REPUBLIK AUSSTELLUNG 1918|2008


Eine Besprechung von Franz Krahberger

Ende des Ersten Weltkrieges, am 12. November 1918, wurde vor dem Parlamentsgebäude in Wien die Republik "Deutsch-Österreich" ausgerufen.
Sie entstand als parlamentarische Demokratie und wie zahlreiche Nachbarstaaten auch, auf dem Gebiet der ehemaligen Donaumonarchie. Vor 90 Jahren wurden Strukturen geschaffen, die die Republik bis heute wesentlich kennzeichnen. Diese historischen Wurzeln der Republik und die wichtigsten Entwicklungsstränge der folgenden Jahrzehnte - mit ihren Kontinuitäten und Brüchen - zeigt die "Republik.Ausstellung 1918|2008".

Dauer: 12. November 2008 bis 11. April 2009
1010 Wien, Parlament
Dr. Karl-Renner-Ring

Die Ausstellung wird gestaltet von den Historikern Stefan Karner und Lorenz Miholetzky. Bereits jetzt im September legen die beiden eher als konservativ einzustufenden Ausstellungsleiter den Beitragsband zur Ausstellung im Parlament mit den Titel Oesterreich - 90 Jahre Republik im Innsbrucker Studienverlag, ISBN 978-3-7065-4664-5, vor.


Studien Verlag Innsbruck


Der Covertext mag manche irritieren. Die Republik Deutsch Oesterreich wurde tatsaechlich am 11.November 1918 mit der Absicht gegruendet, sie der Deutschen Republik, die am 9.11.1918 mit unterschiedlicher politischer Orientierung vom SPD Politiker Philipp Scheidemann und parallel dazu vom Fuehrer des Spartakus Bundes Karl Liebknecht in Berlin ausgerufen worden ist, anzufuegen.
Der Vertrag von Saint Germain untersagte jedoch den mit Gesetz vom 12.November 1918 zum Staatsziel erklaerten Anschluss (damals offensichtlich mit roten Vorzeichen, im Gegensatz zum Anschluss 1938 unter braunen Vorzeichen) und so wurde am 9.11.1919 die Republik Oesterreich proklamiert, von vielen als Rest-Oesterreich bezeichnet. Mit der Kenntnis dieser Sachlage lassen sich die spaeter folgenden Positionen Karl Renners und Adolf Schaerfs entschieden besser deuten.
Die Briefmarken Deutsch Oesterreichs wurden weiter verwendet. Dieser Umstand mag den Verfasser des entsprechenden Beitrages in der Publikation, den Historiker und freiheitlichen Politiker Brauneder Vergnuegen bereiten, weniger der Umstand, dass der Gruendung Deutsch Oesterreichs offensichtlich eine sozialistische und international gesehen parallel eine kommunistische Initiative zu Grunde liegt. So wie der Freistaat Bayern nicht eine Gruendung der CSU ist, sondern auf die Muenchner Raeterepublik zurueckgeht.
Zumeist wird angenommen, dass der Bezeichnung Deutschoesterreich die sprachliche Identitaet zu Grunde liegt, und nicht das uebergeordnete politische Konzept.


Die tatsaechliche Gruendungs Konstitution der 1. Republik Oesterreich koennte so gesehen eigentlich erst 2009 gefeiert werden.

Die Einbindung der oesterreichischen Geschichte in den internationalen Prozess wird insgesamt zuwenig betont und so fehlt auch weitgehend die Beschreibung des Einflusses des Kalten Krieges auf die Entwicklung des Landes. Statt dessen duerfen wir von Gregory Weeks ueber die 1.Republik aus US-amerikanischer Sicht lesen. Die perspektivische Beurteilung ueber die Zukunft Oesterreichs in der Europaeischen Union wurde ebenso wenig gewagt, obwohl der Zeitraum von 1918 bis 2008 gespannt worden ist. Wir sind jetzt 14 Jahre Mitglied der Union. Der Band zeugt mehr vom historischen Parlamentarismus, als vom lebendigen Abgeordnetenhaus. Das mag aber am Veranstalter selbst, dem Parlament, liegen.


Sozialdemokratisches Wahlplakat aus dem Jahr 1932


Ortstaferlstreit und Grenzstein Querelen in Kaernten

Auf eine naehere Beurteilung werde ich mich nicht einlassen. Ich werde mich auf die Beitraege zu Kunst und Kultur beschraenken.

Guenter Duerigel zieht in seinem Beitrag Malerei in bewegter Zeit einen weiten Bogen von den Secessionisten bis zu den Wiener Aktionisten, hebt die Bedeutung des Art Clubs und der Galerie St.Stefan hervor. Letztendlich waren dies aber lokale Ereignisse. Den grossen internationalen Erfolg der sogenannten Neuen Wilden Malerei der 80 er Jahre und die grossen Leistungen der Gegenwartsarchitektur nimmt er nicht mehr wahr.
Immerhin stellt er fest, dass das Motto der Wiener Secessionisten aus dem Jahre 1898 Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit im Jahre 2008 als gesellschaftliche Wahrheit angesehen werden kann. Toll, endlich, nach 100 Jahren…. Allerdings muessen wir darauf achten, unter welchen Produktionsbedingungen wir heute produzieren. Eine Studie des BMfUKK zur sozialen Lage der KuenstlerInnen, die kurz vor der Wahl fuer Aufregung sorgt, komm zu bestuerzenden Ergebnissen.

Interessant ist der Streifzug des ehemaligen Presse Redakteurs und Leiters des Spectrums, Hans Haider durch Literaturgeschichte und Kulturpolitik. Hans Haider bekennt Farbe und stellt sich entschieden auf die Seite der Gegenwartsliteratur. Der Erfolg der Jelinek, ob man sie jetzt mag oder nicht mag, und der zbsp. von Daniel Kehlmann auf dem literarischen Weltmarkt, obwohl er nur einen elaborierten Schulroman verfasst hat, laesst sich ohnehin nicht mehr uebersehen.

Haider gelingt ein kurzer, aber trefflicher Ueberblick zur Entwicklung der Literatur in der 2.Republik und der damit verbundenen kulturpolitischen Kontroversen, der sich entschieden besser liest als ein vergleichbarer laengerer Text von Wolfgang Kraus, der diesen zu eigener Beweihraeucherung verfasst hat.

Hans Haider beschreibt zbsp. den maechtigen Einfluss von Rudolf Henz, der schon im Staendestaat Kulturpolitik fuer die Vaterlaendische Front gemacht hat. Henz, bis 1980 Vorsitzender des Oesterreichischen Kunstsenats, hat mit seinem Buechel Der Kartonismus eine Schmierschrift wider die Moderne vefasst, die etwa vergleichbar ist mit einem aehnlichen Werk, den Anmerkungen Ephraim Kishons Randbemerkungen zur modernen Kunst. Kommt bloss hinzu, dass Henz auch noch katholischer Antisemit gewesen ist. Wie solche Verhunzung und Verhenzung auf der Buehne aussehen koennte, hat in den letzten Jahren mehrmals der unsaegliche Alf Poier, austropunkertes Liebkind des ORF, vorgemacht. Ich wuerde den gar nicht erwaehnen, wenn ihm nicht der ORF Raum fuer duemmlichste Verarsche von Kunst & Kultur eingeraeumt haette. Meine Poier Kritik ist eigentlich eine an der Programmgestaltung des ORF. Im Vorsitz des Kunstsenates folgte dem ultrakonservativen Henz der Architekt Roland Rainer, Entwerfer und Planer des ORF Zentrums Kuenigelberg . Heute steht dem oesterreichischen Kunstsenat der international renommierte Architekt Hans Hollein vor.

Haider zeigt, dass die letztendlich erfolgreiche Avantgarde sowohl von den Konservativen wie auch von der institutionellen Linken geschnitten worden ist.
Die Alten, die den Geschmack diktierten, hatten das Vertrauen der Staatspolitiker und konnten sich auf deren Unterstuetzung verlassen.

Interessantes zur Schulbuchpolitik teilt Haider ebenso mit. Man verwendete vor allem Autoren aus dem 19.Jahrhundert, fuer die keine Urheberrechtstantiemen mehr zu begleichen waren. Erst Fred Sinowatz machte mit diesem Unfug Schluss und so kam Ernst Jandl in der Schule auch als Dichter zu Wort.
Jandl war noch in den 90er Jahren den primitiven Angriffen des freiheitlichen Europa Abgeordneten Andreas Moelzer ausgesetzt, der in einem illegalen rechten Verlag publizierten Buch Ernst Jandl als Volksverdummer hingestellt hat. Moelzer bewegte sich auf einem tiefen missguenstigen wie denunzierenden Level. Das hat den alten Jandl tief getroffen und es war ja auch eine gezielte Gemeinheit. An HC Artmann hat Joerg Haider versucht, sich mit seinem merkwuerdigen Kulturgemuet, das gerade noch Karl Kraus zulaesst, abzuputzen.

Ueber das Verhaeltnis von Literatur und Staat fuehrt Hans Haider die Gaesteliste einer Einladung des Bundeskanzlers Klaus 1969 ins Bundeskanzleramt an, die mit Gewissheit von dessen tief vertrautem Berater Wolfgang Kraus zusammen gestellt worden ist.

Thomas Bernhard plauderte charmant und angeregt mit Josef Klaus. Wolfgang Bauer, Alfred Kolleritsch, Hilde Spiel standen neben Friedrich Torberg, Franz Nabl, Max Mell; Alexander Lernet Holenia, Felix Braun, Franz Theodor Czokor neben Herbert Zand, Friedrich Heer, Ernst Jandl und Friederike Mayroecker. Ingeborg Bachmann im weissen Hosenanzug unterhielt sich mit Christine Busta, Hans Lebert war hier, Barbara Frischmuth, Andreas Okopenko, Fritz Habeck, Milo Dor, Otto Gruendmandl.
Besser kanns der adabei auch nicht vermelden.

Dass Karl Blecha mit Hilfe der Gesellschaft fuer Kulturpolitik die Kunst ideologisch gegen den Willen von Fred Sinowatz vereinnahmen wollte, ist richtig beobachtet. Erst 1990 verabschiedete sich Hilde Hawalicek in einer Veranstaltung im Prunksaal der Oesterreichischen Nationalbibliothek von dieser Strategie. Dass die nicht aufgehen wuerde, war laengst seit dem Schriftstellerkongress 1981 erkennbar. Damals stimmten die AutorInnen mehrheitlich zurecht gegen die Vereinnahmung durch den OEGB. Das war kein Votum fuer den konservativen Fluegel der oesterreichischen Literatur, sondern beruecksichtigte schlicht und einfach die undurchsichtigen Machtverhaeltnisse im Oesterreichischen Gewerkschaftbund. Ein Filz, der letztendlich zum Niedergang und Ausverkauf der BAWAG fuehrte. Fortsetzung droht !

Martin Haidinger schreibt ueber die Zeitungslandschaft der 1. wie der 2. Republik und wiederholt die bekannte Tatsache, dass die Kronenzeitung gemessen an der Bevoelkerungszahl Oesterreichs weltweit die groesste Reichweite hat. Gemessen an der Weltbevoelkerung kommen die Meinungsmacher am Donaukanal jedoch nicht einmal in einer homeopathisch relevanten Dosis vor. Allerdings wiederum auf Oesterreich bezogen erreichte die 1900 gegruendete erste Version der Kronenzeitung seinerzeit in der Monarchie dreimal mehr Menschen als die sozialdemokratische Arbeiter-Zeitung, 1889 gegruendet und 1989 an den Palmers Werber und Vranitzky Freund Hans Schmid ganz im Sinne neoliberaler Privatisierung verkauft, 1991 erschien die letzte Ausgabe der AZ.
Haidinger erwaehnt die Gruendungsgeschichte der Kronenzeitung, die von Hans Dichand mit Geldern ungewisser Herkunft aus der Kasse des Oesterreichischen Gewerkschaftsbunds von Franz Olah zur Verfuegung gestellt, erneut ins Gelaufe am Boulevard gebracht und heute die realpolitisch einflussreichste Zeitung des Landes geworden ist. Davor haben sich der Nochkanzler Gusenbauer und moegliche Zukunftskanzler Faymann im Namen der SPOE entschieden zu tief verbeugt. Das laesst sich mit Wahltaktik nicht mehr erklaeren. Sie haben sich damit nicht vor dem Souveraen, vor dem verfassungsgebenden Volk, verbeugt, dessen Meinung die Kronenzeitung behauptet, ausschliesslich zu vertreten. Die Krone manipuliert die Volksmeinung und behauptet bloss, einfachem Mann und schlichter Frau aus dem Herzen zu sprechen. Aber das ist schlichter Unsinn. Sie repraesentiert im uebertragenen Sinne die Neue Klasse, die im Namen des Volkes zu eigenem Nutzen in eigener Sache agiert.
Bruno Kreisky, der den oesterreichischen Journalisten den kenntnisreichen Umgang mit der Geschichte empfohlen hat, hielt es mit der Zeitung deutlicher: Von der Kronenzeitung laesst man sich nicht benutzen, man benutzt sie. Ob das seine Zauberlehrlinge auch so sehen, vor allem, wuerde ihnen so ein Coup gelingen ?. Das Kreisky Zitat habe ich einem Artikel von Elisabeth Horvath ueber die graue Eminenz der Kronenzeitung Peter Gnam in der aktuellen Ausgabe des Fachblattes Der oesterreichische Journalist entnommen.

Der Langzeit Achivar des ORF Peter Dusek beschaeftigt sich mit dem Rundfunk, mit dem TV und den Film. Jedes neues Medium wir zu allererst fuer laecherlich gehalten, und es wird von der etablierten Konkurrenz in der Hochkultur mit Spott und Hohn ueberzogen.
So war das Fernsehen dem schwarzen Bundeskanzler Raab ein unnoetiges Narrenkastl und er ueberliess es kampflos den Sozialdemokraten. Es bedurfte den Einsatz Gerd Bachers, um es aus der roten Einflussphaere wieder heraus zu loesen. Heute gehoeren 40 Prozent der Sendeanlagen des ORF dem Raiffeisenverband, der, wie man hoert, auch Radio Maria finanzieren soll.
Die Teilprivatisierung des ORF wurde 2006 mit Hilfe von Monika Lindner unter Zustimmung von Jetzt Intendant Alexander Wrabetz friktionsfrei ueber die Buehne gezogen, ohne dass sie Spuren in der oesterreichischen Zeitungslandschaft hinterlassen haette. Da sind alle widerspruchsfrei dafuer gewesen. Gibt es ein Meinungsmachtmonopol in Oesterreich, dem sich auch die Zeitungsherausgeber beugen ?


ORF Logo des TV Versuchsprogrammes 1955


Testbild

Michael Gehler durfte10 Seiten ueber Oesterreichs Europa- und Integrationspolitik im Spannungsfeld von Findung und Wahrung seiner Neutralitaet von 1918 bis zur Gegenwart referieren. Einen konkreten wie aktuellen Europabezug kann ich dem nicht abgewinnen.

Eine der wichtigsten Erkenntnisse aus der Analyse des fatalen Neins der Iren zum Vertrag von Lissabon ist jene, dass zwar 70 Prozent der Iren fuer die EU-Mitgliedschaft sind, aber keine Ahnung davon haben, was sie mit der EU machen koennen und was die EU von ihnen will. Ein vergleichbares Informationsdefizit laesst sich auch fuer Oesterreich feststellen. Ich bin nicht der Ansicht, dass die Kronenzeitung die geeignete Drehscheibe fuer eine Verbesserung des miserablen Informationsdefizites ist. Die Familie Dichand vertritt ihre eigenen Interessen und die ihrer Pfruendner und tut nur so, als ob sie die Interessen aller OesterreicherInnen wahren wuerde. Das ist eine Erbhof - Bauerngeschichte aus dem vielfaeltigen Fundus der oesterreichischen Heimatliteratur. Manchmal steigt den Zeitungsmachern die Reichweite und das damit verbundene Informationsmonopol zu Kopfe. Da stehen die Dichands nicht alleine da. Die Familie Molden (Presse und Verlagswesen) ist vor ein paar Jahren, nachdem der Urheberrechtszeitraum generell verlaengert worden ist, beim Staat vorstellig geworden und wollte Tantiemen fuer das Absingen der Bundeshymne, die die Mutter Fritz Moldens, Paula Preradovic erfolgreich in einem staatlichen Wettbewerb eingereicht hatte, erneut und in der weiteren Zukunft kassieren.
So weit ist der neoliberale Wahn der Privatisierung jedoch nicht gediehen. Die freche Forderung wurde abgeschmettert. Sie zitieren gerne John F. Kennedy: Frage nicht, was das Land fuer dich tun kann, frage was du fuer dein Land tun kannst.. Doch hinter der Buehne kassieren sie ab oder versuchen abzukassieren. Meist gelingt ihnen das im System des oesterreichischen Nepotismus ganz gut.


Erinnerung an Korfu 24.Juni 1994; Beitrittsunterzeichnung Oesterreichs zur Europaeischen Union

Medienbaustein


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