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Die US - Presse Politik in Österreich


© by Reinhold Wagnleitner


VI. Objektivität und Professionalität des Journalismus als
Ziel der US-Pressepolitik in Österreich


Die zentralen Anliegen aller Aktivitäten der US-Presseoffiziere in Österreich, ob in den eigenen Zeitungen und Zeitschriften, bei der Plazierung von Nachrichten, Spezialartikeln und Bildern, oder bei der Ausbildung österreichischer Journalisten, waren die langfristige Förderung einer demokratischen Presse und der Kampf gegen den Kommunismus. Als Modell und Beispiel fungierte die Presse der USA, deren angebliche Objektivität, Unparteilichkeit und Unbestechlichkeit - Stichwort: Trennung von Nachricht und Meinung - sie gleichsam zum idealtypischen Vorbild prädestinierte. Es steht wohl außer Zweifel, daß der österreichische Journalismus in diesen Bereichen einen großen Nachholbedarf hat(te) und durch diese Entwicklungshilfe von den US-Medienexperten durchaus auch profitierte. Diese Pressepolitik, mit ihrem absoluten Vertrauen in die Darstellbarkeit der „Realität“ ohne Beeinflussung durch menschliche Subjektivität und Selektivität - offenbar unwissenschaftlichen Regungen, die man glaubt(e) durch Professionalität überwinden zu können -, etablierte den „neuen" Journalismus daneben aber auch als eine der letzten Bastionen des Positivismus. Eingehüllt in die szientistische Aura der Fakten, gelang es den Herren der Fakten zu verschleiern, daß there is no fundamentally non-ideological, apolitical, non-partisan, news gathering and reporting System. (92 Die Möglichkeit der Auswahl von Nachrichten und der Plazierung von Informationen durch die Kapitäne des Bewußtseins hat jedenfalls wenig mit der beschworenen Objektivität zu tun, denn: jede Nachricht transportiert Ideologie. (93

Die Medien berichten eben nicht nur über Ereignisse, sie machen sie auch durch die Aufstellung der Tagesordnung der öffentlichen Meinung. Nicht wenige soziale Probleme werden so im Namen der Objektivität marginalisiert, und social conflicts have been disguised, contained, and displaced through the imposition of news objectivity, a framework legitimizing the exercise of social power over the interpretation of reality. (94
Wenn auch das Konzept der Pressefreiheit eigentlich das Recht eines jeden Individuums auf alle verfügbaren Informationen garantieren sollte, so bedeutet es doch häufig eher die Freiheit der Meinung für jene, die sich eine Zeitung, Rundfunk- oder Fernsehstation halten können. (95
Das Problem der gesellschaftlichen Machtausübung durch die Kontrolle über die Interpretation der „Wirklichkeit" und die Auslegung der Fakten wird meist nur dann wahrgenommen, wenn Medieneinflüsterungen von "außen“ publik werden. So erregten die Pressemanipulationen durch die CIA, deren langjähriges Ziehen verschiedenster Zeitungsregister zu Recht mit dem Gebrauch einer mächtigen Wurlitzerorgel verglichen wurde, großes Aufsehen. (96
Die grundsätzliche Unmöglichkeit von Objektivität des Journalismus findet dagegen weniger Beachtung. Wenn der moderne Journalismus in den "westlichen“ Demokratien auch meist nicht mehr mit den klobigen, leicht zu durchschauenden und auch deshalb veralteten Methoden der Zensur durch Behörden zu kämpfen hat, so garafitiert dieser Zustand weder Objektivität, noch die Absenz anderer Formen der Zensur, wie der „Schere im Kopf“. Edward R. Murrow, einer der berühmtesten Radiojournalisten der USA, brachte dieses Problem auf den Punkt: News is not censorsed; it is merely omitted. (97
Den Vergleich mit einigen früheren Praktiken der österreichischen Presse, vor allem in der Zeit des Austrofaschismus und des „Dritten Reiches", besteht dieser Journalismus à la USA allerdings allemal. Der massive Einsatz der US-Presseoffiziere brachte nach der jahrelangen Abschottung sicherlich dringend nötigen frischen Wind in den österreichischen Blätterwald, und manch positive Erscheinung im österreichischen Journalismus zählt gewiß zu den langfristigen Aktiva der US-Pressepolitik. Das Erbe der US-Presseoffiziere beschränkte sich allerdings nicht nur auf formale Veränderungen, den Reportagestil, das Selbstverständnis von journalistischer Professionalität und Sprache. Welcher Reporter hätte nicht gerne eine schöne Headline für seine Story?

Die US-Pressepolitik erzielte vor allem zwei politische Hauptziele. Einerseits konnte der Einfluß der kommunistischen Presse durch ein weiteres Anheizen des ohnehin bestehenden Antikommunismus fast vollständig verdrängt werden. Andererseits hinterließen die US-Presseoffiziere eine Presselandschaft, in der die Mehrzahl der Journalisten nicht nur eindeutig antikommunistisch eingestellt war, sondern auch prononciert für die USA Partei ergriff. Denn die große Mehrheit der österreichischen Zeitungen vertrat während des Kalten Krieges die außenpolitischen Positionen der Vereinigten Staaten, und die überwiegende Mehrzahl der österreichischen Presse kommentierte die US-Intervention in Indochina auch in jenen Phasen noch mit Verständnis, als sogar die großen liberalen Zeitungen in den USA und anderen NATO-Ländern bereits Kritik äußerten und auf Distanz gegangen waren.
Wenn auch die 'Causa Waldheim' die Berichterstattung eines Teiles der österreichischen Presse gegenüber den USA trübte, so bedeutet dies wohl gewiß keine Trendumkehr. Jedenfalls brachte eine Meinungsumfrage über die Einstellung gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika, die in den ersten Monaten des Jahres 1987 in zwölf „westeuropäischen" Ländern durchgeführt worden war, interessante Ergebnisse. Denn von allen befragten Menschen in zwölf Nationen hatten die Österreicher die positivste Einstellung gegenüber den USA-98 Der massive Einsatz der US-Pressepolitik hatte sich also zumindest für vierzig Jahre gelohnt.

Anmerkungen:

92) Gerbner, George: Ideological Perspectives and Political Tendencies in News Reporting. In: Joumalism Quarterly, vol. 41, 1964, No. 3, S. 495-ffl, hier S.508. Schiller, Dan: Objectivity and the News.- Philadelphia 1981; Gans, Herbert J.: Deciding What's News.- New York 1979; Ewen, Stuart: Captains of Consciousness.- New York 1976.
93) Gerbner, Ideological Perspectives, S. 495.
94) Schiller, Objectivity and the News, S. 196; Lazarsfeld, Paul F. und Robert K.Merton: Mass Communication, Popular Taste, and Organized Social Action. In: Schramm, Wilbur und Donald D. Roberts (Hg.): The Processes and Effects of Mass Communication.- Urbana, 11. 1971, S. 554-578.
95) Vance, Earl L.: Freedom of the Press for Whom? In: Virginia Quarterly Review, vol. 21,1945, S. 340-354.
96) Loory, Stuart H.: The CIA!s Use of the Press - a "Mighty Wurlitzer". In: Columbia Journalism Review, vol. 13, September/Oktober 1974, S. 9-18.
97) Landry, Robert J.: Edward R. Murrow. In: Scribner's Magazine, Dezember 1938, s. 10.
98) Die Presse, 10. April 1987, S. 1; Rathkolb, U.S.-Medienpolitik und österreichische Journalistenelite, S. 14.


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