. (18

Aber nicht nur die Linie der Zeitung, die gesamte politische Situation in Salzburg wurde von den US-Behörden immer kritischer eingeschätzt, so daß der Entschluß gefaßt wurde, entschiedene Gegenmaßnahmen einzuleiten. Am 8.September 1952 wurde die bedenkliche Situation in Salzburg, einer Stadt, die schon 1945 als „hotbed of political dynamite“ eingeschätzt worden war,(19 während einer Sitzung des Information Projects Committee in Wien zusammengefaßt: Salzburg lebte danach in einer echten Alice-im-Wunderland-Atmosphäre der Widersprüchlichkeiten, in der ein katholischer Landeshauptmann einen kommunistischen Pressechef habe, ein ehemaliger NS-Politiker seinen Machtanspruch mit offenen Bestätigungen von Hitlers Glorie betreibe, die konservative ÖVP durch eine Aufspaltung in drei Fraktionen gelähmt sei, wo SPÖ-Politiker die US-Annee der Unterstützung des VdU verdächtigten, wo eine konservative Zeitung einen Herausgeber besitze, der in fast täglichem Kontakt zu einem Kommunisten stehe, wo sich zahlreiche einflußreiche Geschäftsleute und Politiker dadurch rückversicherten, daß sie rechte und linke Parteikassen auffüllten, und wo die einflußreichste Zeitung, die Salzburger Nachrichten, nun scharf gegen die Interessen der USA und die Koalitionsregierung in Wien Stellung bezog. (20 Die US-Experten, die sich nun, wohl wegen eines Übermaßes an Unabhängigkeit der Salzburger Nachrichten, in die Rolle des Zauberlehrlings versetzt sahen, beschlossen, daß die Zunahme des "Antiamerikanismus, Antisemitismus und Neonazismus in dieser Stadt“ spezieller Propagandabemühungen bedürfe.(21 Auch wenn diese Informationen nicht alle stimmten: selbst die Rückgabe der Salzburger Nachrichten an die US-Armee wurde nun ins Auge gefaßt. Zu diesem Zweck wurde sogar die Suche nach dem Original des Übergabevertrages vom Oktober 1945 in den Heeresarchiven in Kansas angeordnet. (22 Dazu sollte es zwar nicht kommen, aber schon am 26. Jänner 1953 wurde die „Operation Salzburg“ gestartet, deren politische Aufgabe es war, to expose obscurantist and Communazi opposition. (23
Zur Konkurrenzierung der Salzburger Nachrichten sah dieses Sonderprogramm den intensivierten Vertrieb des Wiener Kurier, einschließlich schnellerem Eisenbahntransport, verstärkter Werbung und Anstellung von Kolporteuren in Salzburg vor. Darüber hinaus wurden auch die Aktivitäten im Amerika Haus, in Kinos, durch Vorträge, sowie in gemeinsamen Veranstaltungen der US-Armee mit der Salzburger Bevölkerung verstärkt. Auch die Nachrichten und Unterhaltungsprogramme von Radio RotWeissRot wurden intensiviert.(24 Daß die Salzburger Nachrichten die Politik der USA gerade zur Zeit des Höhepunktes der McCarthy-Ära als zu wenig antikommunistisch attackierten, gehört übrigens gewiß zu jenen Besonderheiten des "Salzburger Klimas", an dessen Entstehen die US-Behörden selbst tatkräftig mitgewirkt hatten.

Immerhin, die Besitzverhältnisse bei den Salzburger Nachrichten blieben jedenfalls unangetastet. Wohl nicht deshalb, weil der Übergabevertrag nicht aufzufinden war. Obschon die Rechtswendung der wichtigsten Salzburger Zeitung'von den US-Offizieren nicht unkritisch hingenommen wurde, konnten sie sich doch in einem - entscheidenden - Punkt auf dieses Blatt verlassen: die Salzburger Nachrichten blieben auf regionaler Ebene ein Hauptverbündeter im Propagandakrieg gegen die Sowjetunion und den Kommunismus.
Auch die Oberösterreichischen Nachrichten, die am 11. Juni 1945 in Linz gegründet worden waren, wurden schon im Oktober 1945 an österreichische Lizenzträger abgegeben. Die Rechtskonstruktion der Demokratischen Druck- und Verlagsgesellschaft m.b.H. zeigt wiederum deutlich, daß die US-Armee zunächst eine völlige Umwandlung der Pressestruktur in Österreich initiieren wollten. Auch hier sollten die Parteizeitungen, denen Schuld für die Aufheizung der Konflikte in der Ersten Republik zugemessen wurde, geschwächt werden.(25
Um auch die Einzelinteressen der neuen Herausgeber einzuschränken, sollten wiederum erhebliche Teile der Gewinne sozialisiert und für Belegschaft und Wiederaufbau verwendet werden. Während allerdings die Salzburger Nachrichten an Canaval und Dasch alleine übergeben werden mußten, weil sich Vertreter der SPÖ und KPÖ geweigert hatten, mit dem „Austrofaschisten" Canaval zusammenzuarbeiten, konnte die Verlagsgesellschaft in Linz aus sechs Personen zusammengesetzt werden. Neben den drei parteiungebundenen Mitgliedern Hans Behrmann, Franz Lettner und Otto Nicoleth wurden Ernst Koref (SPÖ), Alfred Maleta (ÖVP) und Franz Haider (KPÖ) berufen. Blattlinie und Gewinnsozialisierung sollten wiederum durch ein Kuratorium kontrolliert werden.(26
Aber auch die Oberösterreichischen Nachrichten entwickelten sich ganz nach US-Vorstellungen in Richtung „unabhängiger“ Zeitung, denn Koref und Haider verließen das Herausgebergremium kurz nach Zulassung von Parteizeitungen: der eine, um sich dem Linzer Tagblatt (SPÖ), der andere, um sich der Neuen Zeit (KPÖ) zu widmen. Nur Maleta, der von den zukünftigen Möglichkeiten einer „unabhängigen" Zeitung überzeugt war, blieb und überließ die Herausgabe des ÖVP-Organs Linzer Volksblatt Felix Kern. Damit erwies sich Maleta nicht nur als intelligenter Konservativer, der die Trends der Presseentwicklung antizipierte, sondern wohl auch als Idealtypus des von den US-Presseoffizieren gewünschten Herausgebers.

In Unterredungen mit ISB-Vertretern machte nämlich der ÖVP-Nationalrat klar, daß er die Oberösterreichischen Nachrichten längst hätte zerstören müssen, wäre er nur ein braver 'Parteisoldat', und er ließ keine Zweifel aufkommen, daß er alles unternommen hätte (und weiter unternehmen würde), um die Zeitung aus den 'Klauen' der ÖVP zu retten. Als ÖVP-Mitglied wisse er schließlich, wie seine Partei funktioniere and how rotten it was. (27
Zur Untermauerung der Dringlichkeit für die Hilfe der US-Stellen gegen ÖVP-Übernahmeversuche führte Maleta das Beispiel der Linzer ÖVP-Druckereien an. Diese seien eigentlich SPÖ-Eigentum, das von den Nationalsozialisten enteignet worden war. Nach dem Krieg von der US-Property Control Division beschlagnahmt und dann der ÖVP übergeben, druckten sie nun ÖVP-Schriften und würden vom Linzer Bischof bereits als „meine Druckereien" apostrophiert. Maleta ließ keinen Zweifel daran, daß the Oevp would never let them revert to the Socialists. (28
Die Strategie der Herausgeber der Oberösterreichischen Nachrichten ging voll auf, und die US-Behörden schätzten die Zeitung vor allen ÖVP-Interventionen, da sie unter allen Umständen verhindern wollten, zur Stärkung der Parteipresse beizutragen.
Deshalb konnte Alfred Maleta die Oberösterreichischen Nachrichten danach gemeinsam mit Hans Behrmann relativ ungestört weiterentwickeln, wobei gewisse Ähnlichkeiten gegenüber den Salzburger Nachrichten auffallen. Weniger im Bereich der Blattlinie, wo die Oberösterreichischen Nachrichten von kleineren Ausnahmen abgesehen den US-Gründern kaum Anlaß zur Sorge bereiteten, als bei der Sozialisierung der Gewinnausschüttungen. Denn dabei kam es in Linz sogar schon früher zu Problemen als beim Salzburger Pendant.
So konnte nur energischer Widerstand seitens der US-Stellen verhindern, daß die Besitzer der Oberösterreichischen Nachrichten versuchten, die Sozialisierung bereits nach einer Schonfrist von nur einem Jahr abzuwürgen.(29
Die Stunde der „Privatunternehmer" sollte aber dennoch bald schlagen. Da die antikommunistische Ausrichtung der Mehrheit der österreichischen Zeitungen schnell erwiesen war, verzichteten die US-Presseoffiziere ab Sommer 1947 auf weitere direkte Kontrollmaßnahmen, und so konnten die österreichischen Zeitungsherausgeber alsbald ungehindert die anfangs übernommenen neuen und sozialen Ideen über Bord werfen. (30
Aber zumindest Hans Behrmann konnte sich seiner neuen Zeitung nicht lange erfreuen. Schon 1948 wurde er gezwungen, seine Unabhängige Zeitschriftenvertriebs-Gesellschaft m.b.H. wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten zu liquidieren. 1952 mußte er schließlich endgültig aus den Oberösterreichischen Nachrichten ausscheiden, nachdem er im Jänner desselben Jahres wegen verschiedener Vergehen verhaftet worden war. Sein Anteil, der vorübergehend von der Novitas GmbH (Fritz Dickmann und Fritz Molden) gehalten wurde, ging 1955 an die J. Wimmer GmbH & Co. über. Nach dieser Fusion hielt Maleta zwar nur mehr 26 Prozent Anteile am Stammkapital, aber in dem folgenden über zwanzig Jahre geführten Machtkampf um die Zeitung ging er 1975 schließlich doch als Sieger hervor.(31 Der Grundstein für diesen Erfolg war von den US-Presseoffizieren gelegt worden.
Der im August 1945 von der ISB gegründete Wiener Kurier blieb dagegen bis 1954 im Besitz der US-Behörden und unter direkter Kontrolle von US-Presseoffizieren. Der Wiener Kurier, der alleine in den ersten zwei Erscheingungsjahren über 14 Millionen Schilling Profit erwirtschaftete und bis Anfang der fünfziger Jahre positiv bilanzierte,32 entwickelte sich - als auflagenstärkste österreichische Tageszeitung - nicht nur zum wichtigsten Sprachrohr der USA, sondern vor allem auch zum Modell für andere Blätter.

Erst gegen Ende der Besatzungszeit, als die österreichische Presse kein direkt-gesteuertes Vorbild mehr benötigte und die verbliebenen Propagandaaufgaben von Radio Rot-Weiss-Rot übemommen werden konnten, entschlossen sich die US-Behörden, den Wiener Kurier, der mittlerweile in die Verlustzone abgesunken war, abzugeben. 1954 konnte Ludwig Polsterer nach Vermittlung seines Freundes Ernst Haeusserman die Zeitung übernehmen. Da der neue Herausgeber garantierte, den Wiener Kurier im Sinne der USA weiterzuführen, erhoben die Vertreter der US-Behörden in den letzten Monaten der Besatzungszeit auch keinen Einspruch, als das Blatt durch eine fünfzigprözentige ÖAAB-Beteiligung (über Josef Tafler), die 1958 durch eine stille Beteiligung des ÖVP-Abgeordneten Leopold Helbich abgelöst werden sollte, wohl nur mehr formalrechtlich als parteiunabhängig gelten konnte.(33
Dabei war die langjährige Kontrolle auch bei der Gründung des Wiener Kurier durchaus noch nicht festgestanden. In den ersten Monaten wurde die Zeitung vom österreichischen Chefredakteur Oskar Maurus Fontana geleitet, der vor allem die kulturelle Komponente forderte und auf Grund dieses traditionellen Zeitungskurses rasch mit den US-Herausgebern kollidierte. Er wurde daher zum Jahreswechsel 1945/46 vom US-Presseoffizier Hendric J. Burns abgelöst. Nicht wegen etwaiger politischer Vergehen, sondern ausschließlich wegen der „Inkompetenz", aus dem Wiener Kurier eine Zeitung im US-Stil zu machen. (34
Da Fontana die „geistige Elite“ ansprechen wollte, hatte er im Verständnis der US-Presseexperten, die den "Mittelstand" erreichen wollten, eine "journalistische Todsünde" begangen. Es wäre, so die ISB-Offiziere, eindeutig ein schwerer Fehler gewesen, österreichischen Joumalisten freie Hand zu lassen, denn natürlich hätten diese nur ein mittelmäßiges „Journal" im europäischen Stil auf die Beine gestellt. Erst als US-Journalisten das Kommando übernahmen und harte politische Berichte, vor allem Weltnachrichten mit dicken Schlagzeilen, einführten, hätte sich der Erfolg eingestellt. Kein Zweifel: österreichische Journalisten sollten auf den richtigen Weg geführt werden, und Theodore Kaghan, einer der einflußreichsten US-Medienexperten in Österreich, faßte die Kardinalsünde des Wiener Kupier unter österreichischer Führung prägnant zusammen:
Its news coverage was second-rate because the editors were allowed to devote too much space to 'joumalism', European-style, instead of news, Amrican-style. The paper was heavy with culture and light on facts.(35

Während sich also die "Objektivität der Fakten' im Gegensatz zur "Subjektivität der Meinungen" zu dem Exportschlager der US-Experten entwickelte, wurde der Wiener Kurier ab 1946 vollkommen den US-Interessen unterworfen, und die österreichischen Mitarbeiter fungierten bestenfalls als 'Deckmantel' für ein offizielles Regierungsorgan mit möglichen nachrichtendienstlichen Aufgaben. (36 Diese Charakterisierung der US-Zeitung trifft zweifellos den Kern: auch wenn liberale Internationalisten, wie Kaghan, nicht ausschließlich Hymnen auf den American-way-of-life publizierten, sondern auch kritische Beiträge über Mißstände in den USA bringen wollten, even when it hurts. (37
Diese Meinung wurde allerdings nicht von allen US-Stellen geteilt, und Kaghan, wohl einer der bedeutendsten Proponenten des antikommunistischen US-Journalismus in Östeffeich, wurde daher 1953 von Senator Joe McCarthy folgerichtig der kommunistischen Gesinnung geziehen. (38
Diese Anschuldigungen zählen selbst in der langen Reihe an abenteuerlichen Vorwürfen, die der Senator aus Wisconsin fabrizierte, sicherlich zu den absurdesten. Denn gerade die ohnehin seltenen Artikel, in denen Kritik an bestimmten Zuständen in den USA geübt wurde, verstärkten das Ansehen des Wiener Kurier und erhöhten seine politische Glaubwürdigkeit.
Diese Blattlinie war auch alles andere als schmerzlich, dafür sorgte nicht nur die Auswahl der Artikel über innere Angelegenheiten der USA durch übergeordnete Stellen in Washington und New York, sondern auch die große Mehrzahl der antikommunistischen Berichte. US-Diplomaten verfolgten deshalb die Entwicklung der Tageszeitung unter der Kontrolle der Presseoffiziere der US-Armee auch mit größter Genugtuung, denn the 'Wiener Kurier' is a fine propaganda medium, getting better all the time. (39

Es war allerdings nicht nur die gut redigierte Mischung von Nachrichten und Kommentaren mit vorwiegend "pro-amerikanischer" Tendenz, die beim antikommunistischen Publikum großen Anklang fand. Die idealistischen Darstellungen der politischen und sozialen Verhältnisse in den USA und die in schwärzesten Tönen ausgemalte, überall lauernde Bedrohung durch den Kommunismus alleine hätten wohl nicht ausgereicht, die Spitzenposition unter den Tageszeitungen zu erlangen, denn die antikommunistische Linie hob den Wiener Kurier wahrlich nicht von den meisten anderen Erzeugnissen des österreichischen Blätterwaldes ab. Auch die privilegierte Position bei der Papierzuteilung, das effiziente Vertriebssystem und der häufige Informationsvorsprung - bei den US-Nachrichtendiensten und Agenturen einlaufende Meldungen waren zunächst dem Wiener Kurier exklusiv vorbehalten, der damit der Konkurrenz nicht nur zeitlich voraus war, sondern auch, häufig gerade bei innenpolitisch brisanten Meldungen, ein Monopol in der Berichterstattung besaß - genügten noch nicht, um das Blatt zum Vorbild für spätere Entwicklungen zu machen. Entscheidend für den Erfolg waren modernes Layout, knallige Schlagzeilen, gute Bilder, die scheinbare Trennung von Nachrichten und Meinungen durch Einführung von ständigen Kommentaren, vor allem aber die Verpackung der politischen Information in „Human-Interest"-Artikeln, Schilderungen über die Segnungen des American-way-of-life und der gerade bei der Jugend an Attraktivität gewinnenden populären Kultur der USA. Berichte über Popmusik und Hollywood, Jazz und Broadway, Cadillacs und Chevrolets, Supermarkets und Wolkenkratzer verbreiteten mehr als exotischen Reiz. Nicht nur der Lebensstandard der USA, auch die Lebensart wurden, wenn auch in vielen Fällen noch kaum vorstellbar, zum nachahmenswerten Idealzustand stilisiert. Daneben waren Fortsetzungsromane und Preisauschreiben sehr beliebt, und auch ein englischer Sprachkurs dufte nicht fehlen. Im Mai 1947 wurde daher die Parole ausgegeben: Jeder lernt Englisch. (40

Bestimmte Bereiche des Überflusses in den USA blieben allerdings selbst für den Wiener Kurier tabu. Um Kritik gegen ausbleibende Unterstützung und Verschwendung zu unterlaufen, wurden die Journalisten im April 1947 angewiesen, Berichte über folgende Themen zu unterlassen: den hohen Verbrauch von Kalorien in den USA; Photos von Nahrungsmitteln, Kochrezepte, Reportagen von Festessen und über Restaurants; Versuche, bei denen eine große Anzahl von Tieren getötet wurden, wie bei den Atomtests im Pazifik. Selbst Berichte über Re-kordernten in den Vereinigten Staaten mußten unterbleiben, außer sie wurden von den US-Stellen offiziell mit dem Hinweis auf Nahrungsmittelsendungen für Österreich kombiniert publiziert. (41
Um die Linie einer Zeitung wirklich verstehen zu können, müßte eben nicht nur der tatsächlich gedruckte Text, sondem auch der Inhalt der Papierkörbe der Redakteure analysiert werden. Mag es der Presse auch nicht immer gelingen, dem Publikum zu suggerieren, was es zu denken habe, so zeigt das obige Beispiel doch, daß sie meist höchst erfolgreich ist in telling its readers what to think about. (42
Die Stimme Amerikas, so lautete der Titel einer Kolumne des Wiener Kurier. Diese Überschrift wäre wohl auch ein passender Name für die Publikation als Ganzes gewesen. Neben dem Wiener Kurier produzierte und verteilte die ISB noch eine ganze Reihe von Zeitschriften, die sich an wichtige Meinungsträger und spezielle Interessensgruppen wandten.
Die 168 Ausgaben der Gewerkschaftlichen (n) Nachrichten aus den USA wurden zwischen 1948 und 1954 vierzehntägig an die Führung des ÖGB, Betriebsräte und hunderttausende Arbeiter verteilt. Die Berichte betonten den hohen Lebensstandard der US-Arbeiter, bekämpften die Vorstellungen über die Vereinigten Staaten als Zentrum kapitalistischer Ausbeutung und unterstützten die sozialpartnerschaftliche Politik des ÖGB. Eine weitere Aufgabe bestand in der Propagierung des Marshall-Planes. Deshalb wurde auch so oft als möglich das "Evangelium der Produktivitätssteigerung“ gepredigt. Gewerkschaftliche Interessen konnten auch ohne sozialistisches Umfeld durchgesetzt werden, das war keinesfalls der Tenor der Gewerkschaftliche(n) Nachrichten aus den USA. Dies wurde gerade auch von ihrem Executive Editor Carl H. Petersen betont:
I don't believe it is our business to write regretfully about the absence of a major Socialist party in America, to imply that America is backward in social development, or to treat every liberal step with a condescending air, implying that American progress should be measured by the degree to which it accepts Socialist principles. (43

Die 161 Nummern der Landwirtschaftliche(n) Nachrichten aus den Vereinigten Staaten wurden zwischen 1947 und 1952 an Professoren und Studenten der Hochschule für Bodenkultur, landwirtschaftliche Interessensverbände und zehntausende Bauern versandt. Neben praktischen Hinweisen zur Vermeidung von Bodenerosion, zur Bekämpfung von Tierkrankheiten, zur massiven Verwendung von Insektiziden zur Schädlingsbekämpfung, zur Bewässerung und Einführung neuen Saatgutes, wurden vor allem die Vorteile der Mechanisierung und Motorisierung, der Umstellung auf moderne Agrarmaschinen, des Einsatzes von Kunstdünger und verbesserter Betriebsmethoden zur Steigerung der Produktivität dargestellt. (44
Bis 1949 wurden achtzig Ausgaben der Medizinische(n) Nachrichten aus den Vereinigten Staaten produziert und an ca. 5.000 Wiener Ärzte und 7.000 Mediziner in den Bundesländern verteilt. Erst als der Erscheinungsort im Juli 1949 nach Bad Nauheim verlegt wurde, sank die Zahl der an österreichische Ärzte verteilten Exemplare. Die Artikel behandelten vor allem die neuesten Entwicklungen bei Operationstechniken und Heilmethoden und besprachen die Vorteile und Möglichkeiten des Einsatzes von neuen Medikamenten, etwa Penicillin und Sulfonamiden.(45
Die Verleger Informationen berichteten über Neuerscheinungen von Büchern in den USA, boten österreichischen Verlegern bereits ins Deutsche übersetzte Titel an und stellten neue Marketing-Strategien des Buchmarktes der USA vor.
Die Zeitschrift Erziehung wurde ab Jänner 1948 kostenlos an österreichische Lehrer verteilt und erreichte 1950 bereits 30.000 Pädagogen. Schulreformerische Vorschläge nahmen einen breiten Raum ein. Ebenso wurde die Einführung von Schülerclubs, Schülerparlamenten, Gruppendiskussionen, Schülerzeitungen, Lehrplanveränderungen, modernen psychologischen Methoden und die Verbesserung des Unterrichts in einzelnen Fächern, wie etwa Sport, modernen Fremdsprachen, Physik und Chemie diskutiert.
Deine-4-H-Club-Zeitung richtete sich vor allem an die Landjugend. Neben Informationen über Sport- und Unterhaltungsprogramme, die die US-Armee ausrichtete, wurden die Burschen und Mädchen am.Land in die neuesten Errungenschaften der US-Landwirtschaft eingeweiht. Bei dieser Zeitschrift fällt außerdem die Festschreibung der Geschlechterrollen besonders auf Denn während den jungen Männern vor allem Artikel über neue landwirtschaftliche Maschinen, moderne Viehzuchtmethoden und die Erzielung höherer Ernteerträge mittels Einsatz von Chemikalien gewidmet wurden, konzentrierten sich die Beiträge für die weibliche Landjugend fast ausschließlich auf Vorschläge zum Nähen, Stricken und Kochen, auf die Verbesserung des Gemüseanbaus und, besonders aufschlußreich, auf die Bedeutung der Hygiene.
Auch für die Gls, die in Österreich stationiert waren, wurde ein Blatt herausgegeben. Aber noch andere Soldaten kamen in den Genuß einer US-Zeitung. Denn das Blatt Amerika, das in russischer Sprache erschien, richtete sich an die Soldaten der Roten Armee und wurde in einer Auflage von 1.500 bis 3.000 Exemplaren in der sowjetischen Zone verteilt.

Die ISB brachte darüber hinaus auch Zeitschriften in Umlauf, die von der US-Armee für die Besatzungszone in Deutschland hergestellt wurden. Dazu zählten Heute (Auflage in Österreich zwischen 38.000 und 75.000), Die amerikanische Rundschau (Auflage zwischen 2.500 und 50.000) und Der Monat (Auflage zwischen 2.000 und 5.000). Auch die britisch-amerikanischen Koproduktionen Die neue Auslese (Auflage zwischen 5.000 und 15.000) und Das Tor wurden vertrieben. Die letztere Zeitschrift wurde allerdings, weil sie als zu "links" galt, schon nach vier Nummern eingestellt.
Bis 1948 wurde auch die US-Ausgabe des Reader's Digest verteilt, und auch die ab 1948 erscheinende deutsche Ausgabe wurde zunächst von der ISB eingeführt. In den Genuß von Einfuhrerleichterungen sowie den bevorzugten Vertrieb über das eingespielte System kamen auch andere US-Zeitungen und Zeitschriften wie die New York Times, Time und die New York Herald Tribune. (46
Die Investitionen für dieses „Magazines for Friendship Program“ waren gut angelegt. Umfragen und Studien über die Beliebtheit der zwischen 1946 und 1954 vertriebenen US-Blätter zeigen, daß diese so lange gelesen wurden, until they literally fell to pieces. (47
In Stücke zerfielen dabei vor allem jene von der US-Armee ins Deutsche transportierte Blätter, die einmal als „Their Masters Voices“ charakterisiert wurden. (48
Obwohl aber Heute, Die amerikanische Rundschau und Die Neue Auslese ganz klar als Kopien von Life, Harper's und Reader's Digest zu erkennen waren, blieb doch die Kritik der Gründer aus den USA an ihren deutschen Mitarbeitern nicht aus. US-Presseexperten bemängelten vor allem den behäbigen, professoralen und unjournalistischen Stil, den auch alle Presseentwicklungshilfe der US-Armee nicht überwinden konnte. Die US-Zeitschriften in Deutschland, so ein bissiger Kommentar, sahen immer noch einem New Yorker ähnlich, der Artikel aus dem Philological Quarterly publizierte. (49

Anmerkungen

1) Rathkolb, Politische Propaganda, S. 12.
2) Rathkolb, Oliver. U.S.-Medienpolitik und die neue österreichische Journalistenelite. In: Medien und Zeit, vol. 2,1987, No. 2, S. 6-7.
3) Minifie, James M.: At an Alarming Rate, In: The Saturday Revicw of Literature, 19. Oktober 1946, S. 9-11 und 37-41, hier S. 9.
4) Hausjell, Fritz: Österreichische Tageszeitungsjournalisten am Beginn der Zweiten Republik (1945-1947) .- Phil . Diss. Salzburg 1985; Hausjell, Fritz: Entnazifizierung der Presse in Österreich. In: Meissl, Sebastian, Klaus-Dieter Mulley und Oliver Rathkolb (Hg.): Verdrängte Schuld - Verfehlte Sühne. Entnazifizierung in Österreich.Wien 1986.
5) Meissl, Mulley, Rathkolb, Verdrängte Schuld - Verfehlte Sühne; Stiefel, Entnazifizierung. 6) )WNRC 260/92/34. Brief. J.A. Clark an van Eerden und Minifie, New York, 2. November 1945.
7) Rathkolb, U.S.-Medienpolitik und die neue österreichische Joumalistenelite, S. 9.
8) Wagnleitner, Reinhold: Der kulturelle Einfluß der amerikanischen Besatzung in Salz- burg. In: Zwink, Salzburg und das Werden der Zweiten Republik, S. 47-58.
9) WNRC 260/49/25. Brief: Van Eerden an Clark, Wien, 10. Oktober 1945.
10) WNRC 260/49/25. Brief-. Van Eerden an Clark, Wien, 19. September 1945.
11) Wagnleitner, Reinhold (Hg.): Diplomatie zwischen Parteiproporz und Weltkonflikt. Briefe, Dokumente und Memoranden aus dem Nachlaß Walter Wodaks 1945-1950.Salzburg 1980, S. 92-93.
12) Rathkolb, Politische Propaganda, S. 194-200; Hiller, Amerikanische Medien- und Schulpolitik, S. 34-35.
13) WNRC 260/98/IF-SN. Civil Censorship Group Austria (US): 20. Mai 1947.
14) WNRC 260/98/IF-SN. Memorandum: Pettegrove an Eberle, 1. Juni 1947.
15) WNRC 260/98/IF-SN. Memorandum: Fox an Kaghan, Wien, 21. September 1948.
16) WNRC 260/ACA Austria/98.
17) Hausjell, Fritz: Die gescheiterte Alternative. Das Modell der Sozialisierung der Betriebsgewinne einer Zeitung am Beispiel der "Salzburger Nachrichten" (1945-1960). In: Medien und Zeit, vol. 2,1987, No. 2, S. 17-30.
18) NA 511.63/3-1252. USIE: Semi-Annual Evaluation Report, Wien, 12. März 1952.
19) WNRC 260/48/13. Brief. Van Eerden an McChrystal, Wien, 19. September 1945.
20) NA 511.63/9-1052. Protokoll: Informations Project Committee Meeting, Wien, 8. September 1952.
21) Ebd.
22) Ebd.
23) NA 511.63/11-452. Telegramm: Ibompson an Department of State, Wien, 4. November 1952.
24) NA 511.63/2-1153. Telegramm: US-Botschaft Wien an Department of State, 11. Februar 1953.
25) Siehe dazu den Bericht "Me Press in Austria" von Martin F. Herz in Wagnleitner (Hg.), Understanding Austria, S. 156-197.
26) Hausjell, Die gescheiterte Alternative, S. 17-18.
27) WNRC 260/196/72. Minutes by Mr. Fox: Meeting with Dr. [sie] Behrmann and Nationalrat Dr. Maleta, 25. Februar 1947, 11.45-13.00.
28) Ebd.
29) WNRC 260/ACA Austria/99/214. Interview Fox mit Behrmann, 31. Jänner 1947.
30) Hausjell, Die gescheiterte Alternative, S. 27.
31) "Die Oberösterreichische Nachrichten-Story", Profil, 20. Jänner 1976, S. 30-34
32) WNRC 260/889/40.
33) Sablatschan, Florijan: Kurier - Glanz und Elend einer Zeitung. In: Cash-Flow, 12. Dezember 1987, S. 24-30, besonders 25-26.
34) Reininghaus, Alexandra: Oskar Maurus Fontana. Das Profil eines österreichischen Journalisten.- Phil. Diss. Salzburg 1983.
35) WNRC 260/862/92. History of the Wiener Kurier by Ted Kaghan. WNRC 260/862/91; Schönberg, Amerikanische Informations- und Medienpolitik, S. 165.
36) Rathkolb, Politische Propaganda, S. 218.
37) WNRC 260/55/5. Memorandum: Kaghan an van Eerden. Projection of Democr-acy through the Wiener Kurier, 10. Oktober 1946.
38) Rathkolb, Politische Propaganda, S. 134-136.
39) NA SW Soc/84/2534. Memorandum. Denby and Erhardt, Wien, 20. April 1948.
40) WNRC 260/88/33. Statistical Review, Juni 1949; Hiller, Amerikanische Medien- und Schulpolitik, S. 48.
41) Rathkolb, Politische Propaganda, S. 144.
42) Cohen, B.C.: Ibe Prem, the Public and Foreign Policy.- Princeton, NJ. 1963, S. 13.
43) WNRC 260/60/81. Brief.- Peterson an Sanders, Wien, 16. November 1949. WNRC 260/'75/41.
44) WNRC 260/75/5.
45) Ebd. Hiller, Amerikanische Medien- und Schulpolitik, S. 97.
46) NA 511.6321/6-2751. Telegramm: Dowling an Secretary of State, Wien, 27. Juni 1951.
47) Cook, Laurence R.: Magazines for Friendship. In: Field Reporter, Mai-Juni 1954, S. 36-39.
48) Joesten, Joachim: German Petiodicals in 1947.- New York 1947.
49) Breitenkamp, F-dwar-d C.. Tbe U,S. Information Control Division and Its Effect on German Publishers and Writers 1945 to 1949.- University Station, Grand Forks, N.D. 1953, S. 79.


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