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Goldmann Kommentar: Das Künstliche vom fehlenden Original


Intelligenz, Gehirn und Denken sind sozusagen geflügelte Worte: Ihnen auf der Spur zu sein, läßt sich als seltsame Variation eines Versteckspiels begreifen. Es gibt lediglich Vermutungen darüber, wo gespielt wird, es fehlen klare Spielregeln, unsicher bleibt, wer an der Suche teilnimmt, wer oder was gesucht wird und was bei diesem Spiel zu gewinnen oder zu verlieren ist. Diese ungeordneten Verhältnisse entstehen, da von der Intelligenz, vom Gehirn oder vom Denken nur ihre Produkte bekannt sind: Wir kennen unsere eigenen Gedanken, Emotionen oder Wahrnehmungen nur in fertigem Zustand, können aber keine Auskunft über ihren Ursprung oder ihr Zustandekommen geben. Ein Gedanke erscheint im Bewußtsein, wenn er bereits fertig ist. Effekte und Reize werden wahrgenommen, wenn sie eintreten. Bei genauerem Hinsehen bezeichnen wir mit “Denken” ein künstliches Nach-Denken von Gedanken, die bewußt geworden sind.
Ein Gedanke scheint einen Anfang und ein Ende sowie eine Art räumlicher und zeitlicher Dauer zu haben – aus der Überraschung darüber, daß ein Gedanke im Bewußtsein erschienen ist, entsteht unwillkürlich das Bedürfnis zu wissen, woher und wie er entstanden ist. Das Denken, das immer noch ein unsichtbarer Spieler bleibt, beginnt nun, über sich selbst zu denken, zu reflektieren. Es kommen weitere Unbekannte hinzu:
Sprache, Sprechen, Schrift und die Objekte ihrer semantischen Bewegung. So einfach es scheint, zwei und zwei zusammenzuzählen, so verwickelt und kompliziert erweist sich die detektivische Spurensuche nach dem Warum und Woher der Sicherheit, mit der man allgemein annimmt, daß dieser Fall gelöst sei.
Verwendet man die Worte natürlich und künstlich im Sinne von Vogel und Flugzeug, so ist das Denken, wie wir es wahrnehmen und handhaben können, bereits ein Denken, eine Intelligenz, die mit allen Attributen der Künstlichkeit übereinstimmt. Für die “natürlichen” Entsprechungen dieser Vorgänge bestehen im Bewußtsein Metaphern und Modelle. Der Versuch, elektronische Gehirne zu erzeugen, bildet eine Erweiterung, Vergegenständlichung und Instrumentalisierung von diesen, und sie verdeutlichen zumeist die Hilflosigkeit der Modelle gegenüber Ihrem unbekannten Vorbild.


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