Schau nicht zurueck, es zahlt sich nicht aus...


Buchbesprechung von Franz Krahberger

Ein halbes Jahrzehnt nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion erschienen in Frankreich zwei bedeutende Schriften, die den Welt- Kommunismus in seiner Gesamtheit zu beschreiben suchten und deutliches ueber den Stalinterror aussagten. Das Ende der Illusion von Francois Furet und das Das Schwarzbuch des Kommunismus, mit Beitraegen von Stephane Courtois, Nicolas Werth, Jean-Louis Panne, Andrzej Paczkowski, Karel Bartosek und Jean-Louis Margolin. Beide Werke distanzierten sich klar und deutlich von dem fehlgeschlagenen Projekt, das mehr als 60 Jahre die Weltpolitik gravierend beeinflusst hat. Von Linken verfasst, von der Rechten begierig gelesen.

Mit dem Totalitarismus wurde im globalen Masstab abgerechnet. Der Nachteil der Publikation war offensichtlich. Sie wurden kaum von der Linken rezipiert, sondern vielmehr von der konservativen Rechten, insbesondere von den Neoliberalen zur Bestaetigung ihrer Ansichten und Positionen, die sie immer schon gehabt hatten, angeeignet.
Die Linke verharrte im fatalen Starrsinn, der ihr letztendlich zunehmend alle Einflussmoeglichkeiten bis in die Gegenwart verunmoeglichte. Nach dem aktuellen Zusammenbruch des Neoliberalismus laufen wider Erwarten selbst der Sozialdemokratie die europaeischen WaehlerInnen davon.

Die historische Frage Lenins Was tun? wird wohl niemals mehr so gestellt werden koennen, an deren Stelle tritt wohl eher das Was nun ?

Fast fuenfzehn Jahre nach dem Erscheinen des vielbeachteten Schwarzbuches des Kommunismus wagt man sich auch in Oesterreich an die Aufarbeitung des kommunistischen Anteiles an der eigenen Geschichte. Bedingt durch die besonders linke Position, die oesterreichischen Sozialisten bereits zu Beginn der Gruendung der Republik 1918 unter der Fuehrung Otto Bauers eingenommen haben, in der Zeit der Illegaliatet im Staendestaatregime, von den linken Austromarxisten auch als Austrofaschismus bezeichnet, fortgesetzt, war es fuer die Kommunisten kaum moeglich, in Oesterreich politisch Fuss zu fassen. Das zeigte sich auch nach 1945, nachdem die Kommunisten bei den ersten regulaeren Wahlen kaum ein Mandat gewinnen konnten. Sie waren bloss in der Provisorischen Regierung in Staatsaemtern vorhanden.

Es sei nicht verschwiegen, dass Teile der oesterreichischen Arbeiterschaft eine gewisse unueberhoerbare Affinitaet zum Nationalsozialismus hatte und hat. Eine Sympathie, die heute von Strache genutzt wird, und von Joerg Haider ebenso bedient worden ist. Heute kann Strache im ehemals roten Arbeiterbezirk Simmering wieder mit 30 Prozent der Stimmen rechnen.

Trotzdem wurde Restoesterreich, das vor allem den deutschsprachigen Teil ausmachte, vom Komintern in den 20er und 30er Jahren, insbesondere von Wien aus, fuer die Organisation von Aktivitaeten im westeuropaeischen Raum benutzt. Das beschreiben u.a. Barry McLoughlin, Hannes Leidinger, Verena Moritz in ihrem im Studienverlag Innsbruck erschienenen Buch Kommunismus in Oesterreich > 1918 - 1938.

Nach 1945, trotz Besatzung und auch danach begnuegte sich die KPOE mit einer kleinen politischen Rolle. Sie fungierte viel lieber als eine von Moskau abhaengige und gesteuerte Osthandelsagentur, die wirklich erfolgreich gewesen ist. Als Beispiel sei angefuehrt die Robert Platzek Gmbh., die in den 50 Jahren gegruendet worden ist, um Holz aus der Sowjetunion, nicht aus dem Comecom, nach dem Westen zu exportieren. Die KPOE bediente sich immer eines Treuhaenders. Auch in diesem Fall. Nach dem Zusammenbruch des Sowjetsystems ging die Robert Platzek Gmbh. in den Besitz von Martin Schlaff ueber.


Der Praesens Verlag bringt die Erinnerungen von Hilde Koplenig, aus sehr persoenlicher Sicht verfasst. Sie teilte ihr Leben, auch das Moskauer Exil, mit Johann Koplenig, dem spaeteren Generalsekretaer der KPOE, der den Staatsvertrag mit unterzeichnete.

Ende der 20er, anfangs 30 er Jahre war sie mit Wilhelm Schlamm befreundet, der damals Redakteur der Roten Fahne gewesen ist. Schlamm entwickelte sich zum Antistalinisten, verfasste ein Buch ueber die Moskauer Schauprozesse Die Diktatur der Luege, dem man wenig widersprechen kann, und wechselte das Lager. Er ging in die USA, wurde Berater von Time Herausgeber Luce Warner und gab Anfang der 50 er Jahre gemeinsam mit Buckley die streng antikommunistische National Review heraus, die heute eines der meistgelesenen Journale der USA ist und als ideologisches Flaggschiff der Neokonservativen angesehen werden kann. Erik von Kuehnelt Leddhin, ein strikter Neokonservativer, war Muenchner Korrespondent des Journals. Der Titel s von Leddhins Buch Die falsch gestellten Weichen. Der rote Faden 1789 bis1984 sagt es. Alles was seit der franzoesischen Revolution geschehen ist, waere falsch. Vorgestellt wird es auf der Website Unzeitgemaesse Betrachtungen mit dem Subtitel Ultramontan - Reaktionaer. Der Mann lebt wirklich in der falschen Zeit und glaubt in alter Adelspraepotenz wie Ignoranz das Rad der Zeit umkehren zu koennen. Doch Zweihundert und Zehn Jahre Demokratisierung lassen sich aus dem Gedaechtnis der Menschheit nicht mehr loeschen.

In den 70 er Jahren tauchte Wilhelm Schlamm in Salzburg auf und gab gemeinsam mit Otto Habsburg ein Jahrzehnt lang die Zeitbuehne heraus. Wahrscheinlich steuerte er auch aus dem Hintergrund die Studentenorganisation der Paneuropabewegung, die sich YES genannt hat.

Eine Episode am Rande liefert Hilde Koplenig mit. Sie hatte in den 30 Jahren Kontakt zu einer Wohn- und Lebensgemeinschaft von kommunistischen Paaren in Neustift am Walde, Wien, die nach neuen Lebensformen suchte und die freie Sexualitaet ausuebten. Sie selbst schreibt, sich an letzterem nicht beteiligt zu haben. Ob sich die Neustifter an Wilhelm Reich orientiert haben, ist ungewiss. Es koennte durchaus sein. Es gab seit den 20 er Jahren eine enge freundschaftliche Verbindung zwischen Reich und Schlamm.

Vergleichbare Lebensgemeinschaften, die sich an Reich orientierten, tauchten ab 1968 wieder in Oesterreich auf, insbesondere die Kommune von Otto Muehl, der jedoch politisch einen anderen Hintergrund hatte.

Wie gesagt, die Erinnerungen der Koplenig sind eher subjektiv gefaerbt und bei weitem nicht mit den politischen Einsichten ihrer Freundin und Genossin Ruth Mayenburg Fischer Blaues Blut und rote Fahnen zu vergleichen.


Ebenfalls bei praesens erschienen ist das Buch von Dunja Larise Mythos Kultur - Eine Kritik des postmodernen Kulturkonzepts, eine Dissertation an der Lehrkanzel fuer Kultur und Geistesgeschichte der Hochschule fuer Angewandte Kunst Wien. Larise zeigt zwar in sehr klaren wie deutlichen Ansichten das Unbehagen und die Sinnentleerung des Kulturbetriebes des Neoliberalimus auf, der nun auch ohne ihr Zutun in eine irreversible Krise geraten ist.
Sie kritisiert den Postmodernismus aus marxistischer Sicht in strukturalistischer wie diskursiver Analyse, beeindruckt von Althusser, der ua. deswegen nicht in Vergessenheit geraten ist, weil er nach seinem Abtritt von der Sorbonne seine Frau im Bett erwuergt hat, weiss aber keine Alternativen zu benennen. Auch der reale Sozialismus hat die Entfremdung nicht aufgehoben Er hat bloss den Totalitarismus unertraeglich verdichtet.


Tatsaechlich, ausser Vergangenheitsbeschreibung ist von kommunistischer Seite nichts mehr zu erwarten. Brauchbare Alternativen zur Krise und Depression der Gegenwart sind nicht zu erkennen.

Auch Hilde Koplenig kann und will ihre Enttaeuschungen nicht verbergen. Ab 1950 ging sie auf Distanz zur sowjetischen Politik. Im Zuge der CSSR Krise und des Einmarsches der Warschauerpakt Truppen in Prag, mit dem sie nicht einverstanden gewesen ist, wurde sie aus der Partei gedraengt.
Interessant erschien ihr das Pariser Exil ab 1938. Da verfolgten Kommunisten, Sozialisten, Anarchisten, Liberale, Legitimisten und Monarchisten das gemeinsame Ziel der Wiedererrichtung Oesterreichs. Doch auch da lauerten die Widersprueche. Einig war sich die Kommunisten mit den Monarchisten im Kampf um die Wiedererichtung eines demokratischen Oesterreichs. Sie folgten hier in Theorie und Praxis dem Weg der oesterreichischen Identitaet, wie sie der Kommunist Alfred Klahr definiert hatte. Die Sozialisten konnten sich die Existenz Oesterreichs nur in der groesseren deutschen Einheit vorstellen. Die wurde noch waehrend des Krieges von Adolf Schaerf gekuendigt, nachdem die Katastrophe bereits ihren Lauf genommen hatte und das schreckliche Ende absehbar geworden ist. Keine Wiedervereinigung mit Deutschland nach dem Ende des 2.Weltkrieges.

Die aktuelle Zugehoerigkeit zur Europaeischen Union, auch der oestlichen und noerdlichen Nachbarstaaten hat endlich einen formalen Rahmen bereit gestellt, in dem die Aufhebung dieser Widersprueche denk- und realisierbar erscheint. Der Prozess wird aber derzeit von ueberkommenen nationalstaatlichen Vorstellungen blockiert.

praesens verlag

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