Das Erinnerungsjahr 2005 - Neuerscheinungen des Innsbrucker Studienverlages

Androsch, Bailer Galanda, Esterhazy, Pelinka, Stourzh


Rezensiert von Franz Krahberger


Der Festakt zur Erinnerung an die Neugruendung der 2.Republik vor 60 Jahren zu Beginn des Jahres im Parlament wurde durch die Tsunami Katastrophe gruendlich ueberschattet und die Affairen der Bundesraete Gudenus und Kampel, die noch immer nichts aus der Geschichte lernen wollen, verhagelte die betuliche Erinnerungskultur zu Mitte des Jahres.
Rueckblickend gesehen war dies nicht einmal so schlecht, fuehrte es doch zu einer merkbaren Karthasis und zu realpolitischen Konsequenzen, die im Fall Gudenus jedoch noch immer einer richterlichen Entscheidung harren. Der neue Auftakt der Orangenfarmer fiel dem Papstbegraebnis zum Opfer, das vierzehn Tage lang alle TV-Kanaele beherrschte.
Insgesamt eine anschauliche Lektion, dass sich weder die Natur, noch das Schicksal oder die Realpolitik an den verordneten Gedenkritus halten will.

Ingesamt meine ich, dass man sich weitgehend bemueht hat die Geschichte im kritischen Licht zu betrachten, auch die ORF Historia von Hugo Portisch hat sich diesmal den Tabuzonen bis in letzten Winkel nicht entzogen. Ob dies zu einer Veraenderung des historischen Beusstseins hin zu historischer Klarheit wie Laeuterung gefuehrt hat, laesst sich so schnell nicht feststellen.

Im Herbst des Jahres hat der Studien Verlag Innsbruck eine Buchserie Oesterreich - Zweite Republik, Befund, Kritik, Perspektive veroeffentlicht, aus der ich bislang vier Baendchen gelesen habe.

Tatsaechlich haben sich die Autoren Stourzh, Bailer, Androsch und Pelinka weitgehend um Objektivitaet bemueht, ohne der jahrzehntelang geuebten Wechselbalgtaktik zu folgen, wer von den Nachkriegsparteien nun mehr ehemalige Nazis, ob nun die schlimmeren oder eher opportunistisch Gestimmten in ihren eigenen Reihen inhaliert haben, wie sich Altkanzler Julius Raab ausgedrueckt hat.

Die Reihe wird herausgegeben im Rahmen der Wiener Vorlesungen, dem Dialogforum der Gemeinde Wien und ist mithin eher dem sozialdemokratischen Gesichtskreis zuzuordnen.

Das Jahr 2005 boete wohl die letzte Chance einer kritischen und differenzierten Nachdenkarbeit ueber die zweite Republik in einer groesseren Oeffentlichkeit, meint der Herausgeber in seinem Vorwort.

Das sehe ich nicht so. Ich meine, dass der veraenderte Blickwinkel, der differenziertere Blickwinkel, der bislang dem staatlich verordneten Fassadenbau der 2.Republik geopfert worden ist, die Sache erst so richtig in Gang gesetzt hat, die alten Buehnenbilder ihre Funktion verloren haben und das Land eine neues Geschichtsbewusstsein entwickeln wird, auch unter den Konditionen der europaeischen Einigung. Dazu reicht ein Erinnerungsjahr nicht aus, sondern es bedarf der stetigen Bemuehungen, die auch im Osteuropadiskurs zu veraenderten Seh- und Handlungsweisen fuehren werden.

Doch die ersten Schritte sind gesetzt, bzw. ausgeweitet worden, hat es doch vor 2005 bereits vielfaeltige Bemuehungen gegeben, die jedoch bislang nicht den offiziellen Status erreichen konnten Einmal eroeffnete Tabuzonen lassen sich nicht mehr uebertuenchen oder ueberdecken und koennen vielleicht erstmals in nuechterner wie emotional unbelasteter Distanz betrachtet werden.
So wird man aus historischer Schuldaufrechnung und Schuldverlagerung endlich wieder zu einer realen sachlichen Sicht der politischen Gegenwart, weitgehend befreit von den historischen Lasten, kommen. Voraussetzung fuer jede weitere Entwicklung wie Veraenderung.

Hannes Androsch widmet in seinem Buch Wirtschaft und Gesellschaft 1945 - 2005 der Gegenwart und den Erfordernissen der Zukunft bereits aus seiner wirtschaftlichen Kompetenz, die dem erfolgreichen Unternehmen nicht streitig gemacht werden kann, breiten Raum
Sein umfassender historischer Rueckblick und seine politische Analyse, die den erfahrenen wie lange Zeit praktizierenden Politiker erkennen laesst, ist durchaus respektabel und weist ihn als bekennenden Sozialdemokraten aus, obwohl nun auf die Unternehmerseite gewechselt.
Allerdings sieht er sich da in der Tradition des amerikanischen Wirtschaftstheoretiker John Kenneth Galbraiths (Wohlstand fuer alle) und nicht als Exponent des Neoliberalismus.
Aber auch Androsch ist zbsp. an der Internet Wettagentur betandwin finanziell beteiligt. Offensichtlich hat auch ihn das allgemeine Wettfieber erfasst.

Dass er zu Ende seines Textes ein „Oesterreich ueber alles, so es nur will“ anstimmt, erzeugt einen unangenehmen fernen Wiederklang, den sich Androsch so sparen haette koennen. So vermiest er sich einen Text, der auf mich ueberraschend sachlich wie objektivierend gewirkt hat und ihn als durchaus kompetenten Sachkenner sowohl im politischen wie im wirtschaftlichen ausweist und politische Toleranz und antifaschistische Positionen deutlich beinhaltet. Auch versucht er nicht, der sozialistischen Geschichte ihre Kanten zu nehmen und bringt bemerkenswert kulturpoltische Perspektiven ein.

Betroffenheit erweckt nach wie vor die Tatsache, dass die Organisation der Sozialistischen Akademiker BSA, oder B-SA, wie Kreisky in einem seiner Erinnerunsgbaende witzelt, nach dem Kriege vor allem ehemalige Nazi Parteigaenger integrierte, mit der die vertriebene linke (und der juedischen Genossen des Austromarxismus), bzw. in die innere Emigration oder in den Untergrund gedraengte Intelligenz, ersetzt worden ist.
Im Gegensatz zu seinem Politik Kollegen Leopold Gratz, der aus dem BSA ausgetreten ist, nachdem Caspar Einem eine kritische Studie veranlasst und heuer publiziert hat, schwindelt sich Androsch ueber diese in sich antagonistische Tatsache, die letztendlich auch auf einen moralischen Skandal hinauslaeuft, nicht hinweg, verteidigt die persoenliche Integritaet von Schaerf, Waldbrunner, Helmer, Kreisky, Broda und Firnberg. Das ist zwar richtig, dem ist jedoch hinzuzufuegen, dass die Genannten sehr wohl ueber den Nachkriegskompromiss der Reintegration der Ehemaligen genau Bescheid gewusst haben, daran zwangslaeufig beteiligt gewesen und nicht bloss Zusehende gewesen sind.
Ich erinnere an Oskar Helmers Empfehlung, die Wiedergutmachungen gegenueber von den Nazis beraubten Juden in die Laenge zu ziehen.

Erst in diesem Dezember wird, nachdem seitens der USA die noetige Rechtssicherheit garantiert worden ist, mit den endgueltigen Auszahlungen an die noch lebenden Opfer begonnen. Der ORF berichtete, dass dies pro Fall etwa 10 Prozent des von den Nazis beschlagnahmten Vermoegens ausmache....

Und es stellt sich voellig berechtigt die Frage, ob nicht die Sozialdemokratie sich bereits lange vor ihrem Machtverlust um dieses Problem kuemmern haette sollen, und es letztendlich den Konservativen ueberlassen haben, es endgueltig zu loesen. Auch in diesem Kontext ist die unglueckliche personelle Konstitution des BSA von nicht unerheblicher Bedeutung....

Diese strukturelle politische Laxheit hat auch die andauernden Spannungen der 68 Generation gegenueber der Sozialdemokratie begruendet.

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Der Historiker Gerald Stourzh formuliert in seinem Text 1945 und 1955: Schluesseljahre der zweiten Republik die Verhaeltnisse durchaus kritischer wie drastischer, ist auch nicht wie der Politiker dazu verfuehrt, die Positionen verteidigen zu muessen.
Obwohl, die oesterreichische Historikerzunft hat fast ebensolange wie die Politik gebraucht, den fadenscheinigen historischen Konsens der zweiten Republik ins helle Licht deutlicher Betrachtung zu ruecken. Gewissermassen ist ihr diese Zurueckhaltung auferlegt gewesen, was wiederum interessante Ueberlegungen zur Freiheit von Wissenschaft und Forschung eroeffnet.

Stourzh behandelt aufschlusreich u.a. die Probleme der Reimigration, der kulturellen Oeffnung, bzw. deren Kehrseite, die kulturelle Dumpfheit, und das NS- Problem der politischen Parteien. Dem hinzugefuegt ist eine gut lesbare Synopsis, wie es zu Staatsvertrag und Neutralitaet gekommen ist.

Der Soziologe Peter Pelinka beschreibt knapp wie treffend den Struktur- und Funktionswandel des Parteiensystems, insbesondere die Funktionen der Sozialpartnerschaft und deren allmaehlichen Zerfall in den letzten Dezenien und nennt es Glanz- und Elend der Parteien. Tatsaechlich ist der oesterreichische Nachkriegsstaat ein Parteienstaat gewesen, ein Klammer- Konstrukt, offenbar noetig und unerlaesslich fuer den Wiederaufbau und die Demokratisierung nach Austrofaschismus und Nationalsozialismus.

Die strategische Kursaenderung Bruno Kreiskys vom Obrigkeits- und Bestimmungsstaat hin zum Staat als Dienstleistungsorganisation an Buergerin und Buerger, das Transparenzmodell hat in Folge die Hinterzimmerpolitik der maechtigen Buende und Interessenvertretungen, die auch die parlamentarischen Entscheidungen voraus geplant haben, empfindlich in Frage gestellt und letztendlich ausgehebelt.

Aus dieser Erosion und aus den allgemeinen weltpolitischen Veraenderungen hat die Neue Rechte, insbesondere unter Anleitung Haiders kurzfristig politisches Kapital schlagen koennen, das jedoch realpolitisch von den Oesterreichern letztendlich nicht akzpetiert worden ist. Zusehr sind Haider und Co. im altbraunen Zeithorizont verankert gewesen. Die Oesterreicher wollen sich offensichtlich solch Peinlichkeiten kuenftig ersparen, noch dazu wo die Neuen Rechten weder in der Wirtschaftspolitik noch in der Sozialpolitik erkennbare Verbesserungen bewirken konnten und im Auesseren ein voellig unzeitgemaessen Isolationismus beibehalten wollen. Auch sie sind ein Versatzstueck des Fassadenbaus der 2.Republik und des unseligen Kompromisses.

Gegenwart und Zukunft der allgemeinen oesterreichischen Demokratie liegen nicht in der Vergangenheit, sondern haben sich eben unter erweiterten demokratischen Anspruechen, die einzuloesen sind wie unter den Bedingungen der europaeischen Einheit und im Verhaltnis zu sich neugestaltenden Beziehungen zu Osteuropa zu entfalten und zu bewaehren.

So gesehen haben die Auseinandersetzungen beginnend mit der Affaire Waldheim vor zwei Dezenien zweifellos kathartischen Wert und sind unerlaesslich gewesen. Die Konflikmuster der Vergangenheit, determiniert durch den Kalten Krieg der zwei maechtigen Weltbloecke, auf die Gegenwart zu uebertragen, waere ein toerichter Fehler. Das Versagen und der Niedergang der Freiheitlichen wie der rechtskonservativen Kraefte des Landes stellen diese ohnehin eindruecklich unter Beweis.

Gegenwart wie Zukunft muessen wieder zum zentralen Gegenstand des Diskurses werden.

Den Band von Brigitte Bailer Galanda und Ko-Autorin Eva Blimlinger Vermoegensentzug - Rueckstellung - Entschaedigung werde ich gesondert besprechen, gemeinsam mit dem bei Ueberreuter erschienenen Buch von Ronald Faber und Peter Boehmer ueber die habsburgischen Restitutionsforderungen, die weitgehend abgeschmettert worden sind.

Es ist nicht zu uebersehen, dass die Habsburgernostalgie beginnend in den 80 ern den innenpolitischen konservativen bis revanchistischen Trend mitbestimmt haben. Letztzendlich vom gleichen Misserfolg bestimmt, den auch die Neue Rechte hinnehmen musste.

Auf die amerikanischen Einflussnahmen auf die Gestaltung der 2.Republik wird in der Reihe kaum die noetige Aufmerksamkeit erbracht. Die bleibt weitgehend tabuisiert wie verborgen.

Am 5.12.2005 hat das profil einen Artikel veroeffentlicht, in dem endlich im Klartext ueber die enge Zusammenarbeit der CIA mit den politischen und intellektuellen Eliten des Landes geschrieben wird.
das profil nennt insbesondere Karl Gruber (Aussenminister OEVP), Franz Olah (Innenminister - OEGB), Friedrich Torberg, Hans Weigel. Nur einige Herausragende unter vielen anderen. Die amerikanische Fuehrung hat eine bedeutend groessere Gruppe geleitet. In diesem Zusammenhang wurde immer wieder die ominoesen 500 Maechtigen genannt, die sich zum amerikanisch strukturierten Overhead im Burberry Out Look zaehlen durften.
Franz Olah gelang es immerhin mit Hilfe der CIA eine 2700 Mann zaehlende paramilitaerische Untergrundorganisation aufzustellen, die im Ernstfall eines sowjetischen Vorstosses in den Sueden zum Einsatz gekommen waere, die auch in versteckt angelegten Waffenlagern ueber die noetige Ausruestung verfuegt hat. 2700 Mann; das ist beachtliche halbe Regimentsstaerke.
US Botschafterin Swanney Hunt verdanken wir 1997 die ersten oeffentlichen Informationen zu diesem Thema, die in Folge die Steine ins Rollen brachten.

Es darf vermutet werden, dass die OEGB Gelder, die Franz Olah fuer die Neugruendung der Kronenzeitung Hans Dichand zur Verfuegung gestellt hat, eigentlich keine Gelder des OEGB sondern von der CIA via AFL/CIO, dem amerikanischen Gewerkschaftsbund gekommen sind.
Olah musste den Usancen entsprechend in dem gegen in angestrengten Prozess ueber die tatsaechlichen Finanziers schweigen.

Der kuerzliche verstorbene Mitbegruender der Kronenzeitung Kurt Falk, Vertrauensmann von Olah, wurde Dichand zur Seite gestellt, um die strategische Verwendung der Gelder, also die Einhaltung der vorgesehenen Informationspolitik zu ueberwachen. Bezeichnenderweise war diese Information im Nachruf auf Falk juengst in der Wiener U-Bahnzeitung zu lesen.
Fuer Falk ist daraus das Geschaeft seines Lebens geworden. Nach seinem Ausscheiden aus der KZ in den 70 er Jahren hat er noch zwei Jahrzehnte, bis zum Verkauf seiner Anteile an Dichand und WAZ die Haelfte des erklecklichen Gewinns der einflussreichsten wie wirksamsten Stimme Oesterreichs kassiert, ohne einen Finger ruehren zu muessen.
< Sowohl das von Torberg herausgegebene Forum wie der Kongress fuer Freiheit sind ebenso ueber die AFL/CIO Kanaele finanziert worden. Weiters erhebt sich die begruendbare Vermutung, dass der OEGB in der Amerikanisierung Oesterreichs, bis hin zum Kasinosozialismus der BAWAG eine entschieden groessere und einflussreichere Rolle innehatte, als die zustaendigen und involvierten Herren bislang zu erkennen geben wollten.

Auch Hannes Androsch ist ein gelehriger Schueler Henry Kissingers, nicht nur von John Kenneth Galbraith, gewesen, wie er selbst einmal in der ORF Leiste Lebenskuenstler gegenueber Helmut Zilk geaeussert hat.
Bezeichnenderweise wird als akustische Signation des Zilk TV Formats Frank Sinatras I did it in my way.... verwendet. Auch Zilks Hausmacht ist nicht ueber ORF oder Partei, sondern ueber die Kronenzeitung gedeckt.

Es scheint sogar so zu sein, dass diese Seite besser und effektiver organsiert gewesen ist, als die der Konservativen unter Anleitung von Gruber, Graf, Klaus, Treichl sen., Molden etc. Heutzutage sind jedoch eher die Konservatien, auch bedingt durch die Osterweiterung und deren Vorgeschichte in den amerikanischen Vorstellungen federfuehrend.

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Im Studien Verlag Innsbruck ist ausserhalb der besprochenen Serie ein weiteres Einnerungsbuch erschienen, dass Auftragsgeschichtsschreibung vermuten laesst, dessen Wert dadurch keineswegs gemindert ist.

Paul Esterhazy 1901 -1989 - Ein Leben im Zeitalter der Extreme, herausgegeben von Stefan August Luetgenau.


Mit Beitraegen von Janos Gergely, Peter Haber, Laszlo Karsai und Stefan Luetgenau.

Das Buch ist juengst in der Ungarischen Botschaft in Wien in Anwesenheit eines fuehrenden Exponenten der Pan Europa Bewegung der Oeffentlichkeit vorgestellt worden.

Es haette die Biografie eines Unpolitischen werden koennen, der aus Herkunft und Erbe zum Spielball der Geschichte und in das Raederwerk des Spiels der Maechtigen zwischen Ost-und West hineingeraten ist. Die Person des Fuersten bleibt jeodch weitgehend im Unsichtbaren und zeichnet sich bloss in bedeutenden Schluesselstellen der Ost-West wie Regionalgeschichte ab.

Das liegt weniger an den Autoren, als daran, dass Paul Esterhazy grundsaetzlich die Oeffentlichkeit gescheut hat. Seine ihm zustehende Funktion im Oberhaus des ungarischen Parlamentes, nach der Wiedererrichtung des Magnatenhauses unter dem Regime Marschall Horthys, hat er nicht eingenommen.
Nach dem Tod von Janos Zichy uebernahm Esterhazy kurzfristig den Vorsitz der Actio Catholica, ein kirchliches Amt mit oeffentlichem Charakter, fuer einen christlichen Fuersten nichts aussergewoehnliches. Die Sache hatte sich aber binnen Kuerze erledigt, da die deutsche Wehrmacht Ungarn kurz darauf besetzte.

Esterhazy war ein entschiedener Gegner der Nationalsozialisten und liess sich von denen auch nicht vereinnahmen. Den oesterreichischen Teil seines Fidei Kommisses hat er nach der Okkupation 1938 nicht mehr betreten.

Paul Esterhazy unternahm auch einiges, um ungarische Juden vor der deutschen ( wie ungarischen ) Verfolgung zu schuetzen bzw. gelang es ihm mit Hilfe katholischer Schwestern eine grosse Gruppe juedischer Kinder zu bergen und zu retten. Er stand offensichtlich auch in mittelbarem Kontakt zum mutigen, selbstlosen, engagierten und tragisch umgekommenen Roaul Wallenberg.
Esterhazy hat den burgenlaendischen Juden in den dreissiger Jahren eine Reihe wirtschaftlicher Chancen im agrarischen Bereich ermoeglicht.

Nach 1945 wollte Fuerstprimas Kardinal Joszef Mindszenty Paul Esterhazy an der Spitze der sich neu formierenden demokratischen ungarischenVolkspartei sehen. Eine offizielle Aufforderung ist jedoch nie ergangen.

Und doch sollte einerseits die Herkunft des Fuersten, seine wirtschaftliche Stellung, bedingt durch die Reichtuemer des Fideikommisses und seine unbestrittene Naehe zur Leitung der Katkolischen Kirche Ungarns ihm zum Verhangnis werden.

Gemeinsam mit Mindszenty und anderen wurde er 1949 in einen stalinistischen Schauprozess gezogen, den der Ministerpraesident Matyas Rakosy persoenlich aus dem Hintergrund inszenierte wie dirigierte. Angeklagt war er des Devisenvergehens mit Hilfe der Kirche und wurde so in die Naehe eines Umsturzkomplottes gebracht, als dessen Anfuehrer Kardinal Mindszenty hingestellt worden ist. Der Plot war eindeutig, die Kirche und der Feudalherr standen als staatsgefaehrdende Kraefte medienwirksam vor Gericht.
Die beiden kommunistischen Richter verlangten die Todesstrafe, auch heftig akklamiert in Moskau, den beiden Richtern der Bauernpartei reichten langjaehrige Haftstrafen. Sowohl Mindszenty wie Esterhazy entgingen dem Todesurteil und wurden eingekerkert. Esterhazy gelang die Flucht nach Oesterreich waehrend des Ungarnaufstandes 1956 und Joszef Mindszenty begab sich in den Schutz der amerikanischen Botschaft in Budapest und konnte erst 1971 aus Ungarn ausreisen.

Die Darstellung des Prozesses seitens Gergely stimmt mit den Erinnerungen von Joszef Mindzenty ueberein:
Die Kommunisten waren bei ihrem Vorgehen darauf aus, mich nach Moeglichkeit mit Fuerst Pal Esterhazy, dem Haupt der reichsten Adelsfamilie des Landes, auf dieselbe Anklagebank zu setzen. Man konnte auf diese Weise den Ungarn und der Weltoeffentlichkeit weismachen, dass der Primas des Landes, verbuendet mit dem bedeutendsten Grossgrundbesitzer des Landes, den Kleinbauern den Boden wieder wegnehmen wolle, der ihnen vom Regime zugeteilt worden war. Ausserdem habe er die Absicht, das Koenigreich von Otto Habsburg wiederherzustellen und die demokratische Republik wieder abzuschaffen.
....
Fuerst Pal Esterhazy hatte mit meiner "Verschwoerung" nichts zu tun. Ich hatte ihn seit meiner Ernennung zum Erbischof von Esztergom weder einmal gesprochen, noch eine briefliche Nachricht an ihn gesandt.
...
Pal Esterhazy bekam fuenfzehn Jahre Zuchthaus, weil er die Organisation fiananziell unterstuetzt haette.

So weit der Fuerstprimas von Ungarn.

Um die esterhazyschen Gueter im Burgenkand die nach 1945 in sowjetische USIA Betriebe umgewandelt worden sind, die der ungarische Staat gerne fuer sich Ungarnv ereinnahmt haette, Esterhazy hat jedoch auch unter haertesten Kerkerbedingungen den erwuenschten Verzicht nicht geleistet, gab es nach dem Abzug der Sowjets 1955 einiges politisches Gezerre, dass endgueltig erst 1970 beigelegt worden ist.

Esterhazy hatte jedoch meist eine vernuenftige wie faire Pachtbauernpolitik betrieben und so verpuffte der Wunsch nach einer Bodenreform im Burgenland, uebrigens das einzige Begehren in dieser Richtung in der 2.Republik, ohne weitere Wirkungen. Der oesterreichische Fideikommiss der Esterhazy blieb bis heute intakt und wirtschaftlich erfolgreich. Die von den Sojwets vergebenen Pachtvertraege wurden neu verhandelt.
Die Sowjets selbst wollten das weitlaeufige Gut ohnehin nicht zerschlagen, sondern hatten die Absicht, auf oesterreichischem Boden eine Kolchosenwirtschaft nach sowjetischem Muster zu errichten. Das Ende der alliierten Besatzung 1955 verhinderte jedoch diese Plaene.

Gegen die Bodenreform, die zu einer weitgehenden Schmaelerung des Esterhazybesitzes gefuehrt haette, wurde allerdings auch seiten des amerikanischen Aussenamtes interveniert. Hier laesst sich die eingreifende wie vermittelnde Hand Otto Habsburgs vermuten.

Der Hektar Ertrag sank waehrend der sowjetischen USIA Bewirtschaftung auf 7 bis 8 Meterzentner ab. 1957, nach dem die sachkundige Esterhazymannschaft die Leitung wiederum uebernommen hatte, stieg der Ertrag nach sachgemaesser Bodenbehandlung wieder auf 29 Meterzentner....

Paul und Melinda Esterhazy haben weiters keinen dauernden Aufenthalt in Oesterreich genommen, sondern lebten ab 1956 zurueck gezogen bis zum Tod des Fuersten in Zuerich.

Unter den ungarischen Adeligen des Burgenlandes ist mir vor einem Jahre etwa eine weitere integre und historisch gewordene Persoenlichkeit bekannt geworden. Der Armenarzt Dr.Laszlo Batthyany Strattmann 1870 -1931. Aber das ist eine andere Geschichte.











Siehe auch zum Thema Die Pürggschaft

Kulturpolitik des Kalten Krieges


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