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ADMONTINISCHES UNIVERSUM II

copyright by Franz Krahberger


Bartholomeo Altomonte: Die Typographie
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Meine Untersuchung der Admonter Bibliothek war auf das programmatische Gesamtkunstwerk Bibliotheksaal gerichtet und vom informationstheoretischen Gesichtspunkt "Speichermedium" und Organisation unterschiedlicher Inhalte bzw. unterschiedlicher Datenvolumen, also Speicherverwaltung mit bestimmt.

Aufmerksamkeit wurde auch auf Entwicklung der Schrift und des Buchdrucks, also auf Handschriften, Inkunabeln und Druckwerke, die zeitgebundene Sammeltaetigkeit und damit auf die Entwicklung der Bibliothek gerichtet.

Eine gute Hilfestellung bot hier das Buch Die Schwarze Kunst von S.H.Steinberg. Hier sind unter anderem wesentliche Drucker, Verleger und exemplarische Druckwerke, Chroniken und Sammelwerke aufgelistet, die von mir in weiten Teilen mit dem Bestand der Admonter Bibliothek verglichen und auch vorgefunden wurden. Aus der Beschaeftigung mit dem Bibliotheksbestand selbst sind entsprechend interessante Einsichten erwachsen. Der zentrale Zettel - Katalog der Stiftsbibliothek Admont, wie er von Dr.Tomaschek in der jetzigen Form eingerichtet wurde, laesst fruehere Ordnungssysteme und deren Um- bzw. Neuordnung erkennen und nachvollziehen.

Eine zweite Suchlinie betraf die Kombinatoriker und Systematiker Ramon Lull, Henrici Alstedi, Athanasius Kircher, Leibniz, Morhof, deren Werke ebenfalls Bestand der Admonter Bibliothek sind.

opera omnia

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Im Fall von Lull und Leibniz lassen sich konkrete Verbindungen zur modernen Informatik und Datenverarbeitung herstellen.Lull gilt mit seiner kombinatorischen Ars Magna, die von Athanasius Kircher wieder aufgenommen und fortgefuehrt wurde, als Vorlaeufer der modernen Computertheorie und Praxis. Leibniz fuehrte, auf Grund seiner aktuellen Kenntnisse der chinesischen Kultur, das binaere System in die europaeischen Wissenschaften ein. Es sei jedoch in diesem Zusammenhang angemerkt, dass diese fruehen Formen formaler Logik ihren Anspruch als universelle Denk- und Welterklaerungsmaschinen nie wirklich voll erfuellen konnten, da sich offensichtlich die Welt nicht voellig in logischer Systematik abbilden laesst. An diesem Vorhaben ist auch das Wittgensteinsche Frühkonzept gescheitert.

Heinrich Alsted ist wohl als der wesentlichste Wissenschaftssystematiker seiner Zeit und auch fuer ihm nachfolgende Epochen praegend anzusehen. Schriften hiezu :

  • Umberto Eco, Auf der Suche nach universalen Sprache, C.H.Beck Verlag, Muenchen1994
  • Wilhelm Schmidt Biggemann, Topica Universalis - Eine Modellgeschichte humanistischer und barocker Wissenschaft, Paradeigmata 1, Felix Meiner Verlag Hamburg, 1983
  • Werner Kuenzel, Peter Bexte, Allwissen und Absturz - Der Ursprung des Computers, Insel Verlag, Frankfurt 1993

    Bibliotheken koennen allgemein als Wissensspeicher beschrieben werden. Die Notwendigkeit der systematischen Ordnung des Bibliotheksinhalts hat sich zwangslaeufig ergeben. Erst die systematische Ordnung ermoeglicht den raschen Zugriff auf das gewuenschte Sachgebiet und auf den bzw. die gewuenschten Titel. Klare systematische Instruktionen waren noetig, um die anwachsenden Bibliotheksbestaende zu ordnen und ueberschaubar zu halten.

    Bibliographische Systeme, die der wissenschaftlichen Anordnung zur Herstellung eines Kataloges und damit dem inhaltlichen Zugang dienen, stehen in enger Beziehung zur Wissenschaftssystematik und in einem etwas weiter gefasstem Sinn zur Informatik und Datenverarbeitung. (siehe auch M.Denis - 1778, Trattner, Wien Einleitung in die Buecherkunde) Betreiber von Bibliotheksanlagen waren ab einem bestimmtem Zeitpunkt mit stetig wachsenden Mengen von Wissenaufzeichnungen und mit einer sich vergroessernden Vielfalt der Wissensgebiete konfrontiert, die auf Dauer zugaenglich zu halten waren. Hier spielt nicht nur die formale Ausrichtung eine Rolle, sondern es kommt durch den paradigmatischen Wechsel der Wissensgebiete und Wissenszweige zu inhaltlichen Neuordnungen, in denen dem Wissenstand der Zeit entsprechend inhaltlich Genuege getan werden musste. Ebenso bedurfte es bei Bibliotheken wie Admont, die auch nach aesthetischen Gesichtspunkten ausgerichtet wurden, einer ausgefeilten raeumlichen Anordnung, die auch die Groesse der Formate zu beruecksichtigen hatte, um diese moeglich platzsparend und visuell einheitlich unterzubringen.

    Von besonderem Interesse und einzigartig auch im Vergleich mit anderen Bibliotheken erweist sich das visuelle Programm, die Bibliotheksoberflaeche der Admonter Stiftsbibliothek. Die Fresken , Konsolbuesten und das Skulpturenprogramm, die hier zu einem Gesamtkunstwerk verschmolzen wurden, bilden einen umfassenden Kosmos religioeser, mythologischer, ethischer, humanwissenschaftlicher und naturwissenschaftlicher Inhalte. Sie sind aufeinander bezogen und in einer bestimmten Bedeutungshierarchie angelegt. Entsprechend der religioesen Ausrichtung des Ortes ist die goettliche Offenbarung und die Geschichte der katholischen Religion Thema des zentralen Freskos. Diesem zur Seite stehen in einer Richtung die Theologie, die Medizin , die Kuenste und die Kunstfertigkeiten und in der anderen die Jurisprudenz , Philosophie und Geschichte, sowie die Didaktik. Diese Hauptklassen sind wieder entsprechend differenziert und unterteilt. Dieser Ordnung laesst sich das seit dem Mittelalter geläufige und heute noch gaengige Bild des sich verzweigenden Baumes sehr schoen unterlegen.

    Und tatsaechlich folgen die Wissenschaftssystematiken eines Alstedis, eines Kirchers dem urspruenglichen Lullschen Modell und es bildet hier in kuenstlerischer und inhaltlicher Ausformung eine eindrucksvolle Entsprechung.

    Charakteristisch ist die Verwendung von Sinnbildern, die Bestand des allgemeinen barocken Bildungsgutes waren. Darstellungen von Personen mit bestimmten Attributen (Symbolen) stehen fuer bestimmte Wissensgebiete. Ikonische Darstellungen finden wir unserer heutigen Welt wieder im alltaeglichen Bereich in Form von Piktogrammen und in Form von Ikons auf den Oberflaechen der gaengigen Computerprogramme, Spiele und elektronischen Buecher. Auffallend im Admonter Bibliotheksprogramm ist der ausgepraegte humanistische Gehalt sowohl in Konsolbuesten wie auch im Freskenprogramm. Goetterdarstellungen der griechisch/roemischen Mythologie haben hier ebenso ihren Platz gefunden wie die klassischen Philosophen, Dichter, Maler und Bildhauer. Die Darstellungen von Kuenstlern ueberwiegen. Die immer wieder monierten Anlehnungen an die Programmatik Grans und damit der von Conrad Adolf von Albrecht lassen sich im Vergleich nur in Teilen feststellen. Natuerlich entspricht die Admonter Konzeption sowohl dem Stil der Zeit, wie auch dem vorherrschenden Geist. Sie weist jedoch eine besondere wissenschaftsorientierte Strukturierung auf, der bislang in ihrer Besonderheit zuwenig Beachtung geschenkt wurde.

    Die Konzeption selbst duerfte in Zusammenwirken von Abt Matthaeus Ofner und Bartholomeo Altomonte entstanden sein. Sie zeugt vom ausgepraegten Willen, das Stift Admont als geistiges Zentrum weiter auszubauen und gemaess dem Stil der Zeit zu verstaerken. Genaues wird sich da jedoch nicht feststellen lassen, da das Archiv des Stiftes der Brandkatastrophe von 1856 zum Opfer gefallen und damit auch der Altomonte vorgelegte synoptische Plan des universalistisch enzyklopaedischen Programms vom Typ conubium virtutis ac scientae, also des Bündnisses von Tugend und Wissenschaft unter der Führung der Religion. Neu am Admonter Programm ist nach Martin Mannewitz (Stift Admont, Beitraege zur Kunstwissenschaft, Bd 31, Scaneg-Muenchen 1987) “die Darstellung des Wissenschafts, Bildungs- und Erkenntnisganges, sowie die die antithetische Verknuepfung von natuerlicher und geoffenbarter Erkenntnis.

    Absichtsvolles Handeln in Hinsicht auf groessere kuenstlerische Vorhaben laesst sich jedoch bereits bei Abt Meinersberg, dem direkten Vorgaenger des Bibliotheksbauherren Matthaeus Offner, feststellen. Er war es, der den mit der Kunstgeschichte des Stiftes und der zugehoerigen Pfarren untrennbar verbundenen Stiftsbildhauer Joseph Stammel ein Stipendium in Rom vermittelte. Stammel eignete sich da vor allem die Kenntnis der Bernini' schen Werke und dessen Stils an. Meinersberg zog ebenso den Augsburger Maler Goez nach Admont. Augsburg war zu dieser Zeit ein wichtiges kuenstlerisches wie auch verlegerisches Zentrum des mitteleuropaeischen Raumes. Die kuenstlerischen Verbindungen nach Wien liefen vor allem ueber die Maler Altomonte, Vater und Sohn, die lange vor dem konkreten Bibliotheksbau von Meinersberg zu Rate gezogen wurden. Und so kann durchaus angenommen werden, das das Vorbild der Admonter Konsolbuesten im Hermenpark des Schlosses Belvedere, der antike Gottheiten, Sybillen, Philosophen, Herrscher und Helden zeigte, zu finden ist. Diese 70 Buesten sind leider in der ersten Haelfte des 19.Jahrhunderts verschwunden und nur mehr durch die Angaben Salomon Kleiners in Kenntnis. Altomonte per spielte in der Ausgestaltung des Belvederes eine wesentliche Rolle.(siehe Gottfried Mraz, Belvedere- Schloss und Park des Prinzen Eugen,Herder Wien, 1988) Das Admonter Konsolbuestenprogramm wurde von Stammel nach dem Vorlagenbuch der "Deutschen Akademie" des Joachim von Sandrart hergestellt. Sandrart ist durchaus vergleichbar mit Vasari und Alberti und war sowohl ausfuehrender Kuenstler wie auch Chronist der Kuenste und deren geistigen und technischen Grundlagen. Sein Stellenwert ist vor allem darin zu finden, dass er die Kenntnis der klassischen Kuenste in deutscher Sprache vermittelte und so wesentlich zu Wissens und Technologietransfer aus dem italienischen Raum, in dem es im Zuge der Renaissance zu einer Wiederaufnahme der klassischen Vorstellungen kam, in den mitteleuropaeischen Raum beitrug.

    Diese Vorlagenbuecher, zu denen etwa auch die Kunst der Perspektive des Andrea Pozzo zu zaehlen ist, ist fuer die Entfaltung der barocken Bautaetigkeit ueber Grossraeume hinweg von grosser Bedeutung. Sie sind wesentlicher Bestandteil jener corporate identity, die Barock und Gegenreformation zu ihrer gesamteuropaeischen Wirkung verhalfen. Sie sind sozusagen die Basisbauplaene einer gesamten Epoche.

    Diesen raumuebergreifenden Bemuehungen entsprechen auch die Bestrebungen des Abtes Meinersberg, sich ueber persoenliche Kontakte Informationen ueber den Stand der kuenstlerischen und kulturellen Entwicklung in den Zentren der geistigen und weltlichen Macht zu besorgen.

    Ebenso gesichert erscheinen die Bemuehungen, den Stand des Bibliotheksinhaltes, also der angebotenen Druckwerke, durch permanenten Informationsaustausch mit verlegerischen Zentren und mit kloesterlichen Partnern, die ebenfalls institutionelle Bibliotheken betrieben, aktuell zu halten und auszubauen. Zeitvergleiche von Titelaufnahme in den Bestand der Bibliothek und Erscheinungszeitpunkt des jeweiligen Druckwerkes bestaetigen diese Aktualitaet.

    Vieles deutet darauf hin, dass die Admonter Aebte ueber die Zeiten hinweg Beziehungen zu den wichtigen europaeischen Buchhandelszentren gepflogen haben. Wie weit dieses angesammelte Wissen dann tatsaechlich umgesetzt und vermittelt wurde, laesst sich dem gegenwaertigen Stand nach schwer vermitteln. Man kann jedoch annehmen, dass die Bibliothek in direktem Zusammenhang mit den schulischen Pflichten und Aufgaben, die Admont im regionalen und ueberregionalen Bereich entwickelte, eine grosse Rolle gespielt hat. In der neueren Forschung wird allgemein deutlich (u.a. Lewis Mumford, Der Mythos der Maschine, Europaverlag Wien, 1974) welch gewichtigen Einfluss die Kloester auf die geistige und zivilisatorische Entwicklung der europaeischen Gesellschaft und Kultur genommen haben. Den Benediktinern mit ihrer pragmatischen Orientierung muss hier besonderes Gewicht zugesprochen werden. Wesentlich waren diese Stifte und Kloester vor allem fuer die Entfaltung des regionalen Raumes und sie hoben in ihrer Funktion das kulturelle Gefaelle zwischen Stadt und Land auf. Sie waren voll wirksame Koerper sowohl in der Einfuehrung von Bildung, Erziehung und Technologien. Gerade an den weitverzweigten Taetigkeitsbereichen des Stiftes Admont laesst sich diese komplexe Wirkunsgeschichte ablesen. Stifte wie dieses waren fuer die Regionen Tore zur grossen Welt und sorgten grossraeumig uebergreifend fuer gleichmaessige Entwicklungen. Diese kulturelle und wirtschaftliche Effizienz war ihnen durch kontinuierliche Akkumulation moeglich. Vor allem konnte auf der Basis des bereits Erworbenen langfristig geplant und verwirklicht werden. Bedingt durch die innerste Sozialstruktur des moenchischen Wesens, des Bekenntnisses zur persoenlichen Besitzlosigkeit, musste die materielle Expansion vor allem auf die Umgebung wirken und dieser zugute kommen. Diese Gemeinschaften bildeten, der jeweiligen Region angepasst, universelle Strukturen aus, die sich sowohl geistig wie auch materiell manifestierten. Natuerlich unterlagen auch diese Koerper den Wechselfaellen der Geschichte, dem Auf- und Ab der Konjunkturen, dem Wechsel von Aufschwung und Niedergang. Was sie jedoch auszeichnet, ist die Dauer, die sie allen Widrigkeiten zum Trotz erringen konnten. Diese Fortdauer jedoch ist jedesmal wieder aufs neue zu erringen.

    Und so strahlt Admont nicht nur jene Ruhe aus, die allen religioes orientierten Staetten eigen ist, sondern auch Gelassenheit, die auf einer erstaunlichen wirtschaftlichen Stabilitaet beruht.

    Und gerade diese pragmatische Orientierung duerfte es sein, die sich ueber allen zeitgemaessen Pomp des Bibliotheksprogramms hinaus, diesem seine eigentuemliche Charakteristik verleiht. In Admont wurde sowohl der religioese, der humanistische und der naturwissenschaftliche Zweig zeit des Bestandes geuebt.

    Eine zentrale Position im Admonter Programm nimmt das memento mori Ensemble der "Vier letzten Dinge" ein, die Mahnung an den Menschen, das jeder vor das letzte Gericht zu treten hat, vor dem ueber sein Leben und Wirken befunden wird. Es gibt im Katholizismus keine wertfreien Haltungen, jede Handlung, jeder Schritt wird in Richtung auf Ziel und Wirkung bestimmt, in Hinblick auf das letzte Menschengericht.

    Dieser Forderung nach sittlichem Handeln entspricht auch das "conubium virtutis ac scientae". Die Ethik ist auf alle Wissenschaften ausgedehnt.

    In dieser Zusammenstellung der Programminhalte wird ein zentrales Anliegen des barocken Geistes deutlich, dass in Verkehrung des Inhaltes jedem von uns bereits in Gestaltung der Faust-Thematik durch J.W.Goethe nahegebracht wurde. Anstatt des Bündnisses mit der göttlichen Tugend schliesst dieser einen Pakt mit dem Teufel. Sosehr Goethe als klassischer Autor praesentiert wird, so tief ist er im Denken des Barock verwurzelt.

    Die bereits angedeutete Unterscheidung von natuerlicher Erkenntnis von geoffenbarter weist in Richtung Aufklaerung. Das Fresko Aurora, die Morgenroete, dass in der ur- spuenglichen Begehungsweise als das erste in der Reihenfolge anzusehen ist, kuendet von der belebenden und befruchtenden Wirkung des Geistes, verdammt den Muessiggang und die Unwissenheit, und weist hin auf die Bedeutung des Studiums der Dialektik und der Sprachen des klassischen Altertums sowie des Hebraeischen. Das Hebraeische hat innerhalb der Geschichte des Christentums zentrale Bedeutung, ist es doch die Sprache, in der sich Gott im alten und neuen Testament geoffenbart hat, und so ist auch der Namenszug Gottes in hebraeischer Schrift im Zentrum des zentralen Freskos der goettlichen Offenbarung angebracht. In diesem Zusammenhang ist nicht nur auf die zentrale Stellung des Wortes, und damit auch der Schrift , im Christentum hinzuweisen sondern auch auf den Ideen- und damit Sprachtransfer aus dem hebraeischen in die unterschiedlichen europaeischen Kulturen und Ethnien, wie dies etwa der sprachkritische Fritz Mauthner in seinem Philosophischen Woerterbuch praezis und umfassend darstellt. Dass dieser Transfer, diese Ueberlagerung, immer wieder zu Identitaetskrisen, wie etwa die Unterscheidung zwischen heidnischer und chrislicher Renaissance ( siehe etwa den Kichengeschichtler Dr.Ludwig Pastior) fuehrte, ist nicht zu uebersehender Teil der europaeischen Geschichte.

    Diese Ding- (Fleisch-)Werdung des Christentums ueber Sprachwerdung laesst sich auch schoen aus dem zentralen Fresko ablesen,das die grossen Propheten, Evangelisten, Exegeten, Uebersetzer und Interpreten in ihrer geschichtlichen Abfolge zeigt.

    Auffallend in Zusammenhang mit den anderen ist die ueberwiegende Verwendung von weiblichen Darstellungen, die in Verbindung mit entsprechenden Attributen als Ikon der unterschiedlichen Disziplinen eingesetzt werden.

    Der Mittelraum wird bestimmt durch die "Vier letzten Dinge", also zentrale Glaubensinhalte, durch die goettlichen Tugenden und das Fresko der goettlichen Weisheit und Offenbarung. Dieses Fresko beinhaltet in Sinnbildern an erster Stelle die goettliche Weisheit, den alten und den Neuen Bund und, wie bereits kurz vorher erwaehnt, Propheten des alten Testamentes, die vier Evangelisten des neuen Testamentes sowie Darstellungen der Kirchenvaeter und Kirchenlehrer. Eine Gruppe von Irrlehrern steht als Mahnung, den richtigen Weg einzuhalten.

    Den richtigen Weg weisen die beiden zur linken und zur rechten angeordneten Fresken der Jurisprudenz und der Theologie, die die christlichen, ethischen und zivilen Tugenden festhalten und die menschlichen Schwaechen anprangern. Das Feld der Jurisprudenz weist geistliches und weltliches Recht, kirchliche und weltliche Strafen, aber auch die Belohnung der guten Taten. Ebenso sind die christlichen Tugenden angefuehrt.

    In der einen Richtung wird mit dem Fresko der Philosophie und der Geschichte fortgesetzt und in der anderen Richtung folgen das Fresko der Medizin, das auch die Naturwissenschaften beinhaltet.

    Abgeschlossen wird die Freskenreihe mit den Kuensten und den Kunstfertigkeiten, einer Apollo musagetes Gruppe, die allerdings auch als Allegorie der Macht des Herrschers, wenn auch dieser an den Rand gerueckt erscheint, gelesen werden kann. Die Apollodarstellung war zur Zeit des Barock dem Herrscher vorbehalten und die Darstellung der Nautik mit Poseidon als zentrale Person der Figurengruppe kann als Symbol des Regierens angesehen werden. Es sei in diesem Zusammenhang an das griechische Wort kybernetike (techne), das die Kunst des Steuermanns bezeichnete, erinnert. Das hier auch die Typographie ihren Platz gefunden hat, kann in ihrem kuenstlerischen und literarischen Kontext ( die Musen) interpretiert werden, wie auch als wesentliches Element des Regierens und Verwaltens, etwa der Gesetzestext, die Aufzeichnung, Archivierung, also insgesamt die Schrift und Druckschrift, aber ebenso die enge Beziehung der Benediktiner zur Schrift, zum Buch und damit auch zu dessen Herstellung gesehen werden. So steht die Pragmatik symmetrisch abschliessend der Erweckung des Geistes zu Beginn der Freskenreihe gegenueber.

    Das Wesen der Zeit zeigen im Gesamtensemble wiederkehrende Embleme, der Schlangenring als Symbol der Ewigkeit, des ewigen Heils bzw. der ewigen Verdammnis. Die Figur des Chronos mit dem Attribut Sense im Fresko der Philosophie mahnt die Vergaenglichkeit an und die Jahresuhr nimmt eine zentrale Position in einer der Stirnwaende ein. Jahresuhr heisst der Zeitmesser deswegen , weil er nur einmal im Jahr aufgezogen werden muss. Alles ist in diesem Ensemble auf einander bezogen, so wie im Raederwerk der Uhr greift eins ins andere. Und das Uhren- und damit das Maschinengleichnis zaehlt zum rationalen Selbstverstaendnis des Barock. Trotzdem bleibt es eine leere Hoffnung alles Wissen so zu systematisieren, das kein Rest verbliebe und alles in System zueinander zu setzen waere. Die grossen enzyklopaedischen Anstrengungen des barocken Zeitalters , und zu ihnen zaehlen auch die Bibliotheksanlagen, waren in letzter Konsequenz zum Scheitern verurteilt. Es erging ihnen nicht anders als jenen Versuchen in unserem Jahrhundert, die nach einer vollkommenen Abbildbarkeit der Welt durch Sprache und Symbole getrachtet haben, also nach Spinoza jene Entsprechung von "Die Ordnung und Verknuepfung der Ideen ist dasselbe wie die Ordnung und Verknuepfung der Dinge".

    In der Vertikalen ergeben sich zwei Lesarten. Jene von unten nach oben wird durch die"Vier letzten Dinge" bestimmt. Der Weg des Wanderers kann nur nach zwei Richtungen hin entschieden werden. Hin zu Verdammnis, oder hin zur Erloesung, aufsteigend ueber die goettlichen Tugenden in die Welt der christlichen Offenbarung und in die Welt des Wissens, der Vernunft. Das heisst , dass der Wanderer eigentlich nicht einer endzeitlichen Loesung zustrebt, wie das etwa die vergroesserte Vorstellung der vier letzten Dinge, das juengste und letzte Gericht, waere, sondern dass sich die Himmelsvorstellung hier mit der Vorstellung des umfassenden Wissens zur goettlichen Allmacht verbindet. Aeltere mystische Vorstellungen des Christentums, wie etwa Engeln werden in diesem Fresko nicht mehr dargestellt. Alles ist mit konkreten Personen, Metaphern, Emblemen oder eben klassischer Mythologie verknuepft. Auch hier zeigt sich die sowohl die humanisierende und rationalisierende Grundtendenz des Barock wie auch die Saekularisierung der Glaubensinhalte. Der virtuelle Boden, dessen Grundidee ich in Zeichungen in der Keplerischen Schrift "Harmonici mundi" vorgefunden habe, bildet je nach Sichtpunkt Stufen, Treppen die in die Buecherschraenke weisen, also eine aufsteigende Tendenz ueber den Wissenserwerb andeuten.

    Die eingehende erwaehnte Baumstruktur kann von der Decke her als differenzierte Verzweigung in die einzelnen Schraenke, die einzelnen Wissensgebiete und in die einzelnen Werke weiter gedacht werden.

    Abt Matthaeus duerfte sich ueber die zunehmende Menge des Wissens und der damit verbundenen wachsenden Anzahl der Publikationen sehr klar gewesen sein. Das Volumen der Bibliothek wurde fuer das doppelte Volumen dessen ausgelegt, das zum damaligen Zeitpunkt in Admont vorhanden war. Im folgenden Jahrhundert wurde dieser Bestand jedoch mit Leichtigkeit aufgefuellt und mit Beginn dieses Jahrhunderts kann die umfassende Sammeltaetigkeit der Admonter Benediktiner auch als abgeschlossen angesehen werden.

    Bartholomeo Altomonte: Neptun & Aeolus
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