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DAS ELEKTRONISCHE BAUHAUS

©Jürgen Claus
Gestalttechnologie in Produktion, Ausbildung und Vermittlung


Das BAUHAUS lebte von 1919 bis 1933, also genau der Zeitspanne der Weimarer Republik entsprechend. Seine eigentliche Kraft entfaltete es im dritten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts. Es wurde, auf eine knappe aber aeusserst praezise Formel gebracht, > der Katalysator fuer die visuelle Revolution des 20.Jahrhunderts<.
1). Diese war unloeslich an eine neu zu schaffende Gesellschaft gebunden.
Gestaltung verkoerperte fuer Gropius weder eine intellektuelle noch eine materielle Angelegenheit, sondern einen integralen Teil der Lebenssubstanz einer zivilisierten Gesellschaft. Das bedeutete in der Praxis, bewusst gestaltete Umwelt, eine neue visuelle Wertskala, neue Erziehungsformen und soziale Veraenderungen in engste Beziehung zueinander zu setzen.
Die Technologie war dabei, jedenfalls ab 1923, gewiss fuer Moholy Nagy, aber auch einige andere vom Bauhaus, das Medium, > durch das sich sich die schoepferische Intuition und die strenge Disziplin der Formgebung vereinten: techne, logos - die Kunst, zu wissen, wie etwas gemacht wird, ver- band die aelteste mit der zukunftsreichsten Erforschung der Umwelt <. 2)
Dieser Text geht von der Vorstellung eines Elektronischen Bauhauses aus, also einem Modell oder, wenn man will, Brennspiegel, um bestimmte Fragen und den Entwurf von Antworten - die nur Transit- Antworten sein koennen - zu kristallisieren, schaerfer herauszuarbeiten. Auch heute ist eine neue Vision fuer eine neue Gesellschaft zu entwerfen.
Es ist wesentlich, in diesen Entwurf die Bedeutung von Kunst und Gestaltung einzubringen. Der Entwurf muss von den Teilnehmern und Akteuren der kulturellen Kommune formuliert werden. Das hat mehrere Voraussetzungen. Gestuetzt auf die schoepferischen Traditionen der Kunst, das imaginaere Museum Malraux´, die Energiezone >Kunstwerk< aus Jahrhunderten, muessen wir uns andererseits mit den Grundlagen und Standards des elektronischen Zeitalters vertraut machen. Das ist eine kraeftezehrende, immense Aufgabe. Aber nur auf dieser Grundlage kann sich Kunst heute in die Theorie und Praxis der >Kommunikationsgesellschaft< einschalten. Es gehoert dies zum Anspruch der internationalen Seminars mit Workshop in Offenbach/Main, in dessen Vorfeld ich einige gegenwaertige Entwicklungen der Gestalttechnologie behandle.
Dieser Begriff bindet Techne und Logos an die vom Menschen geschaffene und von ihm wahrgenommene ganzheitliche Gestalt. Der in andere Sprachen nicht uebersetzbare Begriff, ein wirklicher Eigenbegriff aus der Tradtion deutscher Poetik, Philosophie und Kunst, zieht sich in das prozessuale Gestalten, die Gestaltung. Gestaltung ist der Vorgang der Erschaffung und Wahrnehmung von Gestalt. Der Eigenbegriff aus der Tradition deutscher Poetik, Philosophie und Kunst, zieht sich in das prozessuale Gestalten, die Gestaltung. Gestaltung ist der Vorgang der Erschaffung und Wahrnehmung von Gestalt.3). Im Unterschied zur Maschinen- und Funktion orientierten Technologie beinhaltet die Gestalttechnologie den ausdruecklichen Verweis auf gestalthaftes Wahrnehmen und Erzeugen durch den Menschen. Es sind vier Themenbereiche, die ich hier im Vorfeld der Offenbacher Diskussionen zusammenfasse und vorstelle. In der Praxis ueberschneiden und ueberlagern sie sich gelegentlich; sie alle existieren im Spannungsfeld von Theorie und Praxis, beziehen ihre Legitimation aus dem >praktischen Experiment<.
Im einzelnen:
> EIN ISDN FUER GESTALTUNG: ZU EINER ARCHITEKTUR DER KOMMUNKATION
> OEKOTECHNOLOGIE: GESTALTUNG MIT UMWELT
> EXPERTENSYSTEM KUENSTLER
> COMPUTERKULTUR DER FUENFTEN GENERATION
>EIN ISDN FUER GESTALTUNG: ZU EINER ARCHITEKTUR DER KOMMUNIKATION

In einem Prozess zunehmender Abstraktion hat die Kunst vom Beginn dieses Jahrhunderts an die grundlegende Bedeutung von Zeichen, Symbolen, Bildmetaphern erforscht. Zuvor schon kamen die Pointillisten zu einem Bildaufbau, den man eine Vorform digitaler Gestaltung nennen kann. Die Elemente der Gestaltung verselbstaendigten sich. Sie standen fuer sich selbst, waren eben Punkt, Linie, Flaeche, Geste und doch darueber hinaus mehr. Dieses >mehr< erforschten die Kuenstler. Es fuehrte zu Gesetzlichkeiten, denen man zutraute, die eigentlichen Inhalte der Bild- Kommunikation zu bilden.
Beispiele dafuer sind in den Bauhausbuechern >Punkt und Linie zu Flaeche< von Kandinsky (1926) und >von material zu architektur< von Moholy-Nagy (1929) zu finden. Es ging um die bildnerische Bedeutung der Primaer-Elemente aber auch um deren Zusammenschau, Verbindung oder, wie wir heute sagen, Vernetzung. Die gegenwaertige Arbeit an Netzwerken im Bereich der Kunst und Gestaltung, kommt ohne dieses geschichtliche Bewusstsein nicht aus. Aber noch auf einer anderen Ebene wurden die Fragen nach den Inhalten der Kommunikation vorbereitet. Es ging um die Traeger, die Medien der Gestaltung. Damit waren zunaechst Fotografie, Film, Lichtplastiken, Klangskulpturen und weiteres gemeint. Die Uebertragung der Gestaltung auf solche Traegertechniken fuehrte ebenfalls dazu, die Inhalte der Bildkommunikation neu zu bestimmen. Werden einerseits Apparate der Reproduktion fuer die gestalterische Arbeit eingesetzt ( bereits Mitte der zwanziger Jahre denkt Moholy-Nagy daran, den Fernseher oder die Tonerzeugung ohne Instrumente kuenstlerisch einzusetzen), so geht es auf der anderen Seite um die neuen Beziehungen der Ausdrucksmittel untereinander. Der Weg zu einer Architektur der Kommunikation ist damit vorbereitet. Er legitmiert sich aus der Tradition der Moderne und der aktuellen Produktion. Die letztere erhaelt durch die Entfaltung der Elektronik in den fuenfziger Jahren einen neuen, veraenderten Schub. Der binaere, Digitale Code wird zum Primaerelement der Produktion, Aufzeichnung und Uebermittlung.
Man muss sich klarmachen, dass hiermit ein neues Grundalphabet geschaffen wurde, dessen Zeichen nicht mehr zwischen Klang, Wort, Bild unterscheiden. Damit steht dem Elektronischen Bauhaus ein Grundcode zur Verfuegung, in dessen Aufbau die Synthese, das >Denken in Relationen< (Gropius) angelegt ist.
Wenn Produzieren, Senden und Empfangen auf dem gleichen Code beruhen, so bieten sich auch fuer die Kunst Netzwerke an. Aus der psycholog- ischen und lokalen Vereinzelung tritt der gestaltende Mensch in die Interkommunikation von Kultur. Das war die Idee eines >Culture Intercom<, wie sie in den fruehen sechziger Jahren von Stan Van Der Beek formuliert und zum Teil produziert wurde. Das sollten Produktions- und Verteilerstaetten sein , die angesichts einer ueberentwickelten Technologie die unterentwickelte Seite der Emotion, der Phantasie, des elektronischen Kunstimpulses staerkten.
Es macht die Bedeutung dieses Programmes aus, dass in ihm zeitgleich mit den ersten Satelliten- Uebertragungen (>Telstar<, 23.7. 1962), diese Kommunikationstechnologie auch fuer den kuenstlerischen Bereich beansprucht und besetzt wurde. Das gilt fuer den Einsatz der Telekommunikation durch Kuenstler ebenso, der sich in der zweiten Haelfte der siebziger Jahre ankuendigte. Das virtuelle Bild von Objekt, Koerper, Landschaft und anderem >fliegt< mit Lichtgeschwindigkeit an jeden potentiellen anderen Ort. Als 1977 mit Unterstuetzung der NASA und via Hermes CTS-Satelliten einige Kuenstler den virtuellen Raum der Telekommunikation gebrauchten, brachten Sherrie Rabinowitz und Kit Galloway ihr >Satelliten Kunstprojekt< darin ein. Es wurde ein gemeinsamer Tanz von Taenzern in unterschiedlichen Gebieten der USA aufgefuehrt und in einem virtuellen Raum zusammengesetzt. >Wir sehen Kommunikations- und Informationssysteme als Umfelder, in denen Menschen leben<, sagte Sherrie. Und Gene Youngblood, amerikanischer Medienautor, ergaenzte:
>Sie appelliert an die Architektur: Informationsumfelder koennen so erhebend und inspirierend sein wie Kathedralen ( Computernetze) oder so schmutzig und unmenschlich wie Ghettos (die Massenmedien). Wie man von Gebaeuden sagt, sie seien entweder demokratisch oder repressiv, so bestimmt die Architektur des elektronischen Raumes die moeglichen Beziehungen zwischen Menschen.< 4)
Als ein Modell und ein in Zukunft real moegliches universales Traegersystem der Telekommunikation auch fuer den gestalterisch/kuenstlerischen Bereich habe ich ein ISDN fuer Gestaltung 1985 vorgeschlagen und im Jahr darauf versucht, es in einigen moeglichen Aspekten im Rahmen der Ausstellung >Terminal Kunst< (Linz, ars electronica 1986 ) zu verwirklichen.5) Ich erinnere daran, dass es das ISDN (>Integrated Services Digital Network<, also das verschiedene Dienste integrierende digitale Netz) ermoeglicht, die verschiedenen Kommunikationsarten wie Sprache, Text, Daten, Bild mit einer Standard-Bitrate von 64 kbit/s ueber einen Teilnehmeranschluss zu buendeln.
Waehrend die gegenwaertigen Dienste wie Fernsprechen, Teletex, Telefax, Datenuebermittlung und Bildschirmtext sowie Bilduebermittlung ( Festbild und langsames Bewegtbild, d.h. alle 4 sec ein neues Farbbild) nur beschraenkt fuer den hier interessierenden Bereich nutzbar sind, werden schliesslich ab 1992 in einem integrierten Breitband-Fernmelde-netz auch Fernseh-, Video- und Hoerfunkprogramme verteilt. Fernziel ist fuer alle Techniken die Zweiwegkommunikation, wie sie heute etwa fuer das Telefongespraech gegeben ist.
Bausteine fuer ein solches Universalnetz der neunziger Jahre wurden bereits von Kuenstlern, Gestaltern im elektronischen Bereich seit den siebziger Jahren geliefert. Ein Beispiel ist das >Living Museum<, das aus der Form der parallelen Galerien in Kanada und der 1976 in Ottawa gegruendeten >ANNPC< (Associaton of National Non Profit Artist Centres) hervorging, 1979 vorgestellt. Der zugrundeliegende Gedanke ist, Computer Terminals und Timesharing Computer interaktiv zu benutzen. Diesem Netz waeren die ueber Kanada verstreuten parallelen Galerien und Videostationen anzuschliessen. Zu diesen Dienstleistungen gehoeren eine bessere, schnellere Auswertung der vorhandenen Angebote (Videos, Wander- ausstellungen, Zeitschriften,Kataloge,Buecher) und der kuenstlerisch- experimentelle Einsatz von Computertechnologie durch Kuenstlerinnen und Kuenstler. Ein anderes Beispiel, das >Videotex-Art-Network< (V.A.N.), an der Offenbachener Hochschule von Manfred Eisenbeis und seinem Team entwickelt, wird beim internationalen Seminar ausfuehrlich vorgestellt werden. Es muessten Ueberlegungen angestellt werden, ob sich die Kunstakademien und Gestaltungshochschulen etwa in >Das Deutsche Forschungsnetz<, das 1984 den Betrieb aufnahm, eingliedern koennen. Vorhandene Erfahrungen sowie Querverbindungen zu Universitaeten und Forschungseinrichtungen, zu Software-Haeusern und Computer Herstellern koennen benutzt werden. Der Uebergang vom Datex-P-Dienst der Deutschen Bundespost zum ISDN war fuer 1988 vorgesehen. 6)
Das skizzierte ISDN fuer Gestaltung ist in seiner Grundausstattung einerseits Datennetz, Bild- Bibliothek, Forschungsverbund,andererseits ein Feld fuer assoziatives Denken und Gestalten, fuer eine fluessige, kommunikative Gestaltung selbst. Es ist fuer die Entwicklung der neunziger Jahre wichtig, heute schon aus der Kunst Kommune heraus Pilotprojekte dazu durchzudenken und durchzufuehren. Der Anspruch, das Grundsaetzliche der Wahrnehmungsprozesse, der Bildwelten, der Elemente neuer Gestalttechnologien einzubringen, muss nachhaltig artikuliert und demonstriert werden.

OEKOTECHNOLOGIE: GESTALTUNG MIT UMWELT
Der umfassende Entwurf, das von Buckminster Fuller so genannte und erforschte >Comprehensive Design< schliesst das Dialog Verhaeltnis von technisch/ technologischer Erfindung zu elementarer Natur, zu den Energiekraeften der weiten Raeume wie Himmel, Meer, Luft, Erde ein. Die fuenfziger Jahre, in denen (ab 1957) die ersten Satelliten die Erde umkreisten, zeitigten in der kuenstlerischen Arbeit das Bewusstsein dafuer, dass wir unser Natur- Verstaendnis voellig neu bestimmen muessen.
Gewiss hat Kunst die Natur immer gedeutet. Natur wurde durch Kunst wie durch Technik zur Kultur, zur Geschichte. Die elektronische Kunst begann uns jedoch ein Begriff von Wirklichkeit, Natur, Raum und unserem Bewusstsein in diesen zu vermitteln, der sich vom Ueberlieferten qualitativ unterscheidet. Es ist eigentlich selbstverstaendlich, dass durch die Aufspaltung der Naturwahrnehmung vom mikroskopisch kleinsten zum entferntesten kosmischen Raum, sich auch die Deutungsdimensionen aendern. Mit dem Begriff der Energie ist moeglicherweise der gemeinsame Grundnenner aus den Bereichen natuerlicher und kuenstlerischer Phaenomene gegeben. Die Energie wird der Traeger im Raum Zeit Kontinuum, das sich mit dem Jahrhundertbeginn auch in die Bildwelten einfuehrt, und sich in der elektronischen Gestalt wie Gestaltung als Primaerkategorie zeigt.
Energie ist auch zentral in den Bereich der Oekotechnologie eingeschrieben, den ich hier zur Diskussion stelle.Oekotechnologie heisst, die Instrumente, Prozesse, Ziele der Technologie so einzusetzen, dass dies im engsten Sinne mit der Natur, nicht gegen sie geschieht; dass es mit dem Umwelt- Nahbereich von Pflanze, Tier, Mensch harmoniert, ebenso mit den weiteren Zonen unseres oekologischen Hauses, ja ,mit dem Ganzen der Erde und des kosmischen Raumes.
Nur die klare, wahrheitsgemaesse Definition der Ziele, fuer die wir Technologie einzusetzen gedenken, legitimiert uns zu deren Erforschung und Gebrauch - oder destabilisiert uns auf der anderen Seite, traegt bei und foerdert unsere menschliche Entmachtung. >Alles Machbare zu machen ist Drogenmissbrauch<, sagte kuerzlich der Naturwissenschaftler und Philosoph Carl Friedrich von Weizsaecker, >Missbrauch der Droge Macht. Es verdient nicht den Namen Technik. Technik meint erwachsene Genauigkeit.< Die oekologische Zielsetzung der Technologie schliesst den Gebrauch hybrider Grosstechnologien im Kernkraftbereich, im militaerischen Weltraumabenteuer, im rein Maschinenorientierten Sektor der kuenstlichen Intelligenz aus. Das oekologische Ziel schliesst eben deshalb auch das soziale Verhalten ein, gruendet auf gesellschaftlicher Verstaendigung. Um es konkreter zu sagen: Das >Korrespondenzsystem Kunst< 9) begruendet Kunst als organisierendes Prinzip zwischenmenschlicher Beziehungen. Wie andere Gestalttechnologien auch kann etwa die Holographie eine Metapher der Verstaendigung zwischen Menschen werden, die die gleichen Grundlagen im Raum- und Zeitgefuehl unserer Epoche teilen. Die Bilder der >dritten Dimension< zielen so auf eine weitere, wenn man will vierte Dimension: die des Gesellschaftlichen, der Sozialen Kommunikation. Hier sind die Inhalte angeboten, die man in einer aussenorientierten, nur die industriellen Standards beruehrenden Diskussion vermisst.
Die haeufig zitierte >Kommunikationsgesellschaft< ist eine Leerformel zum besseren Absatz von Waren nutzloser bis gefaehrlicher Art, wenn sie nicht solche Inhalte anstrebt, aufweist und entwickelt. Das Elektronische Bauhaus ist keine Verkaufs- und Marketingschule der elektronischen Geraete, sondern eine Schule der experimentellen, forscherischen Gestaltung von Inhalten mit Elektronik, die nach ihrer Erfindung vermittelt werden, die gesellschaftliche, also im einzelnen zwischenmenschliche Kommunikation ermoeglichen. Wenn man diesen Anspruch klar formuliert, hat man auch Kriterien, den elektronischen Muell, die elektronische Volkskultur und die elektronische Gestaltung mit Umwelt zu unterscheiden.
Um noch einmal zum Energie Begriff zurueckzukommen. Alle Energie Ereignisse stehen untereinander in Verbindung. Die in der Natur vorhandenen Ereignisse energetischer oder synergetischer Art werden im Akt des Entwurfs zu unserem Vorteil hin organisiert. (Die Synenergie weist darauf hin, dass das ganze System mehr leistet als die Summe der einzelnen Teile.)
Wenn das Kind, wie Buckminster Fuller glaubte, komprehensiv, umfassend in der Anlage, geboren wird, muesste Erziehung gerade dies foerdern.
Strukturforschung bezieht sich dann auf das Energie-Ereignis eher als auf die aeussere Form. Das hat wesentliche Folgerungen im Rahmen der Produktion, Erziehung und Vermittlung. So ist der elektronische Raum wesentlich Licht-Raum.
Leuchtdioden wandeln elektrische Stroeme direkt in Licht um. Auch die Darstellung am Bildschirm geschieht ueber Licht. Der gesteuerte Elektrodenstrahl erzeugt auf der mit Leuchtstoff beschichteten Vorderseite der Vakuumroehre ein Bild.
Der ganze natuerliche Raum allerdings ist Licht- Raum. Ein wirklich intelligenter Gebrauch des Sonnenlichtes steht an. Hier liegen zentrale Bereiche der Oekotechnologie.

EXPERTENSYSTEM KUENSTLER
Am Schluss seines Textes ueber die technologischen Veraenderungen und die neue aesthtetische Dimension stellt Rene Berger den >Experten< vor zwei Folgerungen beziehungsweise Aufforderungen:
Das eine ist der Zweifel an jenen, die lediglich einem >technologischen Positivismus< nachrennen; das andere scheint mir bedeutender, naemlich die Einladung an die Intellektuellen und >Kulturproduzenten< sich in einem Geist der Initiative wieder einzuschalten in die eigentlichen Prozesse der Technologiebestimmung. >Das waere die wirkliche Innovation.<
In diesem Sinne sind die beiden letzten Themenbereiche zu verstehen, die ich kurz andeute. Es ist der Versuch, die Aufgabe und die Moeglichkeit von Kunst und Gestaltung auf den Feldern der >Expertensysteme< und der >Kuenstlichen Intelligenz< zu definieren. Im Wesentlichen geht es um die neue Bestimmung des Bildes und darum, ob und wie der Schatz an Erfahrungen aus Geschichte und Gegenwart der Kunst in die beiden genannten Felder kritisch, ja polemisch, aber auch konstruktiv eingebracht werden kann.
Ein Expertensystem (XPS) ist auf einer Wissensbasis gegruendet, die sich durch Zahlen, Fakten, aber auch Zusammenhaenge, Erfahrungen und Regeln bildet. Sie sind in einer Datenbank gespeichert. Darueber hinaus sind fuer das Expertensystem Uebertragungsprogramme noetig. Sie muessen die Wissensbasis fuer den einzelnen Fall anwendbar machen.
Im Herbst 1986 zaehlte man in den USA etwa 180 solcher Expertensysteme. Am staerksten ist dabei der Bereich Medizin vertreten, wobei der Arzt in der Diagnose und Therapie unterstuetzt werden soll. >Echte Expertensysteme beschaeftigen sich immer mit sowohl komplexen wie >schlecht strukturierten< Problemen, bei denen beispielweise Einflussgroessen nur ungenau oder gar nicht bekannt sind, und suchen eine Antwort/ Entscheidung zu finden mit >KI-Methoden< (KI = kuenstliche Intelligenz), also einem ab- waegenden Zusammenfuehren von gesicherten Gesetzmaessigkeiten und empirischen >Regeln<, verbunden eventuell auch mit Dialog Rueckfragen beim Bediener nach zusaetzlichen Informationen.<10)
In einem uebertragenen Sinn spreche ich hier vom Expertensystem Kuenstler. Der Begriff wird damit auf ein lebendes System, nicht auf ein Maschinen- orientiertes Arbeitsgebiet, bezogen. Im Kuenstler sehe ich den Experten fuer Sinnes- wahrnehmung, bildhaftes Erkennen und Erschaffen. Indem er dem Bekannten und dem Unbekannten eine zweite, kuenstliche Natur als Gestalt gibt, schafft er die einsehbaren, intelligiblen ( nur geistig fassbaren) und intelligenten Koordinaten, mit denen Wirklichkeit als Gestalt wahrnehmbar wird.
Es ist die Intelligenz der Kunst, durch Wahrnehmungsvorgaenge unsere Erkenntnisvorgaenge in Bewegung zu setzen, ja, sie erst zu bilden. Kunst kommt in diesem Verstaendnis eine grundsaetzliche Aufgabe zu. Sie kann deshalb ihrerseits auf den Einbezug der mikro- und makrokosmischen, oekologischen, elektronischen Raeume nicht verzichten. Das soll mit dem Expertensystem Kuenstler unterstrichen werden. Der Begriff polemisiert auch mit einem oberflaechlichen, deshalb gefaehrlichen, rein apparativen Experten-Verstaendnis und setzt dagegen das komprehensive, lebendige Expertensystem des Kuenstlers.
Sofern man ueberhaupt das strapazierte Wort von der Datenbank aufnehmen will, meine ich hier nicht die kulturelle Datenbank, der sich Archive in Museen, Kunstinstitutionen, Akademien etc. bedienen. Vielmehr waere es eine Datenbank Kreativitaet, die selektiv, aussondernd, aber auch Gestalt-bezogen arbeitet und die menschliche Selbstverwirklichung unterstuetzt. Der allverbreitete Fakten- >Glauben<, die Saekularisierung der moralischen, ethischen Normen in Form der Statistik, der Datenanhaeufung, feiern in der rein apparativen Datenbank ihre unendliche Verlaengerung.
Die Datenbank Kreativitaet hingegen ist durch die Merkmale Fluessigkeit, Flexibilitaet und Elaborationsfaehigkeit ( die Uebertragung der Idee in die Wirklichkeit ) an menschliche Grundfaehigkeiten gebunden.
Der gestaltende Kuenstler bedient sich dieser Kreativitaet und die entscheidende Tat des Betrachters/Teilnehmers ist es, den schoepferischen Prozess fortzufuehren, neu zu bestimmen. Insofern wird jedes offene schoepferische Werk zu einer, durch den Betrachter zu aktivierenden >Datenbank< komplexer sinnlicher und intelligenter Erfahrung. Das gilt fuer die traditionellen Werke der Kunst, das gilt ebenso fuer die elektronischen. Der letzte Themenbereich will das ansatzweise konkretisieren.

COMPUTERKULTUR DER FUENFTEN GENERATION
Computerkultur gilt mittlerweile als einge fuehrter Begriff, der in einigen Veranstaltungen (etwa: Computerkultur-Tage zur ars electronica in Linz1986,1987) praktisch und begrifflich vorgestellt und analysiert wurde. Auf der anderen Seite ist die >Fuenfte Generation< ebenso oder weiterreichender eingefuehrt als Begriff kommender, sogenannter >intelligenter< Computer.
Man sollte sich erinnern, welche vier Generationen von Computern davor liegen. Am Anfang stehen die elektronischen, mit Vakuum- Roehren bestueckten Computer, denen in einer zweiten Phase die Transistoren Computer folgen. Im Verlauf der weiteren Entwicklung werden dann jene mit geschlossenem Kreislauf (>integrated circuit<) auf den Markt gebracht, die heute vorrangig sind, wobei wir uns allerdings schon der vierten Generation bedienen, in der Fachterminologie VLSI, das heisst >very large- scale integrated computers< genannt.
Nach dem Mathematiker John von Neumann werden diese Geraete mit Zentral Prozessor, Memory, In- und Output-Stationen ausgestattet sind und algorithmisch arbeiten, auch die von- Neumann-Maschinen genannt. Die Fuenfte Generation unterscheidet sich davon in der Konzeption und in den Funktionen. Sie ist eine Weiterfuehrung der Expertensysteme. Neue Programmsprachen werden dafuer zur Verfuegung stehen. Parallel-Architekturen kennzeichnen diese Computer, fuer die Computer-Gemeinde sind es >Nicht-von-Neumann-Architekturen<, die weitgehend mit Symbolen operieren. Die Japaner sprechen seit Anfang der achtziger Jahre auch von KIPS, >Knowledge information processing systems<. Wenn Edward.A.Feigenbaum, einer der Gruendungsvaeter der Kuenstlichen Intelligenz, mit seiner Vorhersage fuer eine voellig neuartige Software Generation in den neunziger Jahren, Recht hat, so ist es fuer uns wichtig, nach der Bedeutung dieser Veraenderungen fuer die Gestalttechnologie zu fragen.(11). Das Elektronische Bauhaus kommt in seinen CAAD-Bereichen (Computer- aided art and design), die von der visuellen Konzeption, ueber den Druck, von der Computer- Animation, Grafik bis zur Netzwerk-Kommunikation gehen, ohne eigene, Kunst- und Gestaltungsspezifische Software nicht aus.
Das setzt den heutigen Einstieg voraus, und zwar ausserhalb der kommerziellen Studios, etwa in Gestaltungshochschulen und Akademien, welch letztere hier- ein Beispiel - aus der absoluten >Freiheit< der >kuenstlerischen Oase< in Auftragsfelder zurueckgeholt werden koennten, fuer die Ausbildung ja immer vordringlich da war. Eine von Gestaltern und Kuenstlern fuer den visuellen Bereich erarbeitete Software Generation der Art, dass sie mit Computern der Fuenften Generation zusammengeht, wuerde den von Rene Berger angesprochenen Geist der Initiative demonstrieren und eine tatsaechliche kulturelle Bestimmung der Computer vorbereiten.
Auf diese Weise kaemen wir einen Schritt weiter zu wirklichen Bildcomputern als Mittraegern instrumentaler Art einer kommenden, Oekologisches, Technologisches verbindenden Gestaltung. Ob wir diese Bild-Computer als intelligent bezeichnen, ist dann nicht ausschlaggebend; wesentlich ist der intelligente Einsatz. Neben den Diskussionen um die sozialen und politischen Folgen der apparativen Kuenstlichen Intelligenz, sollten die hier vorgefuehrten Ziele zu einer Untersuchung und zum >praktischen Experiment< fuehren, welche Bedeutung dem Bild - eine schillernde vielfaeltige, komplexe Metapher - in der Informations- und Kommunikationstechnologie zukommt. Wir beginnen gerade, gleichzeitig an verschiedenen Orten der Welt, diese Fragen zu stellen. Abschliessend sei auf drei Veranstaltungen hingewiesen, bei denen die Fragen kuenstlicher Intelligenz und Kunst ausfuehrlicher aufeinander trafen.
>Kuenstliche Intelligenz fuer die Gesellschaft< war der weitgespannte Bogen 1985 im SEAKE Centre , Brighton, Grossbritannien. Ungewoehnlich im Zusammenhang mit der KI-Gemeinde war hier der intensive Austausch von Kultur, Kuenste und KI. Dazu Graham J.Howard vom Kunstdepartment des Coventry Polytechnikums: Die Diskussion zwischen der KI-Kommune und Kuenstlern/Designern ist ueberfaellig, >Bilder sind machtvolle, subtile und gefaehrliche Waffen<, ihre gesellschaftlichen und politischen Auswirkungen duerfen nicht ahnungslos und naiv im Apparat der KI eingesetzt werden. 12) Ein anderes Beispiel ist das diesjaehrige Video Festival von Locarno, das in einem Kolloqium die Herausforderungen durch das >Intelligente Bild< kontrovers besprach.
Schliesslich ist das Thema der Kuenste im Zeitalter der KI bei der diesjaehrigen ars electronica in Linz thematisiert worden. Mihai Nadin, Professor fuer Kunst und Design Technologie an der amerikanischen Ohio State University, reflektierte ueber eine Bildmaschine, mit folgender Konsequenz: >Die etablierten KI-Techniken sind fuer den visuellen Bereich nicht ausgeruestet, ohne Ausnahme basieren sie auf Paradigmen, die ihren Ursprung in der Verwendung von Sprache und Logik entlang einer Synchronachse haben. Folglich muessen wir entweder neue Paradigmen erstellen oder Techniken entwickeln, die - unter Ausnuetzung und wahrscheinlicher Aenderung existierender KI- Werkzeuge- Raum lassen fuer die Darstellung der qualitativen Eigenschaften von Bildern und der Dynamik (diachronische Achse), die in einem Bild eingeschlossen sind. 13).
Fuer das Elektronische Bauhaus, gegenwaertig ein Denkmodell fuer die Veraenderungen der Gestalttechnologien in einer sich grundsaetzlich veraendernden Gesellschaft, geben solche Ueberlegungen Impulse und Zielrichtungen. Die Kunst ist dabei die bereits angesprochene Wahrnehmung und Schaffung von Gestalt. Ueberdies ist sie ein in der Geschichte der Kultur verankertes Korrektiv zur Technik.

LITERATURANGABEN
1) Sibyl Moholy-Nagy, Laszlo Moholy-Nagy: Ein Totalexperiment. Mainz, Berlin 1972, S.41

2) dieselbe, a.a.O., S.13.

3) Juergen Claus, Gestalttechnologie. Die Expansion der Medienkunst in den achtziger Jahren, in Ausst. kat.Computer Tage Linz,ORF-Videonale,Linz 1986, S.290.

5) Juergen Claus, Chippp Kunst, Ullstein Materialien, Frankfurt, Berlin 1985, S 123. und Ausst.kat. ars electronica, Linz,S.291.ff.

6) Uli Deker, Das Deutsche Forschungsnetz, in: Bild der Wissenschaft, 4,1985, S.76. ff und Walter Baier, Computer-Verbund im Deutschen Forschungsnetz, FAZ, 13.3.1985. Das erwaehnte Datex Netz ist ein oeffentliches Waehlnetz fuer Datenuebertragung. Die zwei Arten sind: Datex-L-Netz (L=Leitungsvermittlung), vermittelt durch das elektronische Datenvermittlungssystem und Datex-P-Netz (P=Paketvermittlung) fuer Uebertragungsgeschwindigkeiten zwischen 110 bit/se und 48 kbit/s.

7) Ein solches Pilotprojekt war der Einsatz von BTX in drei Abteilungen der von mir organisierten Ausstellung >Terminal Kunst<,Linz Brucknerhaus 1986. Neben der BTX Galerie von Othmar Karschulin, dem Beitrag der Forschungs-und Entwicklungsgruppe von Manfred Eisenbeis, HfG Offenbach/Main, fuehrte die Wiener Gruppe Blix >kunst-BTX< als Redaktionsterminal und offenen Gestaltungsterminal vor. Zu den Informationsdiensten gehoert das seit 1984 aufgebaute Informations-System-Kunst von Felicitas Reusch in Wiesbaden.

8) Carl Friedrich von Weizsaecker, Technik als Menschheitsproblem, Vortrag zur Eroeffnung der Ausst. >Literatur im Industriezeitalter<, Marbach/Neckar, 9.5.1987 (gedruckt).

9) >Korrespondenzsystem Kunst<, in: Juergen Claus, Expansion der Kunst,rde 334/335 1970, S.12; Neuausgabe bei Ullstein Taschenbuch 36069,1982.

10) Robert Brenner, Orakelsprueche aus dem schwarzen Kasten?, in: IBM-Nachrichten, 37, 1987, S.25.

11) Edward A. Feigenbaum, Pamela McCorduck, The Fifth Generation. New York 1984, S.25.

12) Graham J.Howard, Art and Design: AI and its consequences in : S.Gill (Hg.), Artificial Intelligence for Society, Chister, New York u.a. 1986, S.125 ff.

13) Mihai Nadin, Bildmaschine und kuenstliche Intelligenz, in Ausst.kat. Computer Tage Linz 1986.



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