Europa - ein konservatives Projekt ?


© Franz Krahberger

Der Eintritt des neutralen Österreichs in die Europäische Union 1995 kam überhaupt erst durch die Veränderung der weltpolitischen Lage, durch den Zerfall und Zusammenbruch des sowjetischen Systems zustande. Die Sowjets wachten eifersüchtig über die Einhaltung der immerwährenden Neutralität und die Bündnisfreiheit des Landes.
Intellektuelle und AutorInnen wehrten sich bis zuletzt gegen den längst überfälligen Beitritt Österreichs zur Europäischen Union. In den 80 er Jahren wurde anlässlich einer Generalversammlung der Interessengemeinschaft österreichischer AutorInnen über das für und wider einer Annäherung an die europäische Union abgestimmt. Von etwa sechzig Anwesenden stimmten ich und ein zweiter Kollege dafür.
Polemisch wurde der Beitritt zur Europäischen Union mit dem Anschluss gleich gesetzt, obwohl dies völlig unsinnig ist. Ein Beitritt zur europäischen Union ist eben kein Anschluss an Deutschland. Es gab damals eine Diskussion um die Beteiligung der WAZ an der Kronenzeitung. Diese Fusion wurde dazu benutzt, auch den europäischen Gedanken zu diskreditieren.

Es gab also einen linken anti-europäischen Standpunkt ebenso, wie es den extrem nationalistischen Standpunkt der Neuen Rechten gibt, der sich nach wie vor zu Wort meldet, und vom Europa der Vaterländer spricht, betont anti-französisch ist, obwohl das Europa der Vaterländer eine Erfindung De Gaulles gewesen ist.

Tatsächlich kam noch eine andere spezifische Eigenheit der österreichischen Autoren hinzu. Anfang der siebziger Jahre, im Wechsel von den Konservativen zu den Sozialdemokraten, wurde die Grazer Autorenversammlung aus Protest gegen den österreichischen PEN Club gegründet. Tatsächlich war dieser PEN Club ein Hort der Konservativen wie Kalten Krieger. Zur Durchsetzung eines der wesentlichen Ziele der Grazer Versammlung, die Gründung eines zweiten autonomen österreichischen PEN Zentrums ist es jedoch nie gekommen.
Ab da an schienen die PEN Mitglieder die Weltbürger und die Grazer die Vertreter des Regionalen zu sein.

So ist die Grazer Autorenversammlung in regionalen Perspektiven wie Sehweisen stecken geblieben. Abgesehen von den ausgezeichneten Verbindungen einiger prominenten AutorInnen der Versammlung zum deutschen Verlagswesen, wurden keinen besonderen Bemühungen unternommen, eigene internationale Beziehungen zu entwickeln.
Trotzdem überrundete man in der öffentlichen Präsenz den österreichischen PEN Club, was nun sagen will, dass der international ausserhalb des institutionellen Zusammenhangs auch nichts zu bestellen hat.

Tatsächlich kann man in vielen Fällen von einer regional geprägten, spezifisch österreichischen Literatur der zweiten Republik im Rahmen einer sozialdemokratischen Kulturpolitik sprechen, die sich sozialer Fragen, der Probleme sprachlicher Minoritäten und diverser österreichischer Befindlichkeiten angenommen hat.

Den Avantgardisten in und im Umfeld der Wiener Gruppe war der europäische Gedanke völlig egal. Sie verbanden damit meist das Hochkulturelle, das sie ohnehin zum Feindbild erklärt hatten und überliessen dieses Feld den Mitgliedern des PEN Clubs.

Aus dem PEN erwuchs sowohl aus politischen wie persönlichen Interesse und aus einem Rest von Traditionspflege heraus eine Art mitteleuropäischer Perspektive österreichischer Literatur.
Immerhin zählten die Länder der Tschechoslowakei, Ungarns und Jugoslawiens zu jenem grösseren Österreich der Donaumonarchie, dessen Geschichte noch immer als die schwere Bürde verlorener Grösse auf dem österreichischen, insbesondere dem Wiener Bewusstsein lastet. Dieser verlorenen Grösse hatte Joseph Roth in sentimentaler Erinnerung ein abschliessendes literarisches Denkmal gewidmet, das sich eigentlich nicht mehr prolongieren oder strecken lässt.

Konkrete Gestalt nahm dieser mitteleuropäisch orientierte Gedanke jedoch erst in Form der konservativ und bayrisch inspirierten Alpe Adria Gemeinschaft, die versuchte regionale Bindungen in Ungarn, Slowenien und in Tschechien herzustellen
Die europäische Einbindung der neuen Länder aus dem Osten wird diese Form der Politik erheblich relativieren.

Ich habe 1984 ein Symposion und Event mit Ausstellung, Performances, Vorträgen und Lesungen, Neue Kunst aus Österreich und Ungarn veranstaltet. Ich musste jedoch infolge und insbesondere nach der Ostöffnung erkennen, dass es die ungarischen Kollegen alsbald an jene Plätze zog, an denen sie mehr Geld erwarten konnten, wie etwa nach dem neuen Berlin.

Die mitteleuropäischen Vorstellungen von Erhard Busek, einem eher liberalkonservativen christlich-sozialen Politiker und Intellektuellen, der sowohl Amt des Vizekanzlers und das Amt des Wissenschaftsminister ausgeübt hat, sind ebenso nicht aufgegangen.

Traditionelle österreichische Unternehmen und Banken, die bereits in der Donaumonarchie eine Rolle spielten, haben zwar wieder ihren Weg zu den Nachbarn gefunden.
Doch von einer zentralen Rolle Wiens kann nicht die Rede sein.

Während des Kalten Krieges wurde Österreich, insbesondere Wien und Salzburg gerne für hochrangige Treffen zwischen Ost- und West, und zu Zeiten des Kongresses für Freiheit zu Treffen von europäischen Intellektuellen mit amerikanischem Hintergrund genutzt.
In Wien traf Kennedy Chruschtschew vor der kubanischen Krise.Offensichtlich gewann da Chruschtschew den irrtümlichen Eindruck, den jungen amerikanischen Presidenten über den Tisch ziehen zu können.

Carter und Breshnew unterzeichneten in Wien 1979 den SALT-II-Vertrag zur Beschränkung der atomaren Rüstung.
Für die Austragung der wirklich entscheidenden Abrüstungsgespräche zwischen dem jüngst verstorbenen US-Presidenten Ronald Reagan und Michael Gorbatschow wurde Wien nicht mehr in Betracht gezogen.

Jetzt läuft das kleine Österreich in Gefahr von einem internationalen Gasthaus, zu dem es von den zwei Supermächten bestimmt worden ist, zu einem transeuropäischen Durchhaus zu verkommen.
In Nordsüd - Richtung im westlichen Tirol ohnehin schon lange in dieser Funktion, wird der Transit sich in den nächsten Jahren in der Ost West Richtung ausweiten.

Selbst wenn sich der eine oder andere Nachkomme des Wiener Grossbürgertums wieder wirtschaftlich in den ehemaligen Kronländern einbringt, die eine oder andere k&K Fürstlichkeit Schlösser und Latifundien zurück erhält, werden sich diese Länder nicht an Österreich orientieren.
Nachdem sie die Tatzen des russischen Bären und das starre System des Kommunismus abgeschüttelt haben, werden sie sicherlich nicht unter die Klauen des habsburgischen Adlers zurückkehren, dem sie bereits 1918 entflohen sind., den zu zerstören sie mitgeholfen haben.

Es ist jedoch nicht zu übersehen, dass die in Österreich in der Öffentlichkeit über lange Zeit sichtbaren Verfechter der europäischen Idee aus konservativ und monarchistischen Kreisen kommen. Die seitens Otto Habsburg von Coudenhove Calergi übernommene Paneuropa Bewegung hat sich vor allem in den christlichsozialen Parteien Österreichs und Deutschland eingenistet, und dürfte auch ausgezeichnete Verbindungen zur Dachorganisation der europäischen Volksparteien haben. In Österreich ist die Rückkehrs des Adels in politische Positionen unübersehbar.

Die Paneuropa Bewegung geniert sich längst nicht mehr, auch mit der Neuen Rechten etwa über die Fleissnerische Witiko Gesellschaft in Verbindung zu stehen.
Ob das donauländische Spiel aufgehen wird, ist jedoch höchst ungewiss. Selbst wenn das finanziell bestens gerüstete Haus Liechtenstein seine Aktivitäten zunehmend nach Wien verlegen wird, heisst das noch lange nicht, dass sie real in den Donauländern wieder politisch Fuss fassen werden; Eine Rückkehr zu den alten Verhältnisse ist eher unwahrscheinlich.

Weder Warschau noch Prag orientieren sich an Wien. Da blickt man schon viel lieber in Richtung Washington und Brüssel wird als europäische Pflicht in Kauf genommen. Bezeichnend, dass diese Länder, bevor sie der EU beigetreten sind, zu Mitgliedern der NATO wurden und sich so dem amerikanischen Oberbefehl unterstellt haben.

Das Treffen im Juni 2000 zum 50igsten Jahrestag des Kongresses für Freiheit in Berlin hat durch die Anwesenheit prominenter Dissidenten Osteuropas deutlich gemacht, dass es zu einer Neuauflage des Kongresses nach dessen Tätigkeiten in Deutschland, Österreich, Frankreich und England in den fünfziger und sechziger Jahren aktuell in Osteuropa kommen wird. Die Reeducation Osteuropas wird mit amerikanischer Hilfe vor sich gehen, und das alte Europa wird sehen müssen, wo es bleibt.

Die Sozialdemokraten haben kaum eine Perspektive für Osteuropa entwickelt. Einerseits vermieden sie freundliche Kontakte zu den kommunistischen Parteien, um nicht als verkappte Bolschewiken zu gelten, und andererseits hielten sie sich genau an die Moskauer Vorstellungen zur Nachkriegsordnung, die in Jalta festgelegt worden sind.
Man wollte keineswegs Moskau vergrämen. Auch die konservativen Regierungen der 2.Republik folgten dieser Regel.

Es liesse sich nun eine ganze Menge schreiben über die Traditionen dieses Europas, mit seinen Anfängen in der athenischen Demokratie, über das kontinental überspannende römische Reich, von dem wir im wesentlich die Rechtsgrundsätze des individuellen Rechts und des privaten Eigentums geerbt haben, von der mächtigen sozial- und kulturbildenden Kraft des europäischen Christentums, das eigentlich das Bild des heutigen Europas geformt und geprägt hat, bis hin zur Aufklärung, die zu ungeheuren Umwälzungen in der Neuen Welt, auf dem eurasischen Kontinent und in Europa geführt hat.

Noch immer sind sich viele Menschen nicht bewusst, dass sie nach Verfassungen leben, die ihren Ursprung in der Aufklärung, ihre Wurzeln in der grossen französischen Revolution, die das alte feudale, absolute und katholische Europa erschüttert und nachhaltig veränderten, haben.. Eine Geschichte die uns noch bewegt und in der es noch immer Kräfte gibt, die das Rad der Zeit zurück drehen möchten.
Erst kürzlich ist das über Jahrhunderte in Alkohol bewahrte Herz des unglücklich ums Leben gekommenen Knaben Ludwig, der eigentlich Ludwig dem 16. folgen sollte, in einer kirchlichen Feier für immer bestattet worden. Das Herz ist ihm nicht von blutrünstigen Revolutionären herausgeschnitten worden, die es als blutige Trophäe bewahrt haben, sondern von einem königstreuen Arzt.

Dieses makaber wirkende Schauspiel eines von der katholischen Kirche über jahrtausende hinweg gepflogenen Reliquienkults und offensichtlich von königstreuen Legitimisten aktuell öffentlich wirksam neu in Szene gesetzt, und von einflussreichen europäischen TV-Stationen übermittelt, zeigt, dass der feudale Traum noch nicht völlig ausgeträumt ist.

Wenn nun von bestimmten kirchlichen Kreisen darauf insistiert wird, die gestaltende Kraft des Christentums in der europäischen Verfassung ausdrücklich zu erwähnen, sollten wir nicht vergessen, dass es politische Übung gewesen ist, bis hin zum der Gegenreformation folgenden Absolutismus, einen von der Kirche nach göttlichem Willen gesegneten Herrscher ins Zentrum der politischen Macht zu stellen, dem sich die Stände unterzuordnen hatten.

Was in der Kirche heute intern als päpstlicher Zentralismus funktioniert, dem alle anderen kirchlichen Institutionen nachgeordnet sind, könnte sich so auch wieder in das öffentlich demokratische Leben einbringen.

Bei Betonung der christlich europäischen Tradition drängen sich die Erinnerungen an die dunklen Seiten der Geschichte der Kirche auf. Es ist müssig, an die Inqusition der spanischen Kirche zu erinnern, an die Unerbittlichkeit christlicher Herrscher wie etwa des europäischen Einigers Karl des Grossen, des ungarischen Stefan des Heiligen und des Gegenreformators Karl des Fünften. Obwohl die drei genannten Herren keineswegs mit missionarischen Anstand ihre Vorstellungen vom christlichen Abendland durchsetzten, im Gegenteil mit der Macht des Schwertes und der Folter den Glauben erzwangen, gelten sie als Gründerväter Europas. Das mögen sie auch sein, ob sie in ihren Methoden heute noch wirklich brauchbare Vorbilder sind, sei zweifelnd hinterfragt.

So wird der von der Stadt Aachen gestiftete Karlspreis für völkerverbindende Leistungen vergeben. Im Jahre 1990 wurde er in einen internationalen Preis umgewandelt, der vor allem das Ende des Kalten Krieges insofern berücksichtigt wird, indem man von einer Erweiterung Europas wie auch des Ausbaus des Zusammenschlusses zu sprechen beginnt.
Der erste Karlspreis 1950 wurde an Richard Graf Coudenhove-Kalergi verliehen. Die von ihm gegründete Paneuropa Bewegung wurde von Otto Habsburg weitergeführt, der diese Geschäft in die Hände seines Sohn Karl gelegt hat.
Zweifellos wurde der Karlspreis an gestandene Demokraten verliehen, und ich möchte auch Coudenhove-Kalergis Bekenntnis zur europäischen Demokratie nicht in Frage stellen.

1923 erschien erstmals sein Buch Pan Europa, in dem Coudenhove einen europäischen Staatenbund forderte, als den einzigen Ausweg aus der drohenden wechselseitigen Vernichtung der europäischen Staaten.

Liest man dieses Buch heute, nach dem vollzogenen Beitritt der osteuropäischen Staaten, erweist sich sein Inhalt wie die Forderungen Coudenhove gerade zu visionär. Tatsächlich sind fast alle jene Staaten, die damals Kalergi als potentielle Mitglieder eines vereinigten Europas angesehen hat, in der Europäischen Union zusammengefasst, im europäischen Parlament vereint.

Coudenhove Kalergi hatte einen klaren Blick für die globalen, wie kontinentalen Machtverhältnisse und der Verschiebungen, die sich durch Revolutionen und den Zerfall der alten, monarchischen Ordnungen abzeichnet.
Den Nationalsozialismus, der ihn in das amerikanische Ziel gezwungen hat, sah er in gewisser Weise voraus. Er warnte vor einem weiteren Krieg, angefacht durch die anarchistischen nationalstaatlichen Begierden, der dann tatsächlich eingetreten ist, und sich zu einem Weltbrand ausweitete. Nach Beendigung dieses Krieges war Europa geteilt, und jener Teil, den Coudenhove die kleine Entente genannt hatte, wurde von der Sowjetmacht unter ihre Kontrolle gebracht. Europa schien auf Dauer geteilt, alle europäischen Staatskanzleien fanden sich mit dieser Teilung ab.
Erst der Zusammenbruch der Sowjetunion im Kalten Krieg der Hochrüstung führte nach 1989 zu neuen Perspektiven. Und das unvorstellbare geschah. Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, die baltischen Staaten konnten sich aus russischen Sphäre und aus dem sowjetischen Militärbündnis lösen. Der Weg zu einer gesamteuropäischen Einigung, wie es Coudenhove visionär gefordert hatte, war frei und ist auch begangen worden.

Er selbst stellte sich ein Europa auf demokratischer Grundlage vor, ohne die Begierde´n hegemonialer und autokratischer Zielsetzungen Die amerikanische Monroe Doctrin formulierte er für Europa um. Europa den Europäern.
Albert Einstein, Thomas Mann, Konrad Adenauer, Stresemann und Aristide Briand waren Mitglieder der Paneuropa Bewegung.

Im Jahr 1946 forderte Winston Churchill in seiner berühmten Züricher Rede die Gründung einer Art vereinigte Staaten von Europa, in dem er der Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland die zentrale Aufgabe zugewiesen hat. In diesem Punkt stimmte er mit Coudenhove Kalergi völlig überein. Der hat das Manuskript zu Churchills Rede verfasst.
Die französische deutsche Aussöhnung, vorgetragen von Charles De Gaulle und Konrad Adenauer, erwies sich tatsächlich als die zentrale Kraft der europäischen Vereinigung. Umso bedenklicher ist es, wenn dieses Bündnis von deutschnationalen Revanchisten in jüngerer Zeit und jüngst in Donalds Rumsfeld Unterscheidung in eine altes und ein neues Europa in Frage gestellt wird.

Für die Bereitschaft Frankreichs zur Aussöhnung stellte Coudenhove den höchsten Ruhmestitel, den eine Nation geniessen kann: Verkünder und Vorkämpfer der Menschenrechte in Aussicht.
Genauso bedeutend wie aktuell in seinem Konzept ist der Vorrang des Wirtschaftlichen vor dem Politischen, der uns heute allerdinsg Beschwerden bereitet.

Coudenhove Kalergi folgt damit durchaus den Idealen der Aufklärung. Er bezeichnet zwar die europäische Kultur als christlich und nennt als die beiden Pole der europäischen Kultur den hellenischen Individualismus und den christlichen Sozialismus. Nirgendwo im Text erwähnt er jedoch eine christliche Sendung seiner europäischen Vorstellungen.
Im Gegenteil: Jeder Kulturmensch muss daran arbeiten, dass, wie heute die Religion, morgen die Nation zur Privatsache erklärt wird. Die künftige Trennung von Nation und Staat wird einen ebenso grosse Kulturtat sein wie die Trennung von Kirche und Staat.

Doch die aktuelle Paneuropa Bewegung unter der Leitung Karl Habsburgs tritt ein für ein vereintes Europa nach christlich abendländischen Wertvorstellungen. Ottos Sohn wird politsch konkret. Österreich hat die einmalige Chance, als Vorhut Mittel- und Osteuropas in der Europäischen Union aufzutreten. Es könnte damit seine alte geschichtliche Sendung im Donauraum und darüber hinaus erneut aufnehmen.
So findet sich es auf der offiziellen Website der Paneuropa Bewegung.

Hat Österreich tatsächlich in einem neuen Europa eine Sendung, oder ist es bloss der sentimentale Wunsch nach der Wiederkehr von Habsburgs Glorie. Zeigen sich hier die legitimistischen Züge des künftigen Vorstandes des Hauses Habsburg ?

In den 80 er Jahren begann in Österreich in den Medien eine Art habsburgische Renaissance. Die Geschichte der Donaumonarchie wurde allgemein diskutiert, das ehemalige Herrscherhaus und der Franz Joseph und Sissy Kult rückte wiederum in den Vordergrund.

Erhard Busek sprach ebenso von der mittel - und osteuropäischen Sendung Österreichs. Jetzt muss er den Scherbenhaufen im Kosovo verwalten, den der jugoslawische Bruderkrieg hinterlassen hat.

Man hat alsbald die konkrete Erfahrung machen müssen, dass diese an Wien orientierte Sichtweise keineswegs den politischen Realitäten entsprochen hat. Die Budapester Intelligenz war zwar an einem Gedanken und Ideenaustausch interessiert, doch der wirklich fokusierte Blick richtete sich nach Berlin, nach Paris und vor allem nach Washington. Das galt ebenso für Prag und Warschau.
Allein Belgrad gíng einen eigensinnigen nationalen wie tragischen Weg. Und so wird es auch künftig sein. All diese Ländern werden die Vermittlerrolle Österreichs in Brüssel nicht in Anspruch nehmen. Sie werden ihre eigenen Wege gehen. Österreich ist für sie überholte Geschichte.

So sieht dies auch Coudenhove Kalergi. Er hat 1923 nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie von einer Befreiung Osteuropas gesprochen. Er sah in dieser nationalen Revolution sogar eine entscheidende Etappe auf dem Weg nach Pan-Europa. Der Weltkrieg habe die Entscheidung gebracht. Nicht das autoritäre Prinzip Metternichs der Heiligen Allianz siegte. Es gewann das liberale Prinzip über das konservative, der demokratische Gedanke über den autokratischen. Coudenhove sagt es eindeutig.
Durch den Zusammenbruch der drei letzten europäischen Kaiserhäuser wurden die unterdrückten Ostvölker frei.

Sind Otto Habsburg und sein Sohn Karl dabei, aus einem X ein U zu schmieden und Coudenhoves Konzeption für ihren Hausgebrauch zurecht zu biegen ?

Betrachten wir den Ablauf der Geschichte. Nach dem die Katastrophe eingetreten war, und Europa in jenen weiteren schrecklichen Krieg verfallen ist, vor dem Kalergi gewarnte hatte und den er mit einem europäischen Zusammenschluss zu verhindern suchte, konnte die Sowjetunion ihren Einflussbereich nach dem Westen ausdehnen.
Ostmitteleuropa geriet unter kommunistische Herrschaft. Als einzig effektive Bewegung des Widerstandes erwies sich in Polen die katholische Kirche und ihr weltlicher Arm, die Solidarnoc Lech Walensas.
Vor allem Polen wird sich künftig im europäischen Dialog zugute halten, wesentlich zum Sturz des kommunistischen Sowjetregimes beigetragen zu haben. Die Ungarn werden an ihren Aufstand 1956 und die Tschechen an 1968 erinnern, während die westlichen Staatskanzleien inklusive Wiens sich strikt an die Festlegungen von Jalta und an die jeweiligen Staatsverträge gehalten, die Teilung in Ost- und West hingenommen haben.

Die Wahl des Polen Karol Woytila zum Papst Johannes Paul II, in dessen Kür der osteuropaerfahrene Wiener Kardinal Franz König eine nicht unbedeutenden Rolle gespielt haben soll, erwies sich als ein effizentester Schachzug der jüngeren Zeitgeschichte. Er öffnete den Blick der Polen in den Westen und zeigte ihnen eine Alternative auf.
Gemeinsam mit Ronald Reagan, der auf wirtschaftliche Hochrüstung setzte und diese auch bei hoher Staatsverschuldung durchgezogen hat, bezwang er den Sowjetkommunismus.
Gorbatschows Perestroika, Glasnost und Demokratisierungsmodell kam zu spät, er selbst ist in dieser Geschichte zu spät dran gewesen.
Er wird als der Unterzeichner der Abrüstungsverträge in die Geschichte eingehen, aber nicht als Erneuerer Russlands.
Die katholische Kirche hatte damit real eine historische Mission erfüllt. Der polnische Katholizismus erwies sich als Sargnagel des mächtigen Sowjetsystem.
Obwohl die Paneuropabewegung da herzlich wenig beigetragen hat, fühlt sie sich offensichtlich als Erbe dieser Mission.

Andere haben da mehr geleistet. Unübersehbar das Engagement Kardinal Königs, der Dauer seiner Amtszeit den osteuropäischen Diskurs lebendig gehalten hat.

Anders steht es mit der Interessenslage von Karl Schwarzenberg, der wesentlich den Werdegang von Vaclav Havel gefördert hat, ihm in Zeiten der Not geholfen hat, letztendlich Havels erfolgreichen ersten Wahlkampf finanzierte und ind diesem Wege einen Teil der schwarzenbergischen Familienbesitzungen zurück erhalten hat.
Unbestritten sei, dass in all diesen Bemühungen im Hintergrund amerikanische Hilfe geleistet worden ist.
Tatsächlich ist diese Geschichte, bis zur europäischen Wiedervereinigung, die abschliessende Phase des jahrzehntelang anhaltenden Kalten Krieges.

Jetzt rückt Adam Liechtenstein in Wien an, um sich künftige Positionen im Osteuropageschäft zu sichern. Zeitgerecht liess er die berühmte Liechtensteinische Bildersammlung nach Wien zurück bringen. Auf einigen Taxis steht der Slogan: Kutscher, schnell, ins Liechtenstein. Ob er auch neue Kunst ausstellen wolle. Nein, keineswegs. Kein modernes Bild soll mehr im Palais gezeigt werden, in das die österreichische Republik eine Menge Geld investiert hat. Jahrzehntelang diente es als Museum der Modernen Kunst. Jetzt dient es den neuen Zeiten, die eigentlich die alten sind.

Ein kleines, aber interessantes Detail offenbarte Liechtenstein in einem Interview zur Eröffnung der Sammlung. Die Liechtensteinische Sammlung ist nach der Besetzung Österreichs 1938 durch die Nazis beschlagnahmt worden. Als sich abzeichnete, dass die Deutschen den Krieg nicht mehr gewinnen konnten, begannen hochrangige Nazis, etwa Hjalmar Schacht, an die Zukunft zu denken und man begann von verschiedenen Seiten Kontakte zu den USA für die Zeit danach zu suchen. Als einer der Vermittler bot sich der damalige Fürst Liechtenstein an. Im Gegenzug errang er Stück für Stück eine Transfererlaubnis seiner Sammlung nach Vaduz.
Die amerikanischen Kontakte haben sich für die Liechtensteins ohnehin bezahlt gemacht. Sie verdienen ihr Geld mit globalen Finanzdienstleistungen und mit Lebensmittelproduktionen in den USA.
Jetzt erweckt offensichtlich der neue osteuropäische Markt das Interesse.Und dieser Markt lässt sich von Wien aus besser bearbeiten als von Vaduz aus.

Die europäischen Adelshäuser werden im neuen Europa unübersehbar ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. Live Übertragungen von Hochzeiten, Begräbnissen und Militärparaden aus Madrid, London, Kopenhagen, Oslo, Amsterdam, Brüssel, Stockholm verwandeln die europäische TV-Landschaft in eine Art neuer Yellowpress. Es gibt kaum mehr einen Sender, der sich nicht einen Hofberichterstatter leistet. In Österreichs besorgt es der Karl Hohenlohe, nachdem man Karl Habsburg das TV-Geschäft nicht mehr zumuten kann.
Dieser TV Feudalismus, gespeist von den konstitutionellen Königshäusers und der Neugierde des Fernsehvolkes , macht offensichtlich einen Teil der neuen europäischen Identität aus.
Hocharistokratie und Kirche setzen ihr jahrtausende altes, gemeinsam öffentliches Schauspiel im Zeitalter der Neuen Medien fort.

In der Diskussion der neuen europäischen Verfassung, wünscht sich die katholische Kirche ausdrücklich eine Bezugnahme in der Präambel auf die christlichen Grundwerte in der europäischen Tradition. Der Konvent und das europäische Parlament ist dem Ansinnen bislang nicht nachgekommen.

Tatsächlich fragt es sich, ob es nötig ist, abgesehen von der Garantie einer allgemeinen Freiheit der Religionsausübung, das Christentum in der Verfassung ausdrücklich zu erwähnen.

Ich bin der Überzeugung, dass ein erlösendes Christentum nicht nach weltlicher Macht streben sollte. Die Gefahr, erneut einer totalitären weltlichen Versuchung zu unterliegen, ist zu gross und die Zeit, in der die spanische Falange mit Hilfe der Kirche und der Nazis die Demokratie niedermachten, so wie ein katholisch determinierter österreichischer Ständestaat die Demokratie ausschaltete, ist noch in schlechter wie dramatischer Erinnerung.
Die verfassungsmässig verankerten Menschenrechte sind ohnehin nicht allein Erbe der Aufklärung , sondern eben auch Erbe der christlichen Ethik und des christlichen Glaubens. Es ist die christliche und humanistische Ethik, die uns zusammenhält, und nicht der eifernde Glaube.

Vor allem befürchte ich den missionarischen Eifer der osteuropäischen Kirchen, die nach der Befreiung vom Kommunismus sich nun möglicherweise eine erneute Evangelisierung des europäischen Westens in ihrem Sinne zur Aufgabe stellen.

Ich bin mir dessen bewusst, dass dieses Europa auch ein Erbe der grossen Anstrengungen der katholischen Orden und ihrer wirtschaftlichen Leistungen ist. Doch ich halte nichts davon, die europäische Demokratie nach dem Modell eines Klosters oder nach den Vorstellungen des römisch deutschen Kaisertums neu zu ordnen. Die innere Ordnung der Kirche ist fundamentalistisch.
Der dogmatische Fundamentalist ist sich ohenhin dessen bewusst, dass die Kirchenordnung nicht demokratisch ist.

In Europa und in den USA ist ein neuer christlicher Fundamentalimus im entstehen bzw. in Bewegung geraten. Die Argumentationen des Neoliberalismus und der Neokonservativen, die sich durch George Bush im Weissen Haus vertreten sehen, decken sich überraschend mit den Argumenten des europäischen Rechtskatholizismus, mit Aussagen christlichsozialer und christdemokratischer Politiker in Mitteleuropa. Den extremen Antikommunimus teilt man mit den Neuen Rechten.
Eine Reihe von Argumenten erinnern an den Jargon der Kalten Krieger in den 50 er Jahren, an die McCarthy Zeit. So ist die rechtskonservative On-Line Publikation townhall.at ein Ableger von townhall.com, die wiederum von der Heritage Foundation getragen wird, einem Think Tank, der George Bushs Mannschaft in Washington in Theorie und Praxis unterstützt. Selbstverständlich führt von der Website der Paneuropabewegung ein Link zu townhall.at, das sich selbst als konservatives Netz vorstellt.

Manchmal decken sich die Leseempfehlungen auf townhall mit denen der Berliner On-Line Zeitung Junge Freiheit, dem Sprachrohr der Neuen Rechten in Deutschland. Auch diese Zeitung hat einen österreichischen Ableger. Zur Zeit, redigiert von Haiders ideologischen Berater Mölzer, der gerade für die Europawahlen kandidiert hat.
Diese Überlappungen von neokonservativen und neuen wie alten Rechten ist aus der jüngeren österreichischen Innenpolitik ohnehin bekannt.
Dies trifft aber auch für den gesamteuropäischen Raum zu. Einen der sich überkreuzenden Wege nimmt die Paneuropabewegung.

Die Sudetendeutschen Landsmannschafen bilden ein nicht geringes Konfliktpotential. So verführen sie auch die bayrische CSU dazu, zeitweilig betont rechtskonservative Töne anzuschlagen. In den Häusern der Heimat, die von den Vertriebenen in Deutschland und in Österreich errichtet worden sind, werden revanchistische Parolen vermittelt. Otto von Habsburg, internationaler Präsident der Paneuropa-Union bezeichnete die Vertiebenen als Vorhut der Zukunft. Eine Formel, die in anderer Weise auch sein Sohn verwendet.

Die Paneuropa Bewegung ist keine Partei, sie ist eine Sammelbewegung, die Unterstützung in allen möglichen politischen Gruppierungen und Interessenvertretungen sucht. Sie hat sich noch nie demokratischen Wahlen gestellt. Otto von Habsburg besetzte ein Mandat der CSU im Europaparlament und sein Sohn ist mit einem Mandat der Volkspartei nach Strassburg gegangen.

1989 wurde die letzte österreichische Kaiserin, Zita, die Grossmutter Karls, in der Wiener Kapuzinergruft beigesetzt. Der ORF geriet in helle Aufregung und Horst Friedrich Mayer, Nachrichtenchef des ORF und praktizierender Monarchist prophezeite den Ansturm von einer halben Million Trauergästen aus den umliegenden östlichen Ländern, vor allem aus Ungarn. Zita war ja auch ungarische Königin gewesen.
Der ORF rückte mit allen möglichen transportablen Aufnahmeeinrichtungen aus, baute Kameras auf Kränen auf, liess Hubschrauber fliegen.
Doch was nützt alle versammelte Technik und alles Wunschdenken. Den letzten monarchischen Trauerkondukt säumten gerade zwanzigtausend Leute.

Und die Kapuziner lassen in ihrer knappen Form auf ihrer Homepage wissen, dies wäre das letzte Begräbnis in der Wiener Kaisergruft gewesen.


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