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Die US - Presse Politik in Österreich


© by Reinhold Wagnleitner


IV. Der österreichische Journalismus an der Seite der "Forces of Freedom":
Die US-Nachrichtenagenturen und die Ausbildung österreichischer Journalisten


Dieses kostenlose, kaum übersehbare Angebot von Features zählte zweifellos zu den wichtigsten und erfolgreichsten Programmen der US-Pressepolitik. Die Auswahl der Unmenge von Artikeln konnte allerdings von den Mitarbeitem der ISB nicht alleine geleistet werden. In den ersten Besatzungsmonaten war die ISB bei der Verfassung von Nachrichten und bei der Beschaffung und Auswahl von Spezialartikeln vor allem vom AND unterstützt worden. Ab Sommer 1946 wurden dann vermehrt die Dienste der privaten US-Agenturen Associated Press (AP) und United Press International (UPI) in Anspruch genommen, wenn auch AND weiter Nachrichten an Zeitungen etwa im Umfang von 6.000 bis 10.000 Wörtern pro Tag lieferte.
Die Verflechtung zwischen staatlichen und privaten Interessen blieb für den österreichischen Nachrichtenmarkt nicht ohne Folgen. Die Situation ähnelte der in Japan und den deutschen Westzonen, wo die Monopole der Agenturen Domei und Wolff zerbrochen wurden. Auch in Österreich konnten sich nun die US-Agenturen AP und UPI und, in geringerem Ausmaß, die britische Agentur Reuters durchsetzen. Damit war eine entscheidende Veränderung eingeleitet worden. Das Vorkriegsmonopol französischer und deutscher Nachrichtendienste wurde von den anglo-amerikanischen Agenturen gebrochen. Übrigens wirkte der Amerikanische Nachrichtendienst 1946 auch federfiihrend bei der Gründung der Austria Presse Agentur (APA) mit, und AP und Reuters wurden in der Folge zu den bedeutendsten ausländischen Nachrichtenlieferanten für die APA. (63

Der Einfluß der US-Nachrichtenagenturen war keineswegs auf Österreich beschränkt, sondem nahm im gesamten „westlichen" Europa zu. Während etwa die AP 1939 insgesamt 469 Abnehmer in ganz Europa hatte, belieferte sie 1949 bereits 1.493 Kunden. UPI nahm in der gleichen Zeit von 485 auf 1.058 zu. (64
Auf dem Gebiet des Funkbildmarktes konnten AP und UPI seither ihre dominierende Position, mit Ausnahme der 'kommunistischen" Staaten, weltweit ausbauen. Auch Reuters gelang es, ihre Position seither zu festigen, vor allem auf dem Gebiet der Datenvermittlung für die internationalen Finanzmärkte. Den immer bedeutender werdenden Markt für Videonachrichten teilten sich die britischen Visnews, das anglo-amerikanische Konglomerat UPITV und der US-Nachrichtenkonzern CBS. Diese Agenturen erreichten damit - weltweit nicht nur einen bedeutenden Einfluß auf Auswahl und Inhalt der Nachrichten, sondern auch auf deren Form. Denn gerade die Art der Präsentation der Informationen, deren Gewicht schon alleine durch ihre Masse verstärkt wurde, wirkte vorbildhaft und schulbildend. Der Titel von Jeremy Tunstalls Buch "The Media are American“ ist wohl keine Übertreibung. (65

Die US-Pressepolitik in Österreich beschränkte sich aber weder auf die Verbreitung dieser Flut von allgemeinen Informationen über die USA noch auf die direkten politischen Nachrichten, die die Interessen der USA fördern sollten. Sie konzentrierte sich auch auf die Ausbildung der österreichischen Journalisten. Ende 1946 beschäftigten ISB und AND bereits um die zweihundert Österreicher, und bis zum Ende der Besatzungszeit wurden viele hunderte Journalisten ganz gezielt ausgebildet. Der AND wurde geradezu zum Schulungszentrum für junge Österreicher(innen). Die US-Medienfachleute bemühten sich besonders darum, daß die Kontinuität dieser Arbeit auch nach dem Ende der Besatzung nicht gefährdet wurde. Und die ersten Erfolge stimmten den leitenden Presseoffizier Albert van Eerden bereits im Oktober 1946 optimistisch. Zumindest waren die Weichen richtig gestellt. Jedenfalls würde die ISB leave behind a fairly substantial cadre of young Austrian men and women experienced in the American type of joumalism and indoctrinated in the democratic approach to news. Time may prove that AND's 'school of journalism' was a valuable factor in whatever democratization Austria may attain. (66

Ein tägliches Beispiel für den US-Journalismus bot außerdem der Wiener Kurier, und die ISB berief sich immer wieder darauf, daß ihr die österreichischen Journalisten mitgeteilt hätten, daß ihre Zeitung den seit Jahrzehnten stärksten Einfluß auf die österreichische Presse ausübte.(67
Wenn nun auch die US-Medienoffiziere bald nach Washington melden konnten, daß it is gratifying to note that the larger part of the Austrian press has aligned with the forces of freedom (68, so war ihnen der Großteil der österreichischen Blätter doch noch immer viel zu pro-vinziell und altmodisch. Außerdem erschien ihnen der Einfluß der Parteizeitungen, wenn auch auf dem Rückzug, noch immer viel zu groß. Um wirklich langfristige Veränderungen sichern zu können, wurden deshalb im Rahmen der Austauschprogramme junge, talentierte und besonders vielversprechende Journalisten ausgewählt und in die USA geschickt. Dort wurden sie dann in zeitungswissenschaftlichen Kursen an Universitäten weitergebildet und konnten bei namhaften Zeitungen praktische Erfahrungen sammeln. Von den österreichischen Teilnehmern am Austauschprogramm in den ersten Jahren stellten Journalisten zwischen zehn und zwanzig Prozent. Aber nicht nur bereits aktive Journalisten, auch Publizistikstudenten und andere Zeitungsfachleute, wie der spätere Vorstand des Zeitungswissenschaftlichen Instituts der Universität Wien, Kurt Paupid, kamen in den Genuß des Programms, dessen Hauptzweck in der "US-indoctrination in basic newspaper principles" bestand.
Einige Teilnehmer schienen diese Prinzipien bereits vor ihrem USA-Aufenthalt internalisiert zu haben. So betonte etwa Hugo Portisch im Lebenslauf seines Bewerbungsschreibens, daß es schon bei der Wiener Tageszeitung zu seinen Hauptaufgaben gehörte die kommunistischen, im weiteren Sinne die marxistischen und die nazistischen Lehren zu bekämpfen (...) und [sich] für die bedingungslose Zusammenarbeit mit dem Westen einzusetzen. Durch zahlreiche Artikel brachte ich dem österreichischen Leserpublikum auch Lebensart, Politik und die führenden Persönlichkeiten der USA nahe. (69
Dieses journalistische Programm, dessen Ehrenhaftigkeit genau so wenig bezweifelt werden soll, wie seine Parteilichkeit, erfuhr durch die Teilnahme am Austauschprogramm wohl sicher keine Abschwächung.

Anmerkungen:

63) UNESCO (Hg.): World Communications 1951.- New York, Paris 1951; Hauptfeld, Georg: Österreich und die großen europäischen Nachrichtenagenturen zwischen den beiden Weltkriegen. - Phil.Diss, Wien 1948; Fett, Ronald R.: America’s Role in international News Exchange.- Ph.D. Diss. University of Illinois, Urbana 1949; Dizard, Wilson: The Strategy of Truth.- Washington, D.C 1965; Tunstall, Jeremy- The Media Am American.- New York 1977; The Selling of Reuters, TIME, 11. Juni 1984, S. 54-60.
64) Fett, America's Role in Intemational Nem Exchange.
65) Tunstall, The Media Are American, S. 34. 67) WNRC 260/35/24, Memorandum: Training of Joumalists.
68) Ebd., wie auch das Zitat am Ende des Absatzes. Siehe auch NA 511.6313-1450. Report of Public Affairs Officer, 1.-28. Februar 1950; )WNRC 260/101/Project in Journalism, 26. September 1950; Rathkolb, U.S.-Medienpolitik und österreichische Journalistenelite, S. 10-13.
69) NA 511.63/3-1450. Antrag Portischs vom 30. April 1950.


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