<li><a href="../index.html">e.journal</a> : [ <a href="../toc-nf.html">Inhalt</a> ]<br> <li><b>essay</b> : [ <a href="toc.html">Inhalt</a> | <b>Goldmann Kommentar</b> ]<br> <hr>

Goldmann Kommentar: Das Selbstsichtgerät des Bewußtseins


Als ich vor Jahren in Turbo Pascal die ersten “Worte” lernte, hielt mich eine magnetische Faszination an Bildschirm und Tastatur gefangen. Zum Beispiel: Der “Befehl” writeln bewirkte, daß eine Zeichenkette auf dem Bildschirm ausgegeben wurde. Etwa: “Schreibe ,Guten Morgen‘ wenn es 7:20 ist”. Durch das Auflisten von Anweisungen wie “schreibe”, “sortiere”, “addiere” und den dazugehörigen Angaben zu Zeit, Position, Farben etc. konnte ich Bild- und Zeichenfolgen auf dem Bildschirm ablaufen lassen.
Der Zuschauer von Arbeits- Bild- und Gedankenfolgen, die er auf der Bildfläche des Monitors abspielen läßt, verliert wie in einem Theaterraum das Bewußtsein für Zeit und Raum der Publikumssituation. Die gesamte Wahrnehmung wird vom Bildschirmgeschehen aufgesogen. Das zeitversetzte Sichtbarwerden eigener Vorstellungen oder Gedanken täuscht über die Tatsache hinweg, daß sich niemand sonst im Raum befindet und die Anwesenheit der Maschine jener eines Lichtschalters vergleichbar ist, mit dem eine Glühbirne eingeschaltet wird: Bildpunkte des Bildschirms leuchten auf, ihre Winzigkeit und ihre Vielzahl ergeben ein Bild, das gesehen und gelesen wird.
Im Fall eines Buches scheint es selbstverständlich zu sagen, daß man die Sprache beherrschen muß, in der ein Text geschrieben wurde, da ansonsten nur schwarze Linien auf dem Blatt sichtbar sind. Im Zusammenhang mit Computern täuschen Komplexität und Faszination über den Tatbestand hinweg, daß lediglich Materialien ihre physikalischen und chemischen Zustände ändern. Man könnte Computer und Bildschirm eine Selbstdarstellung, Selbsterweiterung oder Selbstbemächtigung des Menschen nennen – im Zusammenhang mit Sprache und Intelligenz ist er genau genommen und vor allem ein Selbstsichtgerät des Bewußtseins. Interessant an den Diskussionen über AI, Spracherkennung und Maschinenübersetzung ist denn auch, wie hier das Bewußtsein unweigerlich auf das stößt, was es über sich selbst noch nicht weiß. Die Entwicklung der AI wird so aller Wahrscheinlichkeit nach weniger zu intelligenteren Programmen als zu einem exakteren Selbstbewußtsein von Intelligenz, Sprache und denken führen.


<li><a href="../index.html">e.journal</a> : [ <a href="../toc-nf.html">Inhalt</a> ]<br> <li><b>essay</b> : [ <a href="toc.html">Inhalt</a> | <b>Eisendle K&uuml;nstlich - Goldmann Kommentar</b> ]<br>
·^·