Die Pürggschrift

 

© Franz Krahberger

Electronic Journal Literatur Primär ISSN 1026 -0293

Mehr als fünfzig Jahre nach dem Geschehen wird durch einen nüchternen, ökonomischen Vorgang ein historischer Sachverhalt ein für allemal festgeschrieben. Die Republik Österreich verpflichtet sich, die Forderungen von Zwangsarbeitern, die zur Zeit  des NS-Regimes in staatlichen und privatwirtschaftlichen Betrieben zur Zwangsarbeit angehalten wurden, nach finanzieller Abgeltung zu erfüllen. Die Republik verpflichtet sich ebenso dazu, alle jene Güter, die aus der Enteignung jüdischer Mitbürger  stammen und sich in ihrem Besitz befinden, ihren rechtmässigen Eigentümern beziehungsweise deren Erben auszufolgen. Damit  wird zwar die Vergangenheit nicht bewältigt sein und es wird auch nichts wieder gut gemacht werden können, doch gibt es ein  klares Einbekenntnis der Mitschuld Österreichs an den Naziverbrechen und deren Folgen.
Man hatte bereits zu Beginn der 50er Jahre Entschädigungszahlungen geleistet. Doch zu diesem Zeitpunkt konnte bei weitem nicht alles berücksichtigt werden. Da spielte wohl die ökonomische Knappheit der Wiederaufbaujahre eine Rolle, ebenso wie die Vertuschung des wahren Schadensausmasses und eine gewisse Rücksicht gegenüber den Ehemaligen, die man unter den Bedingungen des herauf ziehenden Kalten Krieges als zuverlässige Partner wieder in die demokratische Gemeinschaft einzubinden suchte. Da allzu lange von Schuld, von Mitschuld, von Belastung zu sprechen, erschien politisch nicht nützlich.

Damit begann man sich in der zweiten Republik einzurichten, bemühte die These der österreichischen Opferrolle bevorzugt zur Konstruktion der österreichischen Nachkriegsidentität und denunzierte all jene, die an der Tatsache der Mitschuld der ÖsterreicherInnen an den nationalsozialistischen Verbrechen festhielten, als Nestbeschmutzer oder als Kommunisten. Den ehemaligen Nazis wars recht und alle anderen durften behaupten, keinerlei Schuld zu haben.
Die österreichische Form der Vergangenheitsbewältigung bestand in weitgehendem Verschweigen und Ausblenden der gemeinsamen siebenjährigen Geschichte mit Nazi Deutschland. Das ging aber nur zum Teil, weil die gemeinsamen Kriegsjahre nach wie vor in aller Munde waren. Die Konflikte um die Wehrmachtszugehörigkeit reichten bis in die 80 er Jahre und bestimmten wesentlich die Spannungen der Affäre Waldheim, die letztendlich doch in einem mühseligen jahrelangen Prozess zu einer Klärung des tatsächlichen historischen Sachverhaltes führte. Das Verhältnis von Mitschuld und Verpflichtung wurde sogar in einem Ausmass zurecht gerückt, das für viele ÖsterreicherInnen bestürzend wirken musste. Waren sie doch der Meinung gewesen, Österreich wäre Opfer gewesen.

Umso überraschender wirkte auf mich der Versuch einer revisionistischen Bewältigung des Vergangenen, der für mich zu einem Symbol sowohl der vergangenen, wie auch der gegenwärtigen aktuellen politischen Landschaft geriet.

1998 fiel mir eine Dokumentation der Pürgger Dichterwochen in die Hände. Der Stainacher  Hans Gerhard Kandolf beschreibt in diesem 1997 im Kammerhofmuseum Bad Aussee erschienenen Buch mit Akribie ein seltsames Schriftstellertreffen in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre, das dreimal, von 1953 bis 1955 in Pürgg, einem kleinem obersteirischen Ort am Grimming über dem Ennsboden abgehalten wurde.
Geladen hatte der politische Leiter des Ennstaler Kreises, Alfred Rainer,  Abgeordneter zum steirischen Landtag. Den Ehrenschutz hatte Josef Krainer, steirischer Landeshauptmann, übernommen. Finanziert wurden die Veranstaltungen aus den Mitteln des Landes Steiermark und des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst. Alfred Rainer sah seine politische Hauptaufgabe in der Wiedereingliederung ehemaliger Wehrmachtsangehöriger in das zivile Leben. Rainer hatte eine weitere Aufgabe zu erfüllen. Die Reintegration von ehemaligen Nazi Parteigängern, denen erst zu Beginn der fünfziger Jahre ihr aktives und passives Wahlrecht wiederum zugestanden wurde.

Literaturhistorikern waren diese merkwürdigen Schriftstellertreffen zwar bekannt. Sie erfassten jedoch keineswegs die innere Dimension, oder wollten diese nicht erkennen und taten sie als Treffen konservativer Autoren ab, behandelten sie als Autoren auf Schulbuchniveau.
Mag sein, dass man die Pürggtreffen bloss aus germanistischer Perspektive betrachtet hat. Auch im Falle Goethes haben die Literaturhistoriker es über Jahrhunderte hinweg vermieden, ins geheime Weimarische Hofarchiv zu schauen. Jetzt erzählt uns ein unbefangener US-Historiker über die Alltagsgeschäfte des Geheimrates, die hin und wieder auch darin bestanden, Todesurteile auszufertigen und im Namen seines Fürsten zu unterzeichnen. Vor allem wird aber seine Rolle in weit gespannten Netz der Zensur, die sich gegen die Inhalte der französischen Aufklärung und Revolution wandte, herausgearbeitet.

NS-Autoren, die in der Wiener Ausgabe des Völkischen Beobachters publizierten, wie Brehm, Springenschmid,  das dichtende Sprachrohr des Volkes mit Gier nach mehr Raum, Hans Grimm, Baldur Schirachs Burgtheaterdirektor Mirko Jelusich, und ebenso des Reichsgauleiters Generalkulturreferent Hermann Stuppäck waren da nach Pürgg am Eingang zur Alpenfestung, so nannten die Nazis dieses alpine Gebiet, geladen. Auch der unverbesserliche antisemitische sudetendeutsche Autor Heinrich Zillich war nach Pürgg gekommen. An der Spitze Hans Friedrich Blunck, Chef der Reichsschrifttumskammer bis 1935. Er wurde angeblich von Goebbels entlassen, weil er sich gegen die Schwarzen Listen und den Arierparagraphen verwehrt hat. Zu Bluncks Amtszeit mussten bereits viele deutsche AutorInnen Deutschland verlassen. Andere wurden in Konzentrationslagern in Sicherheitsverwahrung gebracht. Schreibverbote wurden erteilt und Existenzen vernichtet. Bluncks Widerstand dürfte jedoch nicht allzu gross gewesen sein. 1936 gründete er im Auftrag der Nationalsozialisten das Deutsche Auslandswerk und leitete bis 1939 die unter diesem Dach zusammengefassten europäischen Freundschaftsgesellschaften. Blunck diente offensichtlich der Nazi-Propaganda und besucht in dieser Eigenschaft mehrmals Österreich.1936 wurde er in den Reichskultursenat berufen. Nach Kriegsende wurde er interniert und für vier Jahre mit Berufsverbot belegt.
Paula Grogger und ihr Freundes- und Kollegenkreis waren ebenso in Pürgg. Eine Reihe eher bürgerlicher Autoren war zugegen. Fritz Habeck , Natalie Beer und Gertrud Fussenegger fehlten nicht.
Ebenso geladen wurde eine Gruppe junger AutorInnen und künftiger Kulturfunktionäre. Wolfgang Kudrnofsky, Jeannie Ebner, Wieland Schmied, Hans Weigel, Ulrich Baumgartner, später Festwochenintendant zu Wien, und Günter Nenning, der allerdings kritisch in der Neuen Zeit in Graz über diesen Treff berichtete.
Aber man muss nicht bleiben, so wie man einmal gewesen ist. Dr.Dr.Guenter Guenter Nenning, den Bruno Kreisky voellig zu Recht einen politischen Kasperl genannt hat, schrieb 1982 in der damals von Andreas Moelzer redigierten in Graz erscheinenden freiheitlichen Kampfschrift Die Aula ganz prominent gleich neben Norbert Burger ueber die Deutsche Einheit. Der Nenning ist halt doch ein echter Austro Kofferer und auch Puerggschafter geworden.

Wieland Schmied hat damals ebenso ironische Distanz  genommen, im von Rudolf Henz heraus gegebenen Wort in der Zeit.
All die letzt Genannten haben damals in Torbergs Forum publiziert. Torberg selbst war nicht da, doch ist anzunehmen, dass er Kenntnis davon hatte und über die Absicht des Unternehmens Bescheid wusste. Die jungen Wiener Autoren hat Hans Weigel bewogen, nach Pürgg zu gehen. Die Pürgger Gesellschaft erinnert an Stücke von Thomas Bernhard, dem diese Konstellation sicher gut bekannt gewesen ist. Naturgemäss waren da alte Nazis, Christlichsoziale, Konservative und Sozialdemokraten an einem Tisch versammelt.
Ebenso dazu passend der Initiator der Rauriser Literaturtage und Salzburger Landesintendant des ORF, Inspirator und Förderer des Residenzverlages, Rudolf Bayr. Von Bayrs Veröffentlichungen im  Völkischen Beobachter wusste ich bereits seit den 70 er Jahren. Bayr ist Kulturredakteur und stellvertretender Schriftleiter dieser Zeitung gewesen und hat bis zum bitteren Ende durchgedient. Vor dem Ende flüchtete er nach Salzburg, war dann in der amerikanischen Zone so halbwegs sicher und setzte sein Schreibwerk bei den Salzburger Nachrichten fort.

Der Autor der Pürggdokumentation hat es weitgehend vermieden, die Funktionen der Herren in Nazideutschland und die Schandtaten der NS-Autoren zu nennen.
Der Salzburger NS-Landesschulrat Karl Springenschmid führte Österreichs einzige öffentliche Bücherverbrennung auf einem Salzburger Platz durch. Frau Ebner erzählte mir, wie wohl erzogen Bruno Brehm auf sie gewirkt habe und wie zuvorkommend der alte Herr gewesen sei. Der wahre Brehm lässt sich im Völkischen Beobachter, dessen offizieller Untertitel Kampfblatt der nationalsozialistischen Bewegung Gross Deutschlands lautete, nachlesen.
Dort wird der Inhalt einer Rede wiedergegeben, die er 1941 in Weimar bei einem anderen Dichtertreffen gehalten hat. In dieser Rede begründet Brehm, warum die Juden vernichtet und aus Europa vertrieben werden müssten.

In Wahrheit waren die Pürgger Treffen nicht literarische, sondern politische Inszenierungen. Die Absicht dieses Treffens wurde von den Literaturhistorikern nicht wahrgenommen.
Den Nazis wollte man vor allem signalisieren, dass sie als Person wieder akzeptiert wären, dass sie vom Makel des Bürgers zweiter Klasse befreit sich fühlen konnten. Immerhin hatten einige noch grossen Einfluss. Die Auflagenzahlen ihrer nach 1945 entstandenen Bücher ging in die Hunderttausende, neben anderen Verlagen angeboten von der Buchgemeinschaft Donauland.
Auch Hans Weigel ist dagewesen und sass mit Blunck an einem Tisch, obwohl er nach den Nürnberger Prozessen das schreckliche Ausmass des Holocausts kannte, den die Deutschen und die Österreich an den Juden verübten. Vertreter des PEN Clubs und des österreichischen Schriftstellerverbandes sind zugegen gewesen.
Die Volksfrontidee der Linken wurde ins Gegenteil verkehrt, mit dem Ziel, ein antikommunistisches Abwehrbündnis zu schmieden. Das Pürgger Modell zeigt Nachwirkungen in der österreichischen Gegenwart nachwirken.

Die Vergangenheitsbewältigung blieb auf der Strecke. Dieses Versäumnis macht uns heute noch zu schaffent. Man hatte gar nicht die Absicht, über die Vergangenheit zu reden. Das entsprach dem bereits sorgfältig gepflegten und gut gedeihenden Mythos von der Opferrolle Österreichs. Die Mittäterschaft von Österreichern im Nazi Agressions- und Vernichtungskrieg, in der Errichtung von Konzentrationslagern, in der Verfolgung von Andersdenkenden und politischen Oppositionellen und in der Vernichtung der Juden wurde peinlich verschwiegen. Das können wir jedoch bei Stand heutigen Wissens keinesfalls mehr so hinnehmen. In der Moskauer Deklaration von 1943 war diese Mitschuld Österreichs noch festgeschrieben, konnte jedoch durch viel diplomatisches Geschick von Lepold Figl kurz vor dem Abschluss aus der Staatsvertragsfassung hinaus redigiert werden.

Selbstverständlich musste es auch eine dieser Strategie der Ausblendung entsprechende Kulturpolitik geben. Pürgg war ein repräsentatives Zeichen dieses fatalen Bemühens, das einerseits nötiger innerer Stabilität dienen sollte und andererseits eindeutig gegen die roten fünften Kolonnen gerichtet war, eine Strategie, die wesentlich auf Churchill zurück geführt werden kann und vor allem unter Anleitung der USA sowohl in Österreich wie auch in Deutschland exekutiert wurde.

Alpbach war ein zweites, jedoch bedeutend klüger angelegtes Projekt. Fritz und Otto Molden gaben sich ebenso betont antikommunistisch, bedienten sich dabei aber jener Grössen, die sich vom Kommunismus aus innerer Einsicht, strukturellem Durchblick und Abscheu vor der stalinistischen Willkür abgewandt hatten. Also Arthur Koestler, Manes Sperber u.a. Die hätten sich jedoch nicht mit den Alt-Nazi-Grössen an einen Tisch gesetzt. Ebenso wenig wollten dies die ebenfalls nach Pürgg geladenen Autoren der Gruppe 47, Max Frisch, Heinrich Böll, Walter Jens und Heinrich Ledig-Rowohlt. Sie lehnten ein derartiges Ansinnen ab. Offensichtlich war es geplant, das Pürgger Konzept auf den ganzen deutschen Sprachraum auszudehnen. Die Gruppe 47 spielte jedoch nicht mit und trug ihrerseits Entscheidendes zur Aufklärung und Bewältigung deutscher Geschichte bei. Tatsächlich ist nur ein Mitglied der Gruppe 47, der Lyriker und Übersetzer Wolfgang Bächler, der Einladung nach Pürgg gefolgt.

Das Pürggische Modell sollte gravierende Auswirkungen auf die österreichische Kulturpolitik und damit auf die Arbeit österreichischer Künstler und Intellektuellen haben, und was noch wichtiger erscheint, auf die kulturelle Rezeption im Bildungsbereich. Insgesamt fällt in jene Zeit der Pürgg Treffen die Gründung der Waldheimat vor dem welthistorischen Horizont des Kalten Krieges und Waldheim ist bloss einer der vielen Bewohner.

Von Torberg muss man sagen, er habe zwar Brecht behindert, die alten Nazi-Schriftsteller liess er jedoch ungeschoren. Er hat zwar über Pürgg nichts berichtet, doch gewusst wird er davon haben, noch dazu wo er längst schon wieder seine freien Tage im nahegelegenen Altaussee verbrachte.
Bei Durchsicht des von ihm herausgegeben Forums bin ich jedoch neben Wolfgang Kudrnofsky, Jeannie Ebner, Wieland Schmied, Hans Weigel, Ulrich Baumgartner, neben Bruno Kreisky und Christian Broda noch auf eine weitere bemerkenswerte Person gestossen. Taras Borodajkewicz schrieb für Torberg in der Dezember Ausgabe 1955 des Forums über die nationale Frage.
Dieser Mann war Ursache der Studentendemonstrationen im April 1965. Ein Demonstrant, der Pensionist Ernst Kirchweger, ist  dabei von Rechtsradikalen zu Tode gestossen worden. Borodajkewicz galt als prononcierter, bekennender und lehrender nationaler Rechter, der seinen Lehrstuhl zu neonazistischer Propaganda missbrauchte. Er war in den fünfziger Jahren an der Oberweiser Vereinbarung der ehenmaligen Nazis mit den ÖVP Politikern Julius Raab und Alfred Maleta beteiligt. Er war einer der Verbindungsmänner der Nationalen zum volksparteilich dominierten Ennstaler Kreis, dem Veranstalter der Pürgger Treffen.
Im nachmaligen Bundeskanzler Alfons Gorbach und in dessen Nachfolger Josef Klaus hatte der Ennstaler Kreis mächtige Schutzherren. Beide hatten mit Erzbischof Andreas Rohracher von Salzburg aus das katholische Versöhnungswerk 1947 gegründet, das strategisch die demokratische Wiedereinbindung und Rekatholisierung der Nazis betrieb. Gorbach ist persönlich bei den Pürgger Dichterwochen anwesend gewesen.
In seiner Eigenschaft als Salzburger Landeshauptmann enthob Josef Klaus den österreichischen Komponisten Gottfried von Einem all seiner künstlerischen Aufgaben und Funktionen in der Leitung der Salzburger Festspiele. Anlass war, dass sich Einem erfolgreich für die Einbürgerung Brechts, dieser besass ab da an einen österreichischen Pass, eingesetzt hatte. Klaus, der eine besonders amerikafreundliche Politik forcierte, Torberg und Weigel verhinderten vehement ein Engagement Brechts an Salzburgs Festspielen. Brecht hatte nun zwar einen österreichischen Pass, jedoch in Österreich mehr oder minder Berufsverbot und ging nach Ostberlin und sein Befürworter Einem verlor seinen Job.
Das zweifach eingetragene NSDAP Mitglied Herbert von Karajan konnte in Folge zum absoluten Star der Salzburger Festspiele werden. Eine Vorentscheidung war bereits 1938 gefallen. Während  Karajan im Berliner Top Hotel Adlon mit der Führungsspitze der NSDAP verkehrte, bis zum bitteren Ende zu den bevorzugten Gästen zählte, wurde Einem 1938 im Adlon von der Gestapo verhaftet. Karajan dirigierte die Triumphkonzerte anlässlich der militärischen Besetzungen von Prag und Paris.
Den Umgang mit Nazi-Künstlern nach 1945 bestimmten von  vornherein Vertreter der USA. 1947 wurde Furtwängler auf Betreiben von Michael Josselson, dem einflussreichen CIA Verbindungsmann und 1950 Gründungsvorstand des Kongresses für kulturelle Freiheit, entnazifiziert und so die Rückkehr ans Dirigentenpult ermöglicht. So berichtet Hilde Spiel in ihren Erinnerungen.
In der österreichischen Sozialdemokratie bestanden gegenüber ehemaligen Nationalsozialisten ebensowenig Berührungsängste. Dies beweist nicht allein die Person des Innen- und Heeresministers Otto Rösch, der in den späten vierziger Jahren in einem Wiederbetätigungsprozess mitangeklagt vor Gericht stand, sondern etwa die skandalöse Behandlung Simon Wiesenthals durch Bruno Kreisky 1975 zugunsten des SS-Mannes Friedrich Peter. Man ging um ihrer künftigen Wählerstimmen willen mit Nationalen mit Samthandschuhen um, oft der eigenen Ideologie widersprechend.

Die Pürggtreffen waren auf eine möglichst grosse Akzeptanz seitens breiter Bevölkerungsschichten angelegt. Man bemühte sich um den Segen der Kirche, nahm gemeinsam an einer Messe teil und gestaltete im Benediktinerstift Admont ein Besuchs- und Leseprogramm. Der bäuerlichen Welt erwies man die Referenz mit Leseauftritten in einer landwirtschaftlichen Fachschule. Die SchriftstellerInnen besuchten die Stahlhütte Liezen und wurde dort von einem sozialistischen Gewerkschaftskomitee empfangen.

Man könnte von nationaler Versöhnung sprechen. Diese Strategie ist jedoch nicht allein von österreichischen Politikern entwickelt worden. Das Pürgg Konzept passt völlig in die Erfordernisse und Absprachen des beginnenden Kalten Krieges. Man spürt deutlich das Interesse der Siegermächte, insbesondere der USA, auch die Nazis mit der neuen Ordnung zu versöhnen. Dieser Hintergrund lässt sich nicht auf den ersten Blick ablesen und war auch in keiner Weise ausdrücklicher Gegenstand des Diskurses in Pürgg.
Mich hat vor allem die Anwesenheit der fünf jüngeren AutorInnen aus dem Umfeld des Torbergschen Forums, insbesondere die Anwesenheit Hans Weigels auf diesen Hintergrund gebracht. Welches Interesse sollte etwa Weigel an Blunck haben oder Torberg an Borodajkewicz. Diese Konstellation ergibt weder literarischen noch kulturellen, noch weltanschaulichen Sinn. Sie hat einen pragmatischen taktischen politischen Hintergrund.

Von Hans Weigel, Jeannie Ebner und Friedrich Torberg weiss man heute mit Gewissheit, dass sie im Umfeld amerikanischer Sicherheitsdienste tätig gewesen sind. Die Finanzierung des Forums seitens der CIA kann heute als historisch erwiesen angesehen werden.
Die Verwicklung von Medienmachern wie Gerd Bacher und Alfons Dalma in ebensolche Tätigkeiten werden heute offen ausgesprochen. Im Falle Gerd Bachers liegen laut Mitteilung des Grazer Historikers Siegfried Beer in US-Archiven gegengezeichnete Zahlungsbelege vor. Der dritte Mann in der ORF-Seilschaft war der in Pürgg anwesende Rudolf Bayr. Alle drei hatten eine enge Verbindung zu den Salzburger Nachrichten, für die  sie Ende der 40 er und Anfangs der 50 er Jahre schrieben. Über Dalmas Ustascha Vergangenheit weiss man heute halbwegs genau Bescheid. Gerd Bacher und Alfons Dalma übten grossen Einfluss auf den ORF aus. Die Redaktionskollegin Rudolf Bayrs, Ilse Leitenberger schaffte es bis zur stellvertretenden Chefredaktion der Presse. Die Salzburger Nachrichten hatten wiederum ein nahes Verhältnis zum Ennstaler Kreis.
Die CIA Kontakte wären nicht so schlimm. Es ist völlig klar, dass die USA, die in Form der Marshallplanhilfe für den Wiederaufbau Gelder bereit stellte, Vertrauenspersonen im Lande selbst haben wollten. Fragt sich bloss, warum diese Kontakte so sorgfältig verschwiegen wurden.

Der Präsident der Bundesrepublik Deutschland, Roman Herzog hat am 27.Jänner 1999 anlässlich einer Rede im deutschen Bundestag gesagt, die Bemühungen, nationalsozialistische Verbrechen aus der Geschichte auszublenden, sei eine Form intellektueller Feigheit. In Österreich war es nicht nur eine Form von Feigheit, sondern ein bewusst von oben verfügter Akt der Verdrängung, der die kulturpolitischen Vorstellungen merkbar und deutlich prägte.

So sind sind also jene wenig erfolgreichen Anstrengungen von österreichischen Künstler(inn)en, Intellektuellen und Wissenschaftern, die den Tatsachen entsprechende Wahrheit zu beschreiben, viel höher zu bewerten, als die Legion derer, die an staatlich verordneter und geförderter Camouflage und am verschämt verlogenen Bühnenbildbau österreichischer Identität erfolgreich mitgewirkt haben.

Erst die Sozialdemokratie brachte  Veränderungen und schuf im geistigen, wissenschaftlichen und künstlerischen Bereich lebenswichtige Öffnungen. Doch alles wurde auch hier nicht gelüftet und in der realen, die Massen betreffenden Politik blieb man im alten, eingefahrenen Gleis, wie Entscheidungen Kreiskys beweisen.
Die Frage, ob man in diesem Kontext nicht anders gekonnt hat, lässt sich wohl sehr schwer klären. In der Affäre Waldheim versuchte Sinowatz aus tagespolitischem Kalkül noch einen Akt der Befreiung von den verdrängten Fragen der Vergangenheit. Doch dies führte zu einer innenpolitischen Eskalation, ging schief und war der eigentliche Beginn des Aufstiegs der neuen Rechten und machte vor allem das realpolitische Modell der Pürggesellschaft erneut sichtbar.
Erst während der Kanzlerschaft Vranitzky wagten immer mehr Politiker deutliche Aussagen, eben bis hin zu Thomas Klestils Eingeständnis einer brennenden Schande, in Anspielung an die vor mehr als einem halben Jahrhundert veröffentliche päpstliche Enzyklika  Pius XI.Mit brennender Sorge.
Sollte man die jüngst wieder verkündeten Bemühungen um die Vergangenheitsbewältigung wirklich ernst nehmen, wird man um die Aufklärung all jener Aktivitäten der Verdrängung, die immer mit realpolitischen Kalkül verbunden gewesen sind, nicht umhinkommen. Pürgg war eine dieser Unternehmungen, aus dem Gestrüpp von Schuld und Mitschuld durch gezieltes Verschweigen zu entkommen.
 

Pürgger Weisswäsche

Die Pürgger Dichterwochen wurden von Alfred Rainer ins Leben gerufen. Die Einladungen zu den Treffen kamen von Josef Krainer, dem steirischen Landeshauptmann. Rainer, ein schwer versehrter Kriegsheimkehrer, engagierte sich in der Steirischen Volkspartei für die soziale Wiedereinbindung der in Misskredit geratenen Heimkehrer. Das Konzept reichte weit darüber hinaus. Geregelt wurden nicht nur die gesellschaftlichen und beruflichen Bedürfnisse der Kriegsheimkehrer. Eine weitere politische Aufgabe stellte sich in der Wiedereingliederung ehemaliger Naziparteigänger und Mitläufer. Im Umgang damit wurde jene bedenkliche doppeldeutige Formel von der persönlichen Schuldlosigkeit kollektiv belasteter Bevölkerungskreise ins Spiel gebracht.
Um diese Aufgaben umsetzen zu können, gründete Rainer 1951 den Ennstaler Kreis. Politisch gesehen könnte man den Ennstaler Kreis im Kern als rechtskatholische politische Organisation mit besonders ausgeprägtem Heimatsinn ansehen, der eine offene Plattform hin zur nationalen Seite angeboten hat. Der freiheitliche Historiker Lothar Höbelt beschreibt in seiner Geschichte des Verbandes der Unabhängigen VDU, eines Sammelbeckens vor allem ehemaliger Naziparteigänger, den Kreis als informelle Einrichtung des Dialoges national gesinnter Intellektueller. Der dem Zentrum des Kreises nahestehende Taras Borodajkewycz formulierte als Voraussetzung dieser Verbindung das selbstverständliche Bekenntnis zum Deutschen Volk, also zur nationalen Volksgemeinschaft. Die politische reale Macht lag aber eindeutig bei der Volkspartei. Nur sie hatte die Möglichkeit, Posten zu beschaffen, Karrieren zu vermitteln. Im Gegenzug erwartete man sich Loyalität zur Partei beziehungsweise den Eintritt in dieselbe. So gesehen ist der Ennstaler Kreis ein passendes Beispiel aus den Anfängen der zweiten Republik für die in Österreich lange Zeit grassierende Parteibuchwirtschaft. Borodajkewycz selbst war Nutzniesser und  konnte so wieder auf akademischen Boden zurück kehren. Als ehemaligen NS-Angehörigen war ihm die Lehrbefugnis entzogen worden.
Im Gegenzug für seine politische Kompromissbereitschaft als Mittler des deutschnationalen Lagers gegenüber Volkspartei und Republik konnte er seine Lehrbefugnis zurückgewinnen und an der Hochschule für Welthandel lehren. Die geänderten Zeiten hielten ihn jedoch nicht davon ab, weiterhin nationalistische und rassistische Gedanken zu verbreiten. Erst in den sechziger Jahren musste er auf Grund heftiger studentischer Proteste seine Professur aufgeben. Der Ennstaler Kreis spielte im weiteren eine wichtige Rolle in den Oberweiser Verhandlungen zwischen Österreichischer Volkspartei und dem deutschnationalen Lager. Sie fanden in der Oberweiser Villa Alfred Maletas statt. Höbelt teilt mit, dass ein grosser Teil der Redakteure der Salzburger Nachrichten Mitglieder des Ennstaler Kreises gewesen sind. Ein wesentliches Detail, die Salzburger Nachrichten nahmen eine wichtige Rolle im Dialog von Nationalen und Republik ein. Der Ennstaler Kreis versuchte offensichtlich Journalisten, Akademiker, Politiker,  Unternehmer und in den Pürgger Dichterwochen Schriftsteller und Schriftstellerinnen an sich zu ziehen. Ingomar Hartner, enger Mitarbeiter Rainers,  schreibt von besten Kontakten des Ennstaler Kreises quer durch Europa, über England in die USA.

Der Ennstaler Kreis ist heute noch aktiv. Der katholische Kern ist bewahrt geblieben. So referierte etwa der eher als moderat geltende steirische Diözesanbischof Johann Weber im Oktober 2000 vor dem Ennstaler Kreis seine Gedanken zu einer glaubwürdigen und und zukunftsfähigen Kirche.
Aus einigen spärlichen Hinweisen lässt sich ablesen, dass die Kontakte zur rechten Szene nicht abgerissen sind. In den 80er Jahren war Hans Dietrich Sander zu einem Vortrag geladen. Im Internet finden sich seine Unpolitischen Prämissen des deutschen Niedergangs, in denen er kurz einen Konflikt zwischen sich und einem Vertreter der Konrad Adenauer Stiftung anlässlich einer Tagung des Ennstaler Kreises im steirischen Bad Aussee streift. Sander verwendet nach wie vor den Begriff Umerziehung, während der nicht näher benannte Vertreter der Adenauer Stiftung richtigerweise darauf bestand, die Deutschen wären erst nach 1945 richtig erzogen worden. Hans Dietrich Sander war übrigens Mitarbeiter Bertolt Brechts am Schiffbauerdammm, bevor er in den 1957 in den Westen flüchtete und sich in der BRD rechtsradikalen Kreisen anschloss. Heute gehört Sander der Gesellschaft für freie Publizistik an. Neben dem letzten Adjutanten von Goebbels, der heute in Argentinien lebt und in Fernsehinterviews nach wie vor sich zur Ideologie des Nationalsozialismus bekennt, finden wir in dieser Gesellschaft den einschlägig bekannten Österreicher Otto Scrinzi , den Revisionisten und Holocaust Leugner David Irving, den Herausgeber der freiheitlich orientierten politischen Wochenschrift Zur Zeit Mölzer. Mitglied der Gesellschaft für freie Publizistik waren u.a. der rechtslastige Hans Grimm, der Führer der flämischen Faschisten Robert Verbelen und der prononciert sudetendeutsche antisemitische Schriftsteller Heinrich Zillich.
Diese Gesellschaft gibt vor, für die Freiheit und Wahrheit des Wortes zu kämpfen und vertritt sowohl nationalistische wie rassistische Positionen. Hans Dietrich Sander kann eindeutig dem rechten radikalen Lager zugeordnet werden. Aus seiner Präsenz im Ennstaler Kreis lässt sich schliessen, dass die Orientierung und Funktion des Kreises der ursprünglichen Konzeption auch in der Gegenwart noch aktuell ist.
Der Kreis ist nach wie vor abgeschottet und es dürften nur besonders ausgewählte Personen Zutritt haben. Die Beziehungen lassen auf ein hochkarätiges politisch-, wirtschaftliches Umfeld schliessen. In der Öffentlichkeit des obersteirischen Ennstales ist wenig bekannt über diesen Kreis. Es finden sich jedoch immer wieder Berichte über Veranstaltungen des Kreises in steirischen Zeitungen, etwa der Kleinen Zeitung und im Ennstaler.

So sah etwa der Rahmen aus, in dem die Pürgger Dichterwochen konzipiert und durchgeführt wurden. Pürgg wäre ein sanfter Versuch gewesen, Literatur und Politik in Nachkriegsösterreich näher zu bringen und Verständigung im künstlerisch literarischen Bereich in die Wege zu leiten, schreibt der Pürgger Dokumentarist Hans Kandolf. Man wäre bemüht gewesen, Schuld abzubauen und Brücken zu schlagen.
Da steht auf den Teilnehmerlisten als prominentester ehemaliger nationalsozialistischer Kulturfunktionär der vormalige Präsident der Reichsschrifttumskammer  Hans Friedrich Blunck, mitschuldig an der Vertreibung und am Tod von Kolleginnen und Kollegen in den politischen Nazi-KZs.
Niemand, der nach dem Mai 1933, an dem nachweisbar in vierzig grossen und mittleren deutschen Städten Bücher verbrannt wurden, eine offizielle kulturpolitische Funktion eingenommen hat, insbesondere jene eines Vorsitzenden der Reichsschrifttumskammer, kann behaupten, an der Vernichtung des freien Geisteslebens unbeteiligt gewesen zu sein. Blunck sass an einer jener Stellen, an denen entschieden wurde, wer in Deutschland nach 1933 schreiben und sich öffentlich mitteilen durfte.
In Pürgg hat sich Blunck in seiner Abschiedsrede für diese Zusammenkunft von Dichtern und Schriftstellern, die seiner Aussage nach im Westen Deutschlands nicht möglich gewesen wäre, bedankt und gemeint, hier seien Menschen zusammen gekommen, die vielerlei Meinung haben mögen, sich aber menschlich nahe und Freunde wären, ohne ihre unterschiedlichen Ansichten aufgeben zu müssen. Einer, der zwanzig Jahre früher mithalf, all jene Freiheiten zu vernichten, die nicht in das Konzept des Nationalsozialismus gepasst haben, spricht da von der Freiheit von Pürgg und nimmt Toleranz in Anspruch, die er Jahre vorher anderen Autoren und Autorinnen verweigert hat.
Dieser Missbrauch des Freiheitsbegriffes ist charakteristisch für die Rechte. Sie nennen sich freiheitlich, geben vor, die Freiheit gegenüber Sozialismus und Kommunismus verteidigen zu müssen und finden keine kritische Distanz zu den Strukturen eines totalitären Staates, in dem jede Abweichung von der offiziell vorgegebenen Meinung mit Berufsverbot, Gefängnis oder gar mit dem Tod bestraft wurde. 1934 wurden zum Beispiel wider die bereits in Paris und in Amsterdam lebenden Schriftsteller 1934 Arnold Zweig und Alfred Schirokauer Steckbriefe wegen Nichtbezahlung der Reichsfluchtsteuer erlassen. Wären sie in Deutschland geblieben, wäre es ihnen wahrscheinlich so ergangen wie Carl von Ossietzky, der im Konzentrationslager von den Nazis zu Tode gequält wurde.

Die Literatur der Dichter und Schriftstellerinnen Nathan Asch, Schalom Asch , Henri Barbusse, Richard Beer-Hofmann, Georg Bernhard, Günther Birkenfeld, Bertolt Brecht, Max Brod, Robert Carr, Alfred Döblin, Kasimir Edschmid, Ilja Ehrenburg, Albert Ehrenstein, Hermann Essig, Lion Feuchtwanger, Georg Fink, Friedrich Wilhelm Förster, Sigmund Freud, Rudolf Geist, Fjodor Gladkow, Ernst Glaeser, Iwan Goll, Karl Grünberg , Jaroslav Hasek, Walter Hasenclever, Werner Hegemann, Arthur Holitscher, Albert Hotopp, Heinrich Eduard Jacob: Blut und Zelluloid, Erich Kästner, Josef Kallinikow, Gina Kaus Kautsky, Alfred Kerr, Egon Erwin Kisch, Kurt Kläber, Alexandra Kollantay, Michael A. Kusmin, Peter Lampel, Jurij Libedinsky, Wladimir Lidin, Heinz Liepmann, Jack London, Emil Ludwig, Heinrich Mann, Klaus Mann, Karl Marx, Robert Neumann, Iwan Olbracht, Carl von Ossietzky, Ernst Ottwald, Kurt Pinthus, Theodor Pleivier, Erich Maria Remarque, Ludwig Renn, Iwan A. Rodionow, Ludwig Rubiner, Rahel Sanzara, Alfred Schirokauer, Arthur Schnitzler, Karl Schroeder, Anna Seghers, Upton Sinclair, Hans Sochaczewer, Michael Sostschenko, Fjodor Ssologub, Adrienne Thomas, Ernst Toller, Kurt Tucholsky, Werner Türk, Karel Vanek, Jakob Wassermann , Franz Carl Weiskopf, Arnim T. Wegner, Franz Werfel, Theodor Wolff, Arnold Zweig, Stefan Zweig ist von den Nazis öffentlich verbrannt und gebrandmarkt worden. Die AutorInnen wurden vertrieben. Diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und sie wäre noch um jene AutorInnen zu ergänzen, deren Bücher von Karl Springenschmid 1938 auf dem Salzburger Domplatz verbrannt worden sind.

Ihrer wurde in Pürgg nicht gedacht. Doch im Gegensatz zu den in Pürgg versammelten Autoren sind ihre Werke weder durch Verbrennen, noch durch Diffamierung der Personen und ihrer Arbeit in Vergessenheit geraten. Sowohl die verbotene Literatur wie auch die als entartet gebrandmarkte bildende Kunst haben die Zensurmassnahmen des Nationalsozialismus überlebt und viele von ihnen zählen heute wesentlich zum weltkulturellen Erbe des 20.Jahrhunderts.

Dieser Ansicht konnte und wollte man sich in Pürgg nicht anschliessen.  Jene Autoren und Autorinnen, deren Werke im Dritten Reich verboten und verbrannt wurden, waren eben nicht Gegenstand des Diskurses. Keiner der noch Lebenden war geladen und sie wären auch nicht gekommen.
Nichts also von Schuldabbau oder Brücken schlagen zu den wahren Opfern, denn das kann man wohl nur gegenüber jenen, die unter dem Terrorregime der Nazis wirklich gelitten haben, deren Leben und literarische Existenz ernsthaft beschädigt wurde.

In Pürgg sollten andere Brücken gebaut werden, durch den Verlust des Krieges zerstörte Brücken wieder errichtet werden. Bruno Brehm war einer der ersten österreichischen Schriftsteller gewesen, die den Anschluss Österreichs an Hitlerdeutschland begrüssten. Seine Biographie ist für Österreich charakteristisch. Aus einer altösterreichischen Offiziersfamilie stammend, kämpft er im ersten Weltkrieg im österreichischen Heer und im zweiten Weltkrieg ist er Ordonanzoffizier der deutschen Wehrmacht. Der Literaturhistoriker Norbert Langer, der 1940 ein Werk über Die deutsche Dichtung seit dem Weltkrieg veröffentlicht hat, leitet in einem 1958 erschienenen Porträt den Stil Brehms davon ab, dass dieser schon als Kind an der Geschichte der  kaiserlich königlichen Armee, an den Dienstvorschriften, Tischregeln und Exerzierordnungen einen klaren Stil erlernt habe. Langer gelingt es, in diesem Band Ingeborg Bachmann mit Brehm, Doderer, Trakl und Zillich u.a. in eine Reihe zu stellen.

Überdeutlich wird Bruno Brehm anlässlich einer Festrede zu Weimar im Oktober 1941. Anlässlich des alljährlichen deutschen Dichtertreffens in Weimar referierte Bruno Brehm zum Thema Unser Kampf im Osten - Sinn und Sendung. Er warnte eindringlich vor den zersetzenden historischen Auswirkungen der französischen Revolution, deren Ideengut sich die russische Bevölkerung nach der Oktoberrevolution blindgläubig hingegeben habe. Hinter allem stünde der Jude, den dürfe man nie vergessen. Man müsse begreifen, dass der Träger dieser Ansteckung, die Juden, zuerst einmal aus den Reihen des deutschen Volkes entfernt werden müssten. Man müsse ebenso begreifen, dass diese Menschen künftighin in Europa nicht mehr geduldet werden könnten. Das war die alte Zeit des Bruno Brehm und so steht es zu lesen in der Wiener Ausgabe des Völkischen Beobachter vom 20.Oktober 1941.
1933 hatte man Bücher verbrannt. Acht Jahre später erklärt der Schriftsteller Bruno Brehm alle Juden zu einer Quelle der Gefahr und der Ansteckung und fordert deren Entfernung und Vertreibung. Kurz nachdem Göring auf Veranlassung Hitlers im Juli dieses Jahres Heydrich mit der Ausarbeitung eines Konzeptes zur Endlösung der europäischen Judenfrage beauftragt hatte. Brehm befand sich also im bewussten Einklang mit der Vernichtungspolitik des Deutschen Reiches.

Ebenso wohl dürfte sich in Pürgg Hermann Stuppäck gefühlt haben. Er war in den sieben nationalsozialistisch bestimmten Jahren Generalkulturreferent der Ostmark gewesen. Stuppäck spielte danach eine einflussreiche Rolle im Salzburger Kulturleben und brachte es  bis zum Leiter der von Oskar Kokoschka ins Leben gerufenen Salzburger Sommerakademie.  Stuppäck ist ein gutes Beispiel dafür, dass hohe Funktionen im nationalsozialistischen Kulturleben Karrieren in der zweiten Republik keineswegs behinderten

Für die Salzburger Nachrichten war Rudolf Bayr nach Pürgg gekommen. Bayr war in jungen Jahren nicht nur Redakteur der Wiener Ausgabe des Völkischen Beobachters gewesen, sondern hatte es dort bis zum stellvertretenden Schriftleiter gebracht.
Seinem Alter entsprechend muss er sowohl begabt wie auch in der Sache engagiert gewesen. Die von ihm im Beobachter veröffentlichten Texte und kurzen Gedichte sind jedoch eher unverfänglich.
Allein an diesen Texten gemesssen, kann man Bayr nicht nachsagen, ein glühender Nationalsozialist gewesen zu sein. In seiner Funktion des Schriftleiters, wenn auch bloss der eines Stellvertreters, kann man ihn jedoch jedoch aus einer gewissen Verantwortlichkeit für den Inhalt der Kulturseite des Völkischen Beobachters nicht entlassen.
Da wurde täglich rassistische, antisemitische und kriegstreiberische Polemik, Berichterstattung und propagandistische Dichtung veröffentlicht. Dass Rudolf Bayr selbst Konsequenzen befürchtete, zeigt seine rasche Flucht zu Ende des Krieges 1945 aus Wien ins Salzburgische. Er folgte damit den vielen hohen NS-Funktionären, die aus der sowjetisch dominierten Ostzone in das Salzburgische bzw. ins Salzkammergut, das eng an das Ausseerland grenzt, flüchteten und sich da unter US-Protektorat neue Existenzen aufbauten.
Bayr wurde alsbald in die Kulturredaktion der Salzburger Nachrichten aufgenommen. Er dürfte den Hintergrund der Pürgg Treffen viel besser durchschaut haben, als die meisten der anderen Geladenen.
Ich habe mit einer langjährigen Mitarbeiterin Bayrs und mit einer Lektorin des Residenz Verlages anlässlich der Rauriser Literaturtage darüber gesprochen. Die Lektorin wusste von nichts, die Mitarbeiterin kannte Bayrs Vorgeschichte. Mein Nachfragen bewirkte die Herausgabe einer Auswahl aus Bayrs Werk mit dem bezeichnenden Titel Ich habe nichts als mich im Residenz Verlag 1999. Bayrs Tätigkeit im Völkischen Beobachter wurde entsprechend berücksichtigt und verharmlost.
Es zeigt sich ein zentrales Problem. Die Verniedlichung, die Verharmlosung ist ein wesentliches Hindernis in der Schulderkenntnis, in der Schuldeinsicht. Es wäre ja alles nicht so schlimm gewesen.
Beide Seiten, sowohl Vertuscher als auch Aufdecker geraten in ein unlösbares Dilemma. Der eine weiss aus unzähligen Dokumentationen und Dokumentarfilmen, aus mündlichen Berichten über die Verbrechen der Nazis Bescheid und wertet dies ohne ideologische Absicht als Schuld.
Der Verharmloser hingegen will die Schuld verkleinern, verstecken und verhüllen. Das steckt in der doppeldeutigen Formel von der persönlichen Schuldlosigkeit und kollektiv belasteter Bevölkerung, die die Grundlage des politischen Handelns des Ennstaler Kreises gewesen ist. So bestreitet der Vertuscher das Ausmass der Schuld, da sich ja zu jeder Zeit die Frage der persönlichen Verantwortlichkeit stellt. Das bläht sich auf bis zur Auschwitz Lüge. Um Schuld nicht eingestehen zu müssen, wird das reale Geschehen in Frage gestellt, als Propagandalüge der Alliierten, der Siegermächte, hingestellt.
Man sollte jedoch eine bewusst zynische Komponente dieser Haltung ebenso im Auge behalten. Unverbesserliche bestreiten zwar die Existenz von Gaskammern, hetzen aber im gleichen Atemzug gegen Juden, Freimaurer, Linke und Kommunisten in einem Argumentationsstil, der jenem der historischen Nazis in nichts nachsteht. Das lässt sich an revisionistischen Publikationen im Internet und auf offenen Neonazi Sites leicht erkennen.
Die Folgegeneration der Freiheitlichen weist jede Beziehung zum historischen Nationalsozialismus entrüstet weit von sich und doch verfällt auffällig  der eine oder andere Funktionär dieser Partei in nationalsozialistischen Jargon, und bringt damit entsprechende Parolen in den politischen Alltagsdiskurs ein. Es sind keine Ausrutscher oder Sager, sie zeigen ein ungeklärtes Verhältnis zur Vergangenheit.
Tatsächlich befreiend wirkt das öffentliche Eingeständnis. Andre Heller erzählte kürzlich in einer Fernsehsendung über seine ausführlichen Gespräche mit Paula Wessely über deren Verstrickungen in den NS-Film. Die Wessely bereute im persönliche Gespräch diese Nähe zutiefst und betonte die Einsicht, die Verbrechen der Nazis seien unentschuldbar. Doch zu einem öffentlichen Eingeständnis seitens der Wessely ist es nie gekommen, wie Heller anmerken musste.

Karl Springenschmid, Leiter des Salzburger Schulwesens und des NS Lehrerbundes, der Erde, dem Krieg, dem Volks- und Brauchtum und manchmal in derber Mundart sich äussernder Dichter, organisierte gleich zum Anschluss 1938 nach dem deutschen Vorbild aus dem Jahre 1933 eine Verbrennung, ein Feuergericht auf dem Salzburger Residenzplatz, dem sowohl jüdische, klerikale und sozialistische Literatur geopfert wurden.
Sein Sohn, der in Vorarlberg lebende Schriftsteller Ingo Springenschmid, führt die Pürgger Anwesenheit seines Vater als dessen bürgerliche Ehrenrettung an und publiziert jene Fotografie eines der Pürgger Treffen, auf dem neben Springenschmid Hans Weigel, Josef Krainer und andere abgelichtet sind. So schlimm kann er nicht gewesen sein, der Springenschmid, wenn sich in den neuen Zeiten so honorige Personen mit ihm in eine Reihe stellen. Das Verhalten Ingo Springenschmids zeigt, dass es nicht bloss ein Problem der Tätergeneration ist, sondern auch ihre Söhne und Töchter bis hin zu den Enkelkindern betroffen sind.
Die im weiteren angeführte Liste von verbotenen Titeln zeigt, wie sehr Karl Springenschmid ein hochpolitischer Schriftsteller gewesen ist. Bemerkenswert ist, dass die meisten der hier angeführten Titel in den Biographien der betroffenen Schriftsteller nach 45 nicht mehr erwähnt und weitgehend verschwiegen wurden.

Auf einer Liste der durch die Alliierten 1946 verbotener Schriften finden sich folgende Werke von Pürgg-Teilnehmern.

Blunck, Hans Friedrich
Brückengedichte. - Berlin 1941: Stichnote.
Deutschland und der Norden. - Riga: Verl. Anst. Ostland 1944.
Bootsmann Elbing. - Wien: Frick 1943.
Deutsche Kulturpolitik. - München: Langen/Müller 1934.
Mein Leben. - Berlin: Junker u. Dünnhaupt 1934.
Deutsche Schicksalsgedichte. - Oldenburg: Stalling 1933.
Trauer um Jakob Leisler. - Berlin: Steiniger 1941.
Wieder fährt Sturm übers Land. - Hamburg: Hanseat. Verl. Anst. 1942.
Ein Winterlager. - Hamburg: Hanseat. Verl. Anst. 1941.
Brüder. - Wien: Frick 1940.
Gedichte um Österreich. - Stuttgart: Dt. Ausland-Inst. 1938.
Sturm überm Land. - Jena: Diederichs 1916.
Eine Auswahl aus dem dichterischen Werk. - Bielefeld, Leipzig: Velhagen & Klasing 1940.
Rüstung der Geister. - Stuttgart: Alemannen-Verl. o. J.

Brehm, Bruno: Das war das Ende. - München: Piper 1942.
Deutsche Haltung vor Fremden. - Berlin 1941: Limpert.
Die größere Heimat. - Karlsbad: Kraft 1943.
Der König von Rücken,. - Karlsbad: Kraft 1942.
Glückliches Österreich. - Jena: Diederichs 1938.
Im Großdeutschen Reiche. - Wien: Luser 1940.
Soldatenbrevier. - Wien, Leipzig: Scheuermann 1943.
Tag der Erfüllung. - Wien: Wiener Verl. 1934.
Über die Tapferkeit. - Wien: Luser 1940.
Vom Waffenstillstand zum Friedensdiktat. - Frankfurt a. M.: Diesterweg 1934.

Brunner, Heinz: Das Deutschtum in Südosteuropa. - Leipzig: Quelle & Meyer 1940

Czibulka, Alfons von: Die Handschuhe der Kaiserin. - Graz: Steirische Verl.Anst. 1943.
Das Lied der Standarte Caraffa. - Stuttgart: Verl. Dt. Volksbücher 1943.

Dombrowski, Ernst von: Es leben die Soldaten, Bunkerschmuckblätter.
Hrsg. v. d. Armee Busch. - Stuttgart 1944: Stähle & Friedel.

Fussenegger, Gertrud; Der Brautraub. - Potsdam: Rütten & Loening 1939.
Böhmische Verzauberungen: Jena, Diederichs 1944.

Gaiser, Gerd: Reiter am Himmel. - München: Langen/Müller 1941.

Grimm, Hans: Von der bürgerlichen Ehre und bürgerlichen Notwendigkeit. - München: Langen 1932.
Glaube und Erfahrung. - München: Langen/Müller 1937.
Vom deutschen Kampf um den Raum. - München: Langen Müller 1940.
Von der deutschen Not. - München: Langen/Müller 1937.
Der Ölsucher von Duala. - Gütersloh: Bertelsmann 1944.
Volk ohne Raum. - Gütersloh: Bertelsmann 1944.
Amerikanische Rede, Geh. am 6. Okt. 1935 in New York. - München: Langen/Müller 1936.

Jelusich, Mirko: Caesar. - Wien, Leipzig: Speidel 1942. Alle fremdsprachigen Ausgaben verboten.
Hannibal. - Wien, Leipzig: Speidel 1943. Alle fremdsprachigen Ausgaben verboten.
Deutsche Heldendichtung. - Leipzig: Verl. Das neue Deutschland 1934.
Die unvollständige Kompanie. - Wien: Wiener Verl. 1940
Der Soldat. - Wien, Leipzig: Speidel 1943.
Eherne Harfe. - Wien, Leipzig: Speidel 1942.

List, Rudolf: Brünn, ein deutsches Bollwerk. - St. Pölten: St. Pöltner Zeitungs-Verlagsges. 1942.

Langer, Norbert: Die deutsche Dichtung seit dem Weltkrieg. - Karlsbad: Kraft 1941.

Perkonig, Josef Friedrich: Kärnten, Heimatland, Ahnenland. - Graz: Leykam 1943.
Kärnten, mein Leben für Dich! - Berlin, Stuttgart: Verl. Grenze u. Ausland 1935.

Scholz, Hugo: Krone im Acker. - Graz: Stocker 1938.
Landsturm. - Graz: Stocker 1942.
Das neue Leben. - Graz: Stocker 1941.
Noch steht ein Mann. - Karlsbad: Kraft 1943

Springenschmid, Karl: Unter dem Tiroler Adler. - Stuttgart: Franckh 1935.
Deutschland, geopolitisch gesehen. - Leipzig: Wunderlich 1938.
Deutschland kämpft für Europa. - Leipzig: Wunderlich 1937.
Deutschland und seine Nachbarn. - Leipzig: Wunderlich 1937.
Der Donauraum. Österreich im Kraftfeld d. Großmächte. - Leipzig: Wunderlich 1935.
Europa auf tirolisch erlebt von den Gebirgsjägern. - Stuttgart: Franckh 1943.
Front über den Gipfeln. - Potsdam: Voggenreiter 1937.
Österreichische Geschichten aus der ersten Zeit des illegalen Kampfes. - München Callwey; Brünn: Rohrer 1942.
Großmächte unter sich. Die geopolit. Grundlagen d. Großmachtpolitik. - Salzburg: Kiesel 1934.
Helden in Tirol. - Stuttgart: Franckh 1934.
Lamprechtshausen. Ein Dorf d. Ostmark kämpft f. Adolf Hitler. - München: Dt. Volksverl. 1939.
Land im Leid. - München: Langen/Müller 1937.
Saat in der Nacht. - Salzburg: Das Bergland-Buch 1936.
Die Staaten als Lebewesen. - Leipzig: Wunderlich 1936.
Tirol am Atlantischen Ozean. - Salzburg: Das Bergland-Buch 1941.
Das Lamprechtshausner Weihespiel. - Berlin: Theaterverl. Langen/Müller 1938.
Die Bauernschule. - Leipzig: Wunderlich 1939.
Der Liebesbrief in der Tundra und anderes von den Gebirgsjägern. - Salzburg: Das Bergland-Buch 1944.
Springenschmid, Karl [wirkl. Name] s. auch K r e u z h a k l e r, Christian [Pseud.]
Kreuzhakler, Christian: Österreichische Geschichten aus dem Jahre 1933. - München: Callwey 1935.
Kreuzhakler, Christian [Pseud.] s. auch Springenschmid, Karl.
Pseudonym für den Hakenkreuzler und bis 1938 illegalem NSDAP Mitglied Karl Springenschmid.

Venatier, Hans: Vogt Bartold, Der große Zug nach d. Osten. - Leipzig: Schwarzhäupter-Verl. 1944.
Synfonie um Gott. Sinngedichte. - Leipzig: Schwarzhäupter-Verl. 1941.

Widmann, Ines: Beate Krafft. - Berlin: Eher 1941.
Die Schwaben-Margret. - München: Eher 1942.

Zillich, Heinrich. Die ewige Kompanie. - Berlin: Hillger 1943.

Von dem in Pürgg verehrten Ernst Jünger standen folgende Titel auf der alliierten Verbotsliste.

Ernst Jünger, Stoßtruppführer im Weltkrieg. Ausgew. u. bearb. v. Paul Jennrich. - Halle: Schroedel 1935.
Das Antlitz des Weltkrieges. - Berlin: Neufeld & Henius 1930.
Feuer und Blut. - Hamburg: Hanseat. Verl. Anst. 1941.
Der Kampf als inneres Erlebnis. - Berlin: Mittler 1942.
Der Krieg als inneres Erleben. - Bielefeld: Velhagen & Klasing 1933.
Der Krieger. Hrsg. v. Gerhard Günther. - Frankfurt a. M.: Diesterweg 1934.
In Stahlgewittern. - Berlin: Mittler 1942.
Wäldchen 125. - Berlin: Mittler 1935.

Diese Titel zeigen, wie militaristisch, kriegsverherrlichend und kriegstreiberisch die nationalsozialistische Literatur, zu der wir heute kaum mehr Zugang haben, gewesen ist. All die genannten Autorinnen und Autoren haben an den Pürggtreffen teilgenommen. Über die nationalsozialistische Vergangenheit einiger dieser schreibenden Herren und Damen erfahren wir in der Kammerhofmuseums-Dokumentation nur in Andeutungen. Blunck zum Beispiel wird ohne Nennung seiner NS-Funktion als vielseitiger Mann beschrieben.

Hinzu kommen eine Reihe von AutorInnen, deren kulturelle Wurzeln in den austrofaschistischen Ständestaat reichen. Ebenso wie Autoren, die eher der österreichischen Sozialdemokratie zuzuordnen sind. Eingeladen war der Vorsitzende des Österreichischen Schriftstellerverbandes, Kurt Frieberger, ebenso prominente Vertreter des österreichischen PEN-Clubs.

Den damals jungen AutorInnen Hans Weigel, Jeannie Ebner, Günther Nenning, Wolfgang Kudrnofsky, Wieland Schmied und Ulrich Baumgartner kann man weder Nähe zum Ständestaat noch zum Nationalsozialismus nachsagen.
Avisierte und nach Pürgg eingeladene Autoren wie Max Frisch, Walter Jens, Heinrich Böll und der Verleger Ledig Rowohlt haben sich von dieser allzu harmonisierenden und schuldverwischenden Absicht weder täuschen noch einvernehmen lassen und lehnten es ab,  teil zu nehmen.

Sowohl Günther Nenning wie Ulrich Baumgartner, der später in Wien als Intendant der Wiener Festwochen Karriere machte, waren als Berichterstatter der sozialistischen Tageszeitung Neue Zeit in Pürgg. Der Kritiker Hans Weigel, der für grosse Wiener Tageszeitungen schrieb, war bekannt für seinen rigiden Antikommunismus. Günter Nenning hat in den der Neuen Zeit die Pürgger Dichterwochen kritisch und distanziert bewertet und gemeint ,  mit  den Ehemaligen wäre kein Staat mehr zu machen. Selbst hat er sich nicht daran gehalten. 1988 publiziert er zur  deutschen Einheit  in der einschlägigen, vom Stocker Verlag in Graz herausgegebenen Aula.

Über die in Pürgg angesprochenen Themen lässt sich nur mehr wenig erfahren. Ernst Jüngers Positionen sollen eine wesentliche Rolle im Dialog gespielt haben. Ernst Jünger hat nicht nur eine betont militaristische Literatur geschrieben. Er war mit dem höchsten militärischen Orden Preussens, dem Pour-le-mérite ausgezeichnet worden.
Diese Orientierung an Jünger passt allerdings zur politischen Aufgabe des Veranstalters und Konzeptionisten Alfred Rainer. Rainer sah seine allgemeine politische Aufgabe darin, den Kriegsheimkehrern wiederum einen anerkannten Platz in der Gesellschaft zu verschaffen, ohne die Kriegsaktivitäten einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Anstelle dessen übt man sich bis heute in der Formel von der erfüllten Pflicht.

Diese generelle Aufgabenstellung Rainers erklärt zusätzlich die Anwesenheit all jener Autoren, die ein Jahrzehnt vorher zur Kriegspropaganda des Dritten Reiches beigetragen haben. So als ob  ihnen von Rainer eine symbolische Funktion in der Aussöhnung von Republik und Ehemaligen zugedacht worden war. Wie empfindlich diese Frage in der Bewältigung einer ausgewogenen Innenpolitik der 2.Republik zu bewerten ist, zeigen in jüngerer Vergangenheit sowohl die Waldheim Affäre wie die Erregung um die Wehrmachtsausstellung.

In Pürgg ging es also wesentlich nicht um Literatur, nicht um die unzähligen Facetten des grausamen historischen Geschehens, nicht um die Verbrechen des Nationalsozialismus. Der national erwünschten Versöhnung im Zuge des Wiederaufbaus der 2.Republik stand kritische und schuldbewusste Geschichtsbetrachtung im Wege. Man konnte im beginnenden Kalten Krieg mit dem Einverständnis der alliierten Besatzer, insbesondere der USA rechnen.
Was immer auch Kandolf bewogen haben mag, die Geschichte der Pürgger Dichtertreffen erneut aufzuzeichnen. Man muss ihm dankbar sei, diesen Blick in den dunklen Wald der Vergangenheit geöffnet zu haben.

Ich kann jedoch nicht umhin, Kandolf  vorzuwerfen, tiefer liegender Wahrheiten nicht berücksichtigt zu haben. Da wird einmal der exponierte Redakteursjob Bayrs im Dritten Reich nicht erwähnt, ebenso unterschlagen die leitende Rolle Springenschmids bei der Salzburger Bücherverbrennung, nichts über die zentrale kulturpolitische Rolle Stuppäcks (rechte Hand Schirachs in kulturellen Fragen) geschrieben. Stuppäck war keineswegs irgendein Mitläufer gewesen. Bereits 1935 gründete er im Auftrag der illegalen NSDAP ein ebenso illegales nationalsozialistisches Landeskulturamt im Ständestaat Österreich, dem er bis zum Anschluss vorstand. Aus dieser Zeit stammen  seine Kontakte zu nationalkatholischen Kreisen. Nach dem Anschluss übte er die Funktion eines stellvertretenden Generalkulturreferenten für die Ostmark aus.
Einen breiten Raum in Kandolfs Dokumentation nimmt die Wiedergabe der Tagebuchaufzeichnungen Bluncks ein. Er verschafft ihm damit eine zentrale Stellung, die wie eine nachträgliche Ehrung wirkt.  Blunck hatte 1936 und 1938 kurz vor dem Anschluss ausgedehnte Reisen durch Österreich unternommen, um die illegalen Kulturaktionen der NSDAP zu unterstützen und Absprachen für weitere Vorgangsweisen zu treffen.
Es gäbe noch viele zu klärende Details in Kandolfs Dokumentation, die ambivalente Schlüsse zulassen. Erst bei genauerem Hinsehen wird der wahre Hintergrund vieler der angeführten Pürgg Teilnehmer deutlich. So ist etwa Walter Hjalmar Kotas Mitherausgeber der von der Regierung Schuschnigg verbotenen antisemitischen Kampfschrift Der Stürmer gewesen.  Die Unschärfen des Pürgger Dokumentaristen können nicht allein daran liegen, dass es vielen dieser Autoren gelungen ist, ihre Vorgeschichte zu verwischen.

Merkwürdig erscheinen auch die Beziehungen dieser ehemaligen Nazi- Autoren zu den verschiedenen Verlagen, deren Vertreter ebenfalls nach Pürgg gekommen waren. So publizierten Paul Anton Keller, Josef Friedrich Perkonig, Josef Papesch und Hans Friedrich Blunck im sozialdemokratischen Leykam Verlag. Josef Papesch hatte übrigens in der NS Zeit die vergleichbare Stelle in der Steiermark inne, die Springenschmid in Salzburg hatte. Er leitete das NS-Landesschulreferat und das NS-Landeskulturreferat.
Rainalter publizierte bereits wieder im Zsolnay Verlag. Der Zsolnay Verlag hatte in der Geschichte des Ständestaates eine groteske Rolle gespielt. Obwohl der Eigentümer eine Reihe von jüdischen Autoren herausgebracht hatte, deren Werke in Deutschland der Bücherverbrennung zum Opfer gefallen waren, begann der Verlag ab Mitte der 30er Jahre nationale Autoren zu verlegen, die dem verdeckt am Nationalsozialismus orientierten Bund der deutschen Schriftsteller in Österreich angehörten.Vielen von ihnen finden wir in Pürgg wieder.
Der Stocker Verlag hielt an den NS-Autoren wie Bruno Brehm, Hans Grimm, Robert Hohlbaum, Erwin Guido Kolbenheyer, Karl Springenschmid und Will Vesper nach 1945   fest .
Dies Autoren, fuhren, so Kandolf , in bewährter Weise zu dichten fort. Gerade der Stocker Verlag habe im Chaos der Nachkriegszeit eine ruhige, objektive Haltung bewahrt. Der Verlag hat über alle Jahrzehnte der 2.Republik hin seine Linie beibehalten und verbreitet nach wie vor  rechtes Gedankengut, unter anderem die politische Monatsschrift Aula, die als intellektuelle Plattform der Freiheitlichen und Neuen Österreichischen Rechten gilt.
Herausgeber der Aula war eine Zeitlang Andreas Mölzer, betont rechtslastiger Langzeitberater Jörg Haiders. Heute ist  Mölzer Berater Haiders in kulturellen Fragen und Herausgeber der politischen Wochenschrift Zur Zeit, die sich das zentrale Publikationsorgan der deutschen Neuen Rechten Junge Freiheit, deren Korrespondent Mölzer ebenso ist, zum Vorbild genommen hat.
Der freiheitliche Historiker Lothar Höbelt, der aufschlussreiches über den Ennstaler Kreis berichtet, hat seine Geschichte des Verbandes der Unabhängigen Von der vierten Partei zur dritten Kraft 1999 ebenso im Stocker Verlag herausgebracht.
Zu den Pürgger Dichtertreffen waren Heinz Brunner für den Stocker Verlag, Brenner für den Ullstein Verlag, Stuppäck für den Pilgrim Verlag, Heinrich Kschwendt für den Leykam Verlag und Scholz für den Österreichischen Staatsverlag geladen.
Pürgg Teilnehmer Mirko Jelusich, der im Zuge des Anschlusses Österreichs an das Nazi Reich die Direktion des Wiener Burgtheaters übernommen hatte, gründete 1957 nach Abzug der Alliierten in Wien einen Allgemeinen Deutschen Kulturverband, der allerdings kläglich scheiterte. Die ehemaligen Nazis hatten über Pürgg wiederum Eingang in das zivile Kulturleben gefunden.

Der Pürgger Geist, der da nach der Vorstellung Alfred Rainers wehen sollte, reicht bis in unsere Zeit, hat sich am Leben gehalten und wird als solcher wieder allgemein akzeptiert. Der alte Geist ist mit seinen ursprünglichen Trägern nicht abgestorben.
Es gibt heute in diesem Lande eine grosse Anzahl von Personen der folgenden Generation, die das Gedankengut der alten Rechten aktuell zu legitimieren versuchen.
Erst heute wissen wir über das wahre Ausmass der historischen Schuld, die von den Nazis angerichtet und hinterlassen wurde, umfassend Bescheid. All diese weissgewaschenen Personen und jene die bei der Wäsche zusahen, haben mitgeholfen, die Geschichte unter den Teppich zu kehren. Wäre mehr über die Wahrheit gesprochen worden, hätten sie auch über ihr eigenes  Leben reden müssen.
Umso bedeutender wirkt die Entscheidung der AutorInnen der Gruppe 47, sich für derartiges nicht vereinnahmen zu lassen. Insgesamt erscheint die deutsche Geschichtsbewältigung viel besser gelungen als die österreichische. Eine Rede, wie sie von Richard von Weizsäcker vor dem deutschen Bundestag 1985 gehalten wurde, hat man so in Österreich nicht vernommen. Dem gingen jedoch jahrzehntelange Bemühungen von einzelnen Personen und Gruppierungen voraus, die sich darum bemühten, die Geschichte im richtigen und unverfälschten Licht zu zeigen.
Das allgemeine und staatliche Verhalten in der BRD glich jedoch über weite Strecken dem österreichischen. Die Geschichte wurde ebenso verdrängt und sollte verdrängt bleiben.
Willi Brandts Kniefall vor dem Denkmal des Warschauer Ghettos war eine Sensation gewesen, die  wirksame symbolische Kraft akkumulierte. Der deutsche Kanzler Gerhard Schröder nahm den Kniefall zum Anlass seiner jüngsten polnischen Reise und formulierte anlässlich des 30. Jahrestages des Kniefalls:
Dieses Bild des knieenden Willi Brandt ist zum Symbol geworden, zum Symbol  dafür, die Vergangenheit anzunehmen und sie als Verpflichtung und Versöhnung anzunehmen.

Helmut Kohl und Roman Herzog liessen es sich hingegen nicht nehmen, persönlich zum Geburtstagsfest des hundertjährigen Ernst Jünger 1995 zu pilgern. Kohl besuchte Jünger ebenso gemeinsam mit Francois Mitterand. Beide sahen in Jünger, der auch in der französischen Legion gedient hatte (sein erster Roman berichtet über diese Erfahrungen) eine zentrale Figur der deutsch-französischen Aussöhnung. Die Verleihung des Goethe Preises an Jünger, dessen wesentlichen Werke auf den alliierten Verbotslisten standen, erregte bereits zehn Jahre zuvor Aufsehen und Unmut.
Erich Maria Remarque, der wegen seines Buches Im Westen nichts Neues, von den Nazis aus Deutschland vertrieben worden war, sind solche Ehrungen nicht zuteil geworden. Da reichte ein Bundesverdienstkreuz.
1985 brachte Helmut Kohl Ronald Reagan dazu, gemeinsam auf dem Soldatenfriedhof Bitburg, auf dem sich viele Gräber von SS Soldaten befinden, einen Kranz  niederzulegen. Auch in dieser Konstellation schimmert jene Struktur durch, die die Pürggtreffen bestimmt hat, die Versöhnung des nationalen Lagers mit der neuen Republik im Interesse des Kalten Krieges .

Man verstand unter Versöhnung also bloss die Aussöhnung der verschiedenen politischen Lager unter Einbindung ehemaliger Nationalsozialisten und war viel weniger bereit, sich vor den Opfern des Rassenwahns zu verbeugen, ebenso wenig wie vor den Opfern aus politischer Gegnerschaft. Man verhinderte damit die Beseitigung des Rassismus und des dumpfen Nationalismus, der in der österreichischen Politik nach wie vor eine nicht zu übersehende und nicht zu überhörende Rolle spielt.

Beispielhaft dafür ist auch der Umgang mit den Quellen. Ich wollte in den 70 er Jahren in der Österreichischen  Nationalbibliothek Einsicht in den Völkischen Beobachter nehmen. Die wurde mit der mündlich geäusserten Begründung  verweigert, es stünden Namen von Personen in dieser Zeitung, die noch am Leben seien, beziehungsweise noch ihren Beruf  ausübten. Letzteres traf denn auch auf Rudolf Bayr zu. Die österreichische Integration der Nazis, wie sie etwa im Ennstaler Kreis durchgeführt wurde, verführte offensichtlich dazu, wichtige zeitgeschichtliche Informationen und Dokumentationen unter Verschluss zu halten, um diese Personen vor weiterer Nachforschung zu schützen. Man bemühte sich nicht einmal vorzugeben, den unvorbereiteten Leser vor der giftigen Ideologie bewahren zu wollen.
Das umfassende Wissen über die Verbrechen des Nationalsozialismus und des Einverständnisses breiter Bevölkerungskreise  verdanken wir  weitgehend dem Umstand, dass derartige Quellen in anderen Ländern frei zugänglich gehalten worden sind. So lassen sich etwa die vorerst einmal bestrittenen Thesen von Daniel Jonah Goldhagen vom Alltagsfaschismus der Deutschen und Österreicher belegen.
Der US Historiker Robert Gellately hat jüngst in einer Arbeit anhand von Wochen- und Tageszeitungen, die im deutschen Reich erschienen waren, die Kenntnis der Deutschen von der Existenz von Konzentrations-, Arbeits- und Vernichtungslagern nach gewiesen.
Man hat in Österreich über Jahrzehnte bewusst darauf verzichtet, Forschungen über den nationalsozialistischen Alltag, anzustellen,  um eben den ausgehandelten Nachkriegskompromiss der Integration nicht in Gefahr zu bringen.

Nazis wurden durch solches Handling geschützt. Sie konnten ungeschoren in das demokratische Leben eintauchen. Ob sie sich in diesem neuen Leben in der 2.Republik in ihren beruflichen Entscheidungen, die sie dann auch imstande waren, über andere zu fällen, immer an demokratische Grundhaltungen und Regeln gehalten haben, wage ich zumindest anzuzweifeln. Auch Hanns Koren, steirischer Landtagspräsident, Begründer und  Schutzherr des Steirischen Herbstes und des mitteleuropäischen Trigon-Gedankens hat durchaus im Pürggischen Geist gehandelt. 1963 wurde auf Vorschlag von Hanns Koren der grösste steirische Kulturpreis, der Roseggerpreis, an den vormaligen Gaukulturhauptstellenleiter Josef Papesch verliehen. Es kam zum Eklat. Koren blieb jedoch weiterhin eine der zentralen Personen der steirischen Landespolitik und konnte sich in Folge sogar als Neuerer profilieren. Als väterlicher Schirmherr des Steirischen Herbstes, als Förderer des Forum Stadtparks und einer jungen Generation steirischer SchriftstellerInnen und Künstler. Diese bemerkenswerte Wandel in der Kulturpolitik hin zum Zeitgemässen hatte Auswirkungen auf die literarische Szene des Landes. Die von der offiziellen Kulturpolitik missachete Wiener Gruppe  konnte in den späten 60er Jahren in den von Alfred Kolleritsch herausgegebenen manuskripten neben den rebellischen Grazer Jungautoren um Wolfgang Bauer, Peter Handke, Helmut Eisendle, Elfriede Jelinek und vielen anderen publizieren und bildete zu Beginn der 70 er Jahre die Grazer Autorenversammlung,  ein ernstzunehmendes Gegengewicht zum konservativen und traditionsbewussten österreichischen PEN-Club. Der Hamsun Bewunderer Peter Handke schimpfte u.a. unentwegt auf das Naziland Österreich, ohne sich je der Mühe zu unterziehen, die Hintergründe wirklich zu analysieren.

Unter den Teilnehmern der Pürgger Treffen finden sich Mitglieder des österreichischen PEN-Clubs wie Kurt Frieberger, Herbert Zand, Fritz Habeck und die wiederaufgenommene Paula Grogger ebenso wie Josef Friedrich Perkonig.
Diese Autoren haben sich in der PEN-Charta verpflichtet, aktiv für die Ziele des PEN-Clubs einzutreten. Zu diesen Zielen gehören unter anderem die weltweite Verbreitung aller Literatur und der ungehinderte Gedankenaustausch besonders in Kriegs- und Krisenzeiten. Die Mitglieder verpflichten sich zur Bekämpfung von Rassen-, Klassen- und Völkerhass.
So heisst es in der PEN-Charta über die Zensurwillkür: ... seine Mitglieder verpflichten sich, jeder Art der Unterdrückung der Äußerungsfreiheit in ihrem Land oder in der Gemeinschaft, in der sie leben, entgegenzutreten, ebenso auch in der übrigen Welt, soweit dies möglich ist. Der PEN erklärt sich für die Freiheit der Presse und verwirft die Zensurwillkür überhaupt, und erst recht in Friedenszeiten. Er ist des Glaubens, daß der notwendige Fortschritt der Welt zu einer höher organisierten politischen und wirtschaftlichen Ordnung hin eine freie Kritik gegenüber den Regierungen, Verwaltungen und Einrichtungen gebieterisch verlangt. Und da Freiheit auch freiwillig geübte Zurückhaltung einschließt, verpflichten sich die Mitglieder, solchen Auswüchsen einer freien Presse, wie wahrheitswidrigen Veröffentlichungen, vorsätzlicher Lügenhaftigkeit und Entstellung von Tatsachen, unternommen zu politischen und persönlichen Zwecken, entgegenzuarbeiten ...
Umso merkwürdiger ist es, dass all diese Fragen und die entsprechenden Todsünden des Nationalsozialismus, die sich insgesamt gegen die PEN-Charta richteten, in Pürgg nicht diskutiert wurden. Autoren wie Milo Dor, Reinhard Federmann, Ilse Aichinger die sich zu Beginn der 50er Jahre in ihrer Literatur mit dem Nationalsozialismus kritisch auseinander gesetzt hatten, wurden nicht nach Pürgg geladen.
 
 

Führungsmacht USA


Die Pürgger Dichtertreffen fanden in den letzten Jahren der alliierten Besatzung statt und es besteht Grund anzunehmen, dass diese Treffen nicht gegen den Willen der Besatzungsmacht durchgeführt wurden. Die Steiermark stand damals unter britischer Vorherrschaft. Ursprünglich war sie bis zur Liezener Ennsbrücke von den Sowjets besetzt worden. Hier trafen sie  sich mit den Amerikanern. Stalin tauschte jedoch die Steiermark mit Thüringen und schuf sich so ein kompaktes Gebiet im deutschen Osten. Über die Verbindungen Rainers zu amerikanischen Geheimdiensten lässt sich fürs erste wenig konkretes sagen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass Rainer in  seinem politischen Projekt der Integration von ehemaligen Nazis und von Kriegsheimkehrern, ohne Wissen der Besatzungsmächte, insbesondere der Briten und der Amerikaner gehandelt hat. Es gab sogar gute wirtschaftliche Beziehungen zur US-Besatzungsmacht. Die stationierten US-Truppen wurden zum Teil mit Nahrungsmitteln der Ennstaler Molkerei Genossenschaft beliefert. Noch Jahrzehnte nach dem Abzug der Alliierten aus Österreich lieferten die Ennstaler an Natostützpunkte in Europa.
Rainer hatte mit grosser Wahrscheinlichkeit im Rahmen des Ennstaler Kreises ebenso gute Kontakte zu Wilhelm Höttl, der im Ausseerland lebte. Höttl war in der NS-Zeit Chef des Sicherheitsdienstes SD für Ober- und Niederdonau gewesen, danach Verbindungsmann der SS  zum Vatikan und Verbindungsmann Ernst Kaltenbrunners zu Alan Dulles, dem Chef der späteren CIA, der sich während des Krieges in der Schweiz aufhielt. Rainer brauchte solche Kontakte. Höttl hatte,  nachdem er von den Amerikanern zu Beginn der 50er Jahre fallen gelassen wurde, noch immer beste Kontakte  zu Reinhard Gehlen, ehemals Aufklärung Ost und Gründer des Bundesnachrichtendienstes BND der BRD.
Die Beziehungen Höttls zu amerikanischen und anderen Geheimdiensten werden auf der Website der National Archives and Records Administration von den Historikern Miriam Kleiman and Robert Skwirot ausführlich belegt. Die National Archives sind eine öffentliche staatliche Einrichtung der USA. Höttl wird da eingangs nicht als Nazi beschrieben, sondern eben ins Konzept passend als konservativer Antikommunist. Die Amerikaner wussten jedoch genau über die Nazivergangenheit Höttls Bescheid. Obwohl sie ihn als Risiko einschätzen, und sie wussten, das er seine notorische Nazigesinnung nicht aufgegeben hatte, bedienten sie sich seiner.
Das anschaulichste, beweiskräftigste, von beiden Seiten mit Dokumenten belegte Beispiel der Zusammenarbeit mit ehemaligen NS-Geheimdiensten dürfte die Integration Reinhard Gehlens sein. Seine gesamte Aufklärung Ost wurde von den USA gleich nach Kriegsende integriert. Diese Kooperation wurde jahrelang geheim gehalten. Gehlen hatte sich in Folge  das Vertrauen der USA erworben.Gehlen wurde zum Leiter des neu gegründeten bundesdeutschen Nachrichtendienstes BND berufen und ist in der Gründungszeit des Nordatlantischen Paktes mit heiklen Aufgaben betraut gewesen ist.

Den Hintergrund dieser politischen und militärischen Bemühungen bildete der Marshallplan, der im wesentlichen denn doch die Voraussetzungen für ein halbes Jahrhundert Frieden schaffen konnte. Marshalls Plan ist die nüchterne Antwort auf die fatalen Folgen des Friedensvertrages von Saint Germains, der einerseits die Kriegshandlungen beendete und andererseits die Voraussetzungen für den 2.Weltkrieg setzte.

Den führenden politischen Schichten der österreichischen Parteien, abgesehen von der in der Meinungsbildung bedeutungslosen österreichischen Kommunistischen Partei, die ihre Macht nur auf Grund der sowjetischen Besatzung ausspielen konnte, war es über die ganze zweite Republik hinweg gelungen, diesen machtpolitischen Hintergrund ausserhalb der öffentlichen Diskussion zu halten.
Bevor sich die US-Botschafterin Swaney Hunt von ihrem österreichischen Amt verabschiedete, beging sie zu Beginn 1996 den ungewöhnlichen politischen Fehler, sich namens der USA für zu diesem Zeitpunkt aufgefundene illegale Waffenlager zu entschuldigen, die vorsorglich in Österreichs Wäldern zur Abwehr eines Vorstosses der Sowjets auf österreichisches Gebiet angelegt worden waren. Dieser merkwürdige Anlass und die völlig unerwartete Entschuldigung der US-Botschafterin, die eben entgegen allen Usancen der US-Aussenpolitik als offizielles Eingeständnis gewertet werden konnte, machte nun hellhörig für alle jene Gerüchte und Hinweise, die in der 2.Republik immer wieder aufgetaucht sind und meist jedoch als Hirngespinste oder als kommunistische Propagandalügen abgetan wurden. Man begann zu überlegen, ob sich in Österreich ein Verteidigungsnetz gebildet hatte, vergleichbar dem italienischen Gladio,  zusammengesetzt aus Mitgliedern der italienischen Rechten unter Mithilfe von US-Diensten.

Erstmals geriet in Österreich das Bild der USA als eines fairen Garanten der Freiheit in Gefahr. Man begann nun doch zu überlegen, ob nicht die USA im Falle einer drohenden Gefahr seitens eines zu stark links orientierten Sozialismuses bereit gewesen wären, die aus anderen Ländern bekannten Repressionen, wie etwa die Ereignisse im Chile der 70er Jahre, zu inszenieren.
Selbstverständlich hat sich Mrs. Hunt nicht für die vielen Hintergrundaktivitäten und Interventionen der USA, die Österreichs politische Entwicklung entscheidend bestimmt haben, im weiteren entschuldigt.
In einen solchen Handlungsstrang dürfte Pürgg passen. Vor allem die Anwesenheit Weigels hat mich neben Hinweisen Ingomar Hartners auf diese Spur gebracht. Ich versuchte in Erfahrung zu bringen, ob Friedrich Torberg im Hintergrund des Pürgger Treffens aktiv tätig geworden ist. Das Treffen muss ihm aus seinen engen geheimdienstlichen Kontakten und aus seiner Alt Ausseeer Domizilsperspektive bekannt gewesen sein. Sowohl Jeannie Ebner, als auch Günter Nenning, Hans Weigel, Wolfgang Kudrnofsky publizierten in dieser Zeit im Torbergischen Forum, finanziert ebenso wie der deutsche Monat von Lasky, der britische Encounter und das französische Preuve von der CIA. Doch fand ich keinen Hinweis auf Pürgg in den  Forumbänden 1954 und 1955.
Man könnte allenfalls behaupten, Torberg habe zwar Brecht gehindert, in Österreich Fuss zu fassen, doch Nazis und die Versuche, diese wieder ins Kulturleben der Republik einzubinden, liess er weitgehend unbeachtet. Ich wurde jedoch in anderer Weise fündig. Torberg hatte jedenfalls Kontakte nach ganz rechts und mittelbar zum Ennstaler Kreis. In der Dezemberausgabe des Forums 1955 schrieb, wie bereits erwähnt,  Taras Borodajkewicz über die deutschen Bindungen.
Borodajkewycz  ist der entscheidende Verbindungsmann des VdU zur ÖVP und hatte zum Ennstaler Kreis ein Naheverhältnis. Das kann man bei Lothar Höbelt in seiner Geschichte des VdU nachlesen.
Dieser Taras Borodajkewicz war 1933 Sekretär des Katholikentages gewesen und ist alsbald Mitglied der in Österreich bis 1938 illegalen NSDAP geworden. In seiner Person zeigt sich jenes merkwürdige österreichische Charakteristikum, sowohl Katholik wie auch Nazi sein zu können.
Torberg muss sich ausgekannt haben. Andererseits kann man Torberg eines mit Sicherheit nicht vorwerfen, irgendwelche Sympathien für Altnazis und Nationale entwickelt zu haben. Das wäre angesichts seiner Weltanschauung, des Schicksals seiner Familie, insbesondere seiner Mutter, nicht vorstellbar. Auch mit seinem altösterreichischen Spleen hätte sich das nicht vereinbaren lassen.
Bleibt also das nüchterne politische Kalkül, bezogen auf die realen politischen Verhältnisse, in denen Ex-Nazis und breite, von ihnen geprägte Bevölkerungskreise einen nicht zu übersehenden politischen Faktor bildeten, dem auch er Rechnung tragen musste. Und ebenso wie Rainer war Torberg den Interessen einer höheren politischen Ordnung verpflichtet. Die Amerikaner hatten zu Beginn der 50er Jahre beschlossen, einen Burgfrieden mit den Nazis zu schliessen, um für die Erfordernisse des Kalten Krieges stabile Verhältnisse innerhalb der NATO zu sichern.
Hans Weigel hat in Angelegenheiten Pürgg die wichtigere Rolle gespielt. Hans Weigel hatte im Gegensatz zu Torberg sein Judentum völlig aufgegeben. Er sah sich vor allem als Österreicher. Die österreichische Autorin Evelyn Adunka zitiert in ihrer Arbeit über Hans Weigel einen Briefauszug, in dem dieser schreibt Immer wieder tauchen stereotyp zwei Sätze auf: in Österreich gibt es Antisemitismus - in den hohen Stellen sitzen noch Nazis. Ich erkläre feierlich, daß beides unwahr ist. Es ist denkbar, wahrscheinlich, sogar natürlich, daß es in Österreich Antisemiten gibt. Aber irgend eine offiziell geduldete Form des Antisemitismus gibt es nicht. Ich habe mich immerhin lang genug und zum Teil sogar in exponierter Stelle hier bewegt. Ich habe in keiner Form auch nur den leisesten Antisemitismus bemerkt.
Weigel hat sich nach seiner Rückkehr aus dem erzwungenen Schweizer Exil in Wien sofort wieder wohlgefühlt und glaubte sogar noch wirksames jüdisches Leben zu erkennen, obwohl fast alle Juden aus Wien vertrieben worden waren.
In einem seiner Artikel schrieb er: Die Bevölkerung Österreichs besteht aus rund sieben Millionen Nicht-Nazis und dem Dr.Burger. Norbert Burger war einer der wenigen öffentlich bekennenden neonazistischen Politiker der 2.Republik gewesen.
Hans Weigel war der ideale Mann für Pürgg. Selbst jüdischer Abstammung, die er für völlig belanglos hielt, sprach er die Österreicher vom Antisemitismus frei und gab ihnen das Gefühl, an der Ermordung der Juden nicht schuldig gewesen zu sein.
Noch 1978 hielt Weigel die Laudatio anlässlich einer späten Ehrung Erich Landgrebes, der nicht nur ein bekannter NS-Schriftsteller gewesen ist, sondern auch den jüdischen Wiener Verlag Löwit arisiert hatte. Die ersten Kontakte zu Landgrebe dürfte Weigel in Pürgg geschlossen haben.
Schon 1946 hatte Weigel im amerikanisierten Wiener Kurier ein Feuilleton mit dem Titel Wir sind quitt !  an die Österreicher gerichtet, die trotz der Naziherrschaft moralisch intakt geblieben wären,  und erntete auf der einen Seite heftige Angriffe der Wiener Kultusgemeinde, für die dieses Versöhnungsangebot viel zu früh kam und andererseits grossen Beifall aller Opportunisten. Weigel brachte sich damit von Anbeginn an als idealen Versöhnler ins Spiel. Gerüchte über seine geheimdienstlichen Kontakte zur CIA bzw. verwandten Vorläuferorganisationen sind nie verstummt und wurden nie entkräftet. Durchaus möglich, dass Weigel bereits in seinem Schweizer Exil ebenso wie Fritz Molden Kontakte zum Kreis um Alan Dulles hatte. Unbestreitbar war er neben Molden und Torberg eine der wichtigen handelnden Personen des amerikanisch geleiteten österreichischen Antikommunismus und hatte vor allem besonders gute Beziehungen zum nationalen Lager, die er, so sie nicht bereits vorher bestanden hatten, zumindest ab Pürgg erworben hat, oder dort ausbauen konnte.
In Pürgg wusste man um seine Bedeutung und um seine politischen Beziehungen Bescheid. Blunck schreibt in seiner Tagebuchaufzeichnung vom 18.Juni 1954, man habe den Vortrag Weigels Der Dichter in Österreich ängstlich erwartet und nach Anhörung als viel massvoller empfunden, als man angenommen hatte. Von einer öffentlichen Einschätzung seitens des Literaturkritikers Weigel mit wichtigen politischen Beziehungen ist also viel abhängig gewesen. Blunck befürchtete, dass vor allem Weigel an ihm etwas aussetzen würde. Das blieb aus. Weigel vermied jeden Konflikt und wies bloss einmal in einer weiteren Ansprache auf seine ermordeten Anverwandten hin. Er wollte den Konsens im Sinne eines höher angeordneten politischen Konzeptes auf jeden Fall umsetzen und mittragen.
Die Empfehlung an die jungen Wiener Kollegen, der Einladung nach Pürgg nachzukommen, kam nach einer Mitteilung von Jeannie Ebner von Hans Weigel persönlich.

Die bestimmende Rolle der USA in der nachhaltigen Demokratisierung Österreichs nach westlichen Vorstellungen wurde vom Salzburger Historiker Reinhold Wagnleitner in seinem Buch Coca-Colonisation und Kalter Krieg eindrucksvoll dargestellt.
Innerhalb dieses umfassenden Prozesses, der vor allem Presse, Film, Rundfunk und Musikleben betroffen hat, spielten die literarischen Entwicklungen allerdings eine Nebenrolle.
Der Historiker Oliver Rathkolb spricht im Zusammenhang mit diesen Vorgaben von einem US-Kuratel als demokratisches Konzept; also Gängelung, die willfährig angenommen wurde. Das allgemein ungeklärt bleibende Verhältnis nach rechts hat andererseits viele Künstler in linke Randpositionen getrieben.

Die kulturellen Aktivitäten wurden vor allem vom Kongress für kulturelle Freiheit mit klaren antikommunistische Vorgaben bestimmt. Im Rahmen des österreichischen Zweiges, der Gesellschaft für die Freiheit der Kultur, der u.a. Alexander Giese, Peter Jankowitsch und Wieland Schmied angehörten, wurde Hans Weigels Literaturanthologie Stimmen der Zeit herausgegeben. Aus derselben Quelle wurde etwas später auch das Forum finanziert. Die Nachrichtenagentur des vom CIA kontrollierten Kongresses für kulturelle Freiheit hiess bis 1975 Forum World Features.
Es hat enge Kontakte von Kultur und Politik gegeben, deren Vorgaben wesentlich von aussen bestimmt wurden. Die Präsenz von mindestens zwei dieser Personen in Pürgg, von Hans Weigel und Wieland Schmied, verfestigen die Annahme, dass in Pürgg nach US-Kalkül verfahren wurde. Es gibt nur eine Klammer, unter der dies alles zu subsummieren ist:
Den Anti-Kommunismus. Um diesen durchzusetzen, war offensichtlich jedes Bündnis rechtens. Die Amerikaner nehmen damit eine vatikanische Vorstellung auf. Während des Krieges und die ersten Jahre danach war der Antikommunismus nicht zweckmässig, befanden sich die Alliierten doch im Bündnis mit Stalins Sowjetunion.
Pius  XII. entwickelte in den ersten Kriegsjahren die Vorstellung des gemeinsamen Kampfes der Kulturnationen und Nazi Deutschlands wider den Bolschewismus und unternahm Friedensbemühungen zu einer Neuformierung der Kräfte. Pürgg folgt modifiziert diesem Grundmuster. Das Zwielicht, in das die Kirche mit diesen Bestrebungen und mit den ambivalenten Handlungen in Nazideutschland geraten ist, ist sie bis heute nicht los geworden.

Bleibt die bittere Frage offen, ob nun und wie diese Strategien auf das Bewusstsein der Gesamtbevölkerung übertragen wurden. Diese Ambivalenz dürfte mit ein Grund für den latent nach wie vorhandenen Faschismus und Rassismus, der umgangssprachlich immer wieder aufblitzt, noch immer häufig im Verhalten durchscheint sein.Er dürfte zu einem gewissen Grad bewusst erhalten worden sein, um diesen  wider linke Strategien instrumentalisieren zu können.
Dass auf derartige Doppelbindungen nicht vernünftig, sondern eben nur emotional und damit konfliktgeladen reagiert werden kann, zeigt die jüngere österreichische Geschichte zur Genüge.

Unter Freiheit verstehen die USA vor allem ihre eigene und die des von ihnen bestimmten uneingeschränkten Freihandels. Ob den nun Altnazis mit sichern, ist denen völlig egal. Es hat ihnen auch nichts ausgemacht, dem nazideutschen Wunderwaffen Raketengeneral Wernher von Braun die Leitung des ehrgeizigsten amerikanischen Nachkriegsprojektes, die Raumfahrt der NASA bis zur erfolgreichen Mondlandung anzuvertrauen.

Die unausweichliche Integration jener, die dem 3.Reich mit Überzeugung anhingen, wurde auf Grund des grossen Bevölkerungsanteiles immer als politische Notwendigkeit argumentiert, an der in Wahrheit keine der demokratischen Parteien vorbeikonnte.

Der inoffizielle Druck der Einladung an die AutorInnen nach Pürgg lässt sich erahnen, wenn man einen Brief liest, in dem Franz Nabl schreibt, er wäre froh darüber eine Magenkolik zu haben und nicht nach Puergg fahren zu müssen. Es dürfte im Österreich der 50er Jahre nicht leicht gewesen sein, sich dem Ruf eines Landeshauptmann zu entziehen.

Unternehmen wie Pürgg haben die offene Diskussion über reale Politik aus Literatur und Kunst ausgeblendet. Die Ausblendung erschien nötig und opportun, um den gewünschten realpolitischen Konsens herzustellen. Die einen durften in Ruhe ihre Wunden verdecken und die anderen gingen ihre neuen Wege. Man wollte einen offenen Kulturbruch vermeiden.
Jeannie Ebner hat mir in einem Gespräch über Pürgg immer wieder versichert, dass sie mit Politik nichts zu tun gehabt habe. Anlässlich ihres 80. Geburtstages konnte man in der Tageszeitung Der Standard lesen, dass sie für die CIA in deren Wiener Sekretariat gearbeitet habe. Ebenso leistete sie Sekretariatsdienste für Hans Weigel, der damals im Café Raimund gegenüber dem Wiener Volkstheater literarischen Hof hielt.
Österreichische SchriftstellerInnen sind es nicht gewohnt, komplexe politische Zusammenhänge wahrzunehmen. Wirkungsvolle Geschichtswahrnehmung setzt analytisches Denken und konstruktive Fähigkeiten voraus, und vor allem Zugang zu historischen Quellen und zur historischen Wahrheit.
In Pürgg war derartiges gar nicht erwünscht. Man blendete aus, was heute unter der Haut brennt. Die Opfer, die Vergewaltigung der Menschenrechte, deren  unterschwellige und nie wirklich ausgeheilte Deformationen heute noch zumindest psychologisch nachwirken. Die den Ungeist der Zeit kennzeichnen, der die einen nicht heimkehren liess und die anderen dazu veranlasste, Österreich erneut den Rücken zu kehren. Arthur Koestler und Karl Popper zog es ebenso wenig nach Österreich  wie Elias Canetti und Erich Fried.
Als vor Jahren Ernst Wolfram Marboe, langjähriger Intendant des ORF die österreichische Geistesgeschichte preisen wollte, nannte er allein Namen von Emigranten, die nicht mehr in dieses Land zurückgekehrt sind und nicht mehr zurückkehren wollten.
Also all jene, die mit den falschen Kompromissen, die etwa zu Pürgg eingegangen worden waren, nichts zu tun haben wollten.
Obwohl die  SPÖ eine modernere und wenig traditionsgebundene Vorstellung von Politik, Gesellschaft und Kultur hatte, öffnete sie sich aus politisch taktischen Gründen ehemaligen Nazis und  verlangte ihnen kaum mehr Reflexion in der Annäherung ab. Man drängte nach einer neuen staatlichen Konstitution und tat dies um den fatalen Preis zurechtgebogener Geschichte und ausgeklammerter Opfer. Die Schatten der Vergangenheit sind lang, sie reichen bis in die Jetztzeit und verdüstern Gegenwart und Zukunft des Landes.
An den Folgen dieser Entpolitisierung mangels Aufklärung, dieser plan- und wirkungsvollen Blendung leidet dieses Land  nach wie vor. Pürgg ist eine dieser schamlosen Polit- Inszenierungen gewesen, in der die geladenen Hauptdarsteller in Wahrheit nur die Staffage für eine andere Botschaft abgeben mussten. Wie unwohl muss man sich aus Pürgg in Wahrheit wieder  hinweg geschlichen haben, denn eine Befreiung im Sinne einer Erneuerung des österreichischen Kulturlebens durch Aufklärung kann das nicht gewesen sein.
Die Entwicklung der österreichischen Literatur hätte mit Sicherheit anders ausgesehen, wenn man sich früh zumindest im Kulturbereich zu rückhaltloser Aufklärung bekannt hätte.
Die Pürgger Tischgesellschaft ist nach wie vor existent, sie ist modifiziert und modernisiert. Das Buhlen um das rechte Lager und der samtpfotige Umgang damit ist aktueller denn je.
Robert Menasse schreibt in seinem 1990 erschienenen Buch Die sozialpartnerschaftliche Ästhetik, die personelle Kontinuität des Austrofaschismus in die zweite Republik verbürgte, dass jenes, das der Nationalsozialismus viel konsequenter durchgesetzt hat, als es der Austrofaschismus gekonnt hatte, wieder patriotisch umformuliert, aber nicht zurückgenommen wurde. Es blieb sozusagen als historische Errungenschaft der bürgerlichen Gesellschaft erhalten, wobei sich an den Schaltstellen  des Geisteslebens eine pragmatische Allianz  mit jenen Emigranten bildete, die aus den USA als CIA-Verbindungsleute  heimgekehrt waren.

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Ennstal - eine Annäherung

Die Bewertung der Pürgger Dichterwochen kann auf sehr unterschiedliche Art vorgenommen werden. Jene Literaturhistoriker, denen das Material bekannt war, konnten damit wenig anfangen und haben es wohl als eine Vorstellung biederer Schulbuchliteratur angesehen und sich nicht weiter damit beschäftigt.  Man kann die Treffen als einen Versuch einer Diskussion ansehen, in der nach gemeinsamen kulturellen Werten gesucht werden sollte.
Aber was hat Mirko Jelusich, der kaum verhüllte Nazi-Literatur bereits in der illegalen Zeit geschrieben hat, mit Wieland Schmied zu tun. Wie vereinbart sich Hans Grimm, der den für die Kriegsmotivation der Nationalsozialisten so wirksamen Roman Volk ohne Raum verfasst hat, mit dem Staatspreisträger Fritz Habeck ? Hatte der vormalige Präsident der Reichsschrifttumskammer Hans Friedrich Blunck der jungen Jeannie Ebner anderes zu sagen als galante Worte ? Die befassten Literaturhistoriker haben diese Diskrepanz wenig beachtet. Nach Gerhard Fuchs wurden vor allem konservative, nationale und ehemals nationalsozialistische Autoren versammelt und Alfred Holzinger schreibt davon, dass bei den Auswählern des Autorenkreises für das Treffen in Pürgg offensichtlich ein Bild der Literatur vorherrschte, dass sie in ihrer Schulzeit erhalten hatten und das nach mehr als acht Jahren in der zweiten Republik Österreich weder revidiert noch wenigstens erweitert wurde.
Holzinger war übrigens selbst einer der Geladenen und über Jahrzehnte hinweg Leiter der Literaturabteilung des Landesstudios des ORF der Steiermark. Ebenso in Pürgg war der Rundfunkchef das Landesstudios Steiermark, Otto Hofmann-Wellenhof. Man legte also bewusst wert auf Anwesenheit der Funk-, Printmedien und Verlagsszene.

Keine Beachtung und Erwähnung der Literaturhistoriker finden jene Autoren jüngeren Alters und Journalisten wie Jeannie Ebner, Hans Weigel, Günter Nenning, Wolfgang Kudrnofsky, Ulrich Baumgartner, Wieland Schmied. Gerade die Anwesenheit dieser Autoren im Kontext mit den NS Schreibern löste bei allen, die ich mit dem Thema konfrontierte,  grosses Erstaunen aus. An die Möglichkeit eines derartigen Zusammentreffens hatte keine und keiner gedacht.
Man wird die Letztgenannten nicht zur österreichischen Avantgarde zählen, doch der Moderne und der Demokratie zugewandt waren sie in jedem Fall. Eines verbindet diese  jungen Autoren: Sie publizierten im Torbergschen Forum, dem österreichischen Pendant zum deutschen Monat und zum britischen Encounter. Sowohl Forum, Monat und Encounter wurden durch die CIA finanziert.
Es waren nicht irgendwelche Autoren. Ihr eigenes Werk mag vielleicht nicht von allzu grosser Bedeutung sein, ihr Stellenwert im literarischen und kulturellen Leben hingegen wuchs im Laufe ihrer Karrieren. Weigel entschied als Kritiker über lange Zeit hinweg über Gedeih und Verderb junger Schriftsteller und hatte einen besonders grossen Rückhalt in der österreichischen Bevölkerung. Er war tatsächlich ein meinungsbildender Autor. Nenning übernahm später das Forum, nannte es das Neue. Ulrich Baumgartner wurde in Wien Festwochenintendant. Jeannie Ebner hatte bis in die jüngere Zeit in wesentlichen Autorengremien ein gewichtiges Wort  und wurde von Thomas Bernhard zu einer zentralen Figur in seinem Buch Holzfällen  gemacht. Kudrnofsky spielte eine Zeit lang eine gute Rolle in der Vermittlung moderner Kunst im ORF. Er betreute in den 60 er Jahren das Nachtstudio. Im Torbergschen Forum agierte er als Kunstkritiker und in Pürgg trug er eine Satire auf den Filmbetrieb  vor.

Rudolf Bayr, entsandt von den Salzburger Nachrichten und ebenso Referent eines kulturpolitischen Grundsatzreferates schrieb am 21.9.1955 in den Salzburger Nachrichten über das 3.Pürgg Treffen:
Handlung: Schriftsteller und Verleger aus Österreich und Deutschland
Der Zweck: Miteinander reden und sehr freundlich sein.
Und so dürfte es auch gewesen sein. Keine Missionierungen, keine Manifeste. Keine Rückblicke, keine Ausblicke.
Seinem Pürgger Artikel kann man weiteres entnehmen:
Mancher, den man gern mehr gehört hätte (P.A.Keller, Perkonig, Springenschmid, Stöger; Stuppäck) schwieg überhaupt, andere sprachen nur gelegentlich eine Anekdote (Brehm, Jelusich, Zillich) oder einen Vers (E.Roth) oder dankten am Schluss der Tagung (Hans Grimm)....

Bayr sprach nicht gerne über seine Vergangenheit. Bayr machte im ORF grosse Karriere. Er wurde Salzburger Landesintendant des ORF. In dieser Funktion und als Begründer der Rauriser Literaturtage und eigentlicher Anreger des Residenz Verlags, der von Wolfgang Schaffler wirtschaftlich erfolgreich geführt wurde,  wurde er zu einer der einflussreichsten Personen des österreichischen Literaturbetriebes der 2.Republik.
Es muss jedoch gesagt werden, dass im Residenz Verlag, der neben den Grazer manuskripten zu einem zentralen Kristallisationspunkt des neuen österreichischen literarischen Lebens wurde, der alte Geist keinen Platz mehr fand. Bayr selbst sah sich nach 1945 in einer humanistischen Tradition. Gesellschaftskritische Literatur und die sprachformale experimentelle Literatur, mit der Ausnahme H.C.Artmann, fanden jedoch keinen Eingang in das Residenz Programm. Auch hier waren die Trennlinien deutlich gezogen. Es war jedoch kein wertkonservatives Programm und man begann mit den Freiheiten umzugehen, die eben eine Demokratie westlichen Zuschnitts ermöglicht.
Das entsprach dem kulturpolitischen Klima der 70er und 80er Jahre, in dem eine weitgehende Selbstbestimmung des Kulturbetriebs möglich geworden war. Dafür sorgte die offene sozialdemokratische Kulturpolitik. Kritik daran, vor allem die von links, orientierte sich eher an älteren politischen Konzeptionen, etwa den politischen Auftrag der Kulturschaffenden betreffend.

Das Vergessen und das Verdrängen bestimmt jedoch nicht nur die konservative Rechte. Elfriede Jelineks Antwort in einem Kurier- Interview vom 16.3.1991 nach der grossen Wende war ebenfalls bezeichnend.
Befragt nach ihrer Stellung zur DDR gab die bis dahin engagierte Parteigängerin der KPÖ an, vom poststalinistischen Terror der bis zur Wende herrschenden Parteikaste nichts gewusst zu haben und von der KPÖ auch darüber nicht informiert, sondern immer nur belogen worden zu sein. Dass die Jelinek das Wissen der Partei über ihr eigenes gestellt hat, ist ihr in ihrer Verteidigung nicht aufgegangen. Der Jelinek hat dies offensichtlich nicht geschadet, die Jelinek hat den Büchner Preis erhalten. In anderer Weise entspricht sie dem Bild des modernen dissidenten Autors. Sie zieht vor allem Kraft und Anerkennung aus der Ablehnung der österreichischen Verhältnisse und stösst am meisten auf Widerstand in jenen konservativen ÖVP Kreisen, die dem Wesen nach an ihrem konservativen Weltbild nichts verändert wissen wollen.
Streng antikommunistisch üben sie nach wie vor die Gleichsetzung des gesamten linken Spektrums mit dem Kommunismus bis hin zur Akzeptanz von alt-und neurechten Positionen. Beides sind jedoch völlig diskreditierte und zu verwerfende Konzeptionen und zeigen bloss generell den bemitleidenswerten Stand des politischen und kulturellen Diskurses in Österreich, der nicht imstande ist, aus alter Geschichte sich zu lösen. Beide, die Jelinek und der konservative Tiroler Khol, Parlaments Klubchef der ÖVP, entsprechen in ihrer Gegenspielerdynamik einem historisch überholten Schauspiel.
Öffentliche Angriffe, wie sie bei Elfriede Jelinek heute selbstverständlich erscheinen, wären jedoch zur Zeit des Pürgg Treffens unmöglich gewesen. Dies hat generell mit einer Verschiebung des kulturellen Werteverständnisses zu tun Man bemerkt hin und wieder Restaurierungsversuche, die jedoch kläglich verpuffen, so wie heute kaum jemand mehr Paula Grogger, Bruno Brehm, Mirko Jelusich und die anderen lesen wird.

Der in der Süd-Ost-Tagespost ausgewiesene Anspruch Pürggs, ein gesamtdeutsches Autorentreffen zu sein, war eine starke Übertreibung. Dafür sorgte allein schon die Absage der prominenten Mitglieder der Gruppe 47. War es bloss eine schiefliegende Provinzveranstaltung ?
Was hat die ÖVP-Politiker dazu veranlasst, einmal abgesehen von jenen Autoren, die so gar nicht ins Bild passen, die alte NS Literatur Elite zu versammeln ? Und warum beschränkte man sich nicht auf österreichische und zog auch prominente reichsdeutsche Autoren hinzu ? Die Frage, warum man nicht Emigranten nach Österreich lud, wage ich angesichts der Einladungslisten gar nicht mehr zu stellen.
Wolf Biermann im bayrischen CSU Sonthofen ist Realität geworden, aber Brecht anstatt Blunck, das wäre ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. Da hätte schon Torberg abgeholfen, der ja etwa zu selber Zeit Brechts Engagement in Salzburg vehement verhinderte.

Man kann sagen, dass die ÖVP Vorstellungen einer wertkonservativen Literatur pflegte, die sie am ehesten durch jene erfüllt sah, die einmal schon den zugelassenen Schriftstellervereinigungen des Ständestaates angehört hatten, die dann mehr oder minder bruchlos in die nationalsozialistischen Organisationen übernommen wurden. In Wahrheit hat die ÖVP ihre wertkonservativen Vorstellungen bis zu ihrer Abwahl aus der zentralen Regierungsverantwortung nie aufgegeben und viele kulturpolitische Konflikte in der sozialdemokratischen Ära entstanden aus eben dieser Haltung. Die Vorstellung, die ehemals überzeugten nationalsozialistischen Schriftsteller wieder in den Literaturbetrieb zu integrieren, ist nicht aufgegangen.
Auf die Idee, Autoren wie Georg Saiko, Manes Sperber, einen desillusionierten Arthur Koestler, also die grossen neuen Realisten, die die Gesellschaft der 30 er Jahren mit kritischem Blick durchleuchtet hatten und denen in der österreichische Literaturgeschichte der Rang eingeräumt wird, der ihnen zusteht, nach Pürgg einzuladen, wäre man nie gekommen. Man hätte auch mit diesen Autoren einen grossen antikommunistischen und demokratischen Effekt erzielen können. Zu diesem Zeitpunkt war Koestlers Sonnenfinsternis, die die Abgründe des Stalinismus ausleuchtete, bereits erschienen. Nur, diese Autoren hatten in den Augen der Kulturpolitiker ein eklatantes Handicap; sie waren prononcierte Antifaschisten und waren nicht bereit, die Vergangenheit zu verschweigen und damit für die nächste Generation ungeschehen zu machen.
Für Jean Amery war dies alles unerträglich. Nachdem er in den frühen 70er Jahren eine Rehabilition des nationalrechten Tuns in Europa zu erkennen glaubte, nahm er sich an einem symbolhaft ausgewählten Ort, im Österreichischen Hof in Salzburg das Leben.
Die Veranstalter der Pürgger Dichterwochen hätten für derartig unerbittliches wie auch tragisches Hinweisen auf die Vergangenheit kein Verständnis gehabt. Eher ging man ein fatales Bündnis mit den Nazis und rechtskonservativen Heimatlob Sängern ein.
So unterscheidet sich das Pürgger Unternehmen von den eher weltoffeneren und die kritische Intelligenz einbeziehenden Veranstaltungen in Alpbach, die von Otto Molden und Simon Moser gegründet wurden, wesentlich. Hier fanden Koestler und Sperber ihren Platz. Bemerkenswert ist in jedem Fall, dass die in Alpbach angesiedelten Hochschulwochen, 1946 begründet, vom Österreichischen College einberufen und von der französischen Besatzungsmacht begünstigt und unterstützt wurden.
Fritz Molden und Arthur Koestler haben dafür gesorgt, dass die Vorstellungen des Kongresses für kulturelle Freiheit, und damit  die amerikanische Orientierung Alpbach auf Dauer bestimmten. Tatsächlich dürfte das Österreichische College beste Beziehungen zur CIA gehabt haben. Für die Amerikaner dürfte es kein Problem gewesen sein, widersprüchliche Strategien zu unterstützen.

Die französische Konstellation ist insofern für die Bewältigung der jüngeren europäischen Geschichte und der damit verbundenen Aufarbeitung und Bewältigung des Nationalsozialismus und Faschismus von Interesse, da doch die französische Resistance ein bedeutend grösseres Spektrum und mehr demokratischen Spielraum umfasste, als vergleichsweise der Antifaschismus in Deutschland und in Österreich. Wobei hinzuzufügen ist, dass jene Formen des österreichischen Widerstandes, die nicht dem kommunistischen Lager, das den Begriff des Antifaschimus für sich reserviert und bereits in den 30er Jahren instrumentalisiert hatte, angehörten, alsbald und zumindest ab der Zeit von Pürgg im Sinn der von den USA skizzierten Allianz aus der österreichischen Realpolitik verdrängt wurden. Diese Ansicht stimmt auch überein mit den Mitteilungen des Zeitzeugen Hermann Lein, der in jener Zeit enger Mitarbeiter des Unterrichtsminister Felix Hurdes, Vorgänger jenes Unterrichtsministers Kolb, der Pürgg finanzierte, gewesen ist. Die durchaus auch im bürgerlichen Lager vorhandenen aktiven Formen des Widerstandes, die  zu einem neu sich definierendem demokratischen Bewusstsein führen hätten können, wurden der neuen österreichischen Realkonstitution, die von nun an der Logik des Kalten Krieges folgte, geopfert.
Während etwa die zwei grossen, in mythologische Figuren verwandelte Resistance Kämpfer Jean Moulin und Atoine de Saint Exupery, die von den Amerikanern in ihrem Widerstand gegen die Nazibesatzung unterstützt worden waren, mit höchsten Ehren in der französischen Ruhmeshalle Pantheon bestattet wurden, gilt der Antifaschismus im deutschen Sprachraum insklusive Österreich als kommunistische Strategie, die zu brandmarken jeder, der glaubhaft zur neuen Westallianz  zählen wollte, ob nun Katholik, Sozialdemokrat, oder Ex-Nazi oder sich frei gebärdende(r) Künstler(in), sich bemüssigt fühlte.
So geriet  jeglicher Versuch der Aufklärung als kommunistischer Unterwanderungsversuch, der von der unheiligen, pragmatischen Allianz mit Denunzierung, Totschweigen und in einigen Fällen gar mit Existenzverlust geahndet wurde.
Man muss bemerken, dass selbst in Westdeutschland differenziertere Spielformen, insbesondere die geradlinige Haltung der Gruppe 47, möglich gewesen sind, während Österreich in unvornehmes Verschweigen sich hüllte.
Diesen militanten Antikommunismus teilen das Amerika Eisenhowers und McCarthys, die deutschen und österreichischen Katholiken und insbesondere die ehemaligen Nationalsozialisten. Brecht und Eisler wurden vor den berüchtigten Ausschuss wider antiamerikanische Umtriebe gezerrt. Thomas Mann wurde jahrelang wegen kommunistischer Sympathien vom FBI observiert. Sie mussten Gottes eigenes Land, das ihnen vor den Nazis Exil gewährt hatte, in den 50 er Jahren wieder verlassen, weil ihnen auf Grund dieser Vorwürfe jegliche publizistische Möglichkeit und damit eine amerikanische Existenz verwehrt blieb.
Friedrich Torberg teilte diese McCarthy Linie voll und ganz. Er und Weigel verhinderten das Engagement Brechts in Salzburg. So hatte  dann Brecht zwar einen österreichischen Pass, musste aber in der DDR arbeiten. Sein Werk und dessen Wirkung im Westen übersteig jedoch das literarische Gewicht Torbergs bei weitem. Torberg konnte Brecht zwar vertreiben, dessen ohne jeden Zweifel bestehende literarische und inhaltliche Anerkennung hingegen konnte er nicht verhindern.

Die jüngere Generation war jedoch eher bestimmt durch US-Orientierung und Rezeption des sozialistischen Realismus, also verfangen in die Auseinandersetzung der beiden grossen mächtigen Brüder des Kalten Krieges. Die Formen des österreichischen Individualanarchismus, der über weite Teile die Selbstbespiegelungsliteratur des letzten Drittels des 20.Jahrhunderts bestimmt, diente eher der verzweifelten Identitätsfindung einer zwischen zwei dezidierten Fronten strampelnden Literatur ohne besondere Eigenschaften.
Sowohl Thomas Bernhard wie auch etwa Peter Handke sind eher konservative Charaktere mit provozierendem Verhalten, wenn auch unterschiedlicher Weltanschauung. Ihr und unser aller Dilemma ist eine einerseits überholte und im weiteren zerstörte, sich selbst zerstörende Identität, die aus dem historischen Fiasko heraus noch keine wirkliche und tragfähige Antwort auf die europäische wie globale Herausforderung der Gegenwart gefunden hat. Der österreichische Aktionismus, das Ausreizen und die Überschreitung der Tabuzonen ist nicht emanzipatorisch und schon gar nicht aufklärend. Die provokatorische Geste des Ausreizens entspricht einer desorientierten, rein pragmatisch am Überleben interessierten Gesellschaft, der der Mut zur Vision längst abhanden gekommen ist, diese gar als Krankheit denunziert.

Bezeichnend für diese dauerhafte Haltung bestimmter und nach wie vor mächtiger ÖVP Kreise, die sich in der Pürgggesellschaft spiegelt, ist die Antwort Waldheims, als er schon Präsident war, auf die Frage nach seinem bevorzugten österreichischen Dichter. Er nannte Karl Heinrich Waggerl. Der Rekurs auf Autoren, die dem schlichten und einfachen Landleben ein Loblied sangen, die die Schönheit der heimischen Landschaft anpriesen, enthob ihre Leser und Leserinnen und ihre Befürworter der ideologischen Stellungsnahme. Man musste im Bekenntnis zum einfachen Leben und im Lob der schlichten Dinge seine wahre Gesinnung nicht preisgeben. Das konnte sehr vorteilhaft sein.
Andererseits sind die Verquickungen Waggerls, der ehrenamtlicher Salzburger Landesobmann der Reichsschrifttumskammer  war, in die nationalsozialistische Kulturpolitik, die Verschmelzung von Heimat- und Herrenlob (Gert Kerschbaumer), seine Tätigkeit als Propagandaschreiber für die Wehrorganisation Todt, seine propagandistische Instrumentalisierung in der Nazi-Kriegsführung, die Propaganda  für das letzte Aufgebot, den Volkssturm,  so gravierend und eindeutig, dass Waggerl keineswegs als unbefangener, von den Untiefen real nationalsozialistischer Politik nicht berührter, über allen heimischen Wipfeln schwebender Geist angesehen werden kann. Waggerl durfte ebenso wie Bayr im Völkischen Beobachter publizieren.
Waggerl hätte gut zur Tischgesellschaft in Pürgg gepasst und hat sich möglicherweise wie einige andere krankheitshalber entschuldigt.

Während Josef Krainer sich für die Pürgger Runde verantwortlich zeigte , so kann man den erwiesenen Ehrenschutz interpretieren, hat sich eine Generation später Erhard Busek in unserer Zeit immerhin zu Konrad Bayer bekannt. Ob dies jedoch in Übereinstimmung mit dem Geschmack der Kernklientel der Volkpartei geschah, wage ich zu bezweifeln.

In der Konzeption des Kalten Krieges hielten die Amerikaner die Annäherung und die Einbindung der ehemaligen Nationalsozialisten für nötig und sie begannen diesen Prozess mit Hilfe einheimischer politischer Kräfte zu lancieren. So wäre auch die handverlesene Auswahl junger Autoren verständlich, die man den Alten präsentiert hatte, um die Versöhnung glaubwürdiger erscheinen zu lassen. Man musste den Trend der neuen Zeit des Kalten Krieges, des Abwehrkampfes wider den Sowjetkommunismus aus amerikanischer Sicht an den nationalsozialen Weltkriegsgegner vermitteln, um diesen für die Anforderungen der Zeit zu gewinnen. Die Interessen deckten sich mit den österreichischen.

Eine diskursive Form der Vergangenheitsbewältigung schien nicht möglich zu sein, dazu waren die Nazis zu überzeugt von ihren historischen, wenn auch verlorenen Zielen,  sondern konnte bloss durch den symbolischen Akt des Zusammenseins und des privaten Dialogs gelöst werden. Heimelig sollte es ihnen in Pürgg wieder werden, und das scheint auch gelungen zu sein. Und selbstverständlich hatte diese NS-Schreiber Elite noch eine Reihe von Verbindungen aus der vergangenen Zeit, die in anderer Weise nützlich gewesen sein dürften.
Diese signalisierte Bereitschaft des Diskurses wird sich herumgesprochen haben. Ein Bericht der Kleinen Zeitung vom 22.9.1955 bestätigt dieses harmonisierende Unterfangen.
Man hielt sich an die Klassik, so waren etwa die zwei irrenden Figuren Faust und Parsifal Gegenstand eines Vortrages. In solcher Atmosphäre ergab sich ein guter Brückenschlag zwischen „Tradition“ und „Fortschritt“ in der Aussprache. Ebenso bestätigt wird diese Annahme durch den bereits oben erwähnten Bericht Rudolf Bayrs in den Salzburger Nachrichten.

Die wahren Schriftsteller der Zukunft, jene, die sich etwa rund um und im Wiener Art-Club regten, und die es dann auch geworden sind, wollte man gar nicht erreichen, ihre kritischen Augen und ihr oppositionelles Bestreben, ihre anarchische Gebärde wären bloss störend im erwünschten Burgfrieden gewesen. Sie sind bisweilen heute noch Gegenstand des österreichischen Kulturkampfes.
Das lässt aber auch die Gruppe nicht belasteter geladener Autoren im anderen Licht erscheinen. Ich gehe davon aus, dass sie in Wahrheit Vertrauenspersonen einer politisch angelegten Strategie waren, die in Pürgg als Vorzeigefiguren der neuen Zeit auftraten.
Seht her, ihr seid Kulturmenschen und auch wir sind das und es gibt da einen grösseren Feind jenseits der westlichen Hemisphäre, der uns insgesamt bedroht und gegen den wir über alle Gräben hinweg zusammenhalten müssen. Um die Veranstaltungen nicht im literarischen Ghetto zu belassen, wurde jeweils ein Rahmenprogramm organisiert.
Die Pürgger Tischgesellschaft, insbesondere der nationalsozialistisch belastete Anteil, konnte sich der Zustimmung weiter Bevölkerungskreise unterschiedlicher Partei- und Weltanschauungszugehörigkeit erfreuen und die Versöhnung wurde so querfeldein dokumentiert.

Voraussetzung für die eindeutige Tendenz der Volkspartei hin zur Rechten war deren wahltaktische bis fatale Gleichsetzung der Sozialdemokratie mit dem Kommunismus. Dabei wurde bewusst davon abgesehen, dass die antikommunistischen Kräfte in der SPÖ die überwiegende Mehrheit bildeten und  selbst die Linkssozialisten den  Stalinismus  der KPÖ ablehnend gegenüber standen. Ich erinnere an den Sozialisten Franz Olah, der mit Geld-Mitteln aus dem amerikanischen Gewerkschaftsbund AFL/CIO, die in Wahrheit so wie für den Kongress für kulturelle Freiheit aus versteckten CIA Kassen flossen, ausgestattet wurde. Olah schlug kommunistisch angezettelte Unruhen nieder und half mit Gewerkschaftsgeldern, deren Herkunft nie geklärt wurde, die Kronenzeitung zu gründen. Diese Gleichsetzung der Sozialisten mit Kommunisten wurde immer zu Wahlkampfzeiten bewusst verstärkt und ist heute etwa mit der Rote Socken Kampagne der CDU/CSU vergleichbar.
Aufgrund dieser historisch politischen Einschätzung versuchte die ÖVP rechts der Mitte Zustimmung zu finden und rechts führte der Weg konsequenterweise ins nationalsoziale Restlager. Dies ging allerdings nur, weil die ÖVP ihre mittlere Position schon sehr weit rechts angesiedelt hatte. Durchaus verständlich auf Grund ihrer ständestaatlichen und vaterländischen Vorgeschichte.
Alfons Gorbach, wesentlicher Exponent des Ennstaler Kreises, setzte  die Entscheidung durch, minderbelastete Nazis in die Parteiorganisationen der Volkspartei aufzunehmen und ihnen damit den Weg in das öffentlich politische Leben der 2.Republik zu ermöglichen. Dieses wiederum zur Verwunderung jener, die auf Grund ihrer Zugehörigkeit zur ständestaatlichen Ordnung in politischen KZs der Nazis einsitzen mussten und die Ermordung des Bundeskanzlers Engelbert Dollfuss durch ein putschendes Nazikommando nicht vergessen wollten.

Auf Seiten der SPÖ ist ein ähnlicher Prozess in Gang gesetzt worden. Beiden demokratischen Parteien war klar, dass satte Mehrheiten nur mit Stimmenfang im rechten Lager zu gewinnen war und dieser Stimmengewinn war nur durch politische Geschäfte möglich geworden. Andererseits konnte man einer derartig grossen Gruppe die  umfassenden Bürgerrechte auf Dauer nicht entziehen. Dieser Prozess war bereits in der zweiten Hälfte der 40 er Jahre eingeleitet worden und den Belasteten, geschätzt mit etwa 560000 wurde wieder das Wahlrecht zuerkannt, das ihnen in der Gründung der 2.Republik auf einige Zeit verweigert wurde. Die ehemaligen und die neuen Freiheitlichen konnten so in der Parität des bürgerlichen und des sozialistischen Lagers zu ihrem Vorteil Zünglein an der Waage spielen.
Die Legitimitäts-Debatte flammt in der 2.Republik bis in die jüngste Zeit immer wieder auf, wenn es etwa um die Besetzung des hoher politischer Positionen durch das freiheitliche Lager geht, obwohl der Folgepartei des VdU, der FPÖ oder F, wie sie nun zwischenzeitlich genannt wird, alle Verfassungsrechte garantiert wurden. Derartiger Streit ist also müssig und wesentlich produktiver wäre ein sach- und demokratiepolitischer Überzeugungswettbewerb,  ohne erneut in die Geschichtsverwischungen der 2.Republik zu verfallen. Aktuell haben sich jedoch Verhältnisse zugunsten der Rechten verschoben und die Freiheitlichen sind zum Missfallen Europas an der österreichischen Regierung direkt beteiligt.

Die KPÖ hat ein einseitiges, ideologisch orientiertes Geschichtsbild entwickelt. Da wurde der Begriff Befreiungsarmee besonders betont, eine Kategorisierung die von den Sowjets vorangestellt wurde, obwohl den Alliierten bewusst gewesen ist, dass die Österreicher so unfreiwillig nicht mit Hitler in den Zweiten Weltkrieg gezogen waren. Da war dann auch noch der KZ-Mythos der eingesperrten Politiker des Ständestaates und der Sozialdemokraten, der um die nun führenden Köpfe der demokratischen Grossparteien aufgebaut wurde und den Blick hinter die Kulissen verstellen half.
Insgesamt wurde der Mythos der Freiheit über das Land gebreitet. Leopold Figls Ausruf im oberen Belvedere: Österreich ist frei anlässlich der Unterzeichnung des österreichischen Staatsvertrages ist heute noch eine gebräuchliche historische Metapher. Während meiner Schulzeit wurde uns alljährlich am 26.Oktober mitgeteilt, dem österreichischen Nationalfeiertag, dass an diesem Tag 1955 der letzte russische Soldat Österreich verlassen habe.

Um diese politische Klammer deutlich zu machen, möchte ich im folgenden ein Reihe von realpolitischen Ereignissen und Aussagen anführen, die ich allesamt aus der Lektüre der Jahrgänge 1952 bis 1955 des Ennstaler, des Wochenblattes für das gesamte Enns-, Palten- und Liesingtal, das anschliessende Salzkammergut  gewonnen habe. Man wird daran die realpolitische Sendung der Pürgg Treffen eher erkennen.
Das Verbreitungsgebietes des Ennstalers  kann als territorial kennzeichnend für den Ennstaler Kreis selbst genommen werden, der über die steirischen Landesgrenzen hinaus Verbindungen ins salzburgische und ins oberösterreichische pflegte. Ob der Herausgeber des Ennstaler, Wallig, selbst in den Ennstaler Kreis eingebunden war, kann ich nicht mit Bestimmheit sagen. Aus diesem Wochenblatt lässt sich jedoch deutlich die Gesinnung des Ennstaler Kreises ablesen.

Im November 1952 hält der Landeshauptmann von Salzburg Dr. Josef Klaus eine bemerkenswerte Rede sowohl in Gröbming wie in Schladming. Josef Klaus stand laut Ennstaler im engen Kontakt mit den Amerikanern. Neben den österreichischen Finanz- und Haushaltsplänen behandelte Klaus vor allem die amerikanischen Wahlen, die gerade von General Dwight D. Eisenhower gewonnen worden waren. Dezidiert wird festgestellt, dass Eisenhower für den Aufbau einer starken globalen Verteidigung einsteht, weil nur so verhindert werden kann, daß ein Land nach dem anderen vom Kommunismus vereinnahmt wird.
Der Ennstaler zitiert Eisenhower: In erster Linie streben wir einen gerechten und dauernden Frieden für uns und die freie Welt an. Damit wir diesen Frieden verwirklichen und dafür sorgen können, daß er nicht gebrochen wird, müssen wir ein festes Ziel vor Augen haben. Wir müssen wirtschaftlich, militärisch und geistig stark sein, und müssen im Einklang mit unserer Stellung in der Welt starke und verlässliche Alliierte suchen. Wir müssen mit Kanonen gerüstet sein, mir müssen auch mit internationalen Bündnisverträgen und einer guten Währung gewappnet sein. Vor allem aber müssen wir mit Hingabe an die Ethik der Freiheit gerüstet sein. Rüstung bedeutet nicht Krieg, Rüstung garantiert Gewappnet sein gegenüber einem Gegner, der die Weltrevolution anstrebt.
Stimmen aus den USA weisen verstärkt auf die Notwendigkeit der europäischen Einigung hin. Soweit der Ennstaler. Damit sind die Positionen des Kalten Krieges der westlichen Welt gegen den Sowjetkommunismus und seine weltpolitischen Absichten festgeschrieben. Und in diesen Einigungsprozess sollte die grosse politische Gruppe der ehemaligen Nationalsozialisten eingebunden werden. Sowohl ÖVP wie auch SPÖ waren insgesamt bereit, dieses Programm zu erfüllen, beziehungsweise hatten bereits entscheidende Vorarbeiten geleistet, wie etwa Innenminister Helmer mit der Zulassung des VdU als wahlwerbende Gruppe. Auch aus amerikanischer Sicht sollten jene Bevölkerungskreise gewonnen werden, die den Nationalsozialisten nahestanden bzw. ihnen zugehörig waren, um von dieser Seite destabilisierende Konflikte zu vermeiden.
Eine Anlehnung an Deutschland war jedoch laut Klaus nicht erwünscht. Ein zu grosses Interesse an den Deutschen schade der europäischen Einigung. Man müsse aber deswegen nicht völlig auf Distanz zu Deutschland zu gehen.
Es dürfte dabei jedoch weniger die europäische Einigung eine Rolle gespielt haben, als der sehnsüchtige Wunsch der Österreicher nach einem eigenen Friedensvertrag und nach dem Ende Besatzung.
In weiteren Ausgaben des Ennstalers werden wiederholt Probleme des Weltfriedens (des Kalten Krieges) aus amerikanischer Sicht besprochen. Berichte werden teilweise von einer Presseagentur FPT in München und Photos von einer Agentur AND (Amerikanischer Nachrichtendienst) übernommen. Gegen zentralistische Modelle wird der Föderalismus gestellt, der ethnischen Gruppen und dem Einzelnen mehr Entscheidungsfreiheit garantiere. Hier schwingt auch unausgesprochenes Misstrauen gegenüber der Metropole Wien, die in weiten Teilen noch von den Sowjets besetzt ist und kontrolliert wird, wie auch gegenüber den eher zentristischen Vorstellungen der Sozialdemokraten mit.
Im Jänner 1953 hält Alfons Gorbach eine aufschlussreiche Wahlkampfrede zur Nationalratswahl. Die ÖVP sieht sich als Vorkämpferin der Privatwirtschaft und der christlichen Weltanschauung und als Sammelpartei des Antimarxismus.
Gorbach: Der Kommunismus ist unseres Volkes sicherer Tod. Wer von ihm isst, stirbt.
Das ist deutlich genug. Das Schwergewicht des Kampfes der ÖVP richtet sich gegen Links. Sozialismus und Kommunismus hätten die gleiche ideologische Grundlage. Schärf und Helmer wären zwar verbürgerlichte Sozialisten, doch dem linken Flügel dieser Partei könne man nicht trauen. Deutliche Worte wurden auch in Richtung Frontkämpfer und Heimkehrer gerichtet. Man habe in ihnen zum Teil Kriegsverlängerer und Kriegsverbrecher (Nürnberger Prozesse) gesehen. Das einzige Verbrechen wäre aber gewesen, dass ihre soldatischen Tugenden missbraucht worden wären. Ohne Pflichtreue gäbe es keine menschliche Entwicklung und Gemeinschaft.
Gorbach: Ich habe als alter Soldat vor jedem Achtung, der als Soldat seinen Eid gehalten hat, um sein Vaterland vor der erbarmungslosen Hilflosigkeit eines besiegten Landes zu bewahren. Menschen mit solcher Pflichterfüllung sind wertvoller als jene, die sich vor jeder Pflicht drücken.

Alles aus vaterländischer Verteidigungsperspektive gesehen und kein Wort vom erbarmungslosen Angriffskrieg, dem Kampf um mehr Lebensraum, den die Deutschen mit Hilfe der Österreicher geführt haben. Und kein Wort über die Vernachlässigung demokratischer Pflichterfüllung, die diesem Krieg vorausgegangen war. Man muss allerdings hier einfügen, dass die Zwischenkriegszeit zu kurz war, um zu jenen demokratischen Qualitäten zu gelangen, die wir heute nach einen mehr als fünfzigjährigen Epoche des Friedens geniessen, dass der zweite grosse Krieg auch Ergebnis des Versagens von Demokratie gewesen ist, die sicher nicht entfaltet aus der aristokratischen und grossbürgerlichen Herrschaftswelt des 19. Jahrhunderts hervorgegangen ist.

Etwa ab 1953 wurde die Kameradschaftsbünde aktiviert und in jedem Ort wurde die Errichtung eines Kriegerdenkmals eingefordert. Die Reintegration der Frontsoldaten ins zivile Leben war ein besonderes politisches Anliegen Ennstaler Kreises. Ein an sich legitimes Vorhaben. Nur sollte man die Vorstellungen und Bedingungen beachten, unter denen dies geschah. Kritische Vergangenheitsbewältigung war keinen Falls Teil dieses Programmes. Man war froh, davongekommen zu sein, und heilfroh, nicht mehr zurück sehen zu müssen. Es gab keine Veranlassung zum Nachdenken, so wie sich auch die nationalsozialistischen Schriftsteller in Pürgg nicht rechtfertigen mussten.

Am 24.Juli 1953 schreibt der Ennstaler anlässlich des Besuches von Eleanor Roosevelt in Wien zum Thema Amerika und Kommunismus. Frau Roosevelt wurde ihre Unterstützung der Politik ihres Mannes, mit der sie sich mitschuldig gemacht habe an der Durchsetzung der amerikanischen Staatsführung mit Kommunisten, vorgeworfen. Der New Deal,  der vorrangig der Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit diente und die völlige Verarmung in den ländlichen agrarischen Gebieten zu verhindern half, wurde im Ennstaler als linke planwirtschaftliche Politik verteufelt.
Verhängnisvoll , so Ennstaler im O-Ton hätte sich die Tatsache ausgewirkt, dass zu dieser Zeit tausende jüdische Emigranten von Deutschland, später von Österreich, dem Protektorat Böhmen und Mähren ( wie man sieht, hielt man sich 1953 noch an die reichsdeutsche Sprachregelung) und anderen europäischen Ländern in die USA kamen. Viele unter ihnen könne man als Salonbolschewiken bezeichnen. Dieser Menschentyp, der besonders unter jüdischen Intellektuellen zu finden wäre, stünde auffassungsmässig vor allem in Fragen der Kunst und Kultur auf der Seite des Kommunismus. Die bekanntesten dieser emigrierten Salonbolschewiken wären der Dichter Thomas Mann und der Gelehrte Albert Einstein...

Das ist wohl die Antwort auf meine rhetorisch gestellte Frage, warum man Leute wie Koestler oder Sperber nicht nach Pürgg zum gesamtdeutschen Dichtertreffen geladen hatte.
Der Ennstaler lobt im weiteren, dass die USA nun endlich die verhängnisvollen Folgen der Rooseveltschen Politik zu erkennen begännen und begrüsste vor allem die Einrichtung des Senatsausschusses für antiamerikanische Umtriebe, dem Joseph Mc Carthy vorstand, dessen Aufgabe es war, alle Amerikaner, die des Kommunismus verdächtigt wurden, vorzuladen und zu verhören.
Und so nebenbei bestand man darauf, dass Ritterkreuzträger ihre hohen Weltkriegs II Auszeichnungen bei Kameradschaftstreffen tragen durften und spottete über Wiener Zeitungen, die sich darüber erregten.

Am 2.April 1954 berichtet der Ennstaler über einen zweiwöchigen Aufenthalt Generalfeldmarschalls Kesselring, des Oberbefehlshabers der Heeresgruppe Süd und erfolglosen „Verteidigers“ von Monte Cassino,  in Aigen im Ennstal. Obwohl Kesselring erklärte, nur als Privatmann nach Österreich gekommen zu sein, widmet ihm der Ennstaler die Titelseite und die folgende Seite. Der Erklärung von Kommunisten und Teilen der Sicherheitsbehörden, Kesselring sei eine unerwünschte Person, stellte man entgegen:
Um den Staatsvertrag zu bekommen haben wir die Unrechtsgesetze von 1945 geschaffen und uns immer wieder vor den Sowjets gedemütigt.
Und das hätte gar nichts genützt. Welche Unrechtsgesetze mögen das wohl gewesen sein. Das Verbot der NSDAP, die Entnazifizierungsprozesse ? Vor allem war es der Entzug des aktiven und passiven Wahlrechts, der da besonders geschmerzt hat, wie auch die Beschränkung in Versorgungsangelegenheiten. Trotz des als rein privat bezeichneten Aufenthaltes Kesselrings kamen viele alte Krieger auf Besuch. Soldaten und Offiziere, die ihren Kommandeur in Aigen begrüssten und seinen Rat einholten.
Kesselring, der unter anderem an der Planung der Invasion Englands beteiligt gewesen ist, wurde im Mai 1947 von einem britischen Militärgericht wegen Kenntnis und Duldung der völker- und kriegsrechtswidrigen Erschiessung von Angehörigen der italienischen Befreiungsbewegung zum Tod verurteilt. Das Todesurteil wird alsbald in eine lebenslängliche Haftstrafe, die ein Jahr danach auf 20 Jahre verkürzt wird, umgewandelt. 1952 wird Kesselring  „auf Ehrenwort“ aus dem Gefängnis entlassen. Zwischen 1952 und 1960 ist er Bundesführer des neu gegründeten und wieder zugelassenen Stahlhelms, des Bundes der Frontsoldaten. Auch er ist ein Nutzniesser der Positionen und Optionen des Kalten Krieges.

Vor seinem Aigener Aufenthalt verbrachte Kesselring einen Tag in Graz und hatte dabei Gelegenheit zu Unterredungen mit Landeshauptmann Krainer, Landesrat Brunner und Nationalrat Gorbach.
Der Ennstaler wettert wider den Rachedurst der Ewig-Gestrigen und meint damit nicht die Nazis, sondern u.a. den Steigbügelhalter des Kommunismus im österreichischen Parlament, Ernst Fischer und moniert wieder einmal mehr Unrecht, begangen im Zeichen der Unterwürfigkeit gegenüber den Alliierten an den eigenen Staatsbürgern. Meines Wissens war die Entnazifizierung und die damit verbundenen Auflagen nicht allein eine Forderung der Sowjets.
Am 10.Dezember 1954 berichtet der Ennstaler, dass die Frontkämpfervereinigung Stahlhelm und deren Sprecher Kesselring sich rückhaltlos zur Adenauer Regierung bekenne. Der idealistischen Grundhaltung des Stahlhelms nach wäre sein natürlicher Feind weiterhin der Bolschewismus und die Erhaltung und Förderung der positiven Werte des Soldatentums.
Damit waren klare Positionen für den kalten Krieg geschaffen und die Deutschen durften nach der Bereinigung ihres inneren Konfliktpotentials sich ab da insgesamt zu den Alliierten zählen.
Ob nun nicht doch der Besuch in der Steiermark nicht rein privaten Charakters war, sondern vielmehr ein bewusst herbeigeführtes Treffen, in dem die neuen christlich sozialen Positionen und amerikanischen Vorstellungen mit dem Feldmarschall beredet wurden. Ein Besuch, den der ehemalige Befehlshaber der Heeresgruppe Süd zu einer kleinen obersteiermärkischen Befehlsausgabe der neuen Marschroute an die alten Kameraden, die ihn so vielfältig aufgesucht hatten, genutzt hatte...
Und so nebenbei wurden in Pürgg den Kulturschaffenden und mittels der Kulturschaffenden der Bevölkerung und nahestehenden Kreisen der Delegierten die neuen gesellschaftlichen Verhältnisse nahegebracht.
Am 23.September 1955 ist es soweit und der Ennstaler titelt: Österreich ist russenfrei !
Die Sowjets hätten Österreich früher als erwartet geräumt und selbst verschiedene Waffen haben sie den Österreichern geschenkt. Das haben die Amerikaner, wie wir vor zwei Jahren erfahren haben, auch getan. Mit dem einen Unterschied, dass diese „vergessenen“ Waffenlager noch strategisch positioniert waren.

Das 20. Jahrhundert ist zu Ende gegangen. Wir wissen sowohl über die Verbrechen des Kommunismus wie auch des Nationalsozialismus umfassender Bescheid. Die Angst weiter Teile der österreichischen Bevölkerung verstehe ich heute besser und es ist sicher richtig und gut gewesen,  dieses Land dem sowjetischen Einfluss zu entziehen.
Was ich nicht verstehen will, ist dieses Bündnis mit den alten Nazis und der Versuch der Verdunkelung der Geschichte und die Mithilfe an der Verdeckung dieser ungeheuerlichen Verbrechen wider die Menschlichkeit. Das gilt auch für die offensichtliche amerikanische Akzeptanz dieses für die Entwicklung unseres Landes, des geistigen und politischen Klimas so einschneidenden und prägenden Vorganges.
Jetzt, nach dem historischen Ende des Kommunismus und einer aufgeklärten und eindeutig schuldzuweisenden Gesetzgebung  müssen es sich die österreichischen Parteien  gefallen lassen, über ihre Geschichte gefragt zu werden, ihre Beweggründe nochmals zu überdenken und sich nicht in der wertkonservativen oder pragmatischen Schmollecke zu verkriechen.
Die Affäre Waldheim hat gezeigt, dass wir in diesem Land noch immer von den verhüllten Schatten der Vergangenheit in der Freiheit des Wahrnehmens eingeschränkt werden und einige der Wurzeln dazu sind in den politischen Entscheidungen des Ennstaler Kreises der 50er Jahre zu finden. Diese Haltung Waldheims und der ÖVP hat den Rechtsrutsch zu Haider, der heute von vielen beklagt wird, erst möglich gemacht. Und es bleibt zu hoffen, dass aufgeschlossene Kulturpolitiker der ÖVP in diesen Fragen nicht wieder mit einer jetzt erst recht Haltung reagieren..

Die Konstellation der Geladenen zur Pürgger Tischgesellschaft ist die tatsächliche Botschaft gewesen. Ich habe mich weniger auf den Inhalt des Werks der geladenen Gäste eingelassen, der war ja auch in Pürgg selbst nicht gefragt. Es wäre auch zu viel verlangt die Texte Springenschmids, Bluncks, Brehms, der Grogger und vieles mehr nachzulesen, in Nachlässen nach etwa verbliebenen Redeentwürfen zu forschen und nach verschollenen Gedichten von Kudrnofsky zu fahnden. Das werde ich mit Sicherheit nicht tun. Allein die Werke der Nationalen sind derartig in Vergessenheit geraten, dass eine Kritik an ihnen ohne entsprechende Nacherzählung der inhaltlichen Absicht unmöglich wäre. Blunck fungiert etwa als Fabel- und Märchenerzähler, hat aber auch ein umfangreiches Romanwerk hinterlassen. Das erneut in diesem Rahmen zu erarbeiten, halte ich für unsinnig.
Die Kenntnis des Titels von Hans Grimms Volk ohne Raum  hat sich bis in unsere Zeit gehalten, weil er zu einen der zentralen motivierenden Texte des Nationalsozialismus zählte und in fast jeder ernstzunehmenden Dokumentation, ob nun in Printform oder filmisch, Erwähnung findet.
Viele dieser Autoren sind völlig zurecht nicht allein aus weltanschaulichen Gründen in Vergessenheit geraten  Einige der Namen der nationalsozialistischen Autoren sind mir erst  durch die Pürggdokumentation bekannt geworden. Dies ist an sich ein gutes Zeichen, dass sie bereits längst ausserhalb des allgemeinen literarischen Diskurses liegen und es nicht mehr zu den allgemeinen Bildungsansprüchen zählt, diese auch kennen zu müssen. Bezeichnend ist es jedoch, dass der Dokumentarist der Pürgger Dichtertreffen genau diese Autoren wieder in Erinnerung rufen will. Aber auch das ist keine wirkliche Gefahr.

Die Antworten auf die Pürggischen Kulturvorstellungen, auf das ewige Gestrige finden wir in den in verzerrt wuchernden Charakteren des Thomas Bernhard, der so bis zu seinem Tod fortwährend am Rande des Skandals agierte. Die Zeitgenossen Thomas Bernhards aus der Nachkriegsgesellschaft bis ins Heute erkannten sehr wohl in seinen Übertreibungen und Überzeichnungen die Deformationen und die Rückständigkeit des eigenen Charakters und die eigene versteckte Geschichte.
Das retardierende Element, der immerwährende Wiederholungs- und Rechtfertigungszwang zeigt von einer Atmosphäre unbewältigter, dumpfer Vergangenheit.
Auch das ist bezeichnend für die Pürggesellschaft. Dieses quälende Umgehen mit unbewältigter Vergangenheit finden wir in anderer österreichischer Literatur bis hin zu Elfriede Jelinek. Das Thema dieser neueren österreichischen Literatur ist das Dorf, in dem fortwährend die Schatten der Vergangenheit agieren. Der Idylle des natürlichen und urgesunden Landlebens, das Rudolf Bayr noch in seiner Fernsehserie Häferlgucker über die bodenständige Esskultur in die österreichischen Wohnstuben projizierte, wurde eine groteske Darstellung des Boshaften, in der die Rückständigkeit und der nationalsozialistische Spuk angegriffen wurde, gegenüber gestellt. Diesen quälenden Umgang mit dem ländlichen finden wir bei Gerhard Roth, bei Innerhofer, bei Klaus Hoffer. Ebenso in Turrinis und Pevnys ORF Serienproduktion Alpensaga. Lange vorher hatte bereits Gerhard Fritsch dieses Genre mit seinem Roman Fasching zu thematisieren versucht. Kaum jemand konnte sich dem Genre des negativen Heimatromans entziehen. Man kann einen ganzen Erzählstrang der neueren österreichischen Literatur ausmachen, eine ganze literarische Strömung, die an einem strickt, nämlich an der unbewältigten österreichischen Geschichte und an denen im und am Land erlittenen Verletzungen. Diese fortwährende Nabelschau wird uns nicht zu einer neuen Weltschau verhelfen.

Doch es gibt offensichtlich noch jemanden, abgesehen einmal von den Herstellern der Fremdenverkehrs-Werbebotschaften der Bundeswirtschaftskammer, dem das ursprüngliche Klischee der österreichischen ländlichen Idylle und Schlichtheit gefällt, angereichert um Histörchen der feudalen Vergangenheit mit einem ewig nickenden Gamsbart Kaiser. Es müssen wohl die Teilnehmer des US-Cable Networks sein, in denen die österreichisch amerikanische Co Produktion Hello Austria - Hello Vienna  zu sehen ist. Die an der Konzeption der Sendung beteiligten Austroamerikaner haben Gefallen an der österreichischen Hinterwäldlerei gefunden und so sieht Österreich in Amerika des öfteren aus wie ein Bilderbogen aus vergangenen Zeiten. Spinnrad drehende Frauen, jodelnde Sennen und Sennerinen, schuhplattelnde und schenkelklatschende Ausseer, fesche Dirndln im Kornfeld, Schlösser und Burgen, in Loden gehüllte Holzhacker, bevölkern diese halbstündige Sendung regelmässig und  zuhauf. All die Bilder, die den Nationalsozialisten schon so gefallen haben, das gsunde Landleben und die feschen Maiden an der frischen Luft.
Was nutzt uns jeder Modernisierungsschub, wenn sie uns eh nur als willfährige, gutmütige alpine Trotteln sehen wollen, die, wie man jetzt genauer weiss, in vielerlei Richtung manipulierbar waren und wir noch immer im ländlich historisierenden Spielzeuglandstil dargestellt werden. Alpine Spielfiguren im Reich der von Mickey Maus, des Big Macs, der Fords, des weltweiten Coca Cola Zapfnetzes und von Bill Gates Rangiersoftware, in dessen Maschen die Almdudelei und Land- und Bergdodelei nicht einmal auffällt.
 

Eine Liste aller Teilnehmer der Pürgg Schriftstellertreffen 1953/1954/1955 finden Sie hier.

Gruppenbild mit Damen


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