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Nachtland


Es führt kein freiwilliger Weg in das nachtländische Reich; eines Tages kommt man an, ohne Wunsch und ohne Trauer. Man geht über die staubigen Straßen, blickt in die hügelige Landschaft, steht im Schloßhof von Chantocé, wo der Kindermörder Gilles de Rais gewütet hat, vor sich das Moor und über sich den gläsernen Himmel, man sitzt in den Pinten und Kneipen, Bars, vor sich das Glas und wartet, wartet auf die blaue Stunde, auf die Stunde der Hinrichtung, in der die Träume erfüllt und die Ziele erreicht sind. Der Himmel ist klar und weit wie über Berlin, die Luft gläsern, ein kühles, freundliches Blau. Dieses Reich hat keine Zukunft und keine Vergangenheit. Kein Fortschritt ruft hier zum Krieg auf, kein Parlament befiehlt hier den Frieden, kein Staat fordert hier Treue, nichts ist hier so wichtig, daß es den Menschen zur Last werden könnte.
Die Ruine, eine Kaschemme der 70er Jahre, die zu einer Blumenhandlung geworden ist. Die Blumenkinder. Make love no war. Oder war es ein nachtländisches Reich ? Jenseits des Asphalts und doch hat es mit ihm zu tun. Es hat etwas von Unterwelt, von einem Ghetto, erfüllt mit Hoffnung, Schmerz und Wehmut, mit Nichtsnützigkeit und gleichgültigem Elend. Die Bewohner des seltsamen Reiches findet man überall: im Papillon, in Harry´s Pinte, in Joe´s Schnapshaus, in den Theatercafés, in der Bohemia in Barcelona, in der Bar Pastis, im Ex Christo in Triest, in den Weinhäusern in Wien, in den Bahnhofshallen, überall.
Es sind Denker und Spieler, die hier verkehren. Zweifler und Gestrauchelte, Gehenkte, wie der auf der zwölften Karte des böhmischen Tarot, Glückliche wie der in der S - Bahn auf der Fahrt von der Friedrichstraße zum Wannsee, in der Manteltasche die halbvolle Flasche Limbo .

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