Graz im 19. Jahrhundert

© Annegrete Hohmann-Vogrin und Hermann J. Hendrich


Die Darstellung der städtebaulichen Entwicklung der Stadt Graz in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist explizit das Ziel dieser Arbeit, wodurch in weiterer Folge eine vergleichende Betrachtung verschiedener großer Stadte der Habsburger-Monarchie, spater K. K. Monarchie ermöglicht werden soll. Eine Anzahl detailreicher Studien und Arbeiten für diese Epoche liegen bereits vor.(1 Hier wird versucht die spezifische stadträumliche Entwicklung darzustellen, unter spezieller Beachtung der politischen und wirtschaftlichen Bedingungen, die ihr zugrunde liegen. Die Nachzeichnung der Entfaltung der bürgerlichen Schicht im so genannten Vormärz kann uns dazu führen, wie die entsprechenden Entscheidungen zustande kamen, was die Grundhaltungen im allgemeinen und die Prämissen im einzelnen waren, die hier wirksam wurden.

Urn die Mitte des 19. Jahrhunderts erscheint Graz als eine ,,moderne" Stadt. Gegenüber dem westlichen Ende der Hauptbrücke, in der Murvorstadt, entsteht das so genannte "Eiserne Haus". Nach der Hochwasserkatastrophe von 1827, der auch die alte hölzerne Hauptbrücke zum Opfer gefallen war, kam es im Zuge der Neuerrichtung der Brücke als Kettenbrücke 1845 und des Abbruchs beschädigter Bauten am Kai zu neuen Regulierungslinien. Für das daraus resultierende recht schmale Grundstück an der Nordseite der weiten Öffnung des Murvorstadtplatzes zur Murbrücke projektierte ein junger Architekt und Bauunternehmer, Joseph Benedikt Withalm, einen zweigeschossigen Skelettbau ganz aus gusseisernen Fertigteilen. Abänderungen in der engeren Planungsphase im Jahr 1846 reduzierten den Anteil der Gusseisenkonstruktion jedoch auf das oberste Geschoss eines nunmehr dreigeschossigen Gebäudes. Dieses war allerdings mit einem begehbaren Flachdach versehen. Das Erdgeschoss enthielt Läden, das luftige Obergeschoss ein Cafe, mit einer für diese Zeit sicher sensationellen Dachterrasse. In einer Fassadennische, die in anderen Grazer Bürgerhäusern üblicherweise von Madonnen oder Figuren von Heiligen besetzt sind, fand man hier eine Statue der Polyhymnia, der Muse des Gesanges. 1847 eröffnet, wurde drei Jahre später das Flachdach aufgrund bautechnischer Mängel mit einem Walmdach versehen. 1852 verkaufte Withalm das ursprünglich so innovative Objekt (2 .


Seit 2003 ist dieses Bauwerk, nun wieder auf die essentiellen Elemente zurückgeführt, in das neue Kunsthaus von Peter Cook und Colin Fournier einbezogen, das auf Grund seiner - fast möchte man sagen der Tradition des Ortes entsprechenden - extremen Form hier liebevoll als "friendly alien" bezeichnet wird Withalm war davor bereits durch ein anderes spektakuläres Bauwerk aufgefallen, das Coliseum, errichtet 1839, ein Bauwerk, das der Stadt die Ausrichtung grosser Veranstaltungen ermöglichte, da es bis zu 3000 Personen fassen konnte. Hier fand auch auf Betreiben von Erzherzog Johann 1843 die "21. Versammlung der deutschen Naturforscher und Ärzte" statt. Gustav Schreiner verfasste für diesen Anlass sein umfassendes Werk über die Stadt, "Gratz" (4, das eine ausführliche Darstellung der Entwicklung und des Zustandes der Stadt am Beginn des hier zu behandelnden Zeitraumes gibt.

Lage und Entwicklung der Stadt bis 1800

Bestimmend für die gesamte Stadtanlage ist zunächst die Topographie: Der Fluss und der für Wehrzwecke geeignete Felsen des Schlossbergs an seiner Ostseite, der mit dem Kalvarienberg im Westen die Einschnürung und Öffnung bewirkt, die eine Furt ermöglichte. Im westlich gelegenen Grazer Feld verlief außerhalb des Überschwemmungsgebietes wahrscheinlich schon zur Römerzeit die alte Handelsstrasse, die die Alpen mit der Adria verband. Entlang der von dort abzweigenden Strasse in die östlichen Landesteile entwickelt sich westlich des Flusses die unbefestigte Murvorstadt, an der Ostseite, von einem planmässig angelegten Markt (1147) zwischen Mur und Schlossberg ausgehend, um den Südsporn des Schlossbergs, die befestigte Stadt. Anstelle der Furt entstand schon früh eine Brücke, die allerdings lange die einzige bleiben sollte. 1379 wurde Graz Residenz Leopold III und danach Sitz der leopoldinischen Linie der Habsburger. Unter Friedrich, als Friedrich III von 1453 bis 1493 römisch-deutscher Kaiser, erfuhr die Stadt einen beträchtlichen Aufschwung. Die Errichtung der Burg und der Neubau der Domkirche fallen in diese Zeit. Die ständige Bedrohung durch die Türken führt zur Verstärkung der Festung auf dem Schlossberg und zur Erneuerung des gesamten Befestigungsgürtels um die Stadt ab 1543 .


Nach der habsburgischen Länderteilung, 1564, wird Graz zur Hauptstadt von Innerösterreich. Die Renaissance überlagert die mittelalterlich geprägte Stadt. Die zunehmend protestantischen Landstände errichten prächtige Palais, wesentliche Teile des Landhauses entstehen. Erzherzog Karl II holt im Zuge der Gegenreformation den Jesuitenorden nach Graz und 1585/86 wird die Universität gegründet. Sein Sohn Erzherzog Ferdinand II verlegt nach seiner Wahl zum römisch-deutschen Kaiser 1619 seinen Hof zwar nach Wien, Graz bleibt aber bis 1749 Hauptstadt von Innerösterreich. Im wirtschaftlichen Aufschwung nach den Türkenkriegen, im 17. und 18. Jahrhundert werden viele Bauten barockisiert. Vor allem ausserhalb der Mauern entstehen bedeutende Barockbauten, wie das Schloss Eggenberg, die Wallfahrtskirche Maria Trost und mehrere Kirchen, vor allem Klosterkirchen, in der Murvorstadt. (5

Öffnung der Stadt

1787 wurde weiter flussabwärts an der Stelle der heutigen Radetzkybrücke eine zweite Brücke errichtet. Dies geschah folgerichtig erst nach der von Kaiser Josef II 1782 erlassenen Resolution Graz als befestigten Platz aufzuheben und der damit verbundenen Anweisung, alle Fortifikationsplatze zu verkaufen. 1784 fand die erste Versteigerung von Gründen im Süden der Befestigungsanlage statt. Damit begann die planmässige Vorstadterweiterung am linken Murufer. (6 Die Gründe vor dem Eisernen Tor im Süden wurden hier in mehreren Abschnitten von einem gewissen Kaspar Andreas Edler von Jakomini erworben, der als Postmeister von Cilli (Celje) "zu Ansehen und Besitztum" gekommen war und in Graz seinen Lebensabend verbringen wollte. Er legte hier einen Platz - heute Jakominiplatz - an und davon ausgehend zunächst zwei Strassen, die Klosterwiesgasse und die Jakoministrasse. Dem folgte die Verbauung der nach St. Peter (Reitschulgasse) und über das Glacis nach St. Leonhard (Gleisdorfergasse) weiterführenden Strassen. Mit der neuen Murbrücke ergab sich über das Kleine Glacis, den Jakominiplatz, die Gleisdorfergasse und das Glacis mit gradliniger Verbindung zur Leonhardstrasse so quasi eine Umfahrung von Graz von Westen kommend in Richtung Ungarn. Auch urn die Leechkirche wurde weiträumig ein Strassengeviert angelegt, die Zinzendorfgasse und die Harrachgasse bis zur späteren Halbarthgasse, und zunächst mit ebenerdigen Häusern verbaut. Hier hatte die Commende Leech schon 1792 urn eine "Grundstuckszerstückelungs-Bewilligung" ihres Kirchengrundes angesucht. (7


1797,1805 und 1809 wurde Graz von den Franzosen besetzt. Ein letztes Mat trotzte die Schlossbergfestung einer Belagerung, 1809 musste sie nach dem Frieden von Schönbrunn geschleift, bzw. gesprengt werden. Uhrturm und Glockenturm durften auf Bitten der Grazer Bürgerschaft und Zahlung einer gewissen Summe Geldes bestehen bleiben.

Vormärz

Der nach den Napoleonkriegen verstärkte absolutistische Staat, geprägt von einem Fürstkanzler Metternich, regierte ganz von oben nach unten, private Initiativen in der bürgerlichen Bevölkerung wurden nicht geduldet, die Presse und das Theater unterlagen einer ganz besonders strengen Zensur. So konnten eigentlich nur Persönlichkeiten in der Nähe des oder aus dem Herrscherhaus, die eine liberalere Einstellung besaßen, Entwicklungen in Wirtschaft und Politik in der Zeit des Vormärz (gemeint ist die Zeit vor den Märztagen 1848, der bürgerlichen Revolution) durchsetzen.

Die Steiermark und Graz hatten gegenüber vielen anderen Kronländern den Vorteil, dass sich ein Mitglied des Herrscherhauses, der Bruder des regierenden Kaisers, Erzherzog Johann, mit größtem persönlichen Einsatz wissenschaftlichen, kommerziellen und letztlich auch hygienischen Verbesserungen widmete. Schon 1811 konnten die steirischen Stände die Schenkung der Sammlungen des Erzherzog Johann entgegennehmen, die als Joanneum bis heute existiert, ursprünglich nicht nur als Museum gedacht war, sondern auch die Lehre beinhielt: So ging aus dem Joanneum 1845 das erste Realgymnasium der Steiermark, 1840/49 die Montanistische Hochschule und 1865 die Technische Hochschule hervor. Als "Director des Geniewesens" in der Steiermark betrieb der äußerst rührige Erzherzog Johann Verbesserungen oder Neuschaffungen der Infrastruktur in der Steiermark vom Bau neuer Strassen und Brücken bis zur Errichtung der ersten Eisenbahnstrecke von Graz nach Mürzzuschlag, 1844. Selbst Besitzer von Bergbau-unternehmen und Hammerschmieden, forderte er die wissenschaftliche Erforschung der Bodenschätze und die moderne Technologie des Erz- und Kohleabbaues. Auch die soziale Lage der Knappen blieb eines seiner Anliegen.
Im Allgemeinen waren die damaligen Arbeitsverhältnisse mit Kinderarbeit, vierzehnstündiger täglicher Arbeitszeit, schlechter Entlohnung und ständiger Unsicherheit jedoch drückend und forderten die Unzufriedenheit mit den gegebenen Herrschaftsverhältnissen. Parallel dazu erstarkte das Bürgertum trotz hoher Steuern und anderer Belastungen. Die studierende Jugend begann sich zu emanzipieren und Forderungen nach Freiheit der Lehre zu formulieren. Als in Wien die Märzrevolution 1848 begann, formierte sich auch in Graz eine Nationalgarde der Bürger und die Studenten stellten ein bewaffnetes Freikorps auf. Im Gegensatz zu Wien oder auch anderen europäischen Großstädten kam es in Graz zu keinen blutigen Ausschreitungen oder bürgerkriegsähnlichen Situationen, da Erzherzog Johann selbst liberalem Gedankengut positiv gegenüber stand und persönlich an einigen Demonstrationen teilnahm.

Die Aufbruchstimmung, begleitet von neuen Tageszeitungen nach dem Wegfall der Zensur, dauerte nur kurz, mit dem Zusammenbruch der Revolution in Wien (an der Verteidigung der Hauptstadt gegen das kaiserliche Heer hatten auch etwa 200 Grazer teilgenommen) und der Wiedererrichtung des Absolutismus nach der kurzen, weniger als ein Jahr dauernden Sitzung des zukunftsweisenden Reichtages (Wien, Juli 1848 - Kremsier, März 1849) fiel auch jede mögliche Selbstbestimmung der Bürger aus.

Graz war aber seit den napoleonischen Kriegen schon von etwa 35.000 auf 50.000 Einwohner gewachsen, denn die Aufhebung der Leibeigenschaft, die Auflösung der Klöster zur Josephinischen Zeit und später die Bauernbefreiung erzeugten nicht nur hier eine regelrechte Landflucht: "In immer stärkeren Schüben wurden immer größere Kontingente von Arbeitskräften aus den ehemaligen geistlichen Dominien und den Neudörfern des späten 18. Jahrhunderts mit stärkerer Gewerbeorientierung freigesetzt. Die in gewerblicher Tatigkeit ausgebildeten oder teilerfahrenen Handwerker und Heimarbeiter ließen sich in den Vorstädten nieder, weniger oder nicht Ausgebildete kamen als Hilfspersonal bürgerlich-städtischer Haushalte mit der städtischen Lebensweise in Berührung" (8. Eine Anzahl von Manufakturen und Fabriken konnten so in der Stadt gegründet werden, die den Zuwanderern Arbeit gaben. Zahlreiche Gewerbebetriebe siedelten sich auch im Norden und entlang der Mühlgänge, Nebenarme der Mur, an. 1836 wurde am Nordende des Schlossbergs, außerhalb der alten Befestigungsanlage, vor dem Sacktor, an der Stelle der heutigen Kepler-Brücke die sogenannte Ferdinands-Kettenbrücke eröffnet. Somit ergab sich eine Art Ringstrasse um die noch mit Befestigungsanlagen umgürtete Stadt samt Schlossberg, die in die beiden großen Marktplätze der Murvorstadt, den Lend-Platz im Norden, den Gries-Platz im Süden, einmündeten. Diese waren untereinander durch die Maria-Hilfer-Gasse und die Griesgasse uber den Murvorstadtplatz vor der Hauptbrücke verbunden. In der Folge wird auch die nördlich um den Schlossberg führende Wickenburggasse bebaut sowie die obere, mittlere und untere Laimburggasse, heute Wartingergasse, angelegt. Die Bebauung erfolgte durch einen Baumeister, Georg Lindner, der die relativ einfachen Häuser teilweise erst nach der Fertigstellung verkaufte.


Die neu angelegten Strassen und Plätze, eigens genannt werden der heutige Freiheitsplatz sowie der Durchbruch der Albrechtgasse innerhalb der Mauern und die Jakomini-Vorstadt, werden von Schreiner 1843 hoch gelobt indem er feststellt: "So haben denn Stadt und Vorstädte .....ein viel freundlicheres Ansehen, mehr Geräumigkeit und Regelmäßigkeit, eine größere Sicherheit und Bequemlichkeit gewonnen und den mittelalterlichen Anstrich, den sie noch vor wenigen Jahren zur Schau trugen, bereits größtenteils verloren..." (9 Daher siedelten sich in den neuen Stadtteilen zwar hauptsächlich Fremde an, aber auch Einheimische ,,..zöge es mehr und mehr in die neuen Viertel, so dass dort in den dunklen und engen Gassen der leerstehenden Quartiere immer mehr werden."

Gerade Strassen, wenn möglich die Ausrichtung derselben auf ein markantes Zeichen hin, waren erstrebenswert, ebenso das Hereinholen der Natur durch Alleen oder das Anlegen von Gärten im verbauten Gebiet. Das entsprach den Idealen der Zeit, das Gebaute möge sich in die Natur einfügen. Der Schlossberg, seit 1818 in Besitz der steirischen Stände, wird entgegen ersten Plänen nicht parzelliert und zur Verbauung freigegeben, sondern erfährt durch Ludwig Freiherr von Welden zwischen 1839 und 1841 eine gärtnerische Gestaltung. Dieser, erst 1838 als Divisionär nach Graz versetzt, hatte am Ort seiner vorhergehenden Stationierung im dalmatinischen Zara schon einen damals vielbeachteten Volkspark angelegt. Eigenen Ausführungen zufolge, sah er den gesamten Bereich zwischen Schlossberg und Rosenhain als seine Gestaltungsaufgabe, die er ganz im Sinne des romantischen Landschaftsgartens zu erfüllen gedachte, was zum Teil auch geschah. (10

1841 wird denn auch als erste große Trassierung die Elisabethstrasse genehmigt, die zwischen Leonhardstrasse und Zinzendorfgasse geradlinig auf den Turm der Kirchen von St. Leonhard zu führt. Die Strasse wird in regelmäßigen Abständen durch Querstrassen gekreuzt und eine Blockrandbebauung mit großen Innenhöfen vorgesehen. Für Parzellierung und Planung zeichnet wieder Georg Lindner verantwortlich. Er plante auch eine Anzahl von Häusern, vor allem auch den Block am Beginn der Elisabethstrasse, mit monumentaler dem Glacis zugewandter klassizistischer Fassade fur Joseph Christoph Kees. Nördlich anschließend wird das Gebiet des ehemaligen Posthofgrundes zwischen Harrachgasse und Heinrichstrasse in ähnlicher Weise in vier Blöcken parzelliert. Durch das Einsetzen des Eisenbahnverkehrs verloren diese Areale an Bedeutung. Hier tritt erstmals eine Gruppe von Unternehmern in Erscheinung, die Planung Ausführung und Verkauf der fertigen Häuser gemeinsam organisierten.(11


1844 wird die Annenstrasse angelegt, die, ausgerichtet auf den Turm der Franziskanerkirche, die Murvorstadt durchschneidet um eine geradlinige Verbindung zur Bahnstation herzustellen, denn im selben Jahr wurde die Bahnstrecke Graz-Mürzzuschlag eröffnet und so eine effiziente Verbindung zu den obersteirischen Forst- und Bergbaugebieten hergestellt. Die Initiative zum Bau dieser Strecke ging von Erzherzog Johann aus und war vor allem deshalb bemerkenswert, well zu dem Zeitpunkt keineswegs die technischen Voraussetzungen gegeben waren für die Weiterführung der Strecke uber den Semmering nach Wien. In Wien wurde erwogen, die Strecke nach Triest über Westungarn zu führen. Erst durch die Errichtung dieser Strecke, für die die steirischen Stände nicht nur eine beträchtliche Summe zur Verfügung stellten sondern sich auch verpflichteten die Grundablösen durchzuführen, wurde das Semmering-Projekt in Angriff genommen. 1854 wurde die Strecke über den Semmering eröffnet und Graz damit direkt an die Reichshauptstadt angebunden. 1857 war die gesamte Strecke Wien - Triest fertig gestellt und Graz damit in das übergeordnete europäische Verkehrsnetz eingebunden, 1860 wurde auch die Strecke Graz-Köflach eröffnet und damit der Anschluss ans weststeirische Braunkohlegebiet hergestellt. (Abbildung 6)

Auswirkungen der Revolution von 1848

Die Ideen der Revolutionäre des 48er Jahres konnten aber doch nicht mehr unterdrückt werden. Der bürgerliche Aufbruch wurde vor allem durch ein 1849 in Wien ausgearbeitetes provisorisches Gemeindegesetz ermöglicht, das für Landeshauptstädte eine eigene gesetzliche Verfassung vorsah. Graz erhielt 1850 eine provisorische Gemeindeordnung. Bei den Wahlen der neuen Verantwortlichen waren jedoch nur 2.828 Personen wahlberechtigt! (12

Infolge der tiefgreifenden Veränderung der politisch-gesellschaftlichen und institutionellen Rahmenbedingungen wurden nun Grundlagen für die großindustrielle Entwicklung geschaffen, unter anderen die Errichtung öffentlich-rechtlicher Handels-und Gewerbekammern oder, schon 1848, die Neuschaffung eines Handelsministeriums. (13 Von großer Bedeutung für die industrielle Entwicklung war auch "...die formal-rechtliche Auflösung des Feudalsystems durch die im Jahre 1849 erfolgte ,,Grundentlastung". Die Folgewirkung der Grundentlastung auf die industrielle Entwicklung sind im Wesentlichen auf zwei Faktoren zurückzuführen. So sind zum einen den ehemaligen Grundherrschaften infolge der ihnen zugesprochenen "Grundentlastungsobligationen" große Kapitalien für Investitionen, auch auf dem industriellen Sektor, zugeflossen; zum anderen ist durch die Grundentlastung in der Landwirtschaft ein Rationalisierungsprozess eingeleitet worden, wobei die Aufhebung der Robotleistungen und die Abkehr von extensiven Produktionsformen eine große Rolle gespielt hatten, die wiederum zahlreiche Arbeitskräfte in der Landwirtschaft freistellte und für industrielle Arbeit verfügbar machte." (14

Der Typus des bürgerlichen Unternehmers, wie er sich im Vormärz etabliert hatte, der in patriarchalischer Weise seine Manufaktur oder den Baubetrieb selbst führte, fand auch keine wesentlich anderen Bedingungen nach der niedergeschlagenen Revolution vor. Neben zahlreichen kleineren Betrieben entstanden schon vor 1848 frühindustrielle Betriebe, wie die Kettenfabrik Schafzahl, nachmals Korösi, die Bierbrauerei in Puntigam, Ziegel-, Leder- und Tuchfabriken.

Die Stadt wuchs ständig. Die Bevölkerung stieg von 46.873 Einwohnern 1840 auf 81.119 Einwohner 1869, da die sich rasch entwickelnde Industrie (nicht nur im Stadtgebiet selbst) einen kontinuierlichen Zuzug aus den ländlichen Gebieten nach sich zog. Dieser unterprivilegierte Bevölkerungsanteil, die Proletarier, hatten keine Stimme und durften sich auch nicht organisieren. Erst 1868 kam es zur ersten Arbeiterversammlung in Graz.

Bis in die Mitte der sechziger Jahre waren die Aufgaben der Gemeindeverwaltungen noch äußerst beschränkt. Es kam aber zur Gründung von privatrechtlich organisierten Vereinen oder Zusammenschlüssen von Unternehmern. Diese nahmen beratend und unterstützend an der Stadtentwicklung teil. Zwar wurde schon 1840 mittels Gubernialverordnung geschlossene und mindestens zweigeschossige Verbauung fur das "Pomorio von Gratz" angeordnet, ansonsten beschränkte sich die Einflussnahme der Stadt auf das Baugeschehen auf einzelne Erlässe. Erst 1856 wurde eine Bauordnung eriassen, die gültige Prinzipien festschrieb. Diese folgten in städtebaulicher Hinsicht den Vorstellungen der Zeit, die sich schon in den Bauführungen davor manifestierten. Wichtiges Anliegen ist die Geradlinigkeit der Strassen, ihre ausreichende Breite mit Gehwegen zu beiden Seiten. Dies sei auch bei allfälligen Änderungen in enger verbauten Gebieten anzustreben. Bei Neuparzellierungen sollen die Parzellen nicht zu eng gehalten werden : "Wohn- und allfälligen Nebengebäuden muss ausreichend Luft und hinlängliches Licht, dann ein angemessener Hofraum zur Sonderung der Realitäten und zum Schutz gegen Feuergefahr geboten sein, welcher Zweck besonders durch Zuweisung eigener Gartenplätze erreichbar wird urn ein nachtheiliges Zusammendrängen der Häuser zu vermeiden" (§2).

Strassenseitig wird, wie schon davor, eine mindestens zweigeschossige Verbauung vorgeschrieben.
Die Bauordnung enthält auch Vorschriften für neue Wohnbauten: Mindestgrößen, Raumhöhen, ein Mindestmass an sanitären Einrichtungen, natürliche Belichtung und Belüftung sowie separate Zugänge für jede Einheit werden vorgeschrieben. Dachwohnungen sind noch nicht erlaubt. Auch das äußere Erscheinungsbild müsse "..dem geläuterten Geschmack in architektonischer Hinsicht." entsprechen. Schließich wird selbst auf die Farbgebung eingegangen, sie dürfe weder ganz weiß noch zu grell sein. (15

Es wird angenommen, dass diese Bauordnung auch durch den seit 1853 amtierenden Landesbaudirektor Martin Ritter von Kink beeinflusst wurde. Er war im Staatsdienst über Vorarlberg, Tirol und Karnten nach Graz gelangt und bis dahin eher mit dem Anlegen von Strassen beschäftigt gewesen. Er nahm 1858 am Wiener Ringstrassenwettbewerb teil - dem ersten städtebaulichen Wettbewerb der Monarchie - und erlangte den 4. Platz. Sein Projekt schlug eine Donauregulierung vor und, was besonders hervorgehoben wurde, die Anlage von Gärten vor den Häusern und entlang einiger Strassen.

In Graz ging man unter seiner Amtsführung endlich daran die Umgürtung der alten Stadt durch die diversen Befestigungswerke tatsächlich zu durchbrechen und eine Verbindung zwischen der inneren Stadt und den Erweiterungsgebieten herzustellen. Zwar war schon in den 30er Jahren ein Teil der südöstlichen Stadtmauer niedergelegt und durch eine Reihe von Häusern ersetzt worden, doch wurden an der Stadtaußenseite da noch keine Eingänge genehmigt, ja sogar ein neues Stadttor, das Franzenstor, errichtet (1836/37), um die nun an sich die alte Stadtgrenze durchstoßende Burggasse bei Bedarf sperren zu können! Für die nun geplanten aufwändigen Umgestaltungen fehlten allerdings zunächst die Mittel. Die Zuschüttung des Schanzgrabens und der Ausgleich der Niveaus war mit beträchtlichem Aufwand verbunden. Erst als sozusagen Investoren gefunden waren, darunter vor allem ein gewisser Bauunternehmer Wilhelm Taucher, die die neu entstehenden Bauplätze kauften, konnte 1857 der Abbruch des Eisernen Tores und der angrenzenden Befestigungsbauten in Angriff genommen werden. Der Plan Ritter von Kinks sah eine Ringstrasse vor, die direkt an der die Befestigung ersetzenden Bebauung entlang geführt werden sollte, allerdings eher als Promenade gedacht war nach dem Vorbild der Maximilian Strasse in München. Im Bereich zwischen dem Burgtor an der Ostseite und dem Eisernen Tor an der Südseite kam diese Planung zur Ausführung, die Fortsetzung derselben nach Westen war umstritten, da sich hier der ausgedehnte Joanneumgarten befand. Die Glacisfläche im Osten der Befestigung sollte allerdings auch nach den Planen Kinks nicht parzelliert sondern in einen Park umgewandelt werden.



1868 erwarb die Stadt die Glacisfläche, musste dafür aber ein geeignetes Ersatzgrundstück fur einen Exerzierplatz zur Verfügung stellen. (16
1869 wurde, hauptsächlich zur Gestaltung und Pflege des Parks ein "Stadtverschönerungsverein" gegründet. Im selben Jahr, 1969, trat Kink in den Ruhestand.

Die Freihaltung von Flächen zur Anlage von Gärten oder Parks war Angesichts der fortschreitenden Verbauung zu einem Anliegen der Stadtbewohner geworden. 1866 erwarb die Stadtgemeinde das Areal des Hilmteiches am Ostrand der Stadt sozusagen als Naherholungsgebiet . Doch nicht nur im Osten nahm die Parzellierung und Bebauung zu, auch im Norden und Süden. Dort siedelten sich auch Gewerbebetriebe und kleinere Industrien an. Die Murvorstadt dehnte sich bis zum Bahnhofsgelände hin aus und füllte sich mit eher bescheidener Bebauung, da in der Nähe der Bahn große Industriebetriebe entstanden, die die entsprechende Arbeiterschaft anzogen.

Nach 1867

Graz zählte 1869 etwas mehr als 80.000 Einwohner (81.120) und erreichte im Jahr 1880 die Großstadtschwelle von 100.000. Bis 1890 nimmt die Bevölkerung noch um 30.000 Einwohner zu und steigt auf 112.069 Einwohner. Interessant sind in diesem Zusammenhang die statistischen Zahlen, wie sie bei Felber wiedergegeben werden. So waren 1880, nur 37 % der Grazer Bevölkerung auch in Graz geboren. Die Zuwanderer kamen zwar zum größten Teil aus der Steiermark selbst, die damals aber noch einen großen slowenischen Teil im Süden des Herzogthums umfasste. Auch an der Karl-Franzens-Universität gab es slowenische Studentenverbindungen und Vorlesungen in SIowenisch.

Die Änderungen der politischen Verhältnisse in Österreich-Ungarn nach 1865 ermöglichten den schrittweisen Aufbau der Selbstverwaltungseinrichtungen.

1867 wird eine neue Bauordnung erlassen und damit die Kompetenzen der Stadtverwaltung wesentlich erweitert. Ab nun entscheidet der Gemeinderat in erster Instanz über Baulinien, Niveaus, Anlage von Strassen und Plätzen sowie Grundstückteilungen und auch über die Baulichkeiten selbst. Die Zielsetzungen sind ähnlich wie in der vorhergehenden Bauordnung: geradlinige Strassen, auch Begradigung und Erweiterung bestehender Strasse bei allfälliger Bauführung. Die Bauhöhe ist limitiert, max. 4 Stockwerke oder eine Höhe von 13 Klaftern bis zum Dachsaum ist die Grenze. Es gab auch wieder Vorschriften zum guten Geschmack: Der Baustil ist frei wählbar, aber die Regeln desselben hatte man dann - zumindest an der strassenseitigen Fassade - zu befolgen. Dezente Farbgebung ist ebenfalls wieder ein Thema. Im Gegensatz zur vorhergehenden Verordnung sind nun aber die Mindestanforderungen an Wohnungen reduziert. Kleinstwohnungen, Dach- und Kellerwohnungen sind ab nun erlaubt. (17
Auf dieser Basis, die eine gewisse Rechtssicherheit bot, konnten nun die ersten Gesamtpläne erstellt werden. Das Stadtwachstum machte eine solche vorausschauende Planung auch erforderlich.

Im Grazer Stadtmuseum befindet sich heute ein erster Gesamtplan, bezeichnet "Zukunftsplan von Graz", datiert 1875 von Josef Wastler, k. k. Professor für Hochbau. Die Innenstadt ist wenig verändert, der Joanneumgarten weitgehend erhalten. Die restliche Stadt wird von einem Netz womöglich geradliniger Strassen durchzogen. Der Bestand an Bebauung ist dargestellt, die noch freien Flächen zwischen den Strassenzügen enthalten meist keine Angaben über die Art der Bebauung. Möglicherweise wurde aber eine Blockrandbebauung als Regelfall angenommen, denn am östlichen Rand der Stadt ist ein Bereich doch mit einzelnen Objekten auf großzügigen Grundstücken dargestellt. Einige wenige Grünflachen sind, neben den innerstädtischen Parkanlagen, verteilt über die Erweiterungsgebiete ausgewiesen, und an manchen Kreuzungen sind größere kreisförmige oder quadratische Plätze vorgesehen .

Der zweite ebenfalls mit 1875 datierte Plan, bezeichnet "Stadterweiterung von Graz", ist wesentlich prägnanter. Als Verfasser wird immer wieder ein Architekt Ing. Muhry genannt. Dieser ebenfalls farbig angelegte Plan stellt großteils auch die vorgesehene Baustruktur dar, zum Teil Blockrandbebauung mit manchmal riesigen grünen Innenhofen - die hinter dem Bahnhof allerdings deutlich kleiner werden. Zusätzlich sind eine Anzahl wirklich großer Parkanlagen auf der Westseite der Mur vorgesehen. So zeigt der Plan insgesamt ein Bild von einer vollkommen durchgrünten Stadt - obwohl in der Innenstadt sowohl der Stadtpark durch Bebauung eingeschränkt wird und der Joanneumgarten überhaupt fur eine Verbauung freigegeben wird - was letztendlich auch geschah.
Das Strassennetz ist wohl überlegt, geplante und bestehende Murbrücken sind alle in ein übergeordnetes Netz eingebunden. Deutlich zu Erkennen ist die Anlage einer Gürtelstrasse.

Die Wichtigkeit dieser Gesamtpläne wird deutlich, wenn man bedenkt, dass gleichzeitig oder in den unmittelbar folgenden Jahren wesentliche Teile der Stadterweiterung auch vonstatten gingen.

1875 bereits wurde ein großer Park im Westteil der Stadt, der Volksgarten, angelegt und später noch erweitert.
Ab 1880 wird die gesamte Gürtelstrasse im Westen bis zur Mur trassiert und über zwei neue Brücken, im Norden über die Kalvarienbrücke und im Süden über die heutige Schonaubrücke in den Ostteil der Stadt geführt. Zwischen 1874 und 1891 wird an der Regulierung der Mur im Bereich der Innenstadt gebaut, und im Zuge dessen kommen auch neue Bauten am Lendkai und Grieskai zur Ausführung. Im Stadterweiterungsplan, jenem der Muhry zugeschrieben wird, sehen wir auch eine Brücke zwischen Haupt- und Keplerbrücke auf Höhe des Mariahilfer-Platzes, exakt an der Stelle, wo nun erst vor einigen Jahren eine Fussgängerbrücke nach einem Entwurf von Günther Domenig errichtet wurde. Die Innenstadt wird noch einmal durch die südlich der Hauptbrücke angelegte Tegethoffbrücke an die Murvorstadt angebunden, was den Durchstich einer die Murvorstadt durchquerenden Strasse nahe legte - die jedoch bis heute ein Teilstück geblieben ist, ebenso wie die Vollendung der Gürtelstrasse im Osten - noch mehr als hundert Jahre nachdem sie 1901 endlich beschlossen wurde - unvollendet und in Diskussion ist.

1876 wurde das Bahnhofsgebäude erweitert und als zweite geradlinige Verbindung von der Keplerbrücke ausgehend die Keplerstrasse zum Bahnhof geführt. 1873 wird der Ostbahnhof eröffnet, der Bahnhof für die aus Ungarn hereinführende Ostbahn. Die Bahntrasse wird über eine neue Eisenbahnbrücke bis zum Hauptbahnhof durchgezogen. Diesen Bahnhof tangierend wird als südliche Hauptachse die Conrad-von Hötzendorfstrasse angelegt mit Blickrichtung zum Uhrturm in die Jakominigasse mündend. In der nationalsozialistischen Ara, 1938-1945, plante man übrigens, diese Achse als Hauptachse und Prachtstrasse bis zur Herrengasse durchzuziehen!
Die Ausdehnung der Stadt machte die Rationalisierung des Verkehrs notwendig. So wurde 1878 eine Pferdestrassenbahn vom Hauptbahnhof bis zum Jakominiplatz geführt. Das Netz wurde rasch kontinuierlich ausgebaut, 1887 die Grazer Tramway Gesellschaft gegründet. 1899 beginnt die Elektrifizierung des Netzes. Ein Jahr davor allerdings hatte ein privater Betreiber, der potente und vielbeschäftigte Bauunternehmer Andrea Franz, bereits eine elektrische Straßenbahn vom Burgtor, vorbei am Hilmteich, bis nach Maria Trost eröffnet.

All diese Neuerungen flossen ein in den ersten verbindlichen vom Stadtbauamt ausgearbeiteten Regulierungsplan den "Plan über die Verbauung von Graz" von 1892 .
Die Art der Bebauung ist hier als Flächensignatur angegeben, man unterscheidet, drei Kategorien der Verbauung: "geschlossen", "frei mit Zwischenlagen", und "villaartig".
Das Gürtelstrassen - Projekt ist klar dargestellt. Bestimmte Stadtteile werden als für Industrie- und Gewerbeansiedlung geeignet angeführt, und zwar der V. und VI. Bezirk außerhalb der Gürtelstrasse und der Bereich südlich und westlich der Staatsbahn. Das entsprach der bestehenden Praxis, waren diese Gebiete doch auch bisher schon wesentlich durch gewerbliche und industrielle Nutzungen bestimmt.

Doch auch die Verteilung anderer übergeordneter Nutzungen hat das Stadtgebiet längst in unterschiedliche Zonen geschieden. Universitäten, Krankenhäuser und die meisten kulturellen Einrichtungen auf der einen Seite der Mur, Industrie, Gewerbe, Märkte, Verkehrsbauten und deren Folgeeinrichtungen auf der anderen. Dazu Felber: ,,Das schnelle Wachstum der Stadt Graz in der Gründerzeit, das durch Neubautätigkeit auf bis dahin überwiegend unbebautem Land erfolgen konnte, bewirkte in den einzelnen Stadtteilen eine funktionale wie soziale Differenzierung, die sich, höchst kleinräumlich aufgebaut, besonders durch intraurbane Wanderungen ... verschärfte." (18

Den großzügig ausgelegten Stadtentwicklungsplänen folgend schreitet die Blockrandbebauung Schritt für Schritt fort. In der Elisabethstrasse entstehen, zwischen den bestehenden Bauten aus der ersten Phase nach der Trassierung derselben, 1873 die so genannten ,,Meranhäuser", errichtet vom Sohn Erzherzog Johann's, dem Grafen von Meran, am Nordrand des großen Grundstücks des Palais Meran, dem ehemaligen Wohnsitz des Erzherzogs. Errichtet von Friedrich August von Starcke, nutzen sie die neuen Bestimmungen zur Bauhöhe aus und können als erste hervorragende Beispiele der eigentlichen Gründerzeit angesehen werden. Neben Auffüllungen an bestehenden Strassenzügen wird das Netz in alle Richtungen erweitert .

Auch die innere Stadt wird den modernen Bedürfnissen nach und nach angepasst. Es entstehen hier repräsentative öffentliche Bauten, Banken, Hotels und entsprechende Wohn- und Geschäftsgebäude. Das Neutor, das Tor westlich des Eisernen Tores, und die anschließenden Basteien an der Mur wurde 1886 abgebrochen. Der ursprüngliche Plan Ritter von Kinks einen Teil der Joanneumgärten zu erhalten und die Ringstrasse von Osten her als Promenade fortzuführen, wich einer Reihe anderer Vorschläge, die hier nicht nur die anstehende Erweiterung des Joanneums, also Museumsbauten, vorsahen, sondern auch das Theater und ein neues Rathaus mit entsprechendem Vorplatz und einem prächtigen Denkmal für Erzherzog Johann. So hätten sich hier zentrale städtische Repräsentationsbauten angesiedelt ähnlich wie an der Ringstrasse in Wien. Das alles geschah nicht. Vielmehr wurde, entgegen dem Wunsch des Gemeinderates und unter Protest der Bevölkerung, die die Grünflachen erhalten sehen wollte, die Parzellierung der Joanneumgründe von der Landesregierung beschlossen und dieselben 1889 an Andrea Franz verkauft, der sie inklusive einer modernen Kanalisation der heute noch bestehenden Bebauung zuführte. Aus dem Erlös wurde der notwendige Erweiterungsbau für das Joanneum, heute Landesmuseum, errichtet. Die neuen Strassenzüge gingen unentgeltlich in den Besitz der Stadt über. In der Neutorgasse entstand das k. k. Post- und Telegraphengebäude und an der Mur das Justizpalais. Die Innenstadt war in diesem Bereich nun vollkommen mit der ehemaligen Vorstadt verflochten. Entsprechende Verbreiterungen der alten Strassen werden durch den Abbruch ganzer Baublöcke zwischen Herrengasse und Mur möglich. Es entstehen an der Herrengasse der sog. ,,Alte Thonethof", der ,,Neue Thonethof" und später, 1893-95 ein Neubau der k. k. Wechselseitigen Brandschadens-Versicherungsanstalt direkt im Anschluss an die prächtige Fassade des Zeughauses und das Renaissance-Landhaus. Die Fassade wird entsprechend im Stile der Renaissance gestaltet . Dies und auch ein etwas später erfolgter Einbau eines gedeckten Ubergangs zum Sitzungssaal direkt im Renaissance-Arkadenhof des Landhauses, der formal vollkommen den vorhandenen Elementen angeglichen ist, zeigen, dass der Stadtumbau doch nicht ganz ohne Rücksicht auf das Bestehende erfolgte. Die Steiermärkische Sparkasse errichtete westlich des Rathauses ab 1883 ein neues Anstaltsgebäude, in welches auch die Konzertsäle der Stadt, der Stefaniensaal und einige kleinere Säle, mit entsprechenden Foyers und Gesellschaftsräumen integriert wurden. Die Bauausführung lag in Händen des schon öfters erwähnten Andrea Franz. 1887 wurde der umfassende Umbau des Rathauses am Hauptplatz in Angriff genommen. Der gesamte Block zwischen Hauptplatz und Landhaus wurde in mehreren Etappen einheitlich gestaltet, allein im Flügel mit Front zur Herrengasse blieben bis heute drei mittelalterliche Häuser erhalten, weil sich die damaligen Eigentümer erfolgreich gegen Ablöse und Demolierung wehrten. Auch an der Ostseite der Herrengasse fielen einige Blöcke der Erneuerung zum Opfer. Selbst am Eingang und entlang der engen Sackstrasse kam es zu umfassenden Abbrüchen und Neubauten im Zuge der Erweiterung und Erneuerung des Hotels Erzherzog Johann und der Niederlassung des Warenhauses Kastner und Öhler nördlich davon, das aufgrund seiner raschen Expansion binnen weniger Jahre mehrfach erweitert und erneuert wurde.

Schliesslich wurde mit der Murregulierung auch die Erneuerung des ostseitigen Kais in Angriff genommen und eine ganze Zeile murseitiger Häuser abgebrochen und durch Kaimauern nach Wiener Vorbild ersetzt. Auch in der Innenstadt wurde also investiert und umfassend modernisiert. Wo nicht Neubauten entstanden, wurden zumindest die Fassaden, vorwiegend die von Geschäftshäusern, erneuert. Die verdrängte dort davor wohnhafte Bevölkerung zog in die angrenzenden neuen Stadtteile, die sich aber vor allem auf Grund des mehrfach schon erwähnten Zuzugs von aussen füllten.

Auch andere Einrichtungen, die sich in der Innenstadt nicht mehr ausdehnen konnten, fanden hier neue Standorte.
1865/66 war aus dem Joanneum auch die Landschaftlich Technische Hochschule hervorgegangen, die sich rasch entwickelte und bald nach einem eigenen Gebäude verlangte. Als Standort war zunächst das Grundstück, auf dem dann die Post- und Telegraphenanstalt und das Justizpalais entstanden, vorgesehen. 1874 wurde die davor dem Land unterstehende Technische Hochschule in die staatliche Verwaltung übernommen und die sogenannten Mandell'schen Grunde, erschlossen von der vom Glacis ausgehende Rechbauerstrasse, wurden fur einen Neubau erworben. Die Planung besorgten Joseph Horky und Johann Wist, beide Professoren an der Lehrkanzel für Hochbau, die seit 1865 Teil der Technischen Hochschule war. 1884-1888 entstand der Neubau.

Die Universitat drängte ebenfalls längst aus ihrer beengten Situation gegenüber der Domkirche. Als erstes entstand östlich des Glacis im Anschluss an die Bebauung der Posthofgrunde 1869 das Anatomische Institut. Auf dem Areal östlich davon, zwischen Heinrichstrasse und Schubertstrasse, wurde, nach Bewilligung durch den Kaiser 1871, einer Reihe von Projekten fur die neuen Bauten fur die Universität erstellt. Man entschied sich fur ein Konzept, das die einzelnen Lehrkanzein, in getrennten Gebäuden untergebracht, um ein großes Kollegiengebäude versammelte. Dementsprechend konnte die Verwirklichung auch schrittweise erfolgen. 1872 wurde mit dem Physikalischen Institut begonnen, 1874 folgte das Chemische Institut. Erst 1891-95 wurde das Hauptgebäude errichtet, parallel dazu wurde der Bau der Naturwissenschaftlichen Institute in Angriff genommen. Außerhalb der inneren Stadt entstanden auch große Verwaltungsbauten, so das Strafgerichtsgebäude 1893-95 und die Finanzlandesdirektion in der Conrad-von-Hötzendorf-Strasse nach der Jahrhundertwende.

Einen besonderen Akzent im Ubergang zu den Erweiterungsgebieten sollte jedoch das neue Stadttheater, heute Opernhaus, zwischen dem ehemaligen Holzplatz und dem Ring setzen. Anstelle des dort bestehenden Zirkusgebäudes wurden von Ferdinand Fellner und Eduard Helmer ein Stadttheater und ein Konzerthaus projektiert, die sich, zu einem Komplex zusammengefügt, mit ihren Vorfahrten einer Ausweitung des heutigen Opern-Ringes zuwenden sollten. Aus finanziellen Gründen wurde jedoch nur das heutige Opernhaus errichtet, das allerdings zwischen 1898 und 1899 in einer Bauzeit von nur 17 Monaten . Die Architekten waren schließlich spezialisiert auf diese Bauaufgaben und gehörten zu den meistbeschäftigten der Monarchie. Auf sie gehen nicht weniger als 48 Theater und Opernhäuser im In- und Ausland zurück. In Graz ist ein weiteres Zeugnis ihres Schaffens erhalten, die Fassade des schon erwähnten Warenhauses Kastner und Öhler an der Sackstrasse.

Obwohl sogar an ein Volkstheater am westlichen Murufer gedacht war, eine entsprechende Entwurfsskizze, ebenfalls von Helmer und Fellner liegt vor (19, konzentrierten sich de facto die größeren Einrichtungen für Kultur und Bildung in den Stadtteilen östlich der Mur.

Auch die neuen Krankenpflegeeinrichtungen, mit Ausnahme der Landesirrenanstalt am Feldhof, wurden hier errichtet: Die Landestaubstummenanstalt am Rosenhain (1888), das Blindeninstitut (1881), ein Kinderspital in der Heinrichstrasse (1877) und später ein orthopädisches Spital (1914). Als hervorragende Leistung ist das Landeskrankenhaus zu sehen. Es wurde zwischen 1903 und 1912 auf einem Plateau am Ende der Leonhardstrasse und der Elisabethstrasse als Pavillonanlage mit 35 Gebäuden errichtet und gehörte damals zu den modernsten Spitalsbauten Europas. Neue Kirchenbauten entstanden zwar auch im Westen, der bedeutendste aber entstand südwestlich der Innenstadt nach Entwurfen Georg Hauberrissers d. J., in Graz geboren, dann aber königlicher Professor in München. Dieses nach mündlicher Uberlieferung als neuer Dom von Graz gedachte Bauwerk wurde 1881 in Angriff genommen und 10 Jahre später eingeweiht. Mit dem gleichzeitig von Hauberrisser entworfenen Pfarrhof bildet es eines der bemerkenswertesten Ensembles der Neugotik in Osterreich. Ein religiöses Zentrum, Schul- und Amtsgebäude der jüdischen Gemeinde entstand 1890 am westlichen Murufer. Die Synagoge, ein prägnanter kubischer Bau mit zentraler Kuppel wurde in der Reichskristallnacht 1938 zerstört.

Auch Friedhöfe wurden zu beiden Seiten der Mur angelegt, ein großes Areal für einen Zentralfriedhof wurde von der Stadt jedoch weit im Südwesten an der Triesterstrasse erworben. Zwischen 1886 und 1887 wurden von Karl Lauzil die entsprechenden Hochbauten errichtet.

Volksschulen allerdings wurden beidseitig der Mur notwendig, sie wurden meist in die Blockrandbebauung eingefügt. Die Wohnbebauung nahm innerhalb der und urn die alte Murvorstadt rasch zu, allerdings waren die Wohnungen zum Grossteil bescheidener und schlechter ausgestattet.

Repräsentative Wohnbauten entstanden entlang des neu angelegten Kais und der Keplerstrasse, sowie der Volksgartenstrasse, gegenüber dem, auf Antrag des ,,Grazer Burgervereins" gleichzeitig, urn 1875, angelegten Volksgarten, der urn 1890 noch beträchtlich vergrößert wurde. Wohn- und Geschäftsbauten entstanden vor Allem in der neu angelegten Hauptachse zum Bahnhof, der Annenstrasse. Die davon ausgehenden geradlinig vernetzten Strassen füllten sich mit Blockrandbebauung. Regulierungslinien beschränkten sich auch hier nicht auf die neu zu bebauenden Gebiete, sondern erfassten auch den Bestand. Da es aber hier seltener zu großzügigen Demolierungen und Neubebauung ganzer Blocks kam, die Interventionen oft auf einzelne Häuser beschränkt blieben, wirkten diese Vorschreibungen eher zerstörend. Bis heute sind die Auswirkungen im heterogenen Gefüge der alten Murvorstadt ablesbar. Alte Gewerbeanlagen entlang der Mühlgänge trugen ebenfalls dazu bei.

Neue Industriebetriebe siedelten sich urn, vor allem aber hinter dem Bahnhof an und prägten mit ihren hohen Schloten von nun das Bild. Die vielen Arbeitsplätze zogen die entsprechenden Bevölkerungsschichten an. So verstärkte sich zunehmend auch die soziale Segregation. (20 Die Murvorstadt beherbergte schon 1869 mit 30.743 Bewohnern ein Drittel der Gesamtbevölkerung der Stadt. Der Zustrom verstärkte sich in den nächsten Jahrzehnten noch, so dass sich urn 1910 etwa 38% der Gesamtbevölkerung in den westlichen Stadtteilen konzentrierten. (21

Der verkehrsgünstigen Lage entsprechend konzentrierten sich hier nicht nur Industrie und Gewerbe sondern auch Gasthöfe und Hotels, vom Bahnhofshotel, zugleich mit dem Neubau des Bahnhofs 1870 bis 1876 errichtet, bis zu den beiden grossen Hotels am Kai, den heute noch bestehenden Hotels Weitzer und Wiesler. Mit der Eisenbahn stand erstmals auch ein günstiges Massenverkehrsmittel zur Verfügung, die Mobilität stieg, der Tourismus begann sich zu entwickeln.

Der angestammten Funktion der Murvorstadt entsprachen die neuen Markthallen zwischen Keplerstrasse, Babenbergerstrasse und Bahnhofgürtel und der städtische Schlachthof zwischen Herrgottwies- und Lagergasse im Süden der Murvorstadt. Ein Musterhof entstand entlang der neuen Eggenberger Allee hinter dem Bahnhofanlässlich einer "Industrieausstellung" 1870. Im Westen konzentrierten sich zudem fast alle neuen Kasernen und Militäreinrichtungen. Folgerichtig prägten Gaststatten, Vergnügungsetabissements und später die ersten Kinos diesen Stadtteil. In der Puntigamer Bierhalle, heute das Orpheum, fand die schon erwähnte erste Arbeiterversammlung 1868 statt.

An den Randern der für eine Blockbebauung vorgesehenen Zonen sah der Verbauungsplan freistehende Häuser vor. Seit Beginn der Stadterweiterung waren aber schon prächtige Landhäuser und Villen entlang der östlichen Ausfallsstrassen und am Ruckerlberg, später auch am Rosenberg entstanden. Ebenso am Westrand der Stadt um das Schloss Eggenberg und sogar in Strassgang. Stilistisch ergibt sich ein Wandel vom biedermeierlichen Landhaus über die repräsentative historistische Villa bis zu den vielen von der Cottagebewegung beeinflussten Häusern mit Fachwerkgliederungen, Veranden und Erkern. Daraus entwickeln sich in der Folge die heute allumfassenden ausgedehnten Einfamilienhausgebiete.

Schlussfolgerungen:

Nach dem bisher Ausgeführten können einige generelle Schlussfolgerungen gezogen werden.
Es zeigte sich, dass die städtebauliche Entwicklung von Graz ohne große Brüche vor sich ging. Kontinuierlich und folgerichtig werden nach dem Wegfall der Befestigungspflicht Strassenzüge zwischen die alten Ausfallsstrassen eingeflochten, dazwischen neue geradlinige Verbindungen zu den nach Einbindung der Stadt in das Eisenbahnnetz der Monarchie entstehenden Bahnhöfen, den neuen Toren zur Stadt, Dies alles geschieht durchaus mit stadtgestalterischem Anspruch. Die Strassen werden womöglich auf markante Zeichen ausgerichtet. Die Bauordnungen enthalten hauptsächlich Vorschriften zum Erscheinungsbild des Strassenraumes - entgegen dem Ruf, der dem Bauen des 19. Jh. anhängt, nämlich hauptsächlich stadthygienische und verkehrstechnische Erfordernisse im Auge gehabt zu haben. Der sich an der Verbauung der Ringstrasse in Wien entzündende Diskurs um die künstlerischen Aspekte des Städtebaus, ausgelöst durch die berühmte Schrift Camillo Sittes (22, hatte hier weniger Nahrung gefunden, insofern die einzelnen Maßnahmen jeweils lokal begrenzt waren. Selbst die großen Demolierungen und Neubauten in der Innenstadt erfolgten Block für Block, so dass die vorhandene Struktur der Stadt nicht vollständig ignoriert werden konnte und so für die von Anhängern des "künstlerischen Städtebaus" geforderte Abwechslung gesorgt war. Die Lösungen in Graz entsprachen zwar kaum seinen gehobenen künstlerischen Ansprüchen, wiesen aber auch nicht die Mängel auf, die Sitte an der Ringstrassenzone in Wien kritisierte: "Gelungen sind die Bauten; nicht gelungen die Parzellierungen. Glücklicherweise ist aber so viel leerer Raum vorhanden, dass die Schäden der Letzteren noch behoben werden können" (23 .Seine Verbesserungs-vorschläge sahen eine Fassung der Vorplätze der Monumentalbauten durch geschickte Auffüllung mit Bebauung vor. Obwohl es auch in Graz einen Plan gab, das Rathaus und eventuell auch die Theater an die im Süden vorgesehene Ringstrasse zu verlegen, beließ man doch das Rathaus am angestammten Platz, integrierte die Konzertsäle in einen Neubau der Steiermärkischen Sparkasse in der Innenstadt und fügte man die Universitätsbauten in die östlichen Stadterweiterungsgebiete ein, wo auch Möglichkeiten zur räumlichen Ausdehnung bestanden. Lediglich das Theater, heute die Oper, wurde am Ring errichtet. Graz fehlte im 19. Jahrhundert der Hang zum Imperialen. Schon Erzherzog Johann hatte die Errichtung seines ohnehin recht bescheidenen Stadtpalais in der Leonhardstrasse, 1841-43 durch Georg Hauberrisser d. Ä. als größte Dummheit seines Lebens bezeichnet(24. Das mehrheitlich liberale, später auch deutsch-nationale Großbürgertum war in seiner Selbstdarstellung zwar nicht bescheiden, doch entstanden die einzelnen städtebaulichen Lösungen eher auf dem Wege der Verhandlung im Widerstreit der unterschiedlichen Interessen.

Der sukzessiven Verbauung des Umfeldes der alten Stadt entsprang schon zu Beginn der Epoche die Sorge der Bewohner, ihrer Beziehung zu Gärten und Landschaft beraubt zu werden, was selbstverständlich auch im Denken der Zeit lag. Daraus entwickelte sich offensichtlich schon früh eine relativ effektive Grünflächenpolitik. Diese wird kontinuierlich von den jeweiligen Entscheidungsträgern verfolgt, wenn sie auch wirtschaftlichen Erwägungen nicht immer Stand halten konnte, wie im Falle der Parzellierung der Joanneumgärten. Immerhin waren diese durch viele Jahre Streitgegenstand. Trotz der vielen kleinräumigen Entscheidungen, kam es doch rechtzeitig zur Erstellung von Gesamtkonzepten. Die weit ausgreifenden Straßenbahnlinien und die Projektierung der Gürtelstrasse mit den zugehörigen Brücken, sowie die Definition von Zonen unterschiedlicher Nutzung im Stadtgebiet bilden die Grundlage der weiteren Entwicklung, schreiben damit freilich auch eine gewisse soziale Segregation fest zwischen dem durch Gewerbe und Industrie geprägten Westen und dem Osten der Stadt, der um die Altstadt auch die neuen Kultureinrichtungen versammelt. Manche Vorhaben blieben aufgrund gegenläufiger Interessen unvollendet, wie etwa das Ringstrassenprojekt - nicht zum Schaden der Stadt. Vieles, vor allem die rechtzeitige Fertigstellung des übergeordneten Straßennetzes, der Gürtelstrasse, blieb jedoch auf der Strecke, als mit dem Ausbruch des 1. Weltkrieges und dem anschließenden Zusammenbruch der Monarchie 1918 Graz wieder in eine Randlage geriet und die wirtschaftliche Kraft nachließ. Graz, das seit seiner Gründung vorwiegend eine Stadt des Handels und des Austausches war, hat diese Funktionen im 19. Jahrhundert aufgrund vieler günstiger Umstände, wie der frühen Einbindung in das Eisenbahnnetz und des großen Wirtschaftsraumes in der Monarchie ausbauen können. Das erstarkende und sich entfaltende Bürgertum setzte trotz aller internen Differenzen pragmatisch auf Verhandlung, Ausgleich und Kompromiss, ohne sich freilich über Machtverhältnisse, die vor allem auch aus dem jeweiligen wirtschaftlichen Potenzial erwuchsen, hinwegsetzen zu können. Diese Charakteristika fanden in den meisten städtebaulichen Entscheidungen ihren Niederschlag und prägen bis heute das Bild der eigentlichen "Stadt".

1 Wilhelm Steinböck, Herausgeber: Stadterweiterung von Graz. Gesamtredaktion Sokratis Dimitriou. Leykam Verlag, Graz, 1979. Armgard Schiffer-Ekhart und B. Schaukal: Graz zur Gründerzeit. Graz, 1993.
2 Friedrich Bouvier: Das "Eiserne Haus". Historisches Jahrbuch der Stadt Graz, Band 10. Graz, 1978.
3 a.O. 4 Gustav Schreiner: Gratz. Ein naturhistorisch-statistisches-topographisches Gemählde dieser Stadt und ihrer Umgebung. Verlag der F. Ferstel'schen Buchhandlung. Graz, 1843. Nachdruck Verlag Ulrich Moser. Graz,1976.
5 Horst Schweigert: Graz. Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Österreichs. Verlag Anton Schroll & Co., Wien, 1979: 1-2
6 Wiltraud Resch: Die erste stätebauliche Erweiterung von Graz bis zum Höhepunkt der Gründerzeit ab der Mitte des 19. Jahrhunderts. In: Historisches Jahrbuch der Stadt Graz, Band 29/30. Graz 2002: 243 - 271
7 Resch, a. a. 0.
8 Walter Felber: Der Wandel der Sozialstruktur. In .Steinböck, a. a. 0.: 7
9 Schreiner, a. a. 0.: Ill
10 Gerd Hlawka: Grüne Inseln - Parkanlagen und Gärten in Graz. In: Lebendige Altstadt. Friedrich Bouvier und Hasso Hohmann, Herausgeber, Leopold Stocker Veriag, Graz., 1991: 102 ff.
11Resch, a. a. 0.: 262
12 Wemer Strahalm und Peter Laukhardt: Graz, eine Stadtgeschichte. Edition Strahalm, Graz, 2003: 250
13 Ingo Andruchowitz: Industrielles Unternehmertum in der Habsburgermonarchie', in ,,Arbeit/Mensch/Maschine", Linz 1987.
14 nach Andruchowitz a.a.O.
15 Zitiert nach: Sokratis Dimitriou: Die Grazer Stadtentwicklung 1850 bis 1914 in Steinböck, a. a. 0.: 8- 37.
16 Gerd Hlawka: Grüne Inseln - Parkanlagen und Garten in Graz. In: Lebendige Altstadt. Friedrich Bouvier und Hasso Hohmann, Herausgeber, Leopold Stocker Verlag, Graz., 1991: 99-119
17Dimitriou, a.a.O.: 25-26
18 Felber, a. a. 0.: 82
19 Gertrude Fink: Profane Monumentalbauten des Historismus. In Steinbeck, a. a. 0.: 131
20 Felber.a.a.O.
21 Volkmar Burgstaller: Die Wandlung der Murvorstadt. In. Steinböck, a. a. 0,: 60
22 Camillo Sitte: Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen. Erstmals erschienen 1889., Reprint der 4. Auflage von 1909 bei Friedr. Viehweg & Sohn, Braunschweig/ Wiesbaden, 1983.
23 Sitte, a. a. 0.: 161
24 Strahalm und Laukhardt: a. a. O.:230

Medienbaustein


·^·