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Auslassungen und Weglassungen

© by Franz Krahberger

Auslassungen und Weglassungen am Beispiel des Österreichischen Staatsvertrages

Die Ereignisse um die geplante Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht" in Graz, die für mich damit verbundene Erinnerung an die Ereignisse rund um die Kandidatur Waldheims für die Präsidentschaft der Republik sowie ein paar ganz persönliche Erinnerungen meinerseits, sowie Mitteilungen und Vorwürfe über weggelassene Dokumente in Zusammenhang mit den Kurdenmorden und dem verhinderten Ausschuss, veranlassen mich, ein liegengebliebenes Thema, bzw. verhindertes Thema wieder auf zu greifen und jetzt abschliessend zu behandeln bzw. zu dokumentieren.
Zuerst die persönlichen Erinnerungen:
Ich habe im Oktober 1968 meinen Grundwehrdienst im 3.Fliegerausbildungsbataillon in der Kaserne des Flughafens Hörschings in der Nähe von Linz angetreten.
Ausgebildet wurden wir von einem Vizeleutnant.
Dieser Mann unterzog uns einer harten Kampfausbildung und in Gesprächen in kleinerem Kreis erklärte er stolz, Mitglied der Leibstandarte SS Adolf Hitler, Berlin, gewesen zu sein. Sein Rat, im Kampf auf den Bauch zu zielen, den dieses Ziel wäre das grösste und damit am Mann am sichersten zu treffende und die Verletzungen wären dergestalt, das der Getroffene geringe bis gar keine Überlebenschancen hätte, klingt mir heute noch unangenehm im Gedächtnis. Dem Versuch dieses Mannes, mich ins engere Vertrauen zu ziehen, habe ich mich entzogen.
Nach abgeschlossener Grundwehrausbildung wurde ich mit anderen nach Zeltweg verlegt und trat dort meinen Dienst in der Fliegerhorstabteilung 2, Flugbetriebskompanie.
"On a happy hippie tower, flower power cut". Diese Zeile war in Form einses Graffitis innerhalb des Towers des Flughafens Zeltweg angebracht.
Wie gesagt, es war eben 1968.
Die Diskussion um die Erfahrungen mit der Person des Vizeleutnants & Grundausbildners sowie die politische Stimmung dieses Jahres brachte mich und meine Kollegen dazu, den Truppenkurs und die damit verbundene Vorrückung zum Gefreiten abzulehnen. Wir wollten in einem Heer, das derartige Personen wie obigen Vizeleutnant, die noch dazu ihre Vergangenheit nicht kritisch sahen, sondern als völlig normal & ehrenwert hinstellten, zum Truppenkörper zählte, nicht gezwungen sein, abgesehen vom nicht zu vermeidenden Dienst, Befehle ausüben bzw. weitergeben zu müssen.
Gegen mich konnte man schwer an. Ich war sowohl Soldatensprecher wie auch Kompanieschreiber der Flugbetriebskompanie und in dieser Funktion hatte ich einen Geheimhaltungsrevers zu unterzeichnen, den ich selbstverständlich bis heute nicht gebrochen habe. Diese Doppelrolle hatte manchmal Vorteile.
Dass es im österreichischen Staatsvertrag im Teil II, Militärische und Luftfahrtbestimmungen den Artikel 12 gab, der zum Beispiel den Dienst jenes Vizeleutnants strikt ausschloss, wusste ich damals noch nicht, obwohl ich bereits eine Ausgabe der Österreichischen Bundesverfassungsgesetze aus meiner Schulzeit am TGM besass, die auch den österreichischen Staatsvertrag beinhaltete. Ich hatte das einfach nicht gelesen. Später tat ich dies jedoch gründlich.

Kurt Waldheim kandidierte 1986 für das Amt des österreichischen Bundespräsidenten und zeigte, wie bekannt keinerlei kritische Distanz zu seiner Weltkriegs II Vergangenheit.
In der Zwischenzeit war mir der Staatsvertrag und der Artikel 12 geläufig und ich war dementsprechend der Auffasssung, dass einer, der der SA angehört hat, wenn auch nur ihrem pferdesportlichen Zweig und auf Grund dieser Zugehörigkeit nach Artikel 12 keinen Dienst im österreichischen Heer ausüben durfte, auch nicht und vor allem deshalb nicht den Oberbefehl über das Heer erhalten darf. Nach der österreichischen Verfassung ist der Bundespräsident der oberste Befehlshaber des Heeres.
Es war zwar schwer,das den Menschen klar zu machen, war doch Waldheim Staatssekretär, anerkannter Diplomat, Minister und erfolgreicher Generalsekretär der Vereinten Nationen gewesen.
Merkwürdig kam mir die Stille in dieser Frage seitens der SPÖ vor. Lange nach dem Konflikt wurde mir das klar, war doch der von Bruno Kreisky bestellte Heeresminister bzw. Innenminister Rösch Mitglied einer SS-Waffeneinheit gewesen. Letztendlich blieb es eine politische Diskussion.
Nun, ich argumentierte engagiert und erklärte die Problematik eines Tages in einem kleinen Innenstadt Cafe einem guten Bekannten. Der wollte mir das nicht glauben. Ich ging kurz in die nahegelegene Buchhandlung und erstand die 11.Auflage der Österreichischen Bundesverfassungsgesetze, Stand Juni 1985, herausgegeben o.Univ.-Prof.Dr.Felix Ermacora, Wien bei Philipp Reclam jun.Stuttgart, ging zurück ins Cafe und wollte meinem Bekannten den Staatsvertrag, insbesondere den Artikel 12, vorführen. Doch der fehlte in dieser Ausgabe. Mein Bekannter hielt mich für einen verlogenen Demagogen und ich befand mich plötzlich in einer psychologischen Situation, die mir noch aus der Lektüre von Franz Kafkas "Prozess" in Erinnerung war, konnte jedoch noch anmerkenen, dass in der fortlaufenden Numerierung der Punkt 12 fehlte.
Ich ging in die Buchhandlung Manz, kaufte mir den Nachdruck des Bundesgesetzblattes für die Republik Österreich, Jahrgang 1955, Ausgegeben am 30.Juli.1955, 39.Stück, Nr.152, den vollinhaltlichen Wortlaut des österreichischen Staatsvertrages. Und selbstverständlich beinhaltete dieses Exemplar den Artikel 12. Sie können diesen im weiteren im digitalen Faksimilie, ebenso auf den entsprechenden Seiten der Reclam Ausgabe 1976 betrachten.
Zu Hause sah ich selbstverständlich in den beiden in meinem Besitz befindlichen Reclam Ausgaben aus dem Jahre 1967 und aus dem Jahre 1976 nach und selbstverständlich hatte ich nicht geträumt, auch hier fehlte der Artikel 12 nicht.
Was veranlasste Professor Ermacora diesen Artikel in der Ausgabe von 1985 wegzulassen, den Staatsvertrag nur auszugsweise abdrucken zu lassen? War das eine vorauseilende Präventivmassnahme für seinen Parteifreund Waldheim, wohl wissend, dass dieser Artikel zur Fussangel für den Kandidaten werden könnte ?
Nun, Felix Ermacora war Präsident des Österreichischen Kameradschaftsbundes, spielte mit im eigenartigen Treiben um das Soldaten Mahnmal in Wolgo(Stalin)grad, hielt Festreden bei Veranstaltungen des Ringes Freiheitlicher Studentenverbände, sowie bei Veranstaltungen, an denen auch schlagende Verbindungen teilnahmen, und einiges mehr.
Anton Pelinka schreibt in der Ausgabe des Profils Nr.25 vom 20.Juni 1994 unter dem Subtitel: Das Soldatenmahnmal in Wolgograd: ein Spiel der Architekten der Dritten Republik u.a.:"
"Felix Ermacora ist dabei, die Rechtfertigung der Nürnberger Prozesse zu begraben und mit ihr die zweite Republik."
Was war das für ein eigenartiger Menschenrechtler, dieser Felix Ermacora ? Und was war das für ein eigenartiger Staatsrechtler, der so manipulativ durch Weglassung mit einem Kernvertrag der 2.Republik umging, der bis heute durch keinen Parlamentsbeschluss bzw. durch eine Erneuerung, Kündigung, oder Veränderungswünsche seitens der Signatarstaaten abgeändert bzw. ausser Kraft gesetzt worden wäre. Selbst da die UdSSR nicht mehr existiert, es doch die Rechtsnnachfolge der GUS gibt, hat sich am Staatsgefüge von Frankreich, England und den USA bislang nichts verändert.
Noch ein weiteres eigenartiges Erlebnis hatte ich. Ich zeigte Kopien der entsprechenden Ausgaben und betroffenen Seiten einem guten Freund und hohen Beamten aus dem Umfeld des Aussenministeriums. Die diplomatische Nibelungentreue des Guten, obwohl kritisch denkenden Linken, ging soweit, gleich einmal mich zu fragen, ob ich die Manipulationen vorgenommen hätte.
Da wusste ich, dass ich mit meiner Erkenntnis & Einsicht nicht weit kommen würde.
Rechtlich konnte man Ermacora nichts an Zeug flicken, hatte er doch seine Reproduktion als Auszug definiert.
Apropos, die ersten, die Waldheim zur Wahl gratulierten, waren die Sowjets. Ähnlich habe ich auch 1968 in Erinnerung. Der erste Botschafter, der in Anerkennung des Premiers und damit der Niederschlagung des Mai 68 zu Monsieur Pompidou eilte, war ebenso der Sowjetische. Dafür durften die dann unbehelligt im August des Jahres in Prag zuschlagen. In diesem Zusammenhang liess Waldheim, damals Aussenminister, die Prager Botschaft für etwaige Asylanten sperren.
Nun, das ist nun alles Geschichte.
Was nicht Geschichte machen darf, ist der eigenartige Umgang mit wesentlichen Rechtsdokumenten der Republik in dieser und auf allen anderen Ebenen.

Im folgenden die Dokumente. Der Download dauert etwas. Nehmen Sie sich Zeit, so es Sie interessiert.

Staatsvertrag - Titel
Artikel 12 - a
Artikel 12 -b

Staatsvertrag - Reclamausgabe 1976 - Titel
Artikel 10 - 11
Artikel 12
Artikel 12 -13
Artikel 13 -14

Reclamausgabe 1985 mit Weglassungen

Bundesverfassung - Titel
Staatsvertrag - Titel
Artikel 10 - 11
.......................................
Artikel 13


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