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Dreissig Jahre danach


© by Helmut Eisendle

Fast so alt wie sie selbst ist das Nachdenken über die Funktion von Literatur in der Gesellschaft. Und wenigstens so lange es in den intellektuellen Gehirnen so etwas wie ein poetisches Bewusstsein gibt, dauert die Suche nach ihrer gesellschaftlichen Ursache und Bedeutung.
Keiner wagt es aber zu behaupten, dieses Denken und die Suche wären bis jetzt von Erfolg belohnt worden. Im Gegenteil, die Suche also solche und das Denken hat wieder nur Literatur erzeugt, die in den Antworten auf die Fragen entstanden ist.
Oder wissen Sie, welche gesellschaftliche Funktion Literatur hat ? Wer kennt ihre Ursachen ?
Tatsächlich ist beides schwer zu beantworten, also woher die Literatur kommt und wozu sie dient.
Ich als einer der schreibt und davon lebt, hat eine Antwort: Die Literatur kommt von den Autoren und dient ihnen. Und andere verdienen mit.
Ende der Sechzigerjahre habe ich zu schreiben begonnen.
Ich habe damals studiert - Philosophie, Psychologie und Biologie - und hatte sicher das Bedürfnis die über meine Bildung und Ausbildung entstandenen Fiktionen in der mir möglichen Form mitzuteilen oder zu formulieren.
Literatur entsteht ja doch aus dem Bedürfnis eines Bewusstseins nach Fiktionen innerhalb des Möglichen ?
Literatur war dazu nutze, mein Sinndefizit zu stillen. Und ist es noch.
Ich studierte in Graz, zog mit Frau und Kind nach Barcelona und landete am Anfang der Siebzigerjahre in Berlin- West. Graz- Barcelona- Berlin-West war die von der äusseren Wirklichkeit abhängige Struktur. Voll mit Bildung und Erfahrungen; politischen, privaten, unglaublichen, er schütternden.
Die Wirklichkeit eines Autors, die innere, ist eine andere, keine, die sich politisch verwerten lässt, ausser er lässt sich verführen. Sie ist eine egozentrische. Literatur hat - wie gesagt - das Sinndefizit des Autors auszugleichen. Dieses Sinndefizit entsteht während des Schreibens, davor oder danach. Seine Wirklichkeit ist die Literatur. Anders wäre es ein tautologischer Versuch, mit Buchstaben etwas nachzuahmen, eine Wirklichkeit zu imitieren. Jeder Autor versucht, seine Welt durch das Schreiben in den Griff zu bekommen.
Das ist auch mein Ansatz gegenüber der Geschichte, meiner und gegenüber der Geschichte anderer.
Graz, meine Geburtsstadt - Barcelona, von Franco geprägt und der guardia civil kontrolliert und das politisierte Berlin, Ende der Sechzigerjahre, Anfang der Siebzigerjahre, umgeben von einer Mauer, getrennt vom Rest der Welt. Eine Frontstadt mit elender Geschichte. Die Studenten probten den Aufstand.
Ich habe damals ein Buch geschrieben:
Jenseits der Vernunft oder Gespräche über den menschlichen Verstand. Die Geschichte von Estes und Schubert.
Die Hauptperson erinnert an einen Menschen, den ich kenne, einen Freund, an Reaktionen, Aussprüche, an Hypothesen über seinen Zustand, seinen Geist, der meinem verwandt ist. Die Person des Textes ist nicht identisch mit ihm, kann es nicht sein, die Beschreibung läuft über meine Erinnerung, über mein Gehirn, Gefühle fliessen zusammen, undeutliche Bilder steigen auf, vermischen sich mit Phantasie, das Ganze bleibt ein unbeschreibbares Bild. Einzelne Gedanken, Aussprüche, Stimmungen geben den Anlass. Alles ist erfunden, gefunden in meinem Gedächtnis, ein Teil von mir, ein Teil meiner Erinnerung, unklar, verschwommen, zusammengesucht aus Gegenwart und Vergangenheit.
Mein Bewusstsein, die Erinnerung, die Inhalte des Gedächtnisses, alles ungeklärte, unsichere Begriffe, mit denen nichts anzufangen ist. Erfindungen mit dem Kern der Wahrheit. Der andere Pol, es ist kein Pol, der andere bin ich selbst, verschwommen, eine unsichere Beschreibung, ein Konglomerat meines Geisteszustandes, durch die Sprache, die Dürftigkeit des Mittels bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt und verfälscht. Das Produkt hat nichts oder ausschliesslich mit meiner Wirklichkeit zu tun. Extreme Positionen, die nicht auseinander gehalten werden können. Eine Sammlung von Ideen, Begriffen und Gedanken, aufgehängt an unklaren Erinnerungen. Der Versuch einer Ordnung, die nie mehr als Chaos hervorbringen kann.
Mehr oder weniger ein vom Existentialismus beeinflusstes Stück Literatur und die Beschreibung zweier verzwickter Existenzen, eines Realisten und eines Phantasten, deren Freundschaft sich vor allem in ihren gegenseitig provozierten Spannungen definiert.
Die Kollektivierung des politischen Geistes, der über der Stadt Berlin schwebte, provozierte im Denken und in der Literatur eine Individualiserung; von der Anklage zum Heldentum des Einzelgängers.
Von: "Die Plebejer proben den Aufstand" zur "Blechtrommel" und zu "Oskar Matzerath", andererseits Döblins "Die lange Nacht nimmt ein Ende" als Anklage und der Gegensatz: "Berlin, Alexanderplatz oder Die Geschichte von Franz Biberkopf".
Samuel Becketts "Watt" oder Leopold Bloom in "Ulysses".
Alles dies war in meinem Kopf und hat das Denken Ende der Sechzigerjahre beeinflusst, einer Zeit, in der Peter O. Chotjewitz "Hommage à Frantek" geschrieben hat.
Welche Rolle hatte damals die Literatur, welche Rolle wurde ihr zugebilligt ?
Ausgehend von der hochpolitisierten Situation in Berlin-West, der sozunennenden Revolte der Studenten gegen das Gewaltmonopol des Staates und dem daraus entstandenen kollektiven Geist des Widerstandes, werde ich verleitet, folgende Gedanken über die Bedeutung und Rolle von Literatur anzunehmen:
Obwohl ich als Autor im Sinne Mauthners und Wittgensteins rundweg in Abrede stellte, dass Literatur das Vermögen besitze Wirklichkeit abzubilden, glaubte auch ich an ihre bewußtseins - und damit gesellschaftsverändernde Wirkung.
Nach wie vor wird angenommen, Literatur könne mit oder ohne ihrer Fähigkeit, Wirklichkeit abzubilden, Geist vermitteln, oder das Wesen und den Sinn der Wirklichkeit erkennen. Aus dieser Überschätzung von Literatur entsteht sie oder ist - meine ich - Die Blechtrommel, Watt, Hundejahre, Katz und Maus oder auch Hommage à Frantek und auch Jenseits der Vernunft entstanden und zu einem politischen, geisteswissenschaftlichen oder philosophischen Erkenntnis-instrument hochgehievt worden. Und wenn nur vom Autor selbst.
Damit ist der linken Szene und auch mir eine mehr oder weniger deutliche Überschätzung von Literatur unterlaufen und der Streit zwischen Realisten und Phantasten entwickelte sich und prägte einige Jahre der literarischen Szene.
Das war Berlin.
Heute - meine ich - ist Literatur tatsächlich die Privatsache von Schriftstellern, mehr oder weniger eine Luxusgebärde von der sie leben. Und andere auch.
Literatur galt ohne Nachweis als "Waffe im Klassenkampf" und darüber als "gesellschaftsabbildende Kraft".
Die Folge dieser Behauptungen war eine ebenso blinde Belobigung wie Verdammung der Literatur je nach Thema, bis man dann im Sinne der Spartakus - Aktivisten aufzurechnen begann, wieviel Seiten eines Romans dem Bourgois und wieviel dem Dienstboten gewidmet worden waren.
Diese hitzige Diskussion der linken Intellektuellen hat zwar Fronten gebildet, aber weder die Wirklichkeit über sprachliche Mittel erklärt, noch den Sinn von Literatur vermittelt. Die Frage, ob es eine Wirkung von Literatur auf andere überhaupt gibt, war tabuisiert. Eine verneinende Antwort, die auch von Seiten der Phantasten nicht gegeben worden war, wäre keinem der Beteiligten dieses Scheinkrieges in den Sinn gekommen. Aus Eigeninteresse wurde die Literatur als Ganzes in eine politische und gesellschaftliche Schlüsselrolle gezwängt.
Man kann im Nachhinein fast von einem Literaturmarxismus sprechen, der immer an die dieselben zwei Grenzen stiess:
Einerseits konnte er - ob er wollte oder nicht - mit der bürgerlichen Literatur schlechterdings nichtsmehr anfangen. Dies aber mehr oder weniger aus gleichsam ideologische Gründen. Das Dilemma war, dass seit Baudelaire das Bürgertum mit sich selbst zu Gericht gegangen war, sodass man kaum von einer Glorifizierung der Bourgois durch die Literatur sprechen konnte. Eine flammende Literatur der Arbeiterklasse gab es andererseits nicht und wenn, interessierte es kaum die Arbeiter, son dern bestätigte sich in einer Gesinnungsgebärde für einige wenige. Gorki hatte mit oder ohne Revolution so oder so geschrieben. So wenig wie die Ode an die Nachtigall von Keats auch die Nachtigallen nicht kümmern kann.
Nicht zuletzt aus diesem Dilemma entwickelten sich die Etiketten: "bürgerliche Dekadenz" oder "falscher Klassenstandpunkt".
Und ich wurde zu einem Individualanarchisten austriazistischer Prägung.
Es wurde kaum eine Erklärung abgegeben, warum man überhaupt eine ästhetische Ausdrucksform bevorzuge und sich nicht mit "polit-prop" zufrieden gäbe.
Man entwickelte zwar eine Sparte von Literatur, welche die gesellschaftlichen Mängel alle beim Namen nennen sollte und für die Notwendigkeit der proletarischen Revolution argumentierte, laute Aufrufe zur radikalen politischen Praxis von sich gab, das kapitalistische Interesse bekämpfte und für das Legitime der Beherrschten eintrat. Von der linken Intelligenz, die so ziemlich als einzige las, wurde dies aufgenommen und qualifiziert: "unheimlich klare Darstellung, erstklassig, hat es den Kapitalisten gezeigt."
Und zwar nicht der jeweilige proletarische Held, sondern der Autor hat es ihnen gezeigt, auch da nur der fiktive, denn der wirkliche sass am Schreibtisch und schrieb und dachte an den Erfolg und die Miete.
Das Verfassen von anklagender Literatur, das engagierte Schreiben war die unerbittliche Forderung und das Kriterium was gut oder schlecht sei.
Auf der bürgerlichen Seite - wenn es diese überhaupt gegeben und sich geäussert hat - war zumindest das Dogma der Abbildbarkeit von Wirklichkeit durch die Literatur aufgegeben worden. Literatur war die freie Phantasie, assoziativ verbunden mit dem Draussen.
Nach einer gleichsam diffusen Ansicht brachte Literatur einen Gewinn an Intensität und Orientierung, einen "Simulationsraum für alternatives Probehandeln mit herabgesetztem Risiko" wie Wellershoff meinte oder einen "herrschaftsfreien Dialog" nach Habermas.
Nun, wem kam und wem kommt Literatur zugute ?
Den Schriftstellern und denen, die sich von berufswegen damit abgeben, z.B. den Literaturwissenschaftlern ?
Die Ignoranz der äusseren Wirklichkeit, genau genommen die Erfolglosigkeit der Literatur, entwickelte langsam aber sicher eine Flucht ins Innere, ins versponnene Einzelgängerheldentum eines Oskar Matzerath. Das haben früher oder später sogar die Realisten eingesehen.
Literatur stellt eine Wirklichkeit her oder zaubert Ichs in eine vorgestellte Wirklichkeit. Als "literarisch" zeichnete sich ein Text nur noch aus durch eine ästhetische Abweichung von der sprachlichen und literarischen Norm und durch eine unbarmherzige Selbstverweisung auf sich und seine Protagonisten.
Entsprechend dieser Forderung waren die Paradebeispiele von geglückter Literatur bald geisteswissenschaftliche Attacken wie "Die Verbesserung von Mittel europa" von Oswald Wiener, die konkrete Poesie oder die symbolistische Lyrik des wiederentdeckten Georg Trakl oder eben "Die Blechtrommel" und auch "Hommage à Frantek" von Peter O. Chotjewitz. Dahinter natürlich Musil, Joyce, Beckett, Döblin.
Das unausgesprochene Ziel war die Erstellung alternativer, antizipatorischer oder scheinutopischer Erfahrungswirklichkeiten und ihre Wirkung auf die Innovation von Wahrnehmung innerhalb der medialen Gegebenheiten der Sprache. Nicht zuletzt Literaturliteratur mit versteckter Ichbezogenheit.
Auch durch die Offenheit und Risikofreudigkeit der Verlags- und Literaturszene entwickelte sich ein subjektives Eigeninteresse der Literaten an Literatur. Man befriedigte sich mit und an Literatur und fragt bald nicht mehr nach der politischen und gesellschaftlichen Bedeutung des Geschriebenen.
Mit Günthert Grass konnte man sich im "Bundeseck" anlegen oder seine politische Meinung beklatschen.
Literatur wurde immer mehr von den Schriftstellern als Eigenes und Selbstbezogenes wahrgenommen, das Draussen, die politische und gesellschaftliche Wirklichkeit wurde assoziativ verwertet. Der Kampf der Arbeiter muss bewaffnet werden, sagten wir gerne und schlürften am Bier. Die Arbeiter wussten nichts von unserer Sympathie zu ihnen. Diese Art zu denken, zu schreiben und Literatur herzustellen, wurde bald als Kopfliteratur, Intellektuellenonanie und Hirnprosa, Reflexionsterror diffamiert.
Natürlich entwickelten sich auch Sparten, die den roten Grossvater erzählen liessen. Doch langsam ebbte alles ab und spezialisierte sich wie ein Club von Briefmarkensammlern. Einer ging nach Kuba, ein anderer ins Gefängnis, einige in die Toskana oder nach Niedersachsen.
Das ist das, an was ich in einer Rückspiegelung denke.
Nun, können Sie fragen, was ist mit solchen Einsichten gewonnen, wovon spreche ich, wenn ich an Berlin-West, Ende der Sechzigerjahre und Anfang der Siebziger denke ?
Kann man die Literatur nicht auch ohne genaue Kenntnis ihrer gesellschaftlichen Funktion einfach hinnehmen als das, was sie ist ?
Ohne Zweifel, antworte ich von der Warte eines Menschen, der Ende der Sechzigerjahre zu veröffentlichen begonnen hat: Ohne Zweifel kann man im Kreis derer, die mit Literatur umgehen, sagen, Literatur ist das, was mich erhält. Darin liegt die Begründung, wozu ich schreibe oder gerne geschrieben habe oder weiter schreibe. Um mich zu erhalten und darzustellen. Darin liegt die erste Legitimation.
Oder anders: Der Sinn des Schreibens.
Dabei entsteht aber schnell der Zweifel darüber, ob es nicht besser wäre, wir oder ich hörten damit auf und machten etwas anderes ?
Wie massiv dieser Zweifel werden kann, hat die Studentenbewegung Ende der Sechzigerjahre gezeigt, wo sie die halbe Grammatik und Analyse von Literatur in eine politische Aktion verwandeln wollte.
Wenn Literatur eine gesellschaftliche Bedeutung hat, ausserhalb der Tatsache und Forderung sich selbst darzustellen, ist sie die Kompensation von Freiheit oder etwas sonst nicht Vorhandenes. Sublimierung würde Freud sagen. Diese Bedeutung hatte sie sicher. Trotzdem oder deshalb ist Literatur eine Fiktion oder ein fiktives Beispiel für sinnkonsistente Lebenspraxis, sagt Christian Enzensberger in seinem Buch "Literatur und Interesse". Damals wie heute.
Literatur entsteht, das heisst, wird geschrieben und gelesen aus dem Bedürfnis von Bewusstsein nach Fiktionen innerhalb des Möglichen.
Oder ist Literatur die Kunst, eine vollkommene Gleichung herzustellen zwischen einer bestimmten Folge von Worten und einem bestimmten Zustand in uns selbst ?
Das sind meine Gedanken über die literarische Szene Ende der Sechzigerjahre in Berlin West.
Nicht viel mehr als eine Sammlung von Anekdoten.
Die Form allein aber ist nur ein Grad der Freiheit, welcher sich ein Autor Ende der Sechzigerjahre herausnehmen konnte. Und dies nicht zuletzt, weil der Markt, die Verlage es zuliessen. Oder die Kollegen es forderten oder vormachten.
Ich meine damit, dass weder Hommage á Frantek, noch Watt, noch Ulysses, noch der Mann ohne Eigenschaften in der derzeitigen Marktlandschaft einen Platz finden würde. Das ist vielleicht ein nicht zu unterschätzender Vorteil jener Jahre, wo viele zu schreiben begonnen hatten. Das heisst aber auch, dass Literatur, zumindest die veröffentlichte, vom Markt abhängig ist oder dass der Markt eine verschwiegene Zensur ausübt.
Noch einmal zu Hommage á Frantek von Peter O. Chotjewitz.
Sicher stellt sich die Frage: Wer schreibt hier über wen ?
Ob es nun der Autor selbst ist, bleibt solange gleichgültig, solange sie den Autor nicht kennen. Ich kenne ihn und behaupte daraus, es ist um ihn gegangen. Und dies aus der Reaktion, die sich in einer radikalen Individualisierung gegen den verlangten kollektiven Geist, in der Literatur als das politische Instrument ergab.
Es war keine offene Reaktion, sondern vielleicht eine psychische Sache oder eine Hoffnung auf den oder das Einzelne unter dem Befehlston der linken Moral. Die literarische Hoffnung auf den Einzelgänger, den Einzelkämpfer in der grossen, grossen Stadt Berlin, ein Einzelgänger für das Ich, auch das von Ich Peter O. Chotjewitz.
Es wurde etwas erfunden, wie die "Hornissen" von Handke, "Die Verbesserung von Mitteleuropa" von Wiener, "Walder oder Die stilisierte Entwickung einer Neurose" von Eisendle oder "Der sechste Sinn" von Bayer oder..oder..
Fünfundzwanzig oder dreissig Jahre danach kann man behaupten, so war es oder so ist es mit der Freiheit der Literatur.
Ich weiss, es war ganz anders. Nur, so etwas war möglich.
Warum ?
Das wissen die Literaturwissenschaftler, die Germanisten und die Kritiker.
Zitat aus: Jenseits der Vernunft oder Gespräche über den menschlichen Verstand:
Ich erwarte kein Verständnis und keine Einsicht. Ich gebe etwas von mir, einen Auswurf, ich werfe den Ballast ab, der mir im Sinn, im Kopf sitzt, der mich vergiftet und ergötzt zugleich. Ich setze Gedanken in Buchstaben um, ohne Hoffnung darauf, einen Zustand zu verbessern. Ich spiele mit dem Geist der Erinnerung, ich experimentiere mit dem Bewusstsein, dem Gedächtnis, mit dem unfähigen Mittel Sprache. Die Sprache ist die Metasprache des Bewusstseins, die Sprache ist das Bewusstsein, gedacht ist die Sprache Wahrheit, geschrieben Unwahrheit, Entstellung, Manöver, Taktik. Der Versuch etwas in Worte, Wörter und Sätze zu kleiden, etwas, das nicht beschreibbar ist. Der organisierte, funktionierende Wahnsinn meiner Gedanken, die Möglichkeit, Assoziationen anzustossen, sich forttreiben zu lassen. Ein Konglomerat aus Originalitätswahn und dem Zustand der Erschöpfung. Dem Wort Stringenz einen Tritt versetzen. Vom Leser nichts anderes verlangen, als sich in den Käfig eines Wortgeflechtes sperren zulassen.



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