Sibirien


George Kennan, kommentiert von Franz Krahberger


Zivilcourage ist das Salz der Demokratie

Der internationale Kampf gegen den Terror treibt merkwuerdige Blueten und fuehrt generell zu einer Einschraenkung der Buergerrechte. Insbesondere das Briefgeheimnis, unter das eigentliche auch telefonische Mitteilungen fallen, das e-mail ohnehin, erscheint bedroht. Bloss weil sich der Brief in einem Neuen Transportmedium bewegt, hat er wohl die gleichen Schutzrechte wie der klassische, gesiegelte bzw. verklebte Brief. Da der Staat in Zeiten der offenen Gewalt auch die Informationen und Mitteilungen zu fuerchten beginnt, versucht er die Privatsphaere, die das eigentliche Kernstueck in den demokratischen Verfassungen ausmacht, unter Kontrolle zu bringen.
Aber nach welchen Kriterien geraet jemand unter Verdacht ? Den Irakkrieg hat man versucht zu legitimieren, erinnerlich der weltweit life uebertragene Auftritt Collin Powells vor den Vereinten Nationen in New York im Februar 2003, mit der Behauptung, der Irak besitze und produziere Massenvernichtungswaffen. 2005 distanzierte sich Colin Powell von seinem Vortrag, und bezeichnete diesen als einen Schandfleck seiner ansonsten tadellosen politischen Karriere.

Den damaligen CIA-Chef George Tenet nahm Powell in Schutz. Tenet habe an die Belege geglaubt. Das Geheimdienstsystem habe jedoch nicht gut funktioniert. "Es gab Leute beim Geheimdienst, die zu der Zeit wussten, dass einige der Quellen nicht verlässlich waren, und sie haben nichts gesagt. Das hat mich vernichtet", sagte der Ex-Minister. laut Spiegel vom 9.September 2005.

Es geht also immer auch um die Verlaesslichkeiten der Quellen, die offensichtlich jederzeit in bestimmten Interesse manipuliert werden koennen. Und das ist in der Begruendung des Irakkrieges auch geschehen. Meiner Erinnerung nach wurde auch Saddam Hussein nicht wegen des Besitzes von Massenvernichtungswaffen und internationaler Kriegstreiberei hingerichtet, sondern wegen der Hinrichtung von 148 schiitischen Männern in Dudschail 1982. Der zweite Prozess wegen der Massaker an den Kurden, der am 8.Jaenner 2007 angesetzt worden war, wurde gar nicht mehr gefuehrt. Hussein wurde am 30.Dezember 2006 hingerichtet. Man beseitigte ihn zwischen Weihnacht und Neujahr.
Die Anklage wurde also keineswegs wegen geplanter Kriegsverbrechen im internationalen Masstab, so die eigentliche Begruendung des Irakkriegs, gefuehrt sondern voellig auf regionale Konflikte herunter gespielt.

Das bedeutet, das praeventive Urteile eigentlich der Willkuer einzelner Politiker ueberlassen sind und von willfaehrigen Diensten untermauert werden. Solche Grauzonen bedrohen tatsaechlich die Buergerrechte.

Ich habe in der Lektuere von George Kennans Text Sibirien eine hochinteressante Passage ueber die Begruendung der Verbannung in den 80 er Jahren des 19.Jhdts., also in der Zeit des russischen nihilistischen Terrors, die im Attentat auf Alexander II, am 13.Maerz 1881, dem dieser zum Opfer fiel, ihren vorlaeufigen Hoehepunkt gefunden hatte. Die Maigesetze des Jahres waren vor allem vom Antisemitismus getragen. Das hatte auch Einfluss auf das alte Oesterreich, da zigtausende russischer Juden vor der brutalen zaristischen Staatsgewalt in das damals oesterreichische Galizien fluechteten. Der massive Bevoelkerungszuwachs von Juden im Wien der Gruenderzeit steht zweifellos damit in Zusammenhang.

George Kennan war ein Grosscousin von Georg Frost Kennan, dem Konzeptionisten der Containment Politik und Strategen des Kalten Krieges. Er bereiste im 19. Jahrhunderts mehrmals Russland. Die wichtigste Reise ist wohl die sibirische Reise gewesen, unternommen gemeinsam mit dem Fotografen George Frost 1885/86. Die beiden bereisen das noerdliche Russland und legt in Sibirien 15.000 Meilen zurueck. Kennan studiert vor allem das Verbannungssystem, dessen ausdrucksvolle und dramatischen Schilderungen an die Aufzeichnungen aus einem Totenhaus Dostojewskis heranreichen.

Gleichzeitig ist diese Schrift auch eine ausgezeichnete politische Geografie Sibiriens und die grandiosen Landschafts- und Naturschilderungen Kennan stehen der Qualitaet der Reisebeschreibungen Alexander von Humboldts in nichts nach.
Der Reisebericht wurde erstmals im New Yorker Century Magazine 1889/90 abgedruckt. Das hatte Folgen fuer Kennan. 1891 verhaengte die zaristische Regierung ein Einreiseverbot fuer Kennan, sowie sein Grosscousin 62 Jahre spaeter von der Sowjetunion zur Persona non grata erklaert worden war, und seinen Posten als Botschafter der USA in Moskau nicht mehr antreten konnte.

Besonders wichtig in Kennans Text erscheint mir die Interpretation des Autors, dass die Gesetzgebung zur adminstrativen Verbannung eine "Verordnung zur besseren Regulierung der Privatmeinungen" darstellt, also eine Gesinnungsschnueffelei ganz im Sinne von Clemens Metternich und seines Vorlaeufers Joseph von Sonnenfels, der in der Staatskanzlei des absolutistschen Aufklaerers Joseph II wesentlich an der Gestaltung der kaiserlichen Geheimen Staatspolizei wirkte (siehe Sonnenfels; Grundsaetze der Polizey Handlung 1777 und vor allem sein Handbuch der Inneren Staatsverwaltung 1798) .

Tatsaechlich wurde im Patriot Act, der nach den katastrophalen Anschlaegen auf das New Yorker World Trade Center und das Pentagon am 11.9.2001 dem FBI die Vollmacht erteilt, in Buchhandlungen nach Kauf- besser nach Lesegewohnheiten zu fahnden. Es wurde damals von kritischen Buergerrechtsorganisationen empfohlen, im Buchhandel nicht mehr mit Creditcards, sondern Cash zu bezahlen. Im ersteren Zahlungsmodus laesst sich leicht erurieren, wer wann welches Buch gekauft hat.
Dass damit eines der wichtigsten Grundrechte der Freiheit, die freie Meinungsbildung, ausser Kraft gesetzt wird, sollte den Zustaendigen zu Denken geben. Andererseits ist die Gefahr des Terrors real. Der radikale Islam hat nicht allein die Twin Towers weggeschossen und Stadtverbindungen in Madrid und London empfindlich gestoert, er setzt indirekt in langzeitlicher Wirkung die demokratische Eigenverantwortlichkeit ausser Kraft. Die Designer des Terrors wissen das, zum Bombeneffekt kommt die langsame, aber noch wirksamere Psychotortur hinzu, eine Erosion, die die Massen laehmen wird.

George Kennan erkannte, dass die Staatsgewalt den allgemeinen Terrorismus aus dem Widerstand gegen die Staatswillkuer selbst verstaerkt hat. Er musste auch sein Vorurteil gegenueber dem russischen Gespenst des Nihilismus (damals war der Kommunismus noch nicht zum historischen Wandergespenst geworden) ablegen. Er hatte konkrete Kontakte zu politisch Verbannten in Sibirien gesucht und er hatte keinen einzigen zaehnefletschenden Radikal Nihilisten vorgefunden. Meistens waren es liberal gesinnte Demokraten, die sich weniger an der franzoesischen Revolution als am englischen Positivismus, am Darwinismus und an Spencer orientierten.

George Kennan begruendete die Society of American Friendes of Russian Freedom mit und gruendete ebenso die Zeitschrift Free Russia, die erste englischsprachige Opposition gegen das zaristische Russland.

Sibirien

von George Kennan; ein exemplarischer Auszug aus dem Kapitel: Die Verbannung auf adminstrativem Wege.

Vor dem Jahre1882 waren die Rechte, Privilegien und Pflichten der nach Sibiren verbannten politischen Verbrecher nur in geheimen Rundschreiben festgestellt worden, die vom Minister des Inneren von Zeit zu Zeit an die Gouverneure der verschiedenen sibrischen Provinzen gesendet wurden. Infolge des Wechsels im Ministerium, und im ministeriellen System wurden diese Instruktions- Rundschreiben schliesslich so widersprechend und fuehrten so zu vielen "Missverstaendnissen", "Unregelmaessigkeiten" und "Kollisionen" zwischen den Verbannten und Ortsbehoerden in den sibirischen Staedten und Doerfern, das am 12.Maerz 1882 der Minister des Innern unter Genehmigung des Zaren eine Aufstellung von Vorschriften fuer die bessere Regelung der polizeilichen Ueberwachung und Verschickung im Verwaltungswege aufstellte. Eine offizielle Abschrift dieses Schriftstueckes, die ich von Sibirien mitbrachte, liegt vor mir, waehrend ich dies schreibe. Sie ist betitelt: "Vorschriften betreffend die polizeiliche Ueberwachung".

Das Interessanteste an der Sache ist, dass - wie aus den Verordnungen betreffend die Polizeitaufsicht hervorgeht - die Regierung Verbannung und Polizeiaufsicht nicht als Strafe fuer bereits begangene Missethaten auffasst, sondern einzig und allein als Vorsichtsmassregel, um dem Begehen von Verbrechen zuvorzukommen, die von boesen Menschen geplant werden. Der erste Paragraph dieser Verordnung lautet wie folgt: "Polizeiaufsicht (worunter die administrative Verbannung mitbegriffen ist) ist ein Mittel, Verbrechen gegen die bestehende kaiserliche Ordnung (die gegenwaertige Regierungsform) zu verhindern, und kann auf alle Personen angewendet werden, die als fuer die oeffentliche Ordnung gefaehrlich betrachtet werden."

Die Befugnis, zu entscheiden, ob jemand "fuer den oeffentlichen Frieden gefaehrlich ist", und wenn Verbannung und Beaufsichtigung als Mittel, einem Verbrechen zuvorzukommen, anzuwenden ist, ist den Generalgouveneurs, den Gouveneurs und der Polizei zuerkannt; bei der Ausuebung dieser Macht berucksichtigen diese mit eben so viel Aufmerksamkeit die Meinungen, die jemand hegt, als die Handlungen, die er begeht. Sie koennen auch schwerlich anders zu Werke gehen: Wenn sie bei allen Faellen auf die Kommission fuer Kriminalsachen warten wollte, wuerden sie den Verbrechen nicht "zuvorkommen", sondern nur darauf warten und lauern, waehrend gerade der Zweck der administrativen Verbannung es ist, Verbrechen zur richtigen Zeit zu verhindern. Darum ist es so klar wie der Tag, dass es kein anderes Mittel giebt, als die Missethat im Keime zu ersticken, indem man jeden unschaedlich macht oder nach Sibirien schickt, dessen politische Meinung die Vermutung aufkommen lassen, er koenne bei guenstiger Gelegenheit ein Verbrechen gegen die "bestehende kaiserliche Ordnung" begehen, die administrative Verbannung deshalb mehr gegen die Ideen und Meinungen gerichtet ist, aus denen verbrecherische Handlungen entstehen koennten, als gegen diese verbrecherischen Handlungen selbst.

Sie ist bestimmt, den Thaten zuvorzukommen und sie zu verhindern, indem sie die Meinungen unterdrueckt und bekaempft, unter unter solchen Umstaenden duerfte das oben bezeichnete Schruftsteuck eigentlich nicht betitelt sein "Verordnung betreffend die Polizeiaufsicht", sondern "Verordnung zur besseren Regulierung der Privatmeinungen". Im Geiste dieser letzten Aufschrift werden diese "Verordnungen" denn auch zum groessten Teile von den russischen Polizeibeamten augefassst.

Die Behauptung, dass die administrative Verbannung keine Strafe, sondern nur eine Vorsichtsmassregel sein kann, ist ein Spiel mit Worten. Die Regierung sagt: "Niemand wird von uns verbannt und unter Polizeiaufsicht gestellt zur Strafe, weil er gewisse Ansichten hegt, sondern nur deshalb, um ihn zu verhindern, diese Meinungen nach aussen hin in verbrecherischen Handlungen zu offenbaren."

Wenn die fuenfjaehrige Verbannung eines Mannes nach der Provinz Irkutsk keine "Strafe" ist, dann muss das Wort "Strafe" in der russischen Jurisprudenz eine sehr eigentuemliche Bedeutung haben.

Fuer Frauen oder junge Maedchen ist Verbannung fast immer einem Todesurteile gleich wegen der fuerchterlichen Muehseligkeiten der Reise und der durch Kranke verpesteten todbringenden Luft in den Etappengefaengnissen - und da sagt die russische Regierung noch, dass Verbannung auf administrativen Wege keine Strafe sei !

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The Unknown Poetry of Mr.Donald Rumsfeld


As we know,
There are known knowns.
There are things we know we know.
We also know
There are known unknowns.
That is to say
We know there are some things
We do not know.
But there are also unknown unknowns,
The ones we know:
We don't know… !

12. Februar 2002, Pressekonferenz des Verteidigungsministers der USA

ready made 2002

Der Wolfgang Schaeuble Katalog


Vorbeugehaft

Schäuble will Terrorsympathisanten internieren, bevor sie eine Straftat begangen haben. Dazu regte er an, einen Straftatbestand der Verschwörung wie in den USA zu schaffen. Auch hier kann sich Schäuble auf Schily berufen, der ähnliche Forderungen gestellt hatte. Die Empörung bei den Sozialdemokraten war denn auch gedämpft. Fraktionschef Peter Struck signalisierte sogar Gesprächsbereitschaft. In den Polizeigesetzen der Länder gibt es bereits die Möglichkeit gewaltbereite Fußballfans in den so genannten Unterbindungsgewahrsam zu nehmen. Vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm wollte Schäuble dieses Instrument auf gewaltbereite Demonstranten ausdehnen. Nun fordert er die Vorbeugehaft auch für "Gefährder" aus dem terroristischen Umfeld.

* BKA-Gesetz

* Online-Durchsuchungen

* Vorbeugehaft

* Bundeswehreinsatz im Inneren

* Handy- und Internetverbot für Gefährder

* Gezielte Tötung von Terroristen

In Financial Times - Deutschland Ausgabe

Auch die Nazis haben die Vorbeugehaft benutzt. Da hiess es Schutzhaft und das Synonym dafuer ist Dachau.
Ich moechte nun die Entwicklung des transatlantischen Westen weder mit dem Zarismus noch mit dem Nationalsozialismus gleich setzen. Doch die Entwicklung geht in Richtung eines Neuen Totalitarismus, in dem alle Freiheiten untergehen zu drohen. Nicht allein in den Twin Towers hat der arabische radikale Terror sein Ziel erreicht. Er bringt auch die wesentlichen Qualitaeten westlicher Freiheit in Gefahr und damit das geistige Fundament, auf dem unsere demokratische Grundordnung verankert ist. Und genau das ist ein Ziel, das der radikale Islam anstrebt und damit richten sie noch mehr Schaden an, als dies im Fall der Twin Tower geschehen ist.

siehe auch

Patriot Act


HSToday.us Inside & Analyses for Homeland Security Decisionmakers

siehe auch

The four Freedoms

siehe auch

Aktuelle Einsichten zu Electronic Publishing im Feld einer globalen medialen Kultur 2004 von Franz Krahberger

We watch the world by Google; Google watches us !

Anmerkung: Allerdings kann sich die Oesterreichische Bundesregierung der heftig umstrittenen Speicherung von Verbindungsdaten von Telefon und Internet, die am 5.Mai 2007 in Deutschland in Kraft getreten ist, nicht vollinhaltlich anschliessen und hat ihre Bedenken offiziell in Bruessel mitgeteilt.


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