Giordano Bruno - Trilog


© Franz Josef Czernin

Vorbemerkung

In dem folgenden Dialog beschraenke ich mich auf zwei Aspekte des Denkens von Giordano Bruno: Der eine ist der Begriff der Materie, so wie ihn Bruno vor allem in seinen Dialogen Von der Ursache, dem Prinzip und dem Einen und Ueber das Unendliche, das Universum und die Welten entwickelt, und der andere ist das Korrespondenzensystem, der Zusammenhang der Dinge, insbesondere von oberen und unteren Welten. (Dieses Korrespondenzensystem, das sowohl Brunos Ars memoria als auch etwa den Dialog Ueber die Magie bestimmt.)
Allerdings verwandle ich mir beide Themen frei an; ich fuehre sie bestimmten Fragen zu, die mich selbst in meinem, auch poetischen Schreiben beschaeftigen.

*

Philosoph (dozierend): In einer naturwissenschaftlichen Theorie Denken, Entscheiden, Intentionaltiaet oder Selbstbewusstsein, also geistige Zustaende als solche der Materie zu erklaeren zu versuchen, enthaelt einen kategorialen Sprung: Eigenschaften, die alltaeglichem Sprachgebrauch zufolge hinreichend dafuer sind, dass etwas ein materieller Gegenstand ist, werden auf etwas uebertragen, das alltaeglicherweise ueberhaupt kein Gegenstand ist, oder auf etwas, dem alltaeglicherweise Eigenschaften zugeschrieben werden, die hinreichend dafuer sind, dass es ein nicht-materieller Gegenstand ist.

Giordano Bruno: Ach, diese vorherrschenden, alltaeglichen Zuschreibungen! Als ob man alltaeglicherweise wuesste, worauf sich das Wort Materie bezieht und worauf nicht.

Naturwissenschaftler: Ja, gar nichts weiss man alltaeglicherweise. Und wuesste man so etwas alltaeglicherweise, wozu brauchte man dann eine Natur-Wissenschaft?

Philosoph (unbeirrt): Dieser kategoriale Sprung, der Phaenomenen wie Denken, Entscheiden oder Intentionalitaet und Selbstbewusstsein verborgene Eigenschaften zuschreibt, die ihren Begriff fundamental veraendern, enthaelt jedenfalls eine radikale und schwerwiegende Umdeutung.

Dichter und Naturwissenschaftler (unisono): radikal und schwerwiegend!, um so besser!

Giordano Bruno (zum Dichter und zum Naturwissenschaftler): Ich vermute, ihr wisst beide nicht so ganz, worueber ihr so heftig uebereinstimmt.

Philosoph (unbeirrt): Es ist eine radikale und schwerwiegende Umdeutung, die nicht unmittelbar zur wissenschaftlichen Theorie selbst gehoert, zu ihrem Gehalt, sondern zu ihren Voraussetzungen oder zu den Schluessen, die man aus ihr zieht. Denn dass geistige Zustaende eigentlich materielle Zustaende seien, das kann nicht beobachtet und deshalb nicht verifiziert werden.

Giordano Bruno: Das haengt doch davon ab, was man beobachten und was man verifizieren nennt!

*

Philotheo: Weshalb die Wahrheit zu einem geringen Teil von den Sinnen herkommt, wie von einem schwachen Ausgangspunkt, aber nicht in den Sinnen ist.
Elpino: Wo denn also?
Philotheo: Im wahrnehmbaren Gegenstand wie in einem Spiegel, in der Vernunft in der Weise der Argumentation und Rede, im Intellekt in der Weise der Voraussetzung oder Folge, im Geist in der eigentlichen und lebendigen Form.
(‹ber das Unendliche, das Universum und die Welten)

Dichter: So ist - unter dem Gesichtspunkt einer angenommenen Alltaeglichkeit - der Sprachgebrauch einer Naturwissenschaft geistiger Zustaende ebenso poetisch wie in dem Satz der Mensch ist ein Loewe, wenn dieser woertlich genommen wird? Da doch eben dann die alltaeglich hinreichenden Eigenschaften dafuer, dass etwas ein Loewe ist, und kein Mensch, und jene dafuer, dass etwas ein Mensch ist, und kein Loewe, einfach ausser Acht gelassen werden?

Philosoph: Ja, genauso verhaelt es sich.

Giordano Bruno: Auch ihr beide, fuerchte ich, wisst nicht so ganz, worueber ihr so sehr uebereinstimmt, doch will ich euch bei eurem eigenen Wort nehmen: Deshalb sei also der alltaegliche Sprachgebrauch zum Masstab genommen, und eine naturwissenschaftliche Theorie geistiger Zustaende, die etwa das Denken oder das Selbstbewusstsein als materielle Prozesse zu erklaeren unternimmt, als uebertragene Redeweise begriffen, als ein Gebrauch rhetorischer Figuren.

Naturwissenschaftler: Gedanken als materiell zu behaupten, ist wie Menschen als Loewen zu behaupten? Als ob die Wahrheit in unserer Wissenschaft keine Rolle spielen wuerde!

Giordano Bruno: Von Wahrheit koennte doch nur dann nicht die Rede sein, wenn uebertragene Bedeutung sogleich uneigentliche Bedeutung impliziert und also woertliche Falschheit.

Philosoph und Dichter (wie aus einem Mund): Aber uebertragene Bedeutung heisst eben uneigentliche Bedeutung und woertliche Falschheit! Menschen sind doch keine Loewen!

Giordano Bruno (lacht): Ja, mag sein, dass das alltaeglicherweise so verstanden wird.

*

Die Magier nehmen es fuer ihr Axiom, das in jeder Operation vor Augen zu halten sei, dass Gott die Gueter beeinflusse, die Goetter die (himmlischen Koerper oder) Sterne beeinflussen, welche koerperliche Gueter sind, und dass die Sterne wiederum die Daemonen beeinflussen, welche die Bewahrer und Bewohner der Sterne sind, von denen einer die Erde ist. Weiter beeinflussen die Daemonen die Elemente, die Elemente das Vermischte, das Vermischte den Sinn, der Sinn die Seele, die Seele das ganze Lebewesen. Das ist der Abstieg auf der Leiter (...)
(‹ber die Magie)

Philosoph: Eine naturwissenschaftliche Theorie geistiger Zustaende soll also als uebertragene Redeweise begriffen werden?
Heisst das beispielsweise, dass, wenn eine solche Theorie den alltaeglichen Begriff des Denkens, des Entscheidens oder der Intentionalitaet oder gar des Selbst-Bewusstseins auf die materielle Spur uebertraegt (die durch solche, sagen wir, geistigen Zustaende im Gehirn oder in manchen seiner Teile hinterlassen wird), die bekannte rhetorische Figur der Metonymie gebraucht wird?

Giordano Bruno: Tatsaechlich, so verhielte es sich dann.

Naturwissenschaftler: Das ist nichts als ein Missbrauch der rhetorischen Termini!

Philosoph: Und wuerde dann nicht eine andere Variante derselben Figur gebraucht, wenn eine neurophysiologische Theorie annehmen liesse, die materiellen Ereignisse des Gehirns, oder das Zusammenspiel bestimmter seiner Teile oder Areale, seien die Ursache des alltaeglicherweise Denken oder Entscheiden, Intentionalitaet oder des Selbstbewusstsein Genannten, obwohl jene geistigen Phaenomene selbst nicht als materiell beziehungsweise mit dem Gehirn identisch angenommen werden. - So als ob etwas Materielles etwas verursachen koennte, das nicht materiell oder wenigstens nicht auf seine materiellen Aspekte reduzierbar sei?

Giordano Bruno: Ja, so verhielte es sich dann allerdings!

Naturwissenschaftler: Aber das wuerde ja bedeuten, dass in diesem Fall gerade der wissenschaftliche Gebrauch von Woertern der uneigentliche waere?! Als ob es einen uebertragenen Sinn haette, wenn man sagen wuerde, der Mensch ist ein Saeugetier

Dichter: Ja, die Poesie ist auch in der Wissenschaft verborgen!...

Dichter: Nimmt man aber an, dass eine solche Theorie den alltaeglichen Begriff geistiger Zustaende aufgrund irgendeiner Aehnlichkeit auf materielle Ereignisse uebertraegt, dann waere dieser Sprachgebrauch als metaphorisch zu klassifizieren?

Giordano Bruno: In der Tat, so waere hier zu klassifizieren.

Naturwissenschaftler: Das ist doch himmelschreiender Unsinn!

Philosoph (sachlich): Unsinn ist es nicht, das ist eine Moeglichkeit, eine Denkmoeglichkeit

Giordano Bruno (zum Naturwissenschaftler): Eine Wirklichkeit, und nicht allein eine Denkwirklichkeit! Und eine Wirklichkeit, die ziemlich nahe liegt. Denn nimmt nicht gerade deine Wissenschaft an, dass das Gehirn sich ganz aehnlich verhaelt wie...sagen wir... einerseits wie ein Himmel voller Elemente, voller Sterne etwa, die aufeinander einwirken, und andererseits wie eine Unzahl von Bewusstseinsentitaeten?

Naturwissenschaftler: Wie das?

Giordano Bruno: Sagt uns Eure Wissenschaft heute nicht, dass das Gehirn...sagen wir... eine Milchstrasse von einander auswaehlenden oder verwerfenden, ueber- oder unterordnenden, erregenden oder hemmenden, anziehenden oder abstossenden Elementen oder Elementegruppen ist, dass es ein vielstimmiges Konzert von Wechselwirkungen, ein myriadenhaftes und dennoch hoch differenziertes und komplexes Zusammen-, aber auch Auseinanderstimmen ist?

Naturwissenschaftler: Ja, einverstanden. Das stimmt mit unseren Forschungen so ungefaehr ueberein oder...koennte wenigstens mit ihnen uebereinstimmen.

Dichter: Ja, wunderschoen, einverstanden! Grossartige Vision, ob sie nun wahr ist oder falsch.

Philosoph: Ich weiss nicht..., solche Metaphern koennen doch sehr missverstaendlich sein! Dieser allzu ueberschwaengliche Sprachgebrauch...

Giordano Bruno: Angenommen, also man akzeptiert jenes Bild des Gehirns als vielstimmiges Konzert von Wechselwirkungen, als ein myriadenhaftes und dennoch hoch differenziertes und komplexes Zusammen-, aber auch Auseinanderstimmen, in dem etwa Zellen oder Zellengruppen auswaehlen, Entscheidungen treffen oder einander gar Informationen zukommen lassen.

Naturwissenschaftler: Nun, ja so koennte man es ausdruecken.

Dichter: Das uebertragene und das Uneigentliche, das Poetische ist aber nun wirklich mit den H‰nden zu greifen! Denn wenn man woertlich nimmt, dass Zellen Entscheidungen treffen, dann kann man ebensogut woertlich nehmen, dass Menschen Loewen sind!

Naturwissenschaftler: Doch nur, wenn man die Alltagssprache zum Masstab nimmt. So wie in der Poesie sich die woertlichen Falschheiten in Metaphern verwandeln, so verwandeln sich die woertlichen Wahrheiten der Wissenschaft in der Alltagssprache in Metaphern – weil ihre Wahrheit verloren geht oder ihr Anwendungsbereich, und deshalb nur ihr uebertragener Sinn uebrig bleibt.

Giordano Bruno: Das waere doch nur dann der Fall, wenn uebertragene Bedeutung sogleich heisst: uneigentliche Bedeutung und also woertliche Falschheit.

Naturwissenschaftler, Philosoph und Dichter (wie aus einem Mund): Aber uebertragene Bedeutung heisst eben uneigentliche Bedeutung und woertliche Falschheit!

Giordano Bruno: Ja, mag sein, dass das alltaeglicherweise so verstanden wird. Wie waere es aber auch hier mit einem....

Dichter (lacht): mit einem kategorialen Sprung?

Giordano Bruno: Ja – wie, wenn man jenen kategorialen Sprung als Uebertragung verstuende, jedoch auch den Begriff Uebertragung selbst anders verstuende, naemlich so, dass der Begriff der Uebertragung nicht enthaelt, dass das, was uebertragen gesagt wird, Nicht-Woertlichkeit und woertliche Falschheit impliziert?

Philosoph: Und was koennte dafuer sprechen?

Giordano Bruno: Dass bestimmte materielle Dinge, zum Beispiel unser Gehirn und unsere geistigen Zustaende tatsaechlich selbst ein und dasselbe sein koennen

Naturwissenschaftler: Eben das ist es doch, was unsere Forschungen mindestens sehr nahe legen!

Dichter (zum Naturwissenschaftler): Legt eure Forschung aber auch nahe, dass die Beschreibung dieser Tatsache eine Uebertragung enthaelt, die gleichsam Menschen zu Loewen macht?

Naturwissenschaftler: Sind Menschen denn nur gleichsam Saeugetiere?

Giordano Bruno: Dass das Gehirn und unser Denken ein und dasselbe sein koennen, waere dann allerdings nicht alles: Wenn es wahr ist, was die alltaegliche Sprache uns suggeriert...

Naturwissenschaftler: Von wahr und falsch kann doch in bezug auf den alltaeglichen Sprachgebrauch gar nicht die Rede sein.

Giordano Bruno (lacht): Wenn es als eine Hypothese akzeptabel ist, was die alltaegliche Sprache suggeriert, naemlich, dass das Gehirn, diese spezielle Materie und das Denken zu wesentlich verschiedenen Kategorien gehoeren, und dennoch auch die Hypothese akzeptabel ist, dass das Gehirn, und was wir Denken etc. nennen, ein und dasselbe sein koennen, so als ob Menschen tatsaechlich Loewen sein koennten, dann...

Naturwissenschaftler: Dann gibt es einen Widerspruch,

Giordano Bruno: Nicht unbedingt! Denn es koennte ja sein, dass die eine Hypothese, die annimmt, dass Denken nicht materiell oder nicht-materiell im Sinne der Naturwissenschaften ist, auf bestimmte Arten oder Zustaende der Materie beziehungsweise des Denkens anwendbar ist, und die andere - jene, die den kategorialen Sprung enthaelt und Denken usw. der Materie gleichsetzt -, einer anderen Art oder einem anderen Zustand der Materie beziehungsweise des Denkens entspricht.

Philosoph: Und was spricht fuer diese Annahme?

Giordano Bruno: Erfahrungen, natuerlich, was sonst kann fuer oder gegen Annahmen sprechen?

Naturwissenschaftler: Und was sollen das fuer Erfahrungen sein?

Dichter (faellt Giordano Bruno ins Wort): Die Poesie, zum Beispiel, die Traeume....Allerdings muss man alle diese Dinge zwischen Himmel und Erde dann viel ernster nehmen, als es die Poesie weiss!

Giordano Bruno (lacht): Ja, mindestens so ernst wie eine Religion zum Beispiel.

Naturwissenschaftler (ironisch): Was fuer ein ueber alle Massen ausgedehnter Erfahrungsbegriff! Was fuer eine radikale und schwerwiegende Ausdehnung des Begriffs der Erfahrung! Als ob die materiellen Dinge von Geistern bewohnt werden koennten. Da kann man ja gleich glauben, dass die Menschen von Loewen besessen werden!

Dichter (zum Naturwissenschaftler): ich dachte, dass wir uns einig sind: je radikaler und schwerwiegender eine Umdeutung, um so besser!

*

Zweitens wird (...) gezeigt, dass die Materie der koerperlichen und unkoerperlichen Dinge ein und dieselbe ist, und zwar aus folgenden Gruenden: der erste ergibt sich aus der Gleichartigkeit ihrer Potenzen; der zweite aus einer gewissen Aehnlichkeit zwischen Koerperlichem und Unkoerperlichen, Absolutem und Kontrahiertem; der dritte aus der Ordnung und dem Stufenbau der Natur, der zu einem ersten Vollkommenen und Allumfassenden aufsteigt; der vierte daraus, dass es ein Ununterschiedenes geben muss, bevor die Materie in eine koerperliche und eine unkoerperliche geschieden wird, und dieses Ununterschiedene wird mit der hoechsten Gattung der Kategorie bezeichnet; der fuenfte daraus, dass es entsprechend dem gemeinsamen Begriff fuer das sinnlich Wahrnehmbare und das geistig Erkennbare auch ein gemeinsames Substrat beider geben muss; der sechste daraus, dass das Sein der Materie vom Koerpersein unabhaengig ist und daher mit gleich guten Gruenden sowohl unkoerperlichen wie koerperlichen Dingen zukommen kann; der siebte aus der in den Substanzen anzutreffenden Ordnung des Hoeheren und Niederen, denn wo diese ist, wird eine gewisse zugrundeliegende Gemeinsamkeit vorausgesetzt, die auf der Materie beruht und insofern stets durch die entsprechende Gattung bezeichnet wird, waehrend die Form durch die spezifische Differenz bezeichnet wird.( ueber die Ursache, das Prinzip und das Eine, Einleitungsschreiben)

Giordano Bruno: Wie aber, wenn jenes naturwissenschaftliche Bild geistiger Zustaende in seiner wie wunderbaren Identitaet etwa von Intentionalem oder von Selbstbewusstsein mit einer Materie oder in seiner nicht minder wunderbaren Kausalitaet - die Materie, die etwa das Selbstbewusstsein verursachen soll - nicht als Uebertragung aus dem Bereich alltaeglichen Sprachgebrauchs angesehen wuerde, sondern als Uebertragung aus einem anderen Bereich, dessen Darstellung sich selbst ebensowenig an den Masstab der Alltagssprache halten kann wie der Sprachgebrauch jener Naturwissenschaft geistiger Zustaende?

Dichter: Aus einem anderen Bereich??

Naturwissenschaftler: Was soll denn das fuer ein Bereich sein?

Giordano Bruno: Man denke etwa an Dionysos Areopagitus! Dieser beruehmte Moench behauptet bekanntlich die Existenz einer Welt von Geistern, Engeln und Daemonen. In seinen Schriften beschreibt er ihre Hierarchien; eine Milchstrasse von Geistern sozusagen, die einander ueber- und unterordnen, erregen oder hemmen, die einander in vielfaeltigen Hierarchien myriadenfach und dennoch hoch differenziert und komplex zusammen- und auseinanderstimmen, ja, wenn man so sagen kann: einander erwaehlen oder verwerfen.

Naturwissenschaftler: Ja, der Phantasie sind im Unterschied zur Wissenschaft keine Grenzen gesetzt.

Philosoph und Dichter: Das woertlich zu nehmen, bedeutet doch nichts als die reinste Poesie!

Giordano Bruno (unbeirrt): Als ob ihr wuesstet, worueber ihr da uebereinstimmt! - Angenommen also, in jener naturwissenschaftlichen Theorie geistiger Zustaende w¸rde ein Bild der Ordnung einer Geisterwelt, etwa die Hierarchien der Geister, Engel und Daemonen wie sie von Areopagitus beschrieben werden, erkannt.

Dichter: Dann wuerde jene naturwissenschaftliche Theorie bzw. die Ordnung, die sie beschreibt, als Uebertragung einer nicht- oder anders materiellen Welt auf materielle Ereignisse und Zustaende begreifbar!

Giordano Bruno: Genauso ist es.

Naturwissenschaftler: Soll das etwa heissen, eine solche naturwissenschaftliche Theorie geistiger Zustaende meine eigentlich, dass jeder einzelne Geist mit einer grossen Zahl von anderen in Kontakt und also verbunden sei, dies aber keineswegs zufaellig, sondern auf waehlerische Weise? Dass es einander erregende und verstaerkende Verbindungen zwischen Geistern gibt, wie auch einander hemmende, fliehende und schwaechende; dass es in der Geisterwelt eben jenes ueber-, Unterordnen gaebe und dass diese Welt der Geister insgesamt ein ungeheuer komplexes, sich staendiges webendes und umwebendes Muster sei, ein sphaerensingender Geisterchor von Wechselwirkungen, ein myriadenfaches Zusammen-, aber auch Auseinanderstimmen?

Giordano Bruno: Ja, das laege dann in der Tat nahe: Man koennte dann in Abwandlung eines Paulus-Wortes sagen, dass jene Geisterordnungen sich selbst in einer Materie, etwa dem Gehirn, wie in einem dunklen Spiegel, naemlich uneigentlich, erblickten, also nicht von Angesicht zu Angesicht und nicht im woertlichen Sinn, nicht in ihrem eigenen Namen.

Dichter: Wie schoen, diese Uebertragung laesst nichts zu wuenschen uebrig! Die schoenste Allegorie!

Philosoph: Eine regelrechtes Modell vielmehr, dessen Grundlage und Rahmen eine ‹bertragung ist, also eine Reihe von Begriffen, die ein neues Feld besetzen und also jede Moeglichkeit daraus Hypothesen zu generieren!

Naturwissenschaftler (lacht): Eine Naturwissenschaft oder sagen wir - in wie ¸bertragenem Sinn auch immer - ihr Geist wuesste natuerlich, was dagegen vorzubringen waere. Sie wuerde danach fragen, auf Grund welcher Erfahrungen, also welcher Beobachtungen beziehungsweise Experimente, sie sich rechtfertigen liesse und darauf verweisen, dass eine Theorie nur insofern den Anspruch auf Woertlichkeit erheben koenne, als sie falsifizierbar ist.

Philosoph: Wenn aber doch die Forderung, dass nur das zu Recht als Erkenntnis gelten koenne, was sich im Sinne der Naturwissenschaften beweisen lasse, unangemessen und im eigentlichen Wortsinn unsachlich ist!

Naturwissenschaftler: Als ob es nicht genau umgekehrt waere: Als ob die Beschreibung jener Geisterwelt nicht die uneigentliche Darstellung dessen waere, was die Naturwissenschaft beschreibt. Als ob es nicht die Materie waere, die sich dann in einem dunklen Spiegel als Geist missverstuende, und also mit falschem Namen bezeichnete.

*

Auch Plotin sagt in seinem Buch ueber die Materie, dass es in der intelligiblen Welt angesichts der Menge und Vielheit der Arten auch etwas Gemeinsames, ueber deren Eigenheit und Unterschiedliches Hinausgehendes, geben muesse. Dieses ihnen Gemeinsame vertritt die Stelle der Materie(...) ueber die Ursache, das Prinzip und das Eine)

Giordano Bruno: Wir bestehen aus sehr verschiedenartigen Dingen oder Zustaenden, und diese Zustaende oder Dinge beruhen dennoch auf einem Einzigen; und deshalb entsprechen jener Verschiedenartigkeit verschiedene Formen einer einzigen Sprache. Die Sprache kann nicht zufaellig dazu gebraucht werden, jenen kategorialen Sprung, jene Uebertragung zu vollziehen.

Naturwissenschaftler: Vielleicht aber doch zufaellig!

Dichter: In der Poesie ist es immerhin tatsaechlich so: die Moeglichkeiten der Uebertragung werden zu Ausgangspunkten, von denen aus verschiedenartige Dinge oder Zustaende in ihren Verhaeltnissen zueinander darstellbar sind.

Naturwissenschaftler und Dichter (unisono): Ob aber die Dinge oder Zustaende, die aufeinander uebertragen werden, existieren oder nicht, dazu hat die Poesie nichts zu sagen, da kann sie in alle Ewigkeit uebertragen und wieder uebertragen!

Giordano Bruno: Ich glaube, ihr wisst wieder einmal nicht so recht, worueber ihr so sehr uebereinstimmt! Als ob eine Philosophie nicht ebensosehr die Prinzipien poetischer Erkenntnis wie die Prinzipien naturwissenschaftlicher Erkenntnis gleichermassen verallgemeinern sollte!
Eine solche Philosophie haette zu beschreiben, welche Darstellungen der verschiedenartigen Zustaende nach Massgabe des ihnen jeweils eigenen Gegenstands-, Erfahrungs- und Erkenntnisbegriffs angemessen oder nicht angemessen sind, und dies also keineswegs allein nach Massgabe dessen, was in einer Naturwissenschaft diesbezueglich verlangt wird.

Philosoph: Bedeutet das, dass in Bezug auf bestimmte Gegenstandsbereiche wie auch bestimmte Erfahrungs- und Erkenntnisbegriffe eine Darstellung angemessen waere und sich woertlich auf ihre Gegenstaende beziehen wuerde, doch in Bezug auf andere Gegenstandsbereiche beziehungsweise Erfahrungs- und Erkenntnisbegriffe andere Darstellungen?

Giordano Bruno: Ja, ganz recht.

Philosoph: Und kann man daraus schliessen, dass beispielsweise dann, wenn eine Geisterwelt unwillkuerlich so beschrieben wird, als waere sie das Denken, Entscheiden, Seiner-Selbst-Bewusstsein im materiellen Zustand des Gehirns oder, umgekehrt wenn das Denken, Entscheiden, Seiner-Selbst-Bewusst Sein im materiellen Zustand eines Gehirns so beschrieben wird, als waere es die Ordnung einer Geisterwelt, die jeweilige Darstellung nicht nur uebertragen, sondern auch uneigentlich waere?

Giordano Bruno: Ja, genauso verhielte es sich dann. Und so verhaelt es sich uebrigens zumeist. (lacht). Wir wissen ja nicht nur zumeist nicht, was wir tun, sondern auch nicht, was wir denken. Wir bezeichnen ja zumeist dann Menschen als Loewen, wenn sie es gerade nicht sind!

Philosoph: Und heisst das endlich auch, dass, wenn man annimmt, der alltaegliche Sprachgebrauch, der zwischen materiellen Gegenstanden und geistigen Zustaenden kategorisch unterscheidet, enthalte selbst eine Art Beschreibung und Erklaerung, dann koennte auch auf diese Weise ein Zustand angemessen beschrieben und erklaert werden? So dass dann etwa jener Zustand beschrieben wuerde, in dem die alltaeglich als materiell angesehenen Dinge in einem Verhaeltnis der Unaehnlichkeit, der Trennung zu jenen Dingen stehen, die alltaeglicherweise als nicht-materiell angesehen werden, etwa als geistige Zustaende oder als Geister?

Giordano Bruno: Eben dieser Schluss waere angemessen. Manchmal, unter manchen Umstaenden muessen sich die geistigen Zustaende oder auch die Geister von den anderen Dingen, oder die Dinge von geistigen Zustaenden oder von anderen Geistern scheiden! Man muss eben sowohl verstehen, wann Menschen Loewen sind, als auch wann Menschen keine Loewen sind.

Naturwissenschaftler: Nur einen einzigen Grund dafuer moechte ich hoeren, warum ich das alles glauben soll!

Giordano Bruno. Die Naturwissenschaft kaeme doch nicht zu kurz in dieser vielfaeltigen, vielfoermigen Welt: Denn die angemessene Erforschung beziehungsweise Darstellung des einen Bereichs von Zustaenden wuerde doch dann immer reichere Moeglichkeiten der Uebertragung auf einen anderen Zustand erlauben, und zugleich auch ein immer tiefergreifendes Verstaendnis des Zustandes, in dem die Welt der materiellen von der Welt der - allerdings nur alltaeglich so genannten - geistigen Zustaende getrennt ist, das heisst: sich sehr stark unterscheidet!

Philosoph: Als ob die differenzierte und angemessene Erforschung aller Bereiche auf die ihnen angemessene Weise die Aehnlichkeiten und Unterschiede zwischen den verschiedenartigen Dingen oder Zustaenden klarer und deutlicher machte?!

Giordano Bruno: Ja, genau das. Und wie, wenn es dann an einem juengsten Tag der Erkenntnis in Abwandlung des Paulus-Wortes keinen dunklen Spiegel mehr gaebe, sondern jede angemessene Darstellung zugleich Erkenntnis von Angesicht zu Angesicht waere und eben deshalb auch woertliche Darstellung der Verhaeltnisse, in der ein Zustand zu allen anderen Zustaenden stuende?

Philosoph: Was fuer eine schoene, jedoch so zweifelhafte Philosophie des Poetischen...

Giordano Bruno: Und auch des Wissenschaftlichen, wohlgemerkt!

Dichter:..Ja, was fuer eine schoene Philosophie, die die Welt, ihre verschiedenen Zustaende als in Verhaeltnissen zueinander begreift, die den unterschiedlichen Anwendungen von Schemata der ‹bertragung entspricht! Was fuer ein vielstimmiger Chor von einander entsprechenden und wieder entsprechenden Woertlichkeiten!

*

·^·