© Helmut Eisendle
Fragen Sie das im Ernst? Glauben Sie wirklich, dass eine Maschine denkt? Was
ist denn das: eine Maschine?
Nach dem Lexikon ist eine Maschine eine Vorrichtung, mit der eine
Energieform in eine andere, für einen bestimmten Zweck geeignete Form
umgewandelt werden kann.
Ist dann unser Gehirn nicht doch eine Maschine? Sie müssen doch zugeben,
dass unser Gehirn denkt oder denkt, dass es denkt, also etwas zur Verfügung
Stehendes in etwas Anderes verwandelt. Also so etwas wie ein selbst
kontrollierendes System ist? Eine kybernetische Regelmaschine oder?
Wenn unser Gehirn einer Maschine gleicht, kann auch eine Maschine das tun,
was unser Gehirn tut, eben denken.
Vielleicht hat es mit Kybernetik zu tun.
Kybernetik ist die Wissenschaft, die sich mit Kommunikations- und
Steuerungssystemen in lebenden Organismen, Maschinen und Organisationen
beschäftigt. Der Ausdruck ist vom griechischen Wort kybernetes - Rudergänger
oder Kommandant - abgeleitet.
Nach der Kybernetik sind Kommunikations- und Steuerungssysteme bei lebenden
Organismen und bei Maschinen das Gleiche.
Unser Gehirn ist ein Steuersystem? Und eine Maschine?
Um bei menschlichen Organen und mechanischen Geräten eine gewünschte
Leistung zu erhalten, müssen Informationen über den tatsächlichen Ausgang
einer erwünschten Handlung als Anhalts-punkt für Handlungen verfügbar sein.
Im menschlichen Körper koordinieren Gehirn und Nervensystem Informationen,
die dann dazu eingesetzt werden, Handlungen zu bestimmen.
Und in komplexeren Maschinen passiert das Gleiche.
Kontrollmechanismen zur Selbstkorrektur in Maschinen dienen einem ähnlichen
Zweck wie das, was wir unter Bewusstsein verstehen. Wir beobachten und
kontrollieren uns damit.
Alles dient einem Zweck. Welchem Zweck fragen Sie?
Etwas herzustellen, zu verändern, zu produzieren.
Damit behaupte ich, dass auch die Maschine denkt.
Das Prinzip nennt man Rückmeldung oder Feedback, die Basis der Automation.
Das geschieht alles in der Maschine wie in unserem Gehirn. Ist es nicht so?
Also, wenn wir wie Maschinen funktionieren, funktionieren Maschinen auch so
wie wir. Maschinen denken also doch?
Diese Idee taucht schon bei René Descartes auf, der Tiere als Automaten ohne
Seele bezeichnet hat. Oder Julien Offray de La Mettrie in seinem Buch L'
homme machine.
Ach. Sie glauben noch immer, wenn ich Maschine sage, dass ich nicht einen
Menschen meine, sondern etwas, was die Menschen gemacht haben, was er
sozusagen beherrscht. Ist es nicht so?
Es ist tatsächlich nicht auszuschliessen, dass die Maschine den Menschen
beherrscht.
Letzten Endes weil Maschinen denken können? Nein, weil sie fehlerlos
arbeiten können.
Ich glaube tatsächlich, dass eine Maschine über die Arbeit nachdenkt, die
sie verrichtet.
Sie sind erstaunt wie ich über das Denken denke, nicht wahr?
Was ist denn das Denken? Denken ist die der menschlichen Erkenntnis
wesentliche Verarbeitung mit dem Ziel Schlussfolgerungen zu ziehen,
Entscheidungen zu treffen und Probleme zu lösen. Das kann tatsächlich auch
eine bessere Maschine, ein computerkontrolliertes Automobil zum Beispiel.
Das sagt Ihnen doch über das Leuchtpult, was kaputt ist und was Sie zu
machen haben. Na, wenn das nicht Denken ist? Eigentlich ist ein modernes
Auto ziemlich intelligent. Eine spezifische Denkmaschine.
Nehmen Sie doch einfach an, dass die Maschine denkt. Sie könnten höchstens
fragen, mit was denkt sie denn in Erman-gelung eines Gehirns? Ich stelle
eine andere Frage: mit was denkt eine Pflanze? Vielleicht sollte ich das
Denken nur in Zusammenhang mit möglichen Handlungen sehen?
Sie könnten fragen: warum soll eine Rose intelligent sein und denken, wo
sich doch so schön ist.
Das kommt mir wie ein Blondinenwitz vor.
Die Fäden ihrer Blüte biegen sich herunter und ihre Pollen bieten den
hereinkriechenden Bienen Pollenstaub an, damit sie irgendwo weibliche
Pflanzen damit befruchten.
Das ist die Natur.
Ist es so? Natur? Mir hat einmal ein Gärtner folgende Geschichte erzählt:
Die Wurzel einer Eukalyptuspflanze wuchs in ihrem Wunsch nach Feuchtigkeit
in ein Wasserrohr hinein, bis sie zu einer Stelle kam, an der das Rohr
gebrochen war. Hier stand eine Mauer. Die Wurzel verliess das Rohr und
folgte der Mauer, kletterte über sie hinweg, bis sie wieder beim Rohr war,
sie wuchs weiter in dieses hinein und nahm ihre Wanderung nach Suche des
Wassers wieder auf.
Sie müssen doch zugeben, dass diese Eukalyptuspflanze etwas wie Bewusstsein
oder Intelligenz hatte? Woher weiss die Pflanze, dass hinter der Mauer das
Rohr liegt? Ihr Weiter-kriechen beweist doch, dass sie denkt oder?
Das ist die Natur.
Steine können denken, wenn sie vom Berg herunterrollen, um Sisyphos zu
zwingen, sie wieder hinaufzuschieben.
Die Natur kann man nicht erklären. Sie behaupten doch sicher intelligent zu
sein und zu denken. Wenn ein Schachspieler eine Strategie entwickelt, um zu
gewinnen, halten Sie das für Intelligenz, wenn aber die Wildgänse in ihrem
Flug ein V bilden, reden Sie von Instinkt. Wenn die Atome eines Minerals,
die sich frei in einer Lösung bewegen, sich zu mathematisch perfekten
Figuren ordnen, dann sagen Sie nichts anderes als Natur.
Alles ist nur eine Totalität, meinte Hegel vor 200 Jahren. Die objektive
Totalität und die subjektive Totalität, das System der Natur und das System
der Intelligenz sind eins und eben dasselbe. Wenn die Natur auf der einen
Seite das bewusstlose Produzieren, auf der anderen auch das bewusste Planen
und Denken ermöglicht, so weiss sie zugleich, dass die Intelligenz die ganze
Selbstkonstruktion der Natur auf der andern Seite mit sich herübernimmt.
Heisst das nicht, dass alle Materie mit Empfindung ausgestat-tet ist, dass
jedes Atom ein lebendiges, fühlendes, bewusstes Wesen ist?
Es gibt also keine tote, leblose Materie. Alles ist lebendig und
durchdrungen von Kraft, alles nimmt Kräfte der Umgebung wahr und ist
empfänglich für Einflüsse höherer und subtiler Kräfte, die beispielsweise
auch in uns leben, wenn wir sie zum Instrument unseres Willens machen?
Herbert Spencer, ein englischer Philosoph des 19. Jahrhunderts, meinte:
Leben ist eine bestimmte Kombination verschiedener Veränderungen, simultan
und fortschreitend zugleich, in Übereinstimmung mit äusseren Koexistenzen
und Sequenzen.
Wenn ich so vom Leben spreche, muss ich auch die Maschinen einbeziehen.
Wenn ein Mensch, solange er sich betätigt, lebendig ist, dann ist es auch
eine Maschine, während sie arbeitet oder?
Sie können natürlich sagen, dass die Maschine nicht weiss, was sie tut. Aber
sie weiss es, solange sie es richtig macht.
Sie wissen auch, wenn Sie etwas falsch machen oder Sie können, obwohl Sie
etwas richtig machen, sich dazu entschliessen, etwas falsch, also einen
Fehler zu machen.
Ist also Intelligenz, die freie Möglichkeit, etwas absicht-lich falsch zu
machen? Stimmen Sie mir zumindest jetzt zu?
In all dem gibt es, oh Wunder, doch auch einen roten Faden. Der rote Faden
zeigt einem, dass bei allem Nachdenken darüber wie eine Maschine zum Denken
kommt, vor allem über das Denken überhaupt nachgedacht wird. Denken ist ein
produktiver Vorgang, dem eine Lösung folgt. Also kann ich behaupten, dass
Maschinen denken. Damit ist auch die Verbindung zur technisierten Kultur
hergestellt; denn was symbolisiert unsere Kultur besser als die Maschine?
Also, was ist denn Denken? Vielleicht die Notwendigkeit, durch Probieren das
eigene Verhalten zu prüfen, ohne diesen Vorgang in Handlungen umsetzen zu
müssen. Vielleicht liegt darin die Wurzel der menschlichen Intellenz. Also
etwas aus Lust falsch machen.
Das können aber auch bestimmte Maschinen.
Wenn wir es wollen schon.
Und was geschieht, wenn die Maschinen nicht mehr wollen?
Oder wenn wir nicht mehr wollen, dass die Maschine denkt?
Dann schalten wir den Strom ab.
Und?
Müssen wieder von vorne anfangen.
Hans Moravec, Direktor des Mobile Laboratory der Carnegie Mellon University
(USA), geboren in Kautzen, NÖ, geht davon aus, dass es in Jahrmilliarden
unermüdlichen Wettrüstens unseren Genen endlich gelungen ist, sich selbst
auszubooten, nämlich mit der Entwicklung der Computer und Roboter. Nach
Moravecs Prognose werden Roboter, deren Intelligenz der menschlichen
gleichkommt, in fünfzig Jahren eine ganz alltägliche Errungenschaft sein.
Dies führe objektiv zu einer Konkurrenz zwischen Mensch und Computer:
Intelligente, denkende Maschinen - mögen sie auch noch so gutartig sein -
bedrohen unsere Existenz, weil sie Mitbewohner unserer ökologischen Nische
sind.
Jemand sagte einmal, die Frage, ob Computer denken können, gleiche der
Frage, ob U-Boote schwimmen können. Diese Analogie ist ziemlich stimmig. Wir
wissen alle mehr oder minder, wozu U-Boote in der Lage sind - und sie können
in der Tat so etwas wie schwimmen. Aber wirkliches Schwimmen bringen wir mit
organischen Wesen in Verbindung, mit Menschen und Fischen, nicht mit
U-Booten. In Analogie dazu mögen wir eine ziemlich gute Vorstellung von den
Fähigkeiten einer Rechenmaschine besitzen; aber wahres Denken verknüpfen wir
im Geiste mit Homo Sapiens oder mit einigen weiter entwickelten Säugetieren
wie Affen und Delphinen, nicht aber mit einer Ansammlung von Bits und Bytes
auf Silikonbasis.
Feel like a prisoner in a world of mystery
I wish someone would come
And push back the clock for me
Well my heart's in the Highlands wherever I roam
That's where I'll be when I get called home
The wind, it whispers to the buckeyed trees in rhyme
Well my heart's in the Highland,
I can only get there one step at a time.
Bob Dylan, Time Out Of Mind