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DAS ELEKTRONISCHE BAUHAUS
©Jürgen Claus
Gestalttechnologie in Produktion, Ausbildung
und Vermittlung
Das BAUHAUS lebte von 1919 bis 1933, also
genau der Zeitspanne der Weimarer Republik
entsprechend. Seine eigentliche Kraft entfaltete
es im dritten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts.
Es wurde, auf eine knappe aber aeusserst praezise
Formel gebracht, > der Katalysator fuer die visuelle
Revolution des 20.Jahrhunderts<. 1). Diese war unloeslich an eine neu zu schaffende Gesellschaft gebunden.
Gestaltung verkoerperte fuer Gropius weder eine
intellektuelle noch eine materielle Angelegenheit,
sondern einen integralen Teil der Lebenssubstanz
einer zivilisierten Gesellschaft. Das bedeutete in
der Praxis, bewusst gestaltete Umwelt, eine neue
visuelle Wertskala, neue Erziehungsformen und
soziale Veraenderungen in engste Beziehung zueinander zu setzen.
Die Technologie war dabei, jedenfalls ab 1923,
gewiss fuer Moholy Nagy, aber auch einige andere
vom Bauhaus, das Medium, > durch das sich sich
die schoepferische Intuition und die strenge
Disziplin der Formgebung vereinten: techne, logos -
die Kunst, zu wissen, wie etwas gemacht wird, ver-
band die aelteste mit der zukunftsreichsten Erforschung der Umwelt <. 2)
Dieser Text geht von der Vorstellung eines Elektronischen Bauhauses aus, also einem Modell oder,
wenn man will, Brennspiegel, um bestimmte Fragen
und den Entwurf von Antworten - die nur Transit-
Antworten sein koennen - zu kristallisieren,
schaerfer herauszuarbeiten. Auch heute ist eine
neue Vision fuer eine neue Gesellschaft zu entwerfen.
Es ist wesentlich, in diesen Entwurf die Bedeutung
von Kunst und Gestaltung einzubringen. Der Entwurf muss von den Teilnehmern und Akteuren
der kulturellen Kommune formuliert werden.
Das hat mehrere Voraussetzungen. Gestuetzt auf
die schoepferischen Traditionen der Kunst, das
imaginaere Museum Malraux´, die Energiezone
>Kunstwerk< aus Jahrhunderten, muessen wir uns
andererseits mit den Grundlagen und Standards
des elektronischen Zeitalters vertraut machen.
Das ist eine kraeftezehrende, immense Aufgabe.
Aber nur auf dieser Grundlage kann sich Kunst
heute in die Theorie und Praxis der >Kommunikationsgesellschaft< einschalten. Es gehoert dies
zum Anspruch der internationalen Seminars mit
Workshop in Offenbach/Main, in dessen Vorfeld
ich einige gegenwaertige Entwicklungen der Gestalttechnologie behandle.
Dieser Begriff bindet Techne und Logos an die
vom Menschen geschaffene und von ihm wahrgenommene ganzheitliche Gestalt. Der in andere
Sprachen nicht uebersetzbare Begriff, ein wirklicher Eigenbegriff aus der Tradtion deutscher
Poetik, Philosophie und Kunst, zieht sich in das
prozessuale Gestalten, die Gestaltung. Gestaltung
ist der Vorgang der Erschaffung und Wahrnehmung von Gestalt. Der Eigenbegriff aus der
Tradition deutscher Poetik, Philosophie und Kunst,
zieht sich in das prozessuale Gestalten, die Gestaltung. Gestaltung ist der Vorgang der Erschaffung und Wahrnehmung von Gestalt.3). Im Unterschied zur Maschinen- und Funktion orientierten
Technologie beinhaltet die Gestalttechnologie den
ausdruecklichen Verweis auf gestalthaftes Wahrnehmen und Erzeugen durch den Menschen.
Es sind vier Themenbereiche, die ich hier im Vorfeld der Offenbacher Diskussionen zusammenfasse
und vorstelle. In der Praxis ueberschneiden und
ueberlagern sie sich gelegentlich; sie alle existieren
im Spannungsfeld von Theorie und Praxis, beziehen
ihre Legitimation aus dem >praktischen Experiment<.
Im einzelnen:
> EIN ISDN FUER GESTALTUNG: ZU EINER ARCHITEKTUR DER KOMMUNKATION
> OEKOTECHNOLOGIE: GESTALTUNG MIT UMWELT
> EXPERTENSYSTEM KUENSTLER
> COMPUTERKULTUR DER FUENFTEN GENERATION
>EIN ISDN FUER GESTALTUNG: ZU EINER ARCHITEKTUR DER KOMMUNIKATION
In einem Prozess zunehmender Abstraktion hat
die Kunst vom Beginn dieses Jahrhunderts an
die grundlegende Bedeutung von Zeichen, Symbolen, Bildmetaphern erforscht. Zuvor schon
kamen die Pointillisten zu einem Bildaufbau,
den man eine Vorform digitaler Gestaltung
nennen kann. Die Elemente der Gestaltung verselbstaendigten sich. Sie standen fuer sich selbst,
waren eben Punkt, Linie, Flaeche, Geste und doch
darueber hinaus mehr. Dieses >mehr< erforschten
die Kuenstler. Es fuehrte zu Gesetzlichkeiten, denen man zutraute, die eigentlichen Inhalte der Bild-
Kommunikation zu bilden.
Beispiele dafuer sind in den Bauhausbuechern
>Punkt und Linie zu Flaeche< von Kandinsky
(1926) und >von material zu architektur< von
Moholy-Nagy (1929) zu finden. Es ging um die
bildnerische Bedeutung der Primaer-Elemente
aber auch um deren Zusammenschau, Verbindung
oder, wie wir heute sagen, Vernetzung. Die gegenwaertige Arbeit an Netzwerken im Bereich der
Kunst und Gestaltung, kommt ohne dieses geschichtliche Bewusstsein nicht aus. Aber noch auf
einer anderen Ebene wurden die Fragen nach den
Inhalten der Kommunikation vorbereitet.
Es ging um die Traeger, die Medien der Gestaltung.
Damit waren zunaechst Fotografie, Film, Lichtplastiken, Klangskulpturen und weiteres gemeint.
Die Uebertragung der Gestaltung auf solche Traegertechniken fuehrte ebenfalls dazu, die Inhalte der
Bildkommunikation neu zu bestimmen. Werden
einerseits Apparate der Reproduktion fuer die
gestalterische Arbeit eingesetzt ( bereits Mitte der
zwanziger Jahre denkt Moholy-Nagy daran, den
Fernseher oder die Tonerzeugung ohne Instrumente
kuenstlerisch einzusetzen), so geht es auf der
anderen Seite um die neuen Beziehungen der Ausdrucksmittel untereinander. Der Weg zu einer
Architektur der Kommunikation ist damit vorbereitet. Er legitmiert sich aus der Tradition der
Moderne und der aktuellen Produktion.
Die letztere erhaelt durch die Entfaltung der Elektronik in den fuenfziger Jahren einen neuen, veraenderten Schub. Der binaere, Digitale Code wird
zum Primaerelement der Produktion, Aufzeichnung
und Uebermittlung.
Man muss sich klarmachen, dass hiermit ein neues
Grundalphabet geschaffen wurde, dessen Zeichen
nicht mehr zwischen Klang, Wort, Bild unterscheiden. Damit steht dem Elektronischen Bauhaus
ein Grundcode zur Verfuegung, in dessen Aufbau
die Synthese, das >Denken in Relationen< (Gropius)
angelegt ist.
Wenn Produzieren, Senden und Empfangen auf
dem gleichen Code beruhen, so bieten sich auch
fuer die Kunst Netzwerke an. Aus der psycholog-
ischen und lokalen Vereinzelung tritt der gestaltende Mensch in die Interkommunikation von
Kultur. Das war die Idee eines >Culture Intercom<,
wie sie in den fruehen sechziger Jahren von Stan
Van Der Beek formuliert und zum Teil produziert
wurde. Das sollten Produktions- und Verteilerstaetten sein , die angesichts einer ueberentwickelten Technologie die unterentwickelte Seite
der Emotion, der Phantasie, des elektronischen
Kunstimpulses staerkten.
Es macht die Bedeutung dieses Programmes aus,
dass in ihm zeitgleich mit den ersten Satelliten-
Uebertragungen (>Telstar<, 23.7. 1962), diese
Kommunikationstechnologie auch fuer den kuenstlerischen Bereich beansprucht und besetzt wurde.
Das gilt fuer den Einsatz der Telekommunikation
durch Kuenstler ebenso, der sich in der zweiten
Haelfte der siebziger Jahre ankuendigte. Das
virtuelle Bild von Objekt, Koerper, Landschaft und
anderem >fliegt< mit Lichtgeschwindigkeit an jeden
potentiellen anderen Ort. Als 1977 mit Unterstuetzung der NASA und via Hermes CTS-Satelliten
einige Kuenstler den virtuellen Raum der Telekommunikation gebrauchten, brachten Sherrie
Rabinowitz und Kit Galloway ihr >Satelliten Kunstprojekt< darin ein. Es wurde ein gemeinsamer Tanz
von Taenzern in unterschiedlichen Gebieten der
USA aufgefuehrt und in einem virtuellen Raum
zusammengesetzt. >Wir sehen Kommunikations-
und Informationssysteme als Umfelder, in denen
Menschen leben<, sagte Sherrie. Und Gene Youngblood, amerikanischer Medienautor, ergaenzte:
>Sie appelliert an die Architektur: Informationsumfelder koennen so erhebend und inspirierend
sein wie Kathedralen ( Computernetze) oder so
schmutzig und unmenschlich wie Ghettos (die
Massenmedien). Wie man von Gebaeuden sagt,
sie seien entweder demokratisch oder repressiv,
so bestimmt die Architektur des elektronischen
Raumes die moeglichen Beziehungen zwischen
Menschen.< 4)
Als ein Modell und ein in Zukunft real moegliches
universales Traegersystem der Telekommunikation auch fuer den gestalterisch/kuenstlerischen
Bereich habe ich ein ISDN fuer Gestaltung 1985
vorgeschlagen und im Jahr darauf versucht, es in
einigen moeglichen Aspekten im Rahmen der
Ausstellung >Terminal Kunst< (Linz, ars electronica
1986 ) zu verwirklichen.5) Ich erinnere daran,
dass es das ISDN (>Integrated Services Digital Network<, also das verschiedene Dienste integrierende
digitale Netz) ermoeglicht, die verschiedenen
Kommunikationsarten wie Sprache, Text, Daten,
Bild mit einer Standard-Bitrate von 64 kbit/s ueber
einen Teilnehmeranschluss zu buendeln.
Waehrend die gegenwaertigen Dienste wie Fernsprechen, Teletex, Telefax, Datenuebermittlung und
Bildschirmtext sowie Bilduebermittlung ( Festbild
und langsames Bewegtbild, d.h. alle 4 sec ein neues
Farbbild) nur beschraenkt fuer den hier interessierenden Bereich nutzbar sind, werden schliesslich
ab 1992 in einem integrierten Breitband-Fernmelde-netz auch Fernseh-, Video- und Hoerfunkprogramme
verteilt. Fernziel ist fuer alle Techniken die Zweiwegkommunikation, wie sie heute etwa fuer das Telefongespraech gegeben ist.
Bausteine fuer ein solches Universalnetz der neunziger Jahre wurden bereits von Kuenstlern, Gestaltern im elektronischen Bereich seit den siebziger
Jahren geliefert. Ein Beispiel ist das >Living Museum<,
das aus der Form der parallelen Galerien in Kanada
und der 1976 in Ottawa gegruendeten >ANNPC<
(Associaton of National Non Profit Artist Centres)
hervorging, 1979 vorgestellt. Der zugrundeliegende
Gedanke ist, Computer Terminals und Timesharing
Computer interaktiv zu benutzen. Diesem Netz
waeren die ueber Kanada verstreuten parallelen
Galerien und Videostationen anzuschliessen. Zu
diesen Dienstleistungen gehoeren eine bessere,
schnellere Auswertung der vorhandenen Angebote
(Videos, Wander- ausstellungen, Zeitschriften,Kataloge,Buecher) und der kuenstlerisch- experimentelle
Einsatz von Computertechnologie durch Kuenstlerinnen und Kuenstler. Ein anderes Beispiel, das
>Videotex-Art-Network< (V.A.N.), an der Offenbachener Hochschule von Manfred Eisenbeis und
seinem Team entwickelt, wird beim internationalen
Seminar ausfuehrlich vorgestellt werden. Es muessten
Ueberlegungen angestellt werden, ob sich die Kunstakademien und Gestaltungshochschulen etwa in
>Das Deutsche Forschungsnetz<, das 1984 den Betrieb aufnahm, eingliedern koennen. Vorhandene
Erfahrungen sowie Querverbindungen zu Universitaeten und Forschungseinrichtungen, zu Software-Haeusern und Computer Herstellern koennen
benutzt werden. Der Uebergang vom Datex-P-Dienst
der Deutschen Bundespost zum ISDN war fuer 1988
vorgesehen. 6)
Das skizzierte ISDN fuer Gestaltung ist in seiner
Grundausstattung einerseits Datennetz, Bild-
Bibliothek, Forschungsverbund,andererseits ein
Feld fuer assoziatives Denken und Gestalten, fuer
eine fluessige, kommunikative Gestaltung selbst.
Es ist fuer die Entwicklung der neunziger Jahre
wichtig, heute schon aus der Kunst Kommune heraus Pilotprojekte dazu durchzudenken und durchzufuehren. Der Anspruch, das Grundsaetzliche der
Wahrnehmungsprozesse, der Bildwelten, der
Elemente neuer Gestalttechnologien einzubringen,
muss nachhaltig artikuliert und demonstriert
werden.
OEKOTECHNOLOGIE: GESTALTUNG MIT UMWELT
Der umfassende Entwurf, das von Buckminster
Fuller so genannte und erforschte >Comprehensive
Design< schliesst das Dialog Verhaeltnis von
technisch/ technologischer Erfindung zu elementarer
Natur, zu den Energiekraeften der weiten Raeume
wie Himmel, Meer, Luft, Erde ein. Die fuenfziger
Jahre, in denen (ab 1957) die ersten Satelliten die
Erde umkreisten, zeitigten in der kuenstlerischen
Arbeit das Bewusstsein dafuer, dass wir unser Natur-
Verstaendnis voellig neu bestimmen muessen.
Gewiss hat Kunst die Natur immer gedeutet. Natur
wurde durch Kunst wie durch Technik zur Kultur,
zur Geschichte. Die elektronische Kunst begann uns
jedoch ein Begriff von Wirklichkeit, Natur, Raum
und unserem Bewusstsein in diesen zu vermitteln,
der sich vom Ueberlieferten qualitativ unterscheidet.
Es ist eigentlich selbstverstaendlich, dass durch
die Aufspaltung der Naturwahrnehmung vom
mikroskopisch kleinsten zum entferntesten
kosmischen Raum, sich auch die Deutungsdimensionen aendern. Mit dem Begriff der Energie ist moeglicherweise der gemeinsame Grundnenner aus den
Bereichen natuerlicher und kuenstlerischer Phaenomene gegeben. Die Energie wird der Traeger im
Raum Zeit Kontinuum, das sich mit dem Jahrhundertbeginn auch in die Bildwelten einfuehrt, und sich
in der elektronischen Gestalt wie Gestaltung als
Primaerkategorie zeigt.
Energie ist auch zentral in den Bereich der Oekotechnologie eingeschrieben, den ich hier zur Diskussion stelle.Oekotechnologie heisst, die Instrumente, Prozesse, Ziele der Technologie so einzusetzen, dass dies im engsten Sinne mit der Natur,
nicht gegen sie geschieht; dass es mit dem Umwelt-
Nahbereich von Pflanze, Tier, Mensch harmoniert,
ebenso mit den weiteren Zonen unseres oekologischen Hauses, ja ,mit dem Ganzen der Erde und
des kosmischen Raumes.
Nur die klare, wahrheitsgemaesse Definition der
Ziele, fuer die wir Technologie einzusetzen gedenken, legitimiert uns zu deren Erforschung und
Gebrauch - oder destabilisiert uns auf der anderen
Seite, traegt bei und foerdert unsere menschliche
Entmachtung. >Alles Machbare zu machen ist
Drogenmissbrauch<, sagte kuerzlich der Naturwissenschaftler und Philosoph Carl Friedrich von
Weizsaecker, >Missbrauch der Droge Macht. Es verdient nicht den Namen Technik. Technik meint erwachsene Genauigkeit.< Die oekologische Zielsetzung
der Technologie schliesst den Gebrauch hybrider
Grosstechnologien im Kernkraftbereich, im militaerischen Weltraumabenteuer, im rein Maschinenorientierten Sektor der kuenstlichen Intelligenz aus.
Das oekologische Ziel schliesst eben deshalb auch
das soziale Verhalten ein, gruendet auf gesellschaftlicher Verstaendigung. Um es konkreter zu
sagen: Das >Korrespondenzsystem Kunst< 9) begruendet Kunst als organisierendes Prinzip
zwischenmenschlicher Beziehungen. Wie andere
Gestalttechnologien auch kann etwa die Holographie
eine Metapher der Verstaendigung zwischen
Menschen werden, die die gleichen Grundlagen im
Raum- und Zeitgefuehl unserer Epoche teilen. Die
Bilder der >dritten Dimension< zielen so auf eine
weitere, wenn man will vierte Dimension: die des
Gesellschaftlichen, der Sozialen Kommunikation.
Hier sind die Inhalte angeboten, die man in einer
aussenorientierten, nur die industriellen Standards
beruehrenden Diskussion vermisst.
Die haeufig zitierte >Kommunikationsgesellschaft<
ist eine Leerformel zum besseren Absatz von Waren
nutzloser bis gefaehrlicher Art, wenn sie nicht
solche Inhalte anstrebt, aufweist und entwickelt.
Das Elektronische Bauhaus ist keine Verkaufs- und
Marketingschule der elektronischen Geraete,
sondern eine Schule der experimentellen, forscherischen Gestaltung von Inhalten mit Elektronik, die
nach ihrer Erfindung vermittelt werden, die gesellschaftliche, also im einzelnen zwischenmenschliche Kommunikation ermoeglichen. Wenn man
diesen Anspruch klar formuliert, hat man auch
Kriterien, den elektronischen Muell, die elektronische Volkskultur und die elektronische Gestaltung mit Umwelt zu unterscheiden.
Um noch einmal zum Energie Begriff zurueckzukommen. Alle Energie Ereignisse stehen untereinander in Verbindung. Die in der Natur vorhandenen Ereignisse energetischer oder synergetischer Art werden im Akt des Entwurfs zu
unserem Vorteil hin organisiert. (Die Synenergie
weist darauf hin, dass das ganze System mehr
leistet als die Summe der einzelnen Teile.)
Wenn das Kind, wie Buckminster Fuller glaubte,
komprehensiv, umfassend in der Anlage, geboren
wird, muesste Erziehung gerade dies foerdern.
Strukturforschung bezieht sich dann auf das
Energie-Ereignis eher als auf die aeussere Form.
Das hat wesentliche Folgerungen im Rahmen der
Produktion, Erziehung und Vermittlung. So ist der
elektronische Raum wesentlich Licht-Raum.
Leuchtdioden wandeln elektrische Stroeme direkt
in Licht um. Auch die Darstellung am Bildschirm
geschieht ueber Licht. Der gesteuerte Elektrodenstrahl erzeugt auf der mit Leuchtstoff beschichteten Vorderseite der Vakuumroehre ein Bild.
Der ganze natuerliche Raum allerdings ist Licht-
Raum. Ein wirklich intelligenter Gebrauch des
Sonnenlichtes steht an. Hier liegen zentrale
Bereiche der Oekotechnologie.
EXPERTENSYSTEM KUENSTLER
Am Schluss seines Textes ueber die technologischen Veraenderungen und die neue
aesthtetische Dimension stellt Rene Berger
den >Experten< vor zwei Folgerungen beziehungsweise Aufforderungen:
Das eine ist der Zweifel an jenen, die lediglich
einem >technologischen Positivismus< nachrennen; das andere scheint mir bedeutender,
naemlich die Einladung an die Intellektuellen
und >Kulturproduzenten< sich in einem Geist
der Initiative wieder einzuschalten in die
eigentlichen Prozesse der Technologiebestimmung. >Das waere die wirkliche Innovation.<
In diesem Sinne sind die beiden letzten
Themenbereiche zu verstehen, die ich kurz andeute. Es ist der Versuch, die Aufgabe und die
Moeglichkeit von Kunst und Gestaltung auf den
Feldern der >Expertensysteme< und der
>Kuenstlichen Intelligenz< zu definieren. Im
Wesentlichen geht es um die neue Bestimmung
des Bildes und darum, ob und wie der Schatz an
Erfahrungen aus Geschichte und Gegenwart der
Kunst in die beiden genannten Felder kritisch, ja
polemisch, aber auch konstruktiv eingebracht
werden kann.
Ein Expertensystem (XPS) ist auf einer Wissensbasis gegruendet, die sich durch Zahlen, Fakten,
aber auch Zusammenhaenge, Erfahrungen und
Regeln bildet. Sie sind in einer Datenbank gespeichert. Darueber hinaus sind fuer das Expertensystem Uebertragungsprogramme noetig. Sie
muessen die Wissensbasis fuer den einzelnen
Fall anwendbar machen.
Im Herbst 1986 zaehlte man in den USA etwa
180 solcher Expertensysteme. Am staerksten ist
dabei der Bereich Medizin vertreten, wobei der
Arzt in der Diagnose und Therapie unterstuetzt
werden soll. >Echte Expertensysteme beschaeftigen
sich immer mit sowohl komplexen wie >schlecht
strukturierten< Problemen, bei denen beispielweise Einflussgroessen nur ungenau oder gar
nicht bekannt sind, und suchen eine Antwort/
Entscheidung zu finden mit >KI-Methoden<
(KI = kuenstliche Intelligenz), also einem ab-
waegenden Zusammenfuehren von gesicherten
Gesetzmaessigkeiten und empirischen >Regeln<,
verbunden eventuell auch mit Dialog Rueckfragen beim Bediener nach zusaetzlichen Informationen.<10)
In einem uebertragenen Sinn spreche ich hier
vom Expertensystem Kuenstler. Der Begriff wird
damit auf ein lebendes System, nicht auf ein
Maschinen- orientiertes Arbeitsgebiet, bezogen.
Im Kuenstler sehe ich den Experten fuer Sinnes-
wahrnehmung, bildhaftes Erkennen und Erschaffen. Indem er dem Bekannten und dem Unbekannten eine zweite, kuenstliche Natur als
Gestalt gibt, schafft er die einsehbaren, intelligiblen ( nur geistig fassbaren) und intelligenten
Koordinaten, mit denen Wirklichkeit als Gestalt
wahrnehmbar wird.
Es ist die Intelligenz der Kunst, durch Wahrnehmungsvorgaenge unsere Erkenntnisvorgaenge in Bewegung zu setzen, ja, sie erst zu
bilden. Kunst kommt in diesem Verstaendnis
eine grundsaetzliche Aufgabe zu. Sie kann deshalb ihrerseits auf den Einbezug der mikro-
und makrokosmischen, oekologischen, elektronischen Raeume nicht verzichten. Das soll mit
dem Expertensystem Kuenstler unterstrichen
werden. Der Begriff polemisiert auch mit einem
oberflaechlichen, deshalb gefaehrlichen, rein
apparativen Experten-Verstaendnis und setzt
dagegen das komprehensive, lebendige Expertensystem des Kuenstlers.
Sofern man ueberhaupt das strapazierte Wort
von der Datenbank aufnehmen will, meine ich
hier nicht die kulturelle Datenbank, der sich
Archive in Museen, Kunstinstitutionen, Akademien etc. bedienen. Vielmehr waere es eine
Datenbank Kreativitaet, die selektiv, aussondernd, aber auch Gestalt-bezogen arbeitet
und die menschliche Selbstverwirklichung
unterstuetzt. Der allverbreitete Fakten-
>Glauben<, die Saekularisierung der moralischen,
ethischen Normen in Form der Statistik, der
Datenanhaeufung, feiern in der rein apparativen
Datenbank ihre unendliche Verlaengerung.
Die Datenbank Kreativitaet hingegen ist durch
die Merkmale Fluessigkeit, Flexibilitaet und
Elaborationsfaehigkeit ( die Uebertragung der
Idee in die Wirklichkeit ) an menschliche
Grundfaehigkeiten gebunden.
Der gestaltende Kuenstler bedient sich dieser
Kreativitaet und die entscheidende Tat des
Betrachters/Teilnehmers ist es, den schoepferischen Prozess fortzufuehren, neu zu bestimmen.
Insofern wird jedes offene schoepferische Werk
zu einer, durch den Betrachter zu aktivierenden
>Datenbank< komplexer sinnlicher und intelligenter Erfahrung. Das gilt fuer die traditionellen Werke der Kunst, das gilt
ebenso fuer die elektronischen. Der letzte
Themenbereich will das ansatzweise konkretisieren.
COMPUTERKULTUR DER FUENFTEN
GENERATION
Computerkultur gilt mittlerweile als einge
fuehrter Begriff, der in einigen Veranstaltungen (etwa: Computerkultur-Tage zur ars
electronica in Linz1986,1987) praktisch und
begrifflich vorgestellt und analysiert wurde.
Auf der anderen Seite ist die >Fuenfte
Generation< ebenso oder weiterreichender
eingefuehrt als Begriff kommender, sogenannter >intelligenter< Computer.
Man sollte sich erinnern, welche vier Generationen von Computern davor liegen. Am
Anfang stehen die elektronischen, mit Vakuum-
Roehren bestueckten Computer, denen in einer
zweiten Phase die Transistoren Computer folgen.
Im Verlauf der weiteren Entwicklung werden
dann jene mit geschlossenem Kreislauf
(>integrated circuit<) auf den Markt gebracht,
die heute vorrangig sind, wobei wir uns allerdings schon der vierten Generation bedienen,
in der Fachterminologie VLSI, das heisst
>very large- scale integrated computers< genannt.
Nach dem Mathematiker John von Neumann
werden diese Geraete mit Zentral Prozessor,
Memory, In- und Output-Stationen ausgestattet
sind und algorithmisch arbeiten, auch die von-
Neumann-Maschinen genannt. Die Fuenfte Generation unterscheidet sich davon in der Konzeption
und in den Funktionen. Sie ist eine Weiterfuehrung der Expertensysteme. Neue Programmsprachen werden dafuer zur Verfuegung stehen.
Parallel-Architekturen kennzeichnen diese
Computer, fuer die Computer-Gemeinde sind es
>Nicht-von-Neumann-Architekturen<, die weitgehend mit Symbolen operieren. Die Japaner
sprechen seit Anfang der achtziger Jahre auch von
KIPS, >Knowledge information processing systems<.
Wenn Edward.A.Feigenbaum, einer der Gruendungsvaeter der Kuenstlichen Intelligenz, mit
seiner Vorhersage fuer eine voellig neuartige
Software Generation in den neunziger Jahren,
Recht hat, so ist es fuer uns wichtig, nach der
Bedeutung dieser Veraenderungen fuer die Gestalttechnologie zu fragen.(11). Das Elektronische Bauhaus kommt in seinen CAAD-Bereichen (Computer-
aided art and design), die von der visuellen Konzeption, ueber den Druck, von der Computer-
Animation, Grafik bis zur Netzwerk-Kommunikation gehen, ohne eigene, Kunst- und Gestaltungsspezifische Software nicht aus.
Das setzt den heutigen Einstieg voraus, und zwar
ausserhalb der kommerziellen Studios, etwa in Gestaltungshochschulen und Akademien, welch letztere
hier- ein Beispiel - aus der absoluten >Freiheit< der
>kuenstlerischen Oase< in Auftragsfelder zurueckgeholt werden koennten, fuer die Ausbildung ja
immer vordringlich da war. Eine von Gestaltern und
Kuenstlern fuer den visuellen Bereich erarbeitete
Software Generation der Art, dass sie mit Computern
der Fuenften Generation zusammengeht, wuerde den
von Rene Berger angesprochenen Geist der Initiative
demonstrieren und eine tatsaechliche kulturelle Bestimmung der Computer vorbereiten.
Auf diese Weise kaemen wir einen Schritt weiter zu
wirklichen Bildcomputern als Mittraegern instrumentaler Art einer kommenden, Oekologisches,
Technologisches verbindenden Gestaltung. Ob wir
diese Bild-Computer als intelligent bezeichnen, ist
dann nicht ausschlaggebend; wesentlich ist der
intelligente Einsatz. Neben den Diskussionen um
die sozialen und politischen Folgen der apparativen
Kuenstlichen Intelligenz, sollten die hier vorgefuehrten Ziele zu einer Untersuchung und zum
>praktischen Experiment< fuehren, welche Bedeutung dem Bild - eine schillernde vielfaeltige,
komplexe Metapher - in der Informations- und
Kommunikationstechnologie zukommt.
Wir beginnen gerade, gleichzeitig an verschiedenen
Orten der Welt, diese Fragen zu stellen. Abschliessend sei auf drei Veranstaltungen hingewiesen, bei denen die Fragen kuenstlicher
Intelligenz und Kunst ausfuehrlicher aufeinander
trafen.
>Kuenstliche Intelligenz fuer die Gesellschaft< war
der weitgespannte Bogen 1985 im SEAKE Centre ,
Brighton, Grossbritannien. Ungewoehnlich im Zusammenhang mit der KI-Gemeinde war hier der
intensive Austausch von Kultur, Kuenste und KI.
Dazu Graham J.Howard vom Kunstdepartment des
Coventry Polytechnikums: Die Diskussion zwischen
der KI-Kommune und Kuenstlern/Designern ist
ueberfaellig, >Bilder sind machtvolle, subtile und
gefaehrliche Waffen<, ihre gesellschaftlichen und
politischen Auswirkungen duerfen nicht ahnungslos und naiv im Apparat der KI eingesetzt werden.
12) Ein anderes Beispiel ist das diesjaehrige Video
Festival von Locarno, das in einem Kolloqium die
Herausforderungen durch das >Intelligente Bild<
kontrovers besprach.
Schliesslich ist das Thema der Kuenste im Zeitalter
der KI bei der diesjaehrigen ars electronica in Linz
thematisiert worden. Mihai Nadin, Professor fuer
Kunst und Design Technologie an der amerikanischen Ohio State University, reflektierte ueber
eine Bildmaschine, mit folgender Konsequenz:
>Die etablierten KI-Techniken sind fuer den
visuellen Bereich nicht ausgeruestet, ohne Ausnahme basieren sie auf Paradigmen, die ihren
Ursprung in der Verwendung von Sprache und
Logik entlang einer Synchronachse haben. Folglich
muessen wir entweder neue Paradigmen erstellen
oder Techniken entwickeln, die - unter Ausnuetzung
und wahrscheinlicher Aenderung existierender KI-
Werkzeuge- Raum lassen fuer die Darstellung der
qualitativen Eigenschaften von Bildern und der
Dynamik (diachronische Achse), die in einem Bild
eingeschlossen sind. 13).
Fuer das Elektronische Bauhaus, gegenwaertig ein
Denkmodell fuer die Veraenderungen der Gestalttechnologien in einer sich grundsaetzlich veraendernden Gesellschaft, geben solche Ueberlegungen Impulse und Zielrichtungen. Die Kunst ist
dabei die bereits angesprochene Wahrnehmung
und Schaffung von Gestalt. Ueberdies ist sie ein in
der Geschichte der Kultur verankertes Korrektiv
zur Technik.
LITERATURANGABEN
1) Sibyl Moholy-Nagy, Laszlo Moholy-Nagy: Ein
Totalexperiment. Mainz, Berlin 1972, S.41
2) dieselbe, a.a.O., S.13.
3) Juergen Claus, Gestalttechnologie. Die Expansion
der Medienkunst in den achtziger Jahren, in Ausst.
kat.Computer Tage Linz,ORF-Videonale,Linz 1986,
S.290.
5) Juergen Claus, Chippp Kunst, Ullstein Materialien,
Frankfurt, Berlin 1985, S 123. und Ausst.kat. ars
electronica, Linz,S.291.ff.
6) Uli Deker, Das Deutsche Forschungsnetz, in:
Bild der Wissenschaft, 4,1985, S.76. ff und Walter
Baier, Computer-Verbund im Deutschen Forschungsnetz, FAZ, 13.3.1985. Das erwaehnte Datex Netz ist
ein oeffentliches Waehlnetz fuer Datenuebertragung.
Die zwei Arten sind: Datex-L-Netz (L=Leitungsvermittlung), vermittelt durch das elektronische Datenvermittlungssystem und Datex-P-Netz (P=Paketvermittlung) fuer Uebertragungsgeschwindigkeiten
zwischen 110 bit/se und 48 kbit/s.
7) Ein solches Pilotprojekt war der Einsatz von BTX
in drei Abteilungen der von mir organisierten
Ausstellung >Terminal Kunst<,Linz Brucknerhaus
1986. Neben der BTX Galerie von Othmar Karschulin,
dem Beitrag der Forschungs-und Entwicklungsgruppe
von Manfred Eisenbeis, HfG Offenbach/Main, fuehrte
die Wiener Gruppe Blix >kunst-BTX< als Redaktionsterminal und offenen Gestaltungsterminal vor. Zu den
Informationsdiensten gehoert das seit 1984 aufgebaute Informations-System-Kunst von Felicitas
Reusch in Wiesbaden.
8) Carl Friedrich von Weizsaecker, Technik als Menschheitsproblem, Vortrag zur Eroeffnung der Ausst.
>Literatur im Industriezeitalter<, Marbach/Neckar,
9.5.1987 (gedruckt).
9) >Korrespondenzsystem Kunst<, in: Juergen Claus,
Expansion der Kunst,rde 334/335 1970, S.12; Neuausgabe bei Ullstein Taschenbuch 36069,1982.
10) Robert Brenner, Orakelsprueche aus dem
schwarzen Kasten?, in: IBM-Nachrichten, 37, 1987,
S.25.
11) Edward A. Feigenbaum, Pamela McCorduck, The
Fifth Generation. New York 1984, S.25.
12) Graham J.Howard, Art and Design: AI and its
consequences in : S.Gill (Hg.), Artificial Intelligence
for Society, Chister, New York u.a. 1986, S.125 ff.
13) Mihai Nadin, Bildmaschine und kuenstliche
Intelligenz, in Ausst.kat. Computer Tage Linz 1986.
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