unsichtbare gegner


gedanken beim machen
eines films durch
VALIE EXPORT

© Hermann Hendrich

an den morgen und an die einsamkeit denke ich weniger als an ein alleinsein, wie es jeden tag eintreten kann, an das bild der frau im morgendlichen raum, und an die hinweise auf ihre selbstständigkeit, ihre verbindung mit dieser stadt, die sie nun gezwungen ist in neunzing schmerzhaften minuten so zu reflektieren, dass ich selbst deutlicher sehe, was meine alltagswege begleitet und umstellt.

so wäre irgendeine besorgnis über den lebensabschnitt dieser frau nicht angebracht, ausser eine zuneigung richtet ein denken auf alle möglichkeiten, die auf ein leben treffen können.

nur ist vor der gebotenen wirklichkeit keine vermutung haltbar so wie jede voraussicht, die in der antizipation von störungen und unglück sicherungen schaffen will.

im traum stellt sich die einseitige klarheit vor die setzung von versuchtem selbstgefühl in die symbole unserer tradition kennzeichnet und auch die sicherheit des künstlers und dichters. kein geschöpf einer sogenannten phantasie könnte in seiner abrichtung die verhaltensweisen dieser person nachahmen, deren gesten von anderen erkenntnissen in das Ich herausgefordert werden, als es die gesellschaftlich beamteten wächter unserer seelischen gesundheit ihrem rigiden repertoire entnehmen könnten.

freilich ist es grausame arbeit diese wirklichkeit einmal herzustellen. in der häufung von anstrengungsfeldern beherrscht von den verschiedensten spannungen, bedürfnissen, wünschen, notwendigkeiten, und dann auch eingebunden in den täglichen ablauf des lichts (und es war schön im juni)

welche unterstützung aber was gibt es anderes für uns als die anordnung von wort, bild, ton um uns selbst und die in uns angelegten verbindungsketten vor dem hintergrund einer gleichförmigen entwicklung von kulturformen vereinzelnd darzustellen?

vielleicht vergessen wir als enkel der aufklärung, dass die dummheit und intoleranz, der wir täglich begegnen, nicht qualitäten der personen sind, mit denen wir umgehen, sondern diesen auferlegte scheuklappen und narrenhüte um organisation und verwaltung dieser gesellschaft einfacher zu gestalten, das kollektive leugnen des dunkels, was nichts anderes heissen soll, als dass eben das kollektiv mit seinem reflexivem arm, der wissenschaft, dieses dunkel noch nicht erhellen konnte.

aber trotzdem fällt auf dich und mich der ausdruck des wahns, was einfach ein unglück ist, keinen anderen ausweg anbieten zu können, als die ständige überredung des selbst und die akzeptation der sogenannten schuld, dem furchtbarsten syndrom der vergangenen tradition. und das nennen wir irrsinn mit dem recht der ein bischen stärkeren schieben wir diese figuren aufs tanzparkett am sommerfest im hause steinhof, und doch sprechen diese menschen deutlich zu uns mit ihren bewegungen, denn die worte sind ihnen nicht mehr erlaubt.

turm im kühlen blaugrau es ist aber nur meine sehnsucht, dort oben zu sein, frei von Ideen bedingungen meiner derzeitigen existenz. und diese rundumsicht muss jemand machen, der dort hinaufgeschickt wurde, weniger aus eigenem antrieb, ein fremdes auge, das nur als späher dienen kann. und mein gefühl am abend, wenn du aufwachst und die volle klarheit des ausblicks niederkommt auf uns beide, ist es anzunehmen?

aber nicht nur was wir sehen im ablauf der bilder ist die realität, die uns in unser bewusstsein hineingetragen wird, gesiebt und unterdrückt, mehr unsere beteiligung mit gedankenketten, gefühlswogen, so dass wir zu erleben beginnen und aus zeichen und motion teile unseres selbst wiederfinden in der darstellung des films.
ein teil aller verschiebungen wird aufgehalten von gitterstörungen unserer homogenen erwartungen, die sich wie eisschollen auftürmen und der fall der brücke als überdeutliches zeichen für die subtilen hinweise auf chaos und zerstörung im rahmen der sozialen marktwirtschaft.
wenn der empfindsame einzelne die spalten und klüfte des gesellschaftlichen zusammenhangs mit der wirkung von unsichtbaren hyksos erklärt; aber gleichzeitig das überzeugende vorweisen von person und haltung, über die bestimmung durch die abgelebten restriktionen der gemeinschaft und der liebe hinaus.

wien, juli 1976

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