Der Hymnenkrampf


© Malte Olschewski


Töchtersöhne im Vergleich zu den Bemühungen um den Text der spanischen Hymne.

Die verkrampften, grammatikalisch und auch in den Bedeutung grenzwertigen Töchtersöhne sollen auf Verlangen führender Innen in die österreichische Nationalhymne eingefügt werden. Es ist zu hoffen, dass auch die verschiedenen Landeshymnen politisch korrigiert werden. Schon melden sich Stimmen,die die letzte Strophe des Kärntner Heimatliedes als unpassend finden: Wo man mit Blut die Grenze schrieb, heisst es dort mit Bezug auf den Abwehrkampf.

Auch in Hymnen der anderen Bundesländer würde viel Arbeit warten. Glücklich das Land, das solche Probleme hat? Nicht ganz, denn auch andere Staaten, allen voraus Spanien, haben ihre grosse Not mit ihren Nationalhymnen. In Spanien ist der Versuch, zu dem bisher ohne Text abgespielten Marcha Real (Königsmarsch) die richtigen Worte zu finden, schon vor Jahren gescheitert. Man hatte damals einen Wettbewerb ausgeschrieben. Aus den rund 7000 Einsendungen wurde die Hervorbingung des 57jährigen Langzeitsarbeitslosen Paulino Cubero preisgekrönt:

Eviva Espana! Lasst uns alle miteinander singen mit verschiedener Stimme und einem einzigen Herzen! Von den grünen Tälern bis zum unendlichen Meer eine Hymne der Brüderlichkeit. Liebe das Vaterland, denn es vermag unter seinem blauen Himmel die Völker in Freiheit zu vereinen. Ruhm den Nachkommen, die der Geschichte Gerechtigkeit und Grösse, Demokratie und Frieden gaben.

Die meisten Spanier waren mit diesen Worten gar nicht einverstanden, was die Schwierigkeiten zeigt, eine moderne Nationalhymne zu verfassen. In zahllosen Pressestimmen wurde angemerkt, dass der Text unpassend und politisch korrekt sein würde. Es fehle jeder Hinweis auf die historische Grösse Spaniens, eines Reiches, in dem die Sonne nie untergegangen war. Auch die Monarchie werde nicht erwähnt. Katalanen und Basken liessen wissen, dass sie diese zentralistische Hymne nie anstimmen würden. Dass irgendwelche Nachkommen der Geschichte Gerechtigkeit und Frieden gebracht hätten, sei, so lauteten andere Kritiken, im Hinblick auf die spanischen Konquistadoren historisch eine Lüge. Der neue Text der Hymne wurde als überholt beschrieben. Spanien werde als ein Heidiland dargestellt.

Die Probleme mit der spanischen Hymne gehen durch die Zeiten. Die Töne des Königsmarsches wurden mit jeweils anderen Worten unterlegt. König Alfons XIII. liess bis zu seiner Abdankung 1931 singen:
Ruhm der Krone des Vaterlandes! Souveränes Licht, das in Deinen Farben golden ist. Rot und Gold: Unsterbliche Flagge! In Deinen Farben vereinen sich Körper und Seele.

Die mit den Bourbonen konkurrierende Nebenlinie der Karlisten liess eine eigene, aggressive Hymne ertönen:

Es lebe Spanien, die Mutter der Nationen! Krieg und Verschwörung, Verrat und die Freimaurer haben mit unreinen Taten die Nation untergraben. Es möge der König von Spanien wieder an den Hof von Madrid zurückkehren.

Die spanische Republik hat ab 1936 ein dem Offizier Rafael de Riego gewidmetes, leichtfüssiges Lied als ehemaligen Kampfgesang der Liberalen als Hymne neu eingeführt. Dort hiess es:

Riego sei Vorbild. Er wagte den Kampf. Er bekriegte die Knechte der pfäffischen Macht und vertrieb die Bourbonenbrut.

Nach dem spanischen Bürgerkrieg liess Diktator Francisco Franco in der Triple Himno ein Potpourri aus drei Hymnen singen. Das waren ein passender Textteil zum Königsmarsch, eine Strophe der karlistischen Hymne und ein wenig vom falangistischen Parteilied Cara al sol (Gesicht zur Sonne). Diesen bleiernen Gesang hatte der Gründer der Falange, Primo de Rivera getextet, der von 1923 bis 1930 als Diktator unter dem entmachteten König regiert hatte und später von der Republik hingerichet worden war. Sein Erbe Francisco Franco liess ihn als Maertyrer verehren, wobei er auch seine Hymne mit leichten Änderungen übernahm. Dort hiess es dann:

Es lebe> Spanien! Hoch den Arm. Der römische Gruss war wie von Hitler auch von Franco übernommen worden. Für den weiteren Text waren genaue Kenntnisse der spanischen Innenpolitik erforderlich. Hier wurde bei politischen Herrenbekleidung zwischen alten und neuen Hemden unterschieden. Camisas viejas (Alte Hemden) waren die alten Kämpfer für Primo de Rivera, zu denen dann im Krieg die neuen Hemden (camisas nuevos) stiessen.

Wegen vieler Überläufer und Opportunisten hat die Falange auch Verdächtigungen gesungen. Das blaue Hemd als Parteiuniform sei gestern noch rot bestickt gewesen (que tu bordaste rojo ayer). Dass sich die neue Falange fünf Rosenpfeile als Symbol der alten katholischen Könige (Reyes catolicos) auf die blaue Uniform nähen liess, wurde ebenfalls mit Chorgesang angemerkt:

Y traeran prendidas cinco rosas la flecha de mi haz > Du hast fünf Rosenpfeile aus meinem Köcher gestohlen) Mit der Installation von Juan Carlos als König und der Demokratisierung hat man diesen Text wieder gestrichen. Der neu installierte Königsmarsch blieb vorerst ohne Worte.

Blut, Kampf und Chauvinismus regieren auch andere Nationalhymen europäischer Länder. In den Befreiungskämpfen des 19.Jahrhunderts hat mancher zweitangige Poet seine Feder lyrisch angestrengt. Goffredo Mameli schrieb in der seit 1861 gesungenen Hymne Italiens:

Wie Stroh sind jene, die gekaufte Schwerter schwingen. Der österreichische Adler hat schon seine Schwingen verloren. (Gia l' aquila d'Austria penne ha perdute) Das Blut Italiens und das Blut Polens hat er mit den Kosaken getrunken, aber sein Herz ist verbrannt.

In Rumänien sang man: Wach' auf Rumäne aus Deinem Todesschlaf, in den Dich Deine grausamen Feinde versenkt haben

Polen: Noch ist Polen nicht verloren, so lange wir leben... Was uns fremde Übermacht genommen hat, werden wir mit dem Säbel zurückholen... Bonaparte gab uns vor, wie wir zu siegen haben.

Griechenland: Ich erkenne Dich an der Schärfe Deines Schwertes...Von den heiligen Gebeinen der Hellenen aufgewacht... Blut tropft auf Deine Kleider, viel Blut des Griechentums. Und mit den blutigen Gewändern liefst heimlich Du davon.

Blutrünstig ist auch die französische Marseillaise, von der freilich nur die erste Strophe gesungen wird und die in der Folge ganz schrecklich wütet: Hört ihr auf den Feldern die grausamen Krieger bellen: Sie kommen, um Eure Söhne und Frauen zu erwürgen. Vorwärts! Marschieren wir, dass unreines Blut unsere Acker tränken mag. Was will diese Horde von Sklaven, Verrätern, von verschwörenden Königen, diese bluttriefenden Despoten, die die Brust ihrer Mutter zerfleischen

Anmerkung des Herausgebers: Mir reicht eine Hymne, die Europahymne, die alle Frauen und Maenner in Europa singen moegen. Freude, schoener Goetterfunken, gruess mir Eva und Marien. Umgekehrt kann choralisch abgestimmt ein Gruss an Hans und Franz gesungen werden.


Never roll over Ludwig van Beethoven

Medienbaustein


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