Aktenkundig !


Besprechung von Franz Krahberger einer Publikation des Praesensverlages aus der Reihe Sichtungen >Archiv.Bibliothek.Literaturwissenschaften 2007/2008, 10./11. Jahrgang, herausgegeben im Auftrag des Oesterreichischen Literaturarchivs, der oesterreichischen Nationalbibliothek und der Wienbibliothek im Rathaus.


Nichts erfinden, nur ausgehen von dem, was vorhanden ist > Die Poetik der Recherche und des Dokumentes. So Peter Weiss ueber seine vorbereitenden und begleitenden Arbeiten zu seinem Opus Magnum Die Aesthetik des Widerstandes. Marcel Atze, der stellvertretende Leiter der Handschriftensammlung der Wienbibliothek und Co-Herausgeber des vorliegenden Bandes berichtet ueber die muehevolle Arbeit von Peter Weiss zum Erwerb historisch gueltiger Erkenntnis. Eine Disziplin, die dem Herr Atze in eigenen Arbeiten selbst zu empfehlen waere, die in seinen eigenen Arbeiten zu wenig Platz greift. So ist es dem Atze gelungen, im Briefwechselband Torberg / Dietrich an wesentlichem Hintergrund vorbeizuschreiben, um so bloss anstelle unerbittlicher Geschichte einem temporaeren Augenblickserfolg in Wiederaufwaermung eines nachgesagten Hollywoodpantscherl zwischen dem blauen Engel und dem sportlichen Torberg in Erinnerung zu rufen und zu verwerten, und so wesentlich westlich geschichtlichen Hintergrund zu opfern und akademisch verbraemt wie unverschaemt ignorant in den Randnotenbereich abzudraengen.

. Gertrude Cepl Kaufmann mueht sich auf 8 Seiten ueber den Zeitzeugen Guenter Grass im Spiegel seines in der BRD weit gestreuten Archivbestandes ab. Erst in letzter wie abschliessender Zeile erwaehnt sie das Bekanntwerden seiner allzu lange lange unbekannten Vergangenheit als Angehoeriger der Waffen SS. Die Dame erwaehnt nicht einmal den Namen der Division > Frundsberg.

Was kann ein Autor wie Grass, selbst wenn er den Nobelpreis erhalten hat, als Zeitzeuge denn ueberhaupt wert sein, wenn es ihm ueber Jahre hinweg gelungen ist, einen entscheidenden Bestandteil seiner Biografie zu verbergen und so unterzuschlagen.

Auch ein weiteres Mitglied der Gruppe 47, Walter Jens, hat sich als nicht voellig clean erwiesen. Eines der juengsten Mitglieder der Gruppe 47, der selbst in die Jahre gekommene Wiener Autor Robert Schindel, hat sich im Fall Grass selbst durch falsche Vertraulichkeit und Kumpanei beschaedigt. Er hat uns via Standard On-Line wissen lassen, dass ihm Grass im Vertrauen bereits vor zwei Dezennien ueber seine jugendliche SS Vergangenheit berichtet hat, offensichtlich unter dem abgeforderten Siegel des Verschweigens. War dies der Preis eines Deals ? Schindel schweigt und Grass befoerdet ihn zur Mitgliedschaft in die Gruppe 47, aufgenommen um 1990. Wenns wirklich so gewesen ist, geht Schindels Karriere im deutschen Literaturbetrieb auf ein ziemlich fieses Geschaeft zurueck, es laesst sich noch weiteres im Marschgepaeck von Robert Schindel vermuten. Der Fall Grass, Jens und peripher auch der Schindels erfordern in letzter Konsequenz eine Neubestimmung der Geschichte der literatur-betriebspraegenden Gruppe 47, offensichtlich ein Verein von Zoeglingen des Kalten Krieges. Ob sich da einer oder die andere drueber trauen wird ? br>

Ich bin im Zug meiner Recherchen zur Puerggschaft > Kulturpolitik des Kalten Krieges (siehe Rubrik Buecher des electronic journal literatur primaer) vor der schwierigen Aufgabe gestanden, den Einfluss der Alliierten nach 45 auf Oestereich , insbesondere der Geheimdienste der USA und Grossbritanniens auf die demokratische Neuordnung des Landes, glaubwuerdig nachzuweisen. Eine Neurordnung, die ohne Integration ehemaliger Nazis querfeld ein nicht funktioniert haette. Das legendaere Zuenglein an der Waage, die 5 % Freiheitlichen war bloss die Spitze eines viel groesseren Bevoelkerunsanteiles, der erst durch Haider und in Folge Straches durch offenen populistischen Zuspruch erneuert sichtbar geworden ist.

Das laesst sich schwer dokumentarisch belegen, da die meisten Dokumente strategischer wie taktischer Einflussnahmen in militaerisch besetzen und abgesicherten Gebieten von den Alliierten verwahrt werden. Wieviel und was sie offen legen, ist allein ihre Angelegenheit. Es laesst sich jedoch glaubwuerdig an Indizien nachweisen. Man muss sich jedoch auf eine weite Feldrecherche einlassen, um diese zu finden und so zu profunden Ergebnissen zu kommen. Man ist bloss auf Reststrahlungen angewiesen, die es zu erkennen und historisch zu verdichten gilt und in einer komplexen Spiegelung zum Leuchten zu bringen sind. Das duerfte mir gelungen sein. Die Puerggschaft wurde seit ihrem Erscheinen 2002 etwa 40.000 mal im Electronic Journal Literatur Primaer auf- und abgerufen.

Hiesige Archive sind einem in diesem Procedere eher hinderlich als foerderlich. So musste ich auf Druck der Rechtsabteilung der Oesterreichischen Nationalbibliothek vollinhaltliche Wiedergaben von Briefen aus dem Wolfgang Kraus Nachlass der Briefpartner der grauen Eminenz mit Schatten, der uebers Grab hinausreicht Altkanzler Josef Klaus, der seiner Sympathie fuer den Opus Dei brieflich Ausdruck verliehen hat, von Francois Bondy, ehemals Herausgeber des CIA finanzierten preuves in Paris, der ueber seine direkten Kontakte mit den USA in emphatischer Ton- und Schreiblage berichtet, entfernen. Da stellt sich die Frage, wie praepotent und selbstherrlich von den mit aus Staatsmitteln geloehnten Archivverwalter mit aus ebenso aus oeffentlichen Mitteln angekauften Archivgut umgehen.

Die Rechtsabteilung der Nationalbibliothek hat sich in meinem Fall das denkbar schlechteste Zeugnis, betreffend der Nutzung von Dokumenten im oeffentlichen wie historischem Interesse, ausgestellt. Das Literaturarchiv der OENB behauptet von sich mir gegenueber, dieses schaebige Procedere nicht in Gang gesetzt zu haben. Ich haette das dem in der Zwischenzeit verstorbenen Wendelin Schmidt Dengler, ordentlicher Universitaetsprofessor, ohnehin so nicht zugetraut. Klaus Kastberger, Mitarbeiter des Archivs und Privatdozent, hat sich mir gegenueber telefonisch von dieser Vorgangsweise distanziert.

Marcel Bayer, Bewohner eines der haeufig in der Gegend herum stehenden poetischen Glas- Gewaechshaeuser und literarischen Lichtfaengerstuben, weiss ueber seine Arbeit und zu seinem Verhaeltnis zur Information bloss entbehrliches zu berichten.

Wirklich interessiert hat mich der Beitrag von Maren Horn und Christina Moeller ueber den literarischen Archivgestalter Walter Kempowski. Das Motto seines monumentalen Werks Das Echolot, fokussiert auf einen zeitlich beschraenkten Ausschnitt im Geschehen des zweiten Weltkrieges: Sie erzaehlen, ich werfe die Geschichten mit dem Bildwerfer an die Wand..

Ich habe mir umgehend den noch zu einem guenstigen Preis erhaeltlichen Band Culpa. Notizen zum Echolot Kempowski sbestellt. Die originalen Echolot Baende wurden nicht wieder aufgelegt und sind nur mehr schwer erschwinglich im Antiquarischen Angebot erhaeltlich. Pro Band des vierbaendigen Werkes muss man mit etwa 100 Euronen rechnen. Ich denke jedoch, dass es allemal interessanter ist, in dieses umfangreiche Werk hinein zu schauen, besser jedenfalls als die Gustloff Story von Grass zu lesen.

Den bemuehten Literaturgeschichtlern ist zu empfehlen, sich echte Kenntnisse der Geschichswissenschaften anzueignen. Zu empfehlen fuers erste ist die Einleitung in die Geschichtswissenschaft von Dr.Ernst Bernheim, ordentlicher Professor der kleinen aber feinen protestantischen Universitaet Greifswald, Wesen und Aufgabe der Geschichtswissenschaft, erschienen in der Sammlung Goeschen 1912.





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