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Medien & Wirklichkeit

© Helmut Eisendle

Die unmittelbare Beziehung zwischen Medien & Wirklichkeit besteht in der Vervielfältigung & Maximierung der Medien selbst. Damit sind keineswegs nur die neuen Medien: TV, PC, internet, WWW, Zeitungen gemeint, sondern der ganze Komplex von Querverbindungen, die sowohl die Priorität des Mitgeteilten - Politik, Krieg, Sport, Kultur - & die daraus entstehende Aufnahmebereitschaft des Publikums betreffen. Die zahlreichen Druckerzeugnisse wie auch TV-Stationen erschliessen neue Publikumsschichten, die sich der Quantität fügen & jede mögliche Eigenheit als Masse verlieren. Zuseher & Leser, Hörer werden in Zahlen & ihrer Häufigkeit, nicht nach ihrem Charakter definiert. Das heißt, je mehr etwas gesehen wird, desto interessanter & profitmaximierender ist es. Der Inhalt verschwindet hinter den Zahlen einer Statistik. Der soziale Strukturwandel der Öffentlichkeit hin zum Massenpublikum ging einher mit dem Bevölkerungswachstum & den Verkaufszahlen von Medienempfängern & auch mit der zunehmenden Verstädterung, dem Ausbau der Verkehrs - & Kommunikationsmöglichkeiten & dem Rückgang des Analphabetentums.
Man spricht zwar von einer Demokratisierung des Lesens & Bildens, bedenkt aber nicht, daß damit eine Verdummung & Hinleitung zu spezifischen Themenbereichen, ja, der Demagogie politischer Einflußnahmen wie im Fall Berlusconi Tür & Tor geöffnet wird.
Wie die Erfindung des Schießpulvers den Einzelnen wehrloser & unfreier gemacht hat, so hat sich nicht nur aus den Medien selbst, sondern auch aus den Konflikten der Medieninhaber & ihren Interessen die Wirklichkeit des Publikums & damit die Würde & Selbständigkeit des Einzelnen zurückgezogen.
Die durch die Medien vermittelte Wirklichkeit kann als ein Teil von ihnen gesehen werden oder als etwas, das sich gegen die äußere & persönliche Wirklichkeit & Freiheit richtet. Die mediale Realität dient einer globalen Einflußnahme oder sie dient der Rechtfertigung spezieller Handlungen im Zuge politischer Konflikte.
Die Regeln, nach welchen mediale Wirklichkeiten erzeugt werden, folgen verschwiegenen Gesetzmäßigkeiten, die keiner kennt, doch aber befolgt.
Zeit, Raum & Realität im Unterschied zur Wirklichkeit gehorchen diesen Regeln. Man könnte denken, daß die medialen Regeln ein Charakteristikum zum Erlernen der Welt-Wirklichkeit sind. Das ist aber so falsch wie die Annahme, daß Wissen Macht vermittle. Wenn ich zum Beispiel annehme, daß Rot & Blau einander ausschließen, glaube ich an eine Farbenregel oder daß Sozialdemokraten & Freiheitliche nicht miteinander können. Eine Behauptung folgt einem erfundenen Naturgesetz, die andere einer politischen Annahme. Beides ist nur wahr, von einem bestimmten Focus aus. Ist also die Themenwahl der Medien das, was festgelegt wird, bevor man die Wirklichkeit politischer, kultureller oder moralischer Natur erfaßt hat ?
Das Begreifen von Wirklichkeit ist kein Begriff, der genau feststeht. Die Wirklichkeit ist & bleibt etwas äußerst persönliches. Durch mediale Regeln wird die Wirklichkeit entpersonalisiert, dem Einzelnen wird Charakter & Freiheit genommen, indem er gezwungen wird, sich zu fügen.Über Monitore und Lautsprecher, gedruckte Seiten und Bilder wird eine, und nur eine Wirklichkeit hergestellt, die jener, welche meine Umwelt erzeugt, widerspricht.
Wenn ich TV als Spiel der Wirklichkeit ansehe, gibt es eine Übereinstimmung mit meiner als folgsamer Zuseher & eine Nichtübereinstimmung als Individualität. Gerade Letztere macht es, daß ich meine Wirklichkeit falsch oder richtig gegenüber der medialen definiere.
Man kann also sagen, daß eine Regel gilt, daß sie aber abhängig von meiner Selbstachtung nicht befolgt wird, also nicht gilt. & auch, daß die Regel, die mediale Regel zwar gilt, weil die Mehrheit sie befolgt & daß sie nicht gilt, weil ich sie nicht befolge. & das ist kein Widerspruch.
Dagegen wäre es Unsinn zu sagen: Die Regelhaftigkeit der Medien wird befolgt & stellt Wirklichkeit her, weil sie Bedürfnisse deckt. Das Dilemma der persönlichen Eigenart des Menschen liegt in der Frage: Wird die Sicht der Wirklichkeit des Einzelnen durch die Medien provoziert & in Regelhaftigkeit und Regelmäßigkeit der Medien verifiziert, auch wenn der Einzelne nur konsumiert, das Konsumierte aber nur auf- nicht aber annimmt ?
Man muß nur bedenken, daß es Wirklichkeiten gibt, die keinerlei Verifikation in sich ermöglichen. Hinter der Unmöglichkeit dieser Definition verbergen sich Begriffe wie politisches, kulturelles Bewusstsein, Eigenwelt, Freiheit, Persönlichkeit.
Ein anderer Versuch, den Unterschied zu fassen, der in der Eigenheit des Einzelnen & dem Charakter der Masse liegt, kann im Hinweis auf die eigentümliche Rolle bestehen, welche die Zeit in der Beschreibung der Wirklichkeit spielt. Die medialen Regeln der Konsumzwänge beschreiben eine, und nur die Wirklichkeit. Diese Beschreibung findet in einer Regelmäßigkeit statt & ist nie die Beschreibung der eigenen Wirklichkeit, die zu einer bestimmten Zeit gemacht wird, sondern sie ist eine zur Lüge avancierte allgemeine, politische oder zivilisatorische Wirklichkeit. Um sie also solche zu verstehen, muß man zwar die mediale Wirklichkeit über sich kommen lassen, doch aber die eigene in einen Vergleich zu dieser stellen. Konsumiere ich eine Wirklichkeit einer bestimmten, geregelten, regelmäßigen Selektion, ist meine ausgeklammert & meine Zeit, mein Raum, meine Realität der anderen unterworfen. Die Medien sagen in Regelmäßigkeit nicht, was ist, sondern was in meinem Hirn sein soll, sie beschreiben niemals meine Wirklichkeit. Sie verkörpern alles, was in einer Art & Form von Modellen von Macht & Welt-Realität an meiner Verdummung interessiert ist.


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