Hoffnungstropfen: Josef Nussbaumer, Stefan Neuner

Rezensiert von Hermann J. Hendrich

 

Das vor kurzem in Innsbruck erschienene Buch setzt sich zum Ziel „...dass in unserer heutigen – oft als katastrophal bezeichneten – Welt eine schier unüberschaubaren Fülle von erfreulichen Erscheinungen und Aktivitäten zu finden ist und sich zudem sehr viele Belange in den letzten Jahren und Jahrzehnten ....verbessert haben.“ Dazu richten die Autoren 20 Kapitel ein, in denen die jeweilige Situation diskutiert wird, begleitet von recht anschaulichen schwarz/grauen Diagrammen, gefolgt von einer längeren Reihe von Beispielen, Hoffnungstropfen (im weiteren H.T.) genannt.

Im ersten Kapitel, Bevölkerung. Eine Wende ist möglich geht es um die noch immer wachsende Zahl der lebenden Menschen und die Prognose der weiteren Entwicklung. Entscheidend ist, dass die Gebärrate einer Frau im Durchschnitt nur mehr 2.1 beträgt. Sollte sich das langsam auch in Afrika durchsetzen, würde zwar die Weltbevölkerungszahl bis 2050 auf 8,5 Milliarden ansteigen, jedoch anschließend bis 2100 wieder auf 7 Milliarden absinken. Eng verbunden damit ist die Migration. Dem Rezensenten war z.B. unbekannt, dass 2014 im Ausland tätige Personen etwa 500 Milliarden Dollar in ihre Heimatländer geschickt hatten! Auch die Einführung eines weltweiten Mindestlohnes von einem US $ pro Stunde würde die Migrationsströme aus Südostasien und aus Afrika sehr bald stark eindämmen. In den H.T. findet sich eine Fülle von positiven Einzelmaßnahmen und Initiativen dazu.

Im Gesundheit. Wesentliche Verbesserungen, Kapitel 2 sind allerdings keine besonders überraschenden neuen Informationen enthalten, es hätte vielleicht genügt mit Links auf die wesentlichen Organisationen und deren Berichte hinzuweisen.

In Armut. Schritt für Schritt wird auf die Fülle an vorhandener Literatur hingewiesen, die kurze Erwähnung eines Grundeinkommens auf S. 46-47 ist wichtig! Bei Frauen. Und Kinder hat den Rezensenten die Abb. 14 auf S. 56 und der Beitrag über die Edition F Award, die ihm unbekannt war, besonderes interessiert. Freilich ist Bildung. Ein Schlüsselfaktor, aber die eher rudimentäre Erledigung dieses Buches hat mich erstaunt, sind, bzw. waren doch die Autoren Universitätslehrer. Da ist das Kapitel Landwirtschaft. Essen ist für Alle da eines der Hauptthemen des Buches. Insbe-sondere Der Text ab S. 82 Absatz 3 „Der Ladenpreis der Lebensmittel ....“ ist ein wichtiges Aufrütteln, freilich kein Neues, aber auf diese Umstände muss wohl bei jeder Gelegenheit hingewiesen werden. Natürlich steht das nächste Kapitel (7) Hunger. Licht am Ende des Tunnels in wichtigem Zusammenhang mit der Landwirtschaft.

Für mich war das Kapitel Arbeit. Zwischen Bangen und Hoffen nicht nur eines umfangreichsten, sondern auch eines der inhaltsreichsten. Die Hinweise auf Frauen & Sklaverei oder die Diskussion über Arbeitszeiten von 82 Stunden (S. 99) sind wichtig; wie auch die Entwicklung der Arbeitseinkommen (S. 100 - 101). Dass es den Gesellschaften gelungen ist, die Kinderarbeit so stark zu reduzieren, ist erstaunlich, wenn auch der Rezensent auf Grund seiner sogenannten Sommerferien in der Landwirtschaft, die damals 1946/47 noch sehr wenig motorisiert war und ähnlich manchen heutigen sogenannten Entwicklungsländern ohne Kinder-Mitarbeit die Ernten nicht einbringen konnte aus eigenem Erleben und harter Feldarbeit die Situation verstanden hatte. Die Beschreibung der Aktivitäten des Utopisten Robert Owen fasziniert. Energie. Nervus Rerum: „Die Energieversorgung unseres Globus kommt in mehrfacher Hinsicht eine zentrale Bedeutung zu. Energie ist eine Schlüsselresource unserer ökonomischen und sozialen Welt.“ Mit diesen Einfüh-rungssätzen soll uns wieder einmal bewusst werden, auf welchen Umständen unsere Zivilisation beruht und wie sich diese weiterentwickeln werden. Insbesondere die Erläuterungen über das „Zweite Solarzeitalter“ und der Hinweis auf Mini-Biogasanlagen in China haben mich beeindruckt.

Im Kapitel Ökonomie. Weniger ist mehr geht es um keine theoretischen Konzepte sondern um ein paar praktische Hinweise. Ob ein allfälliges Divestment allerdings einen ethischen Hintergrund hat, bezweifle ich schon stark. Wichtig sind natürlich die Hinweise auf das Recycling und die Konzepte „Cradle to Cradle“ (C2C), also der Aufbau vom Kreislaufwirtschaften. Auch Fair Trade. Einkaufen mit Gewissen bringt uns interessante Hinweise. Im zweiten Absatz auf S. 145 geht es um den Marktanteil nachhaltiger Produkte, aber die Auswirkungen solcher Kampagnen sind meiner Meinung nach sehr fraglich. Abbildung 35 zeigt die Fair Trade Entwicklung bis 2015, die sich schon sehr positiv ausnimmt. In Kapitel 12 Mobilität. Teilen statt Besitzen lesen wir über die neuesten Entwicklungen vom car sharing bis zur Elektromobilität. Mir fehlt da im Text doch eine substantiellere Auseinandersetzung mit dem schienen-gebundenen Verkehr. Die Möglichkeit der Stromerzeugung durch Piezo-Elektrik wird sich sicher auf wenige Bereiche beschränken, schon auf Grund der Investitions-kosten. In den H.T. wäre auf S. 160 der Hinweis auf den Seidenstraßen-Gürtel und auf S. 161auf die japanische Mobilität, die der Rezensent schon 1998 ausführlich kennenlernte, zu beachten.

Freilich können in einem Übersichtsband derart umfangreiche Themen wie in Biosphäre. Artenvielfalt nicht einmal kursorisch behandelt werden. Es gibt einen kurzen Hinweis auf Bodenvielfalt und Renaturierung. Die H.T. hätten die Verfasser schon viel ausführlicher gestalten können. Ich denke, der Leser kann Kapitel 13 überblättern. Dagegen versammeln sich in Atmosphäre. Die Hoffnung stirbt zuletzt schon die uns weitgehend bekannten Vorschläge zur Reduzierung des CO2 Ausstoßes begleitet von recht umfangreichen Hinweisen in den H.T. Der Zugang zu sauberem Trinkwasser, in Wasser. Trinkwasser dargestellt, gehört zu den wichtig-sten Faktoren der Gesundheit der Menschen, und ist wohl auch mit dem industriellen Agrarwesen verbunden. Eine intelligente Wassernutzung wird und muss sich da etablieren. Der Rezensent erlaubt sich hier die Anregung, in künftigen Auflagen des Buches Hinweise an solche vergangenen Kulturen einzubringen, die über Jahr-hunderte verstanden haben, geringe Jahres-Niederschläge mit Speichern oder Kanalisieren von vorhandenem Quellwasser zur Nachhaltigkeit auszunutzen, sowohl in Asien, Nord- und Südamerika. Die angebotenen H.T besitzen eine hohe Qualität.

Abfall. Biosäfte in Afrika: es geht eigentlich um Abfall. Die Seite über die afrika-nischen Biosäfte ist ein gut gewähltes Beispiel. In meinen Augen könnte dieses Kapitel wesentlich umfangreicher sein und sich mit den C2C verschränken, oder? Wald. Tony Rinaudo und die Bäume. Wald liegt uns allen schwer am Herzen, und ich halte – aufgewachsen in einer dichten Waldgegend von Niederösterreich – es heute noch nicht aus, einen Kahlschlag beim Spazieren ansehen zu müssen, obwohl ich weiß, dass er über kurz oder lang wieder aufgeforstet werden wird, 50 Jahre werden wir warten müssen. Warum das Kapitel (18) Demokratie. Engagiert Euch nicht einfach Bürgerbeteiligung oder Zivilgesellschaft heißt? Freilich können sich solche kleinen oder größeren Bewegungen, wie auch die NGOs nur in manchen Demokratien etablieren, sehr oft missbraucht von den Eliten oder Mächtigen einer Gesellschaft. Die Stadt Wien hat ja den Ausweg gefunden, sich Die Grünen als Koalitionspartner zu nehmen, daneben wird nichts anderes benötigt! Der Aufruf auf S. 222 ist nett zu lesen, aber in unserem Obrichtkeitsstaat habe ich dafür noch keine Nische, keine emporführende Treppe gefunden.

Interessant ist schon die Zusammenstellung in Katastrophen. Es war schon schlimmer. Mir scheint, auch die Furcht der Menschen vor den Naturkatastrophen ist weniger geworden, zumindest ist die Zahl der sogenannten Katastrophenfilme viel geringer geworden oder sie sind ganz vom Unterhaltungsmarkt verschwunden. Wir Leser kommen am letzten Kapitel an: Gewalt. Perspektivenwechsel in dem wir erfahren dürfen, dass es schon einen auch begründeten (Steven Pinker) Rückgang der Gewalt von Menschen gegen Menschen gibt. Auch dieses Kapitel ist eigentlich entbehrlich.

Es ist sicher schwierig Kritik an den herrschenden Verhältnissen mit einem echten Aufmuntern für den Leser: „es gibt doch soviel positives in der Welt“ zu verbinden und ich möchte an dieser Stelle festhalten, dass dies den Autoren grosso modo schon gut gelungen ist, zumindest für junge Menschen, die anfangen sich in der Welt umzuschauen: für die ist es das richtige Buch.

Die Autoren geben eine kurze Liste von weiterführender Literatur an; ich möchte sie um ein äusserst umfangreiches Werk ergänzen: Hans Joachim Schellnhuber: Selbstverbrennung. Die fatale Dreiecksbeziehung zwischen Klima, Mensch und Kohlenstoff. C. Bertlmann München 2015.