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Umgang mit dem Ungewissen

© Franz Krahberger

Electronic Journal Literatur Primär ISSN 1026 -0293


Ich verachte die Menschen, die sich innerlich abstumpfen, um zu vergessen, oder die einen Drang ihres Herzens ersticken, um in Frieden zu leben. Denn du musst wissen, daß dich jeder unlösbare Gegensatz, jeder unheilbare Streit dazu zwingt, grösser zu werden, damit du ihn in dich aufnehmen kannst.

Antoine de Saint Exupéry in >>Citadelle<<; Die Stadt in der Wüste.

Verdeckt, verboten, zwiespältig und dunkel ist das Vergangene. Getarnt, versteckt, mit Masken und Legenden versehen. Die Alliierten bezwingen mit Hilfe der Sowjets die Nationalsozialisten. Nach dem Kriege machen die USA ehemalige Nazis zu ihren Verbündeten, um mit ihrer Hilfe gegen die Kommunisten vorzugehen. Doch dieses Bündnis darf nicht öffentlich werden.
Damit würden die westlichen Demokratien ihre Glaubwürdigkeit untergraben.
Das absolute Feindbild Kommunismus lag diesem Bündnis des Kalten Krieges zugrunde. Antikommunisten galten als gute Menschen. Selbst wenn sie in ihrer Nazivergangenheit mit dazu beigetragen haben, dass Juden ermordet und anders Denkende in Konzentrationslagern geschunden werden konnten. So die fatale Logik. Der Kampf wider den Antichristen billigte die Mittel. Aus demselben Grund hat die Katholische Kirche die Nazis nicht völlig verdammt. Auch ihr waren die antikommunistischen Feldzüge der Nazis recht und so fiel die Verzeihung um so leichter.
Die Kirche, geübt in der Tradition des Inquisitorischen, sah zu, wie Hitler seine Vernichtungszüge und Strategien in grossem Masstab umsetzte. Auch in ihren Augen waren die Opfer Ketzer der Moderne, all die atheistischen Aufklärer, die gottlosen Aufrührer und Rebellen.
Die sowjetischen Kommunisten waren in ihrer Programmatik ebenso konsequent wie Hitler es in seiner gewesen ist. Die Angst vor roten Umstürzen sass in Deutschland tief, seitdem von den Räterepublikanern der Freistaat Bayern ausgerufen worden war und es wurde befürchtet, dass die Geschichte einen ähnlichen Verlauf nehmen würde wie in Russland. Hitlers Wiener Antisemitismus wurde in seinen frühen Münchner Jahren um eine starke antikommunistische Komponente ergänzt. Von der Rechten wurde der Bolschewismus als eine jüdische Weltverschwörung angesehen. Die sowjetischen Kommunisten sperrten jene, die nicht in ihre Vorstellung und Konzeption passten oder sich bedingungslos ihren Vorstellungen unterwarfen in den Gulag oder brachten sie ums Leben. Religion wurde im Atheismus als wahnhafte Verirrung, als volksverdummendes Gift angesehen. Konsequent umgesetzter atheistischer Materialismus hätte auch für die Kirchen im Westen die Vernichtung bedeutet. Der dialektische Materialismus behauptete von sich, eine objektive Wissenschaft zu sein. Die Kommunisten handelten dem entsprechend. So wie auch die Rassentheoretiker der Nazis ihr schreckliches Wahnbild wissenschaftlich zu untermauern versuchten, gründeten die Kommunisten ihr Handeln auf einer scheinbar wissenschaftlichen Gesellschaftstheorie.
Der dogmatisch versierten Kirche war klar, welches Schicksal ihr bevorstand. Sie musste sich nur an ihre eigene Geschichte erinnern. Sie musste sich nur daran erinnern, wie sie mit Andersgläubigen, mit Ketzern und fremden Völkern im Zeichen des Kreuzes umgegangen war.

Wie sollen wir aber diese Nachkriegsallianz wider den Kommunismus, in der neben Demokraten ehemalige Nationalsozialisten eingebunden waren, verstehen ? Ist es möglich, diesen Pakt, der mit den Ex-Nazis geschlossen wurde, historisch zu rechtfertigen, nachdem wir das Ausmass der Verbrechen, die von den Nazis angerichtet wurden, in ihrem vollen Umfang kennen ?

Nein. Diese nach dem Kriege geschaffene Konstellation ist nach wie vor ein Skandal. Der Pakt mit den ehemaligen Nazis hat deren Verbrechen relativiert. Die Nazis wurden reintegriert und anonymisiert. Die Erinnerung an ihre Verbrechen gab es zwar noch, doch die war über lange Zeit hinweg nicht von Bedeutung.
Die Nazis, die gab es nicht mehr. Die waren verboten, und so schien es, aus der Geschichte verschwunden. Wer waren sie überhaupt, die Nazis ? War es eine Partei, eine Volksgemeinschaft, oder nur eine Horde von An- und Verführern ? Vor kurzem wurden im Wiener Satdt- und Landesarchiv die Karteikarten der Wiener Gestapo gefunden. Mehr als 50 Jahre lagen sie da im Dämmerlicht. Niemand hatte sich um den Bestand gekümmert.
Ein ebenso bemerkenswertes wie aufschlussreiches Detail wurde dabei bekannt. 80 Prozent der Verhaftungen seitens der Gestapo erfolgten nach Hinweisen aus der Bevölkerung. Die Gestapo wurde also meist erst auf Initiativen der Bevölkerung tätig. Diese hohe denunziatorische Anteilnahme seitens der Bevölkerung finden wir ebenso in Deutschland.
Das Volk wusste von schwerer Haft, Konzentrationslager und Hinrichtung, je nach „Verfehlung“. Wer waren also die Nazis ? Offensichtlich nicht allein die Parteigenossen. Ist es bloss eine düstere Ahnung, anzunehmen,  das Programm der Nazis haben weitgehend dem sogenannten Volksempfinden entsprochen? Das wäre eine weitere Erklärung dafür, dass man nach dem Kriege so einträchtig sich wieder an einen Tisch setzen konnte. Die Geschichte eines Volkes wird wesentlich von der Mehrheit und nicht von seinen Minderheiten bestimmt.
Wie einverstanden ist man tatsächlich mit dem Naziprogramm gewesen ? Man wird dabei nicht allein die diversen Parteien selbst untersuchen müssen, als vielmehr die Masse der Parteigänger.
Warum gelingt es einer Partei, die Naziverbrechen verniedlicht, die mit offener Fremdenfeindlichkeit agiert, gegen Ende des 20.Jahrhunderts zur zweitstärksten Partei des Landes zu werden ? Die Funktionäre dieser Partei geben allesamt vor, im Namen des Volkes zu sprechen und zu agieren. Und das Volk honoriert sie mit Stimmen. Erst die ökonomischen Einschränkungen und der Verlust des internationalen Ansehens bringen den Meinungsumschwung.
Ansonsten hätte man innerhalb der Landesgrenzen gegen das nationale Denken nicht allzuviel. Verbrechen, wie sie die Nazis begangen haben, konnten nur durch Duldung einer grossen Mehrheit geschehen. Bevor sie diese im grossen Masstab begingen, haben sie ihre Diktatur durch die Massen absegnen lassen. Die Nazis haben die Massen nie im Unklaren darüber gelassen, was sie mit der ihnen verliehenen Macht tatsächlich machen würden.

Nach dem Krieg musste das System der strikten diktatorischen Ordnung in ein System der demokratischen Ordnung umgewandelt werden. Doch alsbald erkannten die USA, dass der notorische Antikommunismus der ehemaligen Nazis und der Antikommunismus der christlichsozialen Ständestaatpolitiker ein nützliches politisches Kapital im Kalten Krieg war. Obwohl die Sowjets noch im Land standen, verschärfte sich die antibolschewistische Tonlage. Man war wieder mutig geworden und hatte in den Amerikanern einen starken Partner gewonnen.

Das alles lässt sich in den Tageszeitungen jener Tage nachlesen. Schwierig wird es, für die Zusammenarbeit ehemaliger Nazis mit den Alliierten, insbesonders mit Spezialisten der USA, konkrete Beweise zu finden. Alle mir bekannten Zeithistoriker klagen über diese Notlage in der Beweisführung. Erst im März 2001 gab der CIA 250.000 Seiten zur Einsicht frei, die vor allem die Übernahme der Aufklärung Ost, der Organisation Gehlen,  durch die Amerikaner ab 1945 belegen. Eine ensprechende Mitteilung findet sich in der On-Line Ausgabe der Washington Post vom 16. März des Jahres 2001.
Gerade die Einbindung der Aufklärung Ost, mit ihren intakten konspirativen Kontakten in die Sowjetunion legte den Grundstock zur Zusammenarbeit ehemaliger Nazis mit amerikanischen Diensten und Politikern.
Reinhard Gehlen, der erste Chef des Bundesnachrichtendienstes der Bundesrepublik Deutschlandn schilderte die Übernahme seines Dienstes seitens der Amerikaner bereits in den 70er Jahren sehr detailreich, nennt allerdings nur wenige Namen. So ist also aus der Aufklärung Ost des Deutschen Reiches im weiteren eine verdeckte Hilfsorganisation der USA und in den 50er Jahren der bundesrepublikanische BND geworden. Höchste Priorität hatte immer antikommunistische Aufklärung, im Inneren wie im Äusseren. Da wurde also eine wichtige  Organisation  der nationalsozialistischen Kriegsführung unter neuen Bedingungen übernommen. Eindeutige historische Bekenntnisse dazu liegen von deutscher Seite vor.
Das offizielle Amerika hat die entsprechenden Dokumente ebenso frei gegeben.

Diese heimliche Kollaboration mit ehemaligen Nazis zeigt aktuelle Nachwirkungen. Neurechte Kreise, das kann man gut an der im Internet kursierenden revisionistischen Literatur, ebenso an Publikationen aus rechtsorientierten Verlagen, wie etwa dem Heyne Verlag, ablesen, benutzen die Kooperation der USA mit ehemaligen Nazis als Legitimation neurechter Positionen.
Insbesondere der Zerfall der Sowjetunion brachte den Rechten Aufwind und sie begannen ihre historischen „Mitverdienste“ einzufordern. Der militante Antikommunismus der USA passte gut mit dem ebenso gewaltbereiten Antikommunismus der Rechten und ehemaligen Nazis zusammen.

Dem hatte die demokratische Öffentlichkeit wenig entgegen zu setzen, war sie doch immer bemüht, diese Aktivitäten peinlich genau zu verdecken. Sie passten nicht ins Bild der neuen repräsentativen Demokratie. Eine Reihe merkwürdiger Details ässt darauf schliessen,  wie sehr in Österreich dieses Beziehungsflecht von Politik, Medien, gewendeten Nazis und alliierten Einflussagenten wirksam gewesen ist.
So konnte sich eine verdeckte Struktur entwickeln, die sich der direkten politischen Kontrolle entzog und effektives Handeln im Hintergrund erlaubte. Die Bevölkerung selbst sah keinen wirklichen Anlass, Gewissenserforschung und Vergangenheitsbewältigung zu betreiben. War man sich doch im allgemeinen bewusst, dass man sich zur Kooperation und Integration entschieden hatte. Kurt Waldheims Wahlerfolg beruhte vor allem auf der empfindlichen Störung dieses stillen Konsenses.

Die Nazis konnten damit rechnen, dass über ihre persönlicheVergangenheit Stillschweigen bewahrt bleibt. Die mangelnde österreichische Aufarbeitung der Vergangenheit erweist sich zwangsläufig als Folge eines zu Beginn des Kalten Krieges geschlossenen politischen Geschäftes.
Erst die zu Recht nicht endenden Diskussionen um den Holocaust und um die Zwangsarbeit haben die historischen Fakten des Nationalsozialismus wieder in grelles Licht gesetzt und zeigen das wahre Bild, das sich eben nicht verstecken lässt. So wie Tschernobyl auf Jahrhunderte eine von Menschen verursachte Wunde in der Natur, ist der Holocaust eine schwärende, nie verheilende Wunde in der Geschichte der Menschheit.
Die Ausreden und die Rücksichtsnahmen des antikommunistischen Bündnisses sind aus zeitlichem Distanzgewinn und bedingt durch die weltpolitischen Veränderungen des vergangenen Jahrzehnts, des Zusammenbruchs des Sowjetkommunismus nicht mehr nötig und nicht angebracht.
Weil es diese Ausrede nicht mehr gibt, lässt sich nun das Bild das Nationalsozialismus mit seinen schrecklichen Erscheinungen offener zeigen. Nicht nur Haider hat den Nationalsozialismus verniedlicht. Fast die gesamte österreichische Bevölkerung hat dieses üble Spiel über Jahrzehnte hinweg mit gespielt. Wohl  um das politische Geschäft des Kalten Krieges wissend. Dieses Land muss nun zur Kenntnis nehmen dieses von Siegern und Verlierern eingegangene  Geschäfth eute ohne Belang ist. Die USA haben weitgehend erreicht, was sie erreichen wollten und ihre Helfer sind ihnen bei weitem nicht so wichtig, wie diese selbst angenommen haben.

2001 haben die USA die CIA-Akte Kurt Waldheims freigegeben. Sie wird keine grossen Sensationen bergen. Selbst wenn aus dem frei gegebenen Material hervorgehen würde, dass Waldheim ein Mitarbeiter der Agency gewesen ist, wäre dies keine besondere Überraschung. Sein erster Chef, Aussenminister Karl Gruber, galt immer schon als Verbindungsmann der Amerikaner. Wie hätte sich ein Minister eines militärisch besetzten Landes dem Zugriff der geheimen Dienste der Besatzungsmacht entziehen können ? Die Verhältnisse und Beziehungen haben sich aus einer bestimmten Konstellation in zwingender Logik entwickelt.
Hinzu kommt, dass den Österreichern die Amerikaner bei weitem sympathischer und willkommener gewesen sind, als etwa die von vornherein missliebigen Sowjets. Vor allem gaben die Amerikaner Geld im Rahmen des Wiederaufbauprogramms der Marshall Hilfe. Die Sowjets versprachen nicht einmal ungewisse Zukunft. Die Waldheim Akte enthält keinerlei Hinweise auf eine Erpressung Kurt Waldheims weder von östlichen noch westlichen Diensten. Es habe auch keine Zusammenarbeit mit der CIA gegeben. Die Akte beinhaltet ebensowenig Hinweise auf Kriegsverbrechen, die man Waldheim nachgesagt hat. Wozu also die ganze Aufregung.
Möglich, dass die CIA nicht alles Material veröffentlicht hat. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass Vorgänge, die verdeckt gehandhabt wurden, auch weiterhin in der Geschichte verdeckt bleiben. Wir wissen nicht, ob es weitere Materialien zu Waldheim überhaupt gibt. Wir können also nur mutmassen. Oder sagen: Da war nichts.
Warum entfernen sie Waldheim nicht von der Watchlist. War da etwas anderes und wollen sie bloss nicht zugeben, mit Leuten wie Waldheim zusammengearbeitet zu haben.
Die Nazis planten von sich aus die Auslöschung der Erinnerung an ihre Verbrechen. Die Asche der Opfer sollte in alle Winde zerstreut werden.
Am Ende steht jener denkwürdige Satz von Waldheim: Ich habe von nichts gewusst. Diesen Satz teilt er mit vielen Österreichern und Deutschen.
Jenen Österreichern, denen der nationalsozialistische Hintergrund der antikommunistischen Allianz aus antifaschistischer Haltung heraus zuwider war, die eher dem Osten sich zuneigten, blieb es nicht erspart, vom Kommunismus bitter enttäuscht zu werden.
Der Kommunismus geriet nicht nur zum Terrorregime. Er war es von Anbeginn an. Diese bittere Desillusionierung war die Voraussetzung weiterer amerikanischer Aktivitäten. Sie finanzierten im Kalten Krieg in verdeckter Form ein ganzes Netz von linksliberalen Intellektuellen, die den Stalinismus und den sowjetischen Kommunismus in schärfster Weise angriffen.

Es hat  insgesamt wenig demokratischen Spielraum gegeben. Alternativen im Spiel sind  kaum möglich gewesen So gesehen hat die missglückte Bewältigung der Vergangenheit nicht bloss verlogene, sondern ebenso tragische wie schicksalshafte, verhängnisvolle Facetten. Das muss  in der Diskussion und in der Beurteilung des Vergangenen berücksichtugt werden.
Es hat im Österreich der 2.Republik nie einen nationalsozialistischen Restuntergrund, abgesehen von ein paar Verrückten, gegeben. Alles war legitimiert, soweit es sich im neu abgesteckten Rahmen bewegte und an diese Spielregeln hat man sich auch weitgehend gehalten. Das Spiel ist nun vorüber und die zweite Republik steht vor den Trümmern einer zwangsläufig zerfallenden Identität. Die künstlich errichtete Fassade der Unschuld ist zerfallen, abgebröselt. Für das Verbrechen der alten Gespenster muss ein halbes Jahrhundert später nochmals in barer Münze bezahlt werden.

Charakteristisch für eine der Strategien des Kalten Krieges sind die Pürgger Dichterwochen im obersteirischen Pürgg in den  Jahren 1953 bis 1955. Ehemalige NS-Schriftsteller aus Österreich und Deutschland, prominente Ständestaatautoren, Vertreter der Verlage, des österreichischen Rundfunks und der Presse wurden vom steirischen Landeshauptmann Josef Krainer mehrmals nach Pürgg eingeladen. Viele der geladenen AutorInnen wurden nach Ende des Krieges auf den Verbotslisten der Alliierten geführt. Zu Beginn der 50 er Jahre versuchte man offensichtlich, sie wieder in das offizielle Kulturleben zurück zu holen.

Während Autoren und Autorinnen in Pürgg zusammensassen und keinen Weg in die Zukunft fanden, wurden Österreichs Schüler und Schülerinnen die Rahmenbedingungen der neuen Zeit im Unterricht nahe gebracht.
So zählte der österreichische Klassiker Franz Grillparzer zur identitätsstiftenden Schulliteratur.
Jeder österreichische Schüler und Schüler musste das Loblied Ottokars von Horneck aus König Ottokars Glück und Ende auswendig lernen. Folgende Stelle daraus ist im Unterricht besonders betont worden.

Es ist möglich, dass in Sachsen und beim Rhein
es Leute gibt, die mehr in Büchern lasen;
Allein, was not tut und was Gott gefällt,
der klare Blick, der offne, richtge Sinn,
da tritt der Österreicher hin vor jeden,
denkt sich sein Teil und lässt die anderen reden.

Sich bloss sein Teil denken und schweigen, das ist Gott gefällig und gefiel auch dem Staat der Nachkriegsjahre, der uns dieses Verhalten nahe gelegt hat.
Während in den USA die Freiheit der Rede und die unumschränkte freie Meinungsäusserung das höchste Gut ist, ist im Österreich der Nachkriegszeit und des Wiederaufbaus - auch am Rhein und in Sachsen, das Schweigen vornehm wie opportun gewesen. Das Schweigen über die Vergangenheit, das Schweigen über die damalige Gegenwart.
Das Vorrecht der freien Rede war bei den Alliierten, während die Österreicher in gottgefälliger stummer Demut, ohnehin schon gewohnt aus Kaiserzeit, autoritärem Ständestaat und Hitlerdiktatur, sich in die repräsentative Demokratie einzuordnen hatten.
Wählen war höchste Bürgerpflicht, aber nicht denken und mitreden, und schon gar nicht kritisch denken und laut mitreden.

Erst in den Studentenunruhen der 60 er Jahre wurde diese Tabuisierung aus der Zeit der Reeducation und des Wiederaufbaus sowohl in Österreich wie auch in Deutschland gebrochen und ein freier, unumschränkter Diskurs begonnen, der viel Unmut und Emotionen hervor gerufen hat.

Wo bloss geschwiegen werden soll, entstehen permante Emotionen in Gesellschaft und Politik, die den von Grillparzer konstatierten klaren Blick und offnen richtigen Sinn gar nicht erst zu lassen. Dagegen hilft nur Aufklärung und bedachtes entknoten all der geschickt geschürzten Knoten und Doppelbindungen im staatlich wie politisch verordneten Identitätsbau.

Ein weiteres identitätsstiftendes und eben so auswendig zu lernendes Stück deutscher Dichtung ist Friedrichs Schillers Bürgschaft gewesen.
An Stelle des überzeugten Tyrannen lassen sich Hitlers Gefolgsleute setzen, mit denen im Bündnis nun ein anderer Tyrann bekämpft werden sollte. Diesmal jedoch unerbittlich. Und dieser Kampf gegen den Kommunismus beschäftigte Alliierte und ihre neuen Bündnispartner in Österreich und Deutschland bis zum Fall der Berliner Mauer und des Sowjetreiches. Um diese Spielregeln des Kalten Krieges kennen zu lernen, bedarf es eines Blickes in dessen Anfänge.
 




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