Der Triumph des Sozialdarwinismus


Die Folgen der neoliberalen Globalisierung: Was sich seit 1968 geändert hat

© Malte Olschewski

1. Survival of the fittest:
Das heimliche Comeback des Tierischen


Schon im Alltag herscht genug Konkurrenz. Nun heizen die Medien als Vollstrecker der neuen Ordnung ununterbrochen neue, künstliche Wettkämpfe an. In tausend Disziplinen werden Sieger und Verlierer ermittelt. Das Dasein wird umfassend einem Ranking unterworfen. In den Kiddie-Contests wird sogar den Jüngsten das Konkurrenzprinzip eingedrillt. Mit PISA werden völlig unnötige und fragwürdige Tabellen über angeblicher Fähigkeiten von Schülern der jeweiligen Länder publiziert. Das geschieht alle Jahre wider und versetzt die Politiker in helle, doch unnötige Aufregung, da solche Tabellen immer Lügen sind. Oft genug sind der Peinlichkeit keine Grenzen gesetzt. Galt es, im österreichischen ATV den knackigsten Männerhintern zu wählen, so war im brasilianischen Fernsehen unlängst ein Wettbewerb mit schnell wirkenden Abführmitteln zu sehen, der zu einem sinnigen Symbol für das ganze Medium geriet. Die Kandidaten sassen nach Einnahme auf Toilettensitzen mit gläsernen Abflussröhren. Wer sich länger zurück-halten konnte, war der Sieger. Immer und überall müssen Sieger und Verlierer aus dem Schleim der Undifferenziertheit geboren werden. Heerscharen der Claqeure blecken im Fernsehen die Zähne und beten zum Status quo. Da jeder ein Winner sein will, wird man rund um die Uhr mit Gewinnspielen und ihren lächerlichen Preisen belästigt. Die Zahl der Wettbüros hat sich in den letzten Jahren vervielfacht. Zusam-men mit Lotterien und Internetspielen ist das immer ein Symbol für die wachsende Chancenlosigkeit der Mehrheit, die aus eigener Kraft nicht mehr schafft. Wo Armut ist, ist das Lotterielos nicht mehr weit.

Das soziale Umfeld ist kälter, das Leben ist härter geworden. Nur wenige sind zur Hilfe bereit. Die apriorischen Gewinner im Rattenrennen schieben einander raschelnde Millionen zu. Apologeten öffnen ihre Mäuler zu einem dumpfen Originalton. Diejenigen, die den Infight der Spezies verloren haben, wünschen sich in kurioser Dialektik nichts sehnlicher, als das tägliche Fest der Gewinner zu sehen und irgendwie mit dabei zu sein. Nichts ist im TV beliebter als die Sendungen über Prominente oder über die Society. Blätter in buntem Glanz bedienen diesen resignativen Trieb. Der Besuch einer Tabaktrafik, in der ein Teil davon ausgelegt ist, muss denkende Menschen niederschmettern. Es haben die Fans grosser Busen, die Motorradfreaks, die Fantasy- und Comics-Freunde ebenso ihr Zentralorgan wie Adoranten des Adels, der Schlemmerei oder viele andere aus der Unzahl einer zersplitternden Gesellschaft. Hatten etwa um 1968 nur einige harmlose Damenblätter über Europas Restadel berichtet und war damals ein Hagel kritischer Schriften auf uns niedergegangen, so haben heute sogenannte Life-stylemagazine als dienstbare Geister der Herrschaft die Befestigung des Status quo übernommen.

Charles Darwin (1809-1882) hatte nach umfangreichen Studien des Tierlebens die Evolutionstheorie entwickelt. Demnach setzt sich im Kampf ums Dasein immer nur der Stärkere durch. Durch die Generationen kommt es in einer langen Zeit durch den natürlichen Ausleseprozess zu Anpassungen, Modifikationen und schliesslich zu neuen Lebensformen. Die Gesetze bei der Entstehung der Arten sollen demnach auch für die menschliche Rasse gelten. Bei Tieren wie auch bei Menschen soll der Stärkere immer siegen. Der Löwe schlägt die Antilope. Der Diktator lässt hinrichten. Der Konzernchef verweigert die Lohnerhöhung. Darwin sprach vom Survival of the Fittest (Überleben des Stärksten oder des Bestangepassten). Dieses Prinzip soll zur Entstehung der verschiedenen Arten und zur Entwicklung von ein-fachen zu immer komplexeren Organismen geführt haben. Die Übertragung dieses Prinzips auf die Menschen wurde im 19. und 20. Jahrhundert von vielen Wissenschaftern vertreten. Sie diente auch der NS-Bewegung als Grundlage ihrer Rassenlehre. Dadurch kam der Sozialdarwinismus in Verruf. Nach 1945 wurde diese Form der Nutzung Darwins grossteils als falsch oder später als politisch nicht korrekt abglehnt. Man betonte die edle, moralische Dimension des Menschen. Als Ge-genargument wurde auch vorgebracht, dass die Natur nicht das survival of the fittest, sondern in der Propagation das Überleben möglichst vieler anstreben würde. Dagegen lässt sich sagen, dass die Fortpflanzung in Massen nur deswegen geschehen kann, weil aus dem massenhaft quirlenden Pool einige oder viele, ob fit oder nicht, automatisch überleben werden. Die Masse des Samens ist primär, daraus können sich dann die Fittesten entwickeln. Der Sozialdarwinismus wurde für einige Zeit als naturalistischer Fehlschluss (naturalistic fallacy) abgelehnt. Der Mansch kann kein Tier sein, Engel aber kann er auch nicht sein. Das Menschsein umschliesst beide Extreme. Der Mensch kann zum Tier, er kann aber auch zum Heiligen werden: Idi Amin trifft Mutter Teresa. Pol Pot trifft Albert Schweitzer.

Seit dem magischen Datum 1989/91 scheint der Sozialdarwinismus im grösseren Rahmen der Globalisierung und des Neoliberalismus ein heimliches Comeback gefeiert zu haben. Man spricht nicht umsonst vom Raubtierkapitalismus und von Heuschrecken. Immer mehr Phänomene der Gesellschaft zeigen sozialdarwinistische Tendenzen. Mitleid, Solidarität, Gemeinschaft und Bürgersinn sind langsam verdrängt worden. Im kannibalischen Frass der Konzerne kommt es zu immer stärkeren Zusammenballungen. Massen von Menschen taumeln als Präkariat in die Armut, während sich neoliberale Gurus in dünner Luft der Chefetagen unfassbare und obszöne Gehälter zuschieben.

In allen relevanten Untersuchungen und Abhandlungen zum Kulturwandel wird festgestellt, dass die grossen Veränderungen der Gesellschaft nach dem Umbruch 1989/91 eingetreten sind. Mit dem realen Sozialismus war dem Kapitalismus die Konkurrenz abhanden gekom-men. Francis Fukujama sprach vom Ende der Geschichte, da es nun keine Alternative mehr zu geben schien und sich der Kapitalismus als unumkehrbarer Prozess um die Welt verbreitete. Triumphal wurde verkündet, dass Moral und Solidarität in Leitungsfunktionen der Wirtschaft unvereinbar wären und dass staatliche Lenkung auf ewig scheitern müsse. Die Globalisierung trat in den Maske eines Naturereignisses auf, aus dem sich der Staat ängstlich und in Form von Privatisierungen zurückzog. Nut die wachsende Steuerlast hat nicht privatisiert. Knatternde Trumpfkarten wurden ins Spiel geworfen. Nun konnten sich die Börsenkurse austoben. Konzerne verschlangen einander in kannibalischen Fressorgien. Alle Utopien sind geschlachtet worden. Jedes Jahr versammeln sich die Herrscher der Globalisierung in kurzfristigen Trutzburgen zum Kriegsrat. Und jedes Jahr stürmen grösser werdende Scharen der Globalisierungsgegner gegen die Polizeisperren. Doch es ist kein Ende der Geschichte gekommen. Es gibt immer eine Alternative. Das Leben bringt immer einen Gegenentwurf hervor. Die ganze Biologie hat sich als Gegenentwurf zu gescheiterten Varianten entwickelt. Im Status quo verbergen sich vorerst noch die Kräfte, die seinen Untergang bewirken werden. Das Pendel des Elan vital ist noch nie stecken geblieben.

Der von der Konkurrenz befreite Kapitalismus konnte nach Ende des Kommunismus seinen strahlenden Neonschädel erheben. Reissende Kieferzähne wölbten sich über den Verlierern. Von den Erektionen des Kapitals sprühte das Sperma der Spekulation. Beherrschbare Massen wurden gezeugt und geformt. Dem kritischen Geist wurde mit Säurefetzen das Gesicht poliert. Von allen Seiten brachen obzöne Choräle hervor: Nimm und kaufe! Werde reich! Der andere ist Dein Feind! Tritt ihn nieder! Du bist ein Superstar! Du musst den anderen besiegen! Mit Geduld ertragen die zurückgestutzten Menschen das elektronische Joch neuer Herrschaft. Sie leben in einer Diktatur, die auf Samtpfoten dahergeschlichen eine neue Infantilität erzwingt. Rafinesse und leise Narkose sind ihre Instrumente. Die neuen Führer haben die Hirne angezapft und die Intellegenz extrahiert. Das Kapital hat sich in einen Spiegelpanzer gehüllt und trägt ein Schwert aus leuchtender Elektronik in der Faust. Die Herren dieser Uniworld wachsen als virtueller Adel aus Wurzeln der Auserwähltheit. Sie haben scharf geschliffene Hirne und venös veredeltes Blut in den Adern. Glatt legen sich ihre Ohrlappen an die Schädelkalotte. Und es blähen sich ihre witternden Nasenflügel. Ihre Augen glänzen im Antiaging-Effekt. Unantastbar sitzen sie in ihren Kommandozentralen. Sie halten sich Regierungen und Parteien als Haustiere. Revolutionen gegen ihre elektronische Herrschaft haben vorerst keine Chance, da die Kontrolle über Jahre hindurch feinmaschig ausgebaut worden ist. Die Analysten stossen ihre Rüssel in die saft-spritzende Nährlösung faulender Dollarmilliarden. Systemmusik erklingt, wenn sich die Spekulanten im NASDAQ durch die Optionen wühlen. Sie verschlingen Börsenkurse, Futures, Hedgefonds, Derivate und andere Exkremente, die sie aus dem Sumpf brodelnder Finanz-märkte geholt haben. Nach kannibalischen Fusionen gibt es bald welt-weit nur mehr ein paar weitläufig verflochtene Megakonzerne, die über Millionen Filialen totale Macht ausüben. Es gab einmal Kolonial-warenhandlungen, heute gibt es nur mehr Billa. Es gab Schuster und Schneider. Es gab Tischler und Schmiede. Es gab einmal den Dorfkrug neben der Post. Es gab Tante Emmas Laden.

Die dienstbaren Geister in den Neomedien entdecken in verstümmelter Sprache überall neue Heilande. Im Kult um Stars und Prominente werden die Schicksalsfragen der Post Moderne gestellt: Wurde nicht Superbabe vor kurzem von einem Stalker drangsaliert? Stolperte der muskulöse Lover nun endlich doch zum Traualtar? Blitzte bei dem umjubelten Auftritt der Popdiva ein Slip hervor? War denn diese Partyschnecke nicht auch als Boxenluder erfolgreich? Hat denn Schnuckelchen nicht alles mit einem rasenden Arschgeweih getoppt? Wieviel Silikon wurde unserem Superstar unter die Bluse gejubelt? Ist nicht das ultimale Geständnistier beim Talk mit einer Rampensau kollidiert? Konnte unsere Tanzmaus mit einem Nippelalarm endlich genug Aufmerksamkeit erregen?

Das alles sind wiederkehrende und nagende Gefechte in der Generaloffensive gegen das eigene Denken. Darüber und über ähnlichen Unfug schreiben und diskutieren immer mehr Medien. Dabei ist die Sprache verstümmelt und reduziert worden, da komplexe Zusammenhänge adäquate Sprachmuster fordern. In Minimalsprache und in einer Endlosschleife wird in Schnatterdeutsch darüber berichtet, was die Sieger im sozialdarwinistischen Wettbewerb so tun und lassen. Das ist nicht viel und es ist immer wieder das Gleiche. Aber die Gewinner könnten es nicht so schön haben, gälte ihnen nicht das ungebrochene Interesse der Verlierer. Der Richie Mörtel, der Toni, die Marika, der Alfons, die Schiller und der Dominik, die eine Babsi und die andere, die Vera und andere Fratzoide. Sie sind fleissig in gegen-seitigen Bezügen. Im Evangelium der Selbstreferenz nähren sich wie im Tierreich die einen von den anderen.

2. Global-Slang für das Weltvolk:
Medien und Sprache


Die Sprache hat gegen die Bildern an Terrain verloren, da da Bild bei erster Rezeption keinen Intellekt benötigt. Fotos werden per Computer aufgedonnert. Graphiken suchen mit farbigen Pfeilen, Sockeln und Symbolen jedes Thema zu vereinfachen. Der Text ist zum Stiefkind geworden im Meer der Lifestyle-Magazine. Es wird ihm nicht viel Raum und Aufmerksamkeit gewidmet, denn das Bunte ist recht dick geworden. Die Journale blähen sich mit geschwollener Reklame auf. Bevor man diese adipösen Blätter aufschlägt, muss man erst einmal die Beilagen herausfischen und wegwerfen, was wenig nützt, da die Trennung von Werbung und Redaktion aufgehoben worden ist.
Semantisches Geröll bricht aus diesen Heften, um sich als Reklame zu enthüllen. Unverdrossen schleppen Ausziehgirls die absolut blödesten Bildtexte über die Seiten. In dem gedruckten Sondermüll dieser Blätter werden in einem ständigen Kreislauf die Flatulenzen der Society beschrieben. Lawinen aus Schlagzeilen, Kolumnen, Fotos und Balkenlettern sagen nichts und müssen doch etwas bedeuten: Plötzlich Prinzessin?... Stars ungeschminkt... Stars Backstage.... Stars Hautnah... Stars weltweit... Superstar und Steppenwolf....Stars ungeschminkt... Coverstory-Menschen......Hollywood Inside... Leben in der Traumfabrik.... Models mag man eben.... Ihr Beruf: Ausziehen und nicht zuviel zu zeigen... Steil nach oben.... Schaun' Sie sich das an... Junge Talente.... Superboys... Szene-Insider.....Filme machen Mode... Be Delicious in der Genuss-Region....
Globale Player haben über unzählige Instrumente und Kanäle eine sublime Kontrolle über die Mehrheit der Menschen gewonnen. Ein Industrie der Ablenkung summt. Und weich wie Samt greifen die Gelenke ineinander. Von überall her zoomt man auf die Schamhaarzone und weg von den Problemen. So viel Busen hat die Menschheit noch nie gesehen.

Es fehlen die kritische Analysen. Mir fehlt ein Herbert Marcuse 2000, da ihm nachfolgende, sogenannte Top-Philosophen den drängenden Fra-gen ausweichen. Baudrillard und Virilio haben die Moderne noch an ihren Zipfeln erwischt. Derrida weicht ihr mit Bilderrätseln aus. Es sind auch an die Stelle von Buchhandlungen grossteils Multimediageschäfte getreten, die hauptsächlich Computerzeugs, Kassetten und Scheiben anbieten: Harry Potter statt Che Guevara! Shrek statt Fellini! Mit der Peitsche der Medien wird der Mensch zurück in die Infantilität ge-trieben. Ba....Bla...und Buppapa so oder so ähnlich gehen die Texte der Schlager, die uns in die Ohren posaunt werden. Auf grossen Plakaten werden die Bestseller der Woche genannt, damit der darwinistische Wettbewerb auch diese Räume beherrschen kann. Aus der ungeheuren Menge der Thriller, Mysteries, Sexstories und der historischen Romane muss unbedingt einer der beste sein, doch das meistgekaufte muss nicht das meistgelesene und auch nicht das Beste sein. Doch soll auch hier die grosse Täuschung gelingen, dass an allen Ecken, Enden und bis zum Seitenrand Kampf und Wettbewerb vorherrschen. Das Ranking ist nie abgeschlossen. Es mag sich der infantil gekürzte Gusi über einen Prozentpunkt vor dem Molti freuen. Gewiss wird er beim nächsten Ranking wieder absinken in der Gunst der Umfragen, deren Zustandekommen nie durchschau- und vollziehbar gemacht wird. Es ist kein Sein ohne die Tendenz, best of sein zu wollen. Nichts wird in stylischen Redaktionen so gern akzeptiert als ein Vorschlag, in irgend einer iditiotischen Disziplin ein Ranking zu veranstalten.

Das heilige Blabla über die Vorzüge der Gegenwart soll auch die Erinnerung daran auslöschen, dass im Jahr 1968 vieles anders gewesen war. Damals wurden Entwürfe zu einer besseren Gesellschaft vorgelegt. Damals war eine Lawine kritischer Schriften niedergegangen: Wir diskutieren, also sind wir, hiess es. Nun aber schweigen die kritischen Köpfe, da es sie nicht mehr gibt oder weil sie im Lärm des affirmativen Brimboriums untergegangen sind. Und oft durchwandere ich die Ebenen des Internets mit eine dringenden Frage, auf die mir aber keine Anwort erscheint. Mit der Globalisierung schwillt der Lärm der Bejahung an. Das Auseinanderklaffen oder die asynchrone Dialektik etabliert sich als ein Grundgesetz der Gesellschaft: Es ist alles nicht so, wie sie sagen die Weltenchefs, doch es fehlt die Entlarvung, die Bezeichnung und Benennung dieser grossen Lüge. Jeder Fort-schritt hat in seinem Schleppnetz oft einen viel grösseren Rückschritt. Die Mobilität ist nur ein Segen bei genauer Kontrolle. Dass Kartoffel aus Polen nach Italien zur Schälung und dann nach Deutschland zum Verzehr gebracht werden, ist sinnlose Mobilität, die nur dem Kapital höhere Profite bringt. Alles vom Handy bis zur Migration ruft nach Kontrolle, statt dessen wird die Deregulierung zum Gebot der Stunde. Alles muss privatisiert, muss outgesourct werden. Immer mehr Arbeit wird den Vampiren der Job-Agenturen überlassen. Bald haben auch die Regierungen jede lästige Arbeit outgesourct, um sich umso inniger auf ihre permanenten Gipfelfeste konzentrieren zu können.

Das, was als grosse Errungenschaft gepriesen wird, gibt es in der Realität oft gar nicht. Ein Strom von Phrasen fliesst aus Mündern in Mikrophone. Abgründe gähnen zwischen dem, was behauptet wird, und dem, was wirklich ist. Von einem Zeitalter der Kommunikation und dem verstärkten Austausch zwischen Individuen wird überall geplappert und geredet. In Wirklichkeit werden über diese Neonetze grossteils Sprachpornos, Urlaute und Affendeutsch ausgetauscht. Diese Gesellschaft kann nur sein, wenn sie sich durch Lärm und Geschwätz kundtun. Mobiltelefon, Walkman, Reklametöne, Einheitsmusik und allgemeines Blabla sind überall und immer zu hören. Es ist auch, als wolle die Sprache der Globalisierung der strengen, deutschen Grammatik aus-weichen: Passen Sie zu unserer In-Group? Practical Experience im Total Quality-Management oder Business Re-Engineering haben unsere Senior-Berater/Innen als externe Consultants oder in einem In-House-Team erworben.
Ha? Wos host gsogt, Kropfata! Alles klar? Die Substantivierung erschlägt die grosse Kraft des richtig eingesetzten Zeitwortes. Ich muss meine Denke ändern! Das wohl auch, damit aus der Schreibe keine Verarsche wird. Die deutsche Sprache wird gedemütigt:
In hippen Diskonächten strippen Sekretärinnen im Hip-hop-Sound. Die Szene dreht komplett durch. Nun wird viel Stoff abgetanzt. Die Zeiten der Coolness und der Hightech-Tempel sind vorbei. Die Generation X will wieder fummeln, reden und sich den Urschrei um die Ohren blasen. In der Bar abseits des Infernos schüttelt Mixer Pablo interessante Drinks. Artbrut-Künstler Kafri winkt mit einer orientalischen Nacht samt One-night-stands. Die Teeniefraktion und die Cottage-Partie finden ihresgleichen, während die gelassenen Vertreter des neuen Kapitalismus in ihren ganz persönlichen Outfits erschienen sind...
Ha, wos? I varsteh di nit, Kropfata?

3. Das Fünfte Reich des TV
Best of... als Dauerprogramm


Der Sozialdarwinismus regiert über immer grössere Flächen des Fernsehens. Daneben speit er eine Lawine bunter Blättern aus. Hierbei geht es meistens um Sieg und Niederlage, um Wettbewerbe oder Ausscheidungskämpfe. In tausenden Bereichen gilt es, Best of zu ermitteln. Die politische Dokumentation ist von den Bildschirmen verwiesen worden, weil sie ein gefahrenvolles Nachdenken anregen konnte. Die Serien von Songcontesten, Starmania, Superstarsuche, Big Brother, Eurovision, Millionenshow, Dancing Stars und anderem Schwachsinn sind ein Reflex auf die Verhältnisse in der Gesellschaft. Der Unterbau muss sich notwendig im Überbau spiegeln. Die Realität von Arbeitslosigkeit und Schuldenfalle produziert im Überbau un-unterbrochen Gewinner a la carte. In diese Neomedien fliessen unterhaltsam verschlüsselt, die Ströme aus der Tiefe der Gesellschaft. In endlosen Wiederholungen geschieht die Spiegelung von Reich und Schön. Die gesellschaftliche Realität wird immer stärker vom Antagonismus der Gewinner und Verlierer, der Millionäre und der Sozialhilfe, der Prominenten und der Nobodies geprägt. Vor allem das Fernsehen beeilt sich, dieser Entwicklung mit seinen Shows und Ratespielen zu entsprechen. Wenn die politische Dokumentation als Format verschwindet, so ist vorher anderes ver-schwun-den: Das Interesse am Dasein des Anderen und des Nächsten oder auch die Solidarität. Wenn der Hauptabend neben diesen Shows zur Realitäts-bestätigung mit Kriminalfilmen und Thrillern aufgefüllt wird, agieren auch hier Gewinner und Verlierer. Der Kommissar wird immer der Gewinner sein, der den Täter als spezifischen Looser aus der Reihe der Verdächtigen herausschält. Ausserdem ist in der eintönigen Spätabendkriminalität des Fernsehens auch eine kalmierende Absicht verborgen: Wagt Euch besser nicht ausser Haus! It's jungle out there! So geht der Titelsong der TV-Kriminalkomödie Monk. Draussen ist der Dschungel!
Rundum lauert das Verbrechen. Bleibt zu Hause und seid brav! Akzeptiert das, was ist. Keine Kritik, kein Aufbegehren! Es ist nicht mehr notwendig, dass ihr fremde Länder und Lebensformen kennenlernt. Es ist nicht mehr notwendig, dass ihr vom Bildschirm Wissen und Bildung bezieht. Fürchtet Euch und fragt Euch: Wer ist der Täter?

Die höchsten Einschaltquoten erreichen regelmässig jene Sendungen, die von einem heimlichen Sozialdarwinismus regiert werden, der aber oft zum Sozialporno wird. Hier hat der österreichische ORF ganz spitz die Nase vorn. Durch dementsprechende Propaganda oder auch durch spezialisierte Agenturen werden kuriose und bizarre Menschen eingefangen, deren Abartigkeit dann im TV voll ausgewalzt wird. Skurril gewordene Menschen dürfen ausführlich ihre Obsessionen referieren, damit sich die Zuseher wohlig gruseln und sagen können: Wie gut es mir doch geht! Ich bin nicht so! Der Trend hat sich ins Geschlechtliche verfeinert. Jene, die in der sexuellen Auslese ausgeschieden sind, dürfen hier noch einmal ihre Wünsche und Sehnsüchte vortragen: Liebesg' schichten und Heiratssachen, nennt sich die Sendung, die intime Gedanken der Verlierer dem Gelächter preisgibt. Selbstentblössung und Sozialporno werden auch in anderen Formaten betrieben. Die Blosstellung und Verspottung der Verlierer ist ein zentrales Format des Fernsehens.

Wetten, dass.... einer gewinnen und viele anderen verlieren werden. Dem Publikum wird Gegenheit gegeben, sich an der Niederlage des anderen zu ergötzen. Ganz typisch dafür war etwa bei Starmania die Vorführung jener Kandidaten, die gescheitert waren. Es werden im Fernsehen Traumhäuser gebaut, doch es geht darum, dass die einen gewinnen und die anderen verlieren. Es mag der Bauer eine Frau suchen. Einige bewerben sich, nur einer gewinnt die potentielle Bäuerin. Bei Dancing Stars fegen weiter verwertbare Paare vorbei, ohne dass die Jury aus jenseitigen Typen seine Reihung begründen könnte. Es geht darum, die Wertung möglichst humorig und als Show in der Show zu gestalten. Im deutschen Privat-fernsehen werden ununterbrochen verschiedene Superstars gesucht und auch gefunden. Da Deutschland den Superstar sucht, liegt die Essenz der Auswahl in den hohnvollen und spöttischen Bemerkungen eines Jurors. Zurück geht es in alte Rituale: Der Sieger im Mythos beschimpft und verspottet den toten Gegner so wie Achill den Hektor. Es ist Rekurs auf allen Ebenen.

Das Fernsehen wird zum Creator of the Couchpotatoe! Schlaff im Sofa hängend will Seine Heiligkeit, das Publikum, von schärferen Reizen genadelt werden. Wer war nur der Täter beim intellektuellen Holocaust des Fernsehens? Wer hat hier am Bahnsteig der Quoten die Originaltöne abgeholt. Und wer hat die Eskorte gestellt? Wer hat angefeuert? Die Wunderwuzzis in den Chefetagen oder das dröge Trotteltier als Glotzenkonsument? Lag hier ein Auftrag vor, intellektuelle Inhalte auszuschalten und die Programme so ekelhaft bunt zu zerfransen? Die Macht wünscht Enthirnte, denen man, wie es die Konsumreklame immer schärfer tut, gezuckerte Scheisse als Kostbarkeit andrehen kann. Aber haben auch nicht auch die Seher in ihrem tattrigen Hin- und Herzappen zwischen den Programmen den Quotenheinis an den Schaltstellen das grosse Argument geliefert? Da so viele Knöpfchenköpfe glotzen, muss der Dünnschiss wohl auch gebracht werden. Wieso she ich bloss so viele Schatten, wenn Babsi, Vera und viele andere Schaudertanten samt verwandten Onkels auf mich einstürmen?

Bald wird es im Fernsehen nur mehr Gewinner und Verlierer geben. Die Society-Sendungen, in denen die Gewinner ihre Münder zu einem Scheunentor mit sichtbar baumelnden Gaumenzapfen öffnen, wuchern wie Tumore. Der Kult der Promis geht als neue Ersatzreligion rund um die Uhr. Der Rest der Realität wird verzichtbar werden. Auch der Sport hat im Fernsehen nur deswegen eine so ungeheuer grosse Sende-fläche, weil er das Prinzip vom Survival of the Fittest oft zu einem einzigen K.O. Schlag verkürzen kann. Es haben Wettbewerbe, Kämpfe und Konkurrenz schon immer die Menschen in ihren Bann geschlagen, sdoch im alten Griechenland fand dies alles zu bestimmten Zeiten mit Zwischenräumen statt. Heute will der Sport als akzeptable Variante des Daseinskampfes den ganzen Kalender zudecken: EM, WM, Olympics oder ihre Nebenbewerbe. Man kann kaum Atemholen zwischen den Kampfpausen. Dabei geht es immer nur darum, dass Gewinner und Verlierer dramatisch konfrontiert werden.Von Stockerlplätzen winken die mit Reklame beschrifteten Sieger. Bestseller-Listen und Charts sind nur Geplänkel im allumfassenden Weltkrieg von Best of. Es können auch Klopapier oder Kondome mit Fruchtgeschmack, es kann alles samt Furz in der Hose, getestet und gerankt werden. Wichtig ist nur, dass eine Marke gewinnt und die anderen verlieren. Es geht auch mit leicht höherem Niveau: Jan, Christine und Anja fighten um ihren Studienplatz, hiess eine Sendung im Spiegel TV.
Das Fünfte Reich, in dem ununterbrochen Sieger auf Verlierer treffen, ist weiträumig. Und es lebt das Fernsehen als ein potentielles Zaubermedium heute davon, neue und immer blödere Wettkämpfe zu entwickeln.

3. Zombitas heisse Küsse
Stars als Religionsersatz


In der Hauptsache geht es im Fernsehen und in den meisten periodischen Druckschriften um die Befindlichkeit von Stars und Prominenten. Ob nun der eine oder die eine dies oder das bevorzugt.... vielleicht aber....möglicherweise....und dann noch.... Es rotiert die ewig gleiche Besetzung in knallbunten Illustrierten mit hohem Glanzwert. Divisionen von Paparazzi liegen dazu im Hinterhalt. Die Prominenten oder Celebs haben der Religion den Weihrauch gestohlen. Die Schwäche der Religion lässt nun Platz für kultische Verehrung. Wenn ich ein Pop-Konzert im TV sehe, erscheint es mir als ein Gottesdienst mit Rauch, Liturgie und Kommunion.

Als erstrangige Zielgebiete der grossen Ablenkung scheinen Reichtum, Paarung und Maulöffnung sogenannter Prominenter zu sein. Es ist ein unheimlicher Kult um Nullitäten entwickelt worden. Aufdringliche und extrem dumme Personen bilden das geschlossene Universum des Prominententums. Sie sind immer rechtzeitig da und dort, um dies, das oder jenes zu berülpsen. Sie sind freilich auch mit exquisit dummen Fragen konfrontiert. Es sind in einer Endlosschleife immer wieder die gleichen Zombies und Zombitas, die sich vergeblich um einen Satz mit Aussage bemühen. Ein Sager, der was sagt, fällt ihnen unendlich schwer. Daher wirft Zombita lieber mit Kusshändchen um sich. Es ist so, dass ein intellegenter Mensch vor Schmerzen laut schreien muss, wenn er solchen Sendungen ausgeliefert ist. Doch die Mehrheit der dumpfen Brüter vor dem Bildschirm schenkt solchen Society-Formaten ungeteilte Aufmerksamkeit. Das heisst: Die Verlierer wünschen, den Sieger zu studieren und ihm als Fan anzuhängen. Der Fan will auch ein Star sein. Da er es nie sein wird, atmet er den Abglanz als Narkose ein. Eine ganze Generation ist in dieser Apotheose der Nichtigkeit durchseucht worden. Das Fernsehen und die Neomedien sind mit solchen Promis wie in einem Geschlechtsverkehr verklammert. Die einen nehmen auf die anderen Bezug, um Stories und Geschichten zu inszenieren. Viele Dramas werden von den Medien zusammengeschustert, um dann darüber berichten zu können: Arme Hure wird von einen Märchenprinzen entdeckt und geheiratet.....Pop-Sternchen kehrt zu Mama zurück....Pop-Idol gesteht: Ich bin ein Don Juan....Ich nahm Drogen oder gar: Ich bin überhaupt super! Zur Selbstreferenz tritt das Prinzip der Wiederverwertung. Einmal hat einer in sozialdarwinistischen Shows einen Preis gewonnen, schon wird er weiterverwertet und ausgesaugt, bis er nichts mehr hergibt. Wo sind die vielen Gewinner vergangener Contests in Deutschland und Österreich geblieben? Vampire und Vam-pirellas sind hier am Werk: Man hat sie ausgesaugt und weggeworfen, weil sie sowieso nichts wert und nur zum Contest aufgehübscht worden waren. Die Winner des einen oder anderen Contests müssen später aller scheitern, da die Bestie Bestof neues und junges Futter zum Verzehr haben will.

In der Kirche des Contests treten oft neue Päpste auf. Sobald sich einer ein wenig Fachwissen angeeignet hat, kann er vom Konklave der Telegurus zum Papst ausgerufen werden. Es walten ein Bierpapst oder ein Literaturpapst ihrer Ämter. Über ihnen schweben diverse Götter . Ein Fussballgott mag das Leder ins Kreuzeck entsenden, während ein Modegott neue Fetzen proklamiert. Eine Filmgöttin zeigt schnuppernden Adabeis ihre neue Villa, während die Sexgöttin ihre Silikonhügel zur Besichtigung freigibt. Die Moderne erscheint tief religiös, wenn man nur ihre Götter zählt. Die Dinge und Personen mehren sich, die im neuen Tabernakel der High Society göttlich oder himmlisch geworden sind. Prominenz ist die Superhostie. Börsenkurse sind Atemzüge Gottes, Hedgefonds werden zu Zäunen des Paradieses. Der alte Himmelsvater ist schon in Pension gegangen. Neue Gottheiten treten auf und entblössen lächelnd ihre Geschlechtsteile. Wer möchte nicht gern auffahren in den Himmel der Bekanntheit, um ein prominentes Gottchen werden? Die Kirche der Bekanntheit speit jeden Tag neue Enzykliken aus. Es ist ein wahnhaftes Gedränge und Getrampel, um in das Konklave der Seitenblicke einzubrechen. In der neuen Afterreligion sind Promi- oder Celeb-Watcher als Ministranten am Werk. Sie lassen ihre Weihrauchkessel als gnadenlose Zentrifugen kreisen, die über In und Out entscheiden. Ihre Aufgabe ist das Beobachten, Verfolgen und das Ranking der Neogötter. In der Ökonomie der Aufmerksamkeit gelten ähnliche Gesetze wie an der Börse. Stündlich ändern sich die Kurse. Jeder Tag ist Kampf und Krieg. Mit jedem Morgen droht die Konkurrenz, ein paar Millimeter nach vor zu marschieren.

Das Ranking ist zum Wort Gottes geworden. Ein jeder Mensch soll irgendwie, irgendwann und auf irgendeiner Liste der Beste sein. Ranking oder Bestimmung des Ranges ist das zentrale Phänomen des Endkapitalismus, weil man hier auf immer um den ersten Platz kämpfen muss. Für fast jeden Aspekt des Lebens und für jedes Produkt gilt ein Ranking. Daher kommt auch Wirtschaftspreise, Journalistenpreise, Literaturpreise, Filmpreise, Sangespreise, Buchpreise, Preise für beste Weine, beste Speisen, beste Konsumgüter usw.......
Die Zahl der Wettbewerbe und der Preise ist unendlich, wie es der alte Gott gewesen ist. Die Tendenz geht dahin ,jedermann mit einem winzigen Preis bis hin zu zehn Euros auszuzeicnhen. Millionen Trostpreise werden hier vergeben. Daher kommen ja auch über Post und Net die freudigen Nachrichten Sie haben gewoooonnen! Da lachen sich die wahren Gewinner in die offene Faust.
Immer wieder und Tag für Tag wird es uns eingehämmert. Best of ist das neue Vaterunser. Eine kritische Rekapitulation darf sein, da das Diktat der Dummheit Trommelfeuer als beste Methode gewählt hat. Aus den Opferaltären steigt Rauch auf und zieht hin über das Seiende. Wettkämpfe haben immer schon grosses Publikum gehabt, doch jetzt wird das ganze Dasein zu einem Wettkampf umfunktioniert. Es müssen um jeden Preis die besten, die wichtigsten, die schönsten, die reichsten, die elegantesten Personen in dieser oder jener Disziplin ausgewählt und gereiht werden. Leben ist Kampf ums Dasein, erkannte Darwin. Heute ist Leben der Kampf ums Bekanntsein. Ich aber will Kritik, Aufklärung und Information. Was ich bekomme, sind Tabellen und Ranglisten. Rankingworld produziert endlose Säulenkollonaden. Bei den von den Neomedien gehosteten Rankings wird immer von Personen gevotet, die selbst schon Prominentenstatus haben und diesen durch ihre Jurorenschaft mehren können. Der zweitbeste wird ebenso wie der dritte Platz mit schwindender Verve erwähnt: Gold, Silber, Bronze. Da gibt es keine anderen Metalle. Alle anderen stürzen in die Abgründe, in denen sie nicht mehr genannt werden. Einmal ist es auch für edle Prominente das Ende des Prominententums gekommen. Trotz heftiger Gestik, grossem Geplapper und ständigem Aufzeigen wird der sieche Promi nicht mehr erwähnt, obwohl er als Quotentoter immer wieder sein von Kaviar besabbertes Kinn zu einem blubberndem Soundbite ins Fernsehbild schieben will.

4. Ein strahlend geschliffener Riesling!
Differenzierungsrituale: Essen,Trinken,Kleidung...


Es war immer schon piekfein, sehr reich zu sein. Der Finanzenkaiser denkt nur an mehr Geld im Zinsenswap, während die Verlierer soweit verköstigt und betäubt werden, dass sie Aufstand und Rebellion vergessen. Der Genuss des Reichtums erhöht sich, wenn man ihn öffentlich zeigen und ausleben kann. Der jeweilige Status wird seit jeher über Kleidung, Essen und Trinken signalisiert. Auch die Chefs auf virtuellen Thronen üben sich in immer schärferer Zuspitzung. Es ertönt das Evangelium des Catwalks zur Quotierung der Mannequins und zur Schliessung des exklusiven Kreises.. Männer trugen dekonstruierte Anzüge, während den Frauen ein neuer Business-Look ver-ordnet wird. So heisst es in einem Bericht über eine Modenschau. Dazu kommen lange Abendkleider mit Schleppe und raffinierten Seidecrepeteilen. Es gilt auratisierte Künstlichkeit, da die Models halboffene Stretchblusen, scharfe Hüfthosen und lässige Mohairmäntel trugen. Ein kräftiger Hauch von Sex-Appeal brachte das Lebensgefühl des Jetsets zum Ausdruck. Im Emporio finden wir leicht unterkühlten Chic und edle Einfachheit mit puristischen Klamotten. Das geht über einen pastellfarbenen Seidenazug mit Hemd in Pink. Das ermöglichen auch Gamaschen und Kopftücher in Leinen, Plastik und Wolle. Edelschneider schneiden eine dunkelgraue Jacke aus Mohairgemisch mit einer lässigen Hose aus Baumwollsamt und transparentem Seidentop. Dazu posieren die Models mit schenkelhohen Lackstiefeln und einer Reitpeitsche... Englands Barock-Punkerin befreite die weibliche Unterwäsche aus ihrer unterlagigen Position. Der Büstenhalter wurde so zu einem Juwelenbecher. Auf dem Catwalk sah man bis zum Boden hängende Tütenärmel und aus dem Mittelalter entlehnte Schamkapseln ohne praktischen Nutzen... Es ist schick geworden, Schwule und Lesben im wirklichen Leben zu erkennen oder vielleicht selbst kleine Ausflüge in die andere Lebensform zu unternehmen... Heute tragen viele Männer Ohrringe und Lederjacken, die früher als schwul galten. Viele heterosexuelle Frauen tragen Motorrad- oder Cowboystiefel mit Working Jeans und fühle sich darin unglaublich schick und sexy. Nachmittags zum Skaten trägt der junge Mann Baggy-Pants, einen schmalen Pullover und eine coole Daunenjacke. Seine Freundin liebt Miniröcke, Plateauschuhe, T-Shirts, Kargopants und Sneakers. Techno und Hiphop bestimmen ihre Freizeit, um sich im Clubschuppen auszufächern. Dies geschieht mit schrillen Klamotten wie gummierten Hosen, Kapuzensweats, lackierten Röcken, Shirts mit Spass-Slogans und Comic-Prints in quietschigen Knallfarben. Techno-Gurus proklamieren nach der Streetwear die Clubwear: Weite Flanellhosen und zarte Tops ersetzen die knappen Girlie-Kleider mit Spaghetti-Trägern und Baggy Pants. Man hat zwar kein Geld und Angst vor der Zukunft, will aber trotzdem Spass haben, indem man signalisiert: Ich bin viele!

Er aber ist nicht viele. Er ist von vornherein der Einzige. Er ist Alleineigentümer von einzigartiger Psyche und Physis. Nur weiss er es nicht und sucht nach Individualisierung. Da lehnt er sich gerne an Die Gewinner zelebrieren heute ihre Entfernung von den Massen durch schlankere Mo-bilität, umfassende Kommunikation und eine extreme Verfeinerung von Speisen und Getränken. Das Alphatier im sozialdarwinistischen Kampf gibt sich an dieser lächerlichen Front der sozialen Trachten eher nüchtern und im schmucklos. Er zelebriert aber mit Learjet, Yacht und Stretch-Limousine seine Mobilität als einen Differenzierungspektakel. Die Macht im Nadelstreif winkt einem bunten Karneval von Typen zu. Die anderen sind viele, die im Firlefanz der Kostüme eine Selbstverwirklichkung suchen. In ihrer grellen Auffälligkeit im Äusseren sind sie wiederum alle gleich, denn Individualität hat im Hirn ihren einzigen Wohnort. Nur Hirnlose wollen durch Modifikation ihres Äusseren beweisen, dass sie als Person einzigartig sind.

Die Ablenkung von Fragen der Macht wird gut bezahlt und ist gelungen. Schrill klingt das Geschrei am Marktplatz des Wettbewerbes. Skinheads wollen Politik machen. Rapper verlangen ihre eigenen Akademie. Homosexuelle wollen heiraten. Dragqueens bilden ihre erste Gewerkschaft. Ethnopunks laufen mit imitierten Attributen historischer Stämme herum. Aus allen Löchern quillt eine Minderheit hervor. Auch die Cyberfreaks, die Trendscouts, Crossdresser, Streaker und Flashcrowds wollen in die Medien, um ihre Besonderheit zu erklären. Durch den neuen Tribalismus zieht eine Karawane von Skippies, Webbies, Dazzlers, Piercers, Brainers, Bobos, Bingos, Realrunners, Psychoteds, Mooners, Splatters, Snuffers und vielen anderen. Ja doch, sie sind viele. Da eine Differenzierung im Geistigen nicht möglich ist, wird in die tribale Urheimat regressiert. Die Vielfalt der äusseren Erscheinung ist Folge der inneren Einheit. Der eindimensionale Mensch wirft sich bunte Klamotten über das abgelutschte Gerippe. Die Mode ist dabei nur wechselnde Maske in einem endlosen Prozess der Inszenierung gruppenspezifischer Identitäten. Mode ist auf der Suche nach Einzigartigkeit in einer Welt, in der niemand mehr einzigartig sein kann, weil alle in einem Wahn befangen sind, einzigartig zu sein. In ihrer Masse wird jede Besonderheit aufgehoben. Sie alle, die sich in Buntität kleiden, sind nichts Besonderes.

Sehr geehrte Kult- und Haubenköche, die ihr einem ewigen Ranking durch unauffällige Testesser unterworfen seid. Die Apotheose des Fressens und Saufens geschieht immer zu finalen Zeiten einer Zivilisation. In jeder Dekadenz wird unmässig gesoffen und gefressen. Vor jedem Kollaps würgt man rein, was nur geht. Als Rom zu Ende ging, hat man nach üppiger Schlingung mit einer Feder einen Brechreiz hervorgekitzelt. Man erbrach das bisher Verschlungene, um weiter zu fressen. Frankreichs König Ludwig XVI. war vor der Revolution fast ausschliesslich mit der Jagd und mit dem Essen be-schäftigt. Durch ständige Füllung und Stopfung des Kanals kann nicht so schnell abgefackelt werden, wie begnadete Esser nachfüllen. Dabei beult sich der Darm in Divertikeln aus. Polypen blühen auf und werden bei weiterem Nachschub zu einem Karzinom. Ununterbrochen weht der Flatus.
In einer merkwürdigen Doppelgleisigkeit zelebrieren der Zeitgeist und seine Gourmets die Einahme von Speisen in Lokalen als einer esoterischen Wissenschaft ohne zu wissen, dass alles schmeckt, wenn man nur Hunger hat. Doch das Volk schmatzt nun aus knisterndem Fettpapier, da mit der Globalisierung auch das Fastfood erzwungen wurde. Davor hat man nur selten und in Ausnahmefällen in der Öffentlichkeit gegessen. Jetzt aber wird, wo man steht und geht, geräuschvoll und schnell gegessen. Man stopft die Macs eilig in sich hinein. Die schädlichste und ödeste Küche der Welt, jene der USA, hat lokale Gerichte verdrängt. Pizzas, Macs und allerlei Burgers werden auf offener Strasse und in der U-Bahnen gepampft. Neben den Schulen stehen meist die Fressbuden amerikanischer Fastfooder. McDonald ist überall. Die Macdonalisierung umspannt den Erdball. In 120 Ländern sind es 31 000 Filialen. Kinder werden schon im frühen Alter durch eigene Spielplätze im Restaurant auf das Verschlingen kalorischer Bomben konditioniert. Das hat in weiterer Folge zu einer unheilbaren Verfettung geführt. Hundert Kilo schwere Zehnjährige stampfen keuchend zur Schule. Gnadenlos beisst der Fastfooder in die Hülle mit ihrem fleischigen Kern. Meterweit spritzt dann der grausige BigMac. Ein widerlich süsser Geruch breitet sich aus. Von der Take-away-Pizza splittern die Belege. Es bröseln die Fritten. Aus den Mundwinkeln trieft das stinkende Fett. Sie pampfen und mampfen. Sie verschlingen Tonnen aus Cholesterin. Sie müssen immer etwas im Maul haben. Ist es kein Fastfood, so muss es ein Kaugummi sein. Das zwangshafte Mahlen der Kiefer um einen Kaugummi lässt Menschen immer den Ausdruck eines widerkäuenden Rindes annehmen.
Von den Gipfeln der Feinschmeckerei hat sich eine Lawine von Kochbüchern gelöst. Ein jedes Buchgeschäft hat eine eigene Abteilung für Bücher über Essen und Trinken. Eine Abteilung für Philosophie, Geschichte und Politik hat sie meistens nicht. Tausende Testesser sind zum Ranking der Speisen ausgeschwärmt, da Kultköche in Spitzenlokalen ihre Geschirre schwingen und im Wettbewerb die begehrten Hauben gewinnen wollen. Auch über den Tellern regiert der Zwang des Systems, wieder einmal die Besten zu ermitteln. Powerluncher treten dazu auf, um noch mehr Essen in ihre Darm-schlingen zu pressen. Wie ist es doch bedauerlich, dass die Hirtenspiess-Ära endgültig vorbei ist! Göttliche Speisen seien nun gefragt, verkünden die Schluckessayisten. Was soll man sich dazu kredenzen lassen? Was darf es denn zum Trinken sein? Es empfiehlt sich ein Champagner mit einer unglaublichen Geschmackstiefe. Die Marke Krug ist fruchtig, fein, trocken blumig mit lebhaften Perlen samt Mandelton... Belebend und dezent rinnt der Schampus in einem langen Abgang die Kehle hinab. Oder darf es vielleicht der erste wirkliche Kult-Veltliner eines Designer-Winzers sein, dessen Weine alle etwas Spielerisch-Leichtfüssiges, dafür aber im jugendlichen Zustand etwas Trotzig-Unbeugsames haben...Oder soll es ein strahlend geschliffener, blitzsauberer Riesling sein, ein Kopf durch die Wand-Wein mit unwiderstehlichen Vanilletönen. Nein, bleiben wir beim teuren Schampus. Die Trinkspitze greifen in die lobende Leier der Adjektive: Leicht-blumig, frisch, doch trotzdem ausgereift, langlebig, angenehm füllig, feiner Hefeton, gefällig, schlank, üppiges Mousseux...ausgewogen, ange-nehme Säure, komplexes Bukett, leichter Honigton, körperreich fein strukturiert, komplex in der Nase, doch elegant cremig im Gaumen...

5. Anal gepierct und gut verbunden
Die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper


Seit der Wende ist den Menschen ein neues Organ gewachsen: Das Handy. Auch sonst ist man mit dem eigenen Körper nicht mehr zufrieden, der nun unterbrochen durch Branding, Piercing oder Tätowierung modifiziert werden muss. Es scheint, dass hier Anpassungen und Modifikationen ganz im Sinne Darwins geschehen. Der Mensch erprobt jene Version, die ihm Sieg und Überleben in einer düsteren Zukunft sichern.
Über das mobile Telefon übt man sich in Echolalie: Hallo! Ich bin jetzt.... Wie viele neuen Geräte hat auch das Handy eine Dual-Use-Funktion. Es kann nützlich und hilfreich sein, wird aber zu neunzig Prozent missbraucht. Gehe ich aus dem Haus, bin ich bald nahtlos von Geschwätz umhüllt. Es fällt gar nicht mehr auf, dass hier, da man gezwungen wird, sich das Geplapper und Gezwitscher anzuhören, eine Einschränkung der persönlichen Freiheit vorliegt. Zerebrale Eklipsen werfen starke Schatten über den Mandelkern. Meister Quack spricht zu Dir, doch lässt er über der Logik einen Reigen sinnloser Flickwörter tanzen. Überall piept, läutet und randaliert es. Was haben die auch soviel zu quatschen? Eine Kakophonie der Klingeltöne umschwärmt den Kopf. Schamlosigkeit und Egoismus feiern schnatternde Hochzeit. Tratsch wird zum Triumph über den anderen. Du wirst gezwungen zuzuhören, wie der Typ neben Dir, der besser schweigen sollte, laut und deutlich Gelaber produziert, wie er Gewäsch von sich gibt und Nonsens in das Röhrchen tutet. Meister Quack hält sich für einzigartig, was er möglichst vielen mitteilen will. Da er geistig retardiert ist, da nichts mehr da ist und da er keine Gedanken mehr hat, teilt er uns ununterbrochen lärmend den Unfug seiner Existenz mit. Die Tatsache, dass er schwätzt, ist ihm wichtig, nicht der Inhalt seiner Mitteilungen. Schwätzen ersetzt Denken und macht zudem den Eindruck, ungemein beschäftigt und damit wichtig zu sein. 99 Prozent all dieser Gespräche sind unnotwendig. Die Impulse des Gerätes beschädigen früher oder später das Innenohr. Das Abnorme wird nicht mehr erkannt. Die mobile Telephonie der Massen wird zur Bestätigung und zur Extension des Ichs geführt, das in sich selbst die Ansprache verloren hat. Da ich per Handy schwätze, fällt mir nichts mehr auf und nichts mehr ein. Ruhe und Stille sind Nahrung für das Hirn. Das Ding am Ohr ist Betäubungsmittel und Droge. Es ist Teil eines grossen Aufmarsches gegen das Denken. Die Grundtendenz unserer Gesellschaft ist die Sabotage eigener Gedanken und damit die Blockade jeder Kritik. Das Unnotwendige wird millionenfach vervielfältigt und zu einer dringenden Notwendigkeit erhoben.

Es ist nicht nur das Handy, das ununterbrochen benutzt wird und am Ohr pulsiert. Wenn die Handyoten nicht gerade plappern, so haben sie einen Knopf im Ohr. Sie haben sich verkabelt und und hören über Schnüre stark pulsierende Musik, die das Innenohr schädigen kann. Derart schwer und unablässig belastet, degeneriert über zehn bis zwanzig Jahre das Hörsystem. Die Umsetzung des Tons über die Chochlea und die Haare gelingt nicht mehr. Durch das ständige Anpressen des Gerätes an das Ohr kann es auch zu Knorpelabrieb und Entzündungen kommen. Sehr oft tritt Tinnitus auf. Für die mobile Kommunikation sind ganze Wälder von Sendemasten aufgestellt worden, die in einem weiten Umkreis Strahlungen versenden. Unsere Handyoten sind dabei, echte Idioten zu werden. Seit Jahren haben Forscher Beweise gesammelt, doch die Milliardenbusiness der mobilen Kommunikation hat ihre Veröffentlichung zu verhindern gewusst. Die Musterungskommissionen des Heeres wissen es besser: Fast ein Drittel der gemusterten Wehrdiener sind an der Grenze zur Taubheit. Sie werden sowieso nicht gebraucht. Ein Grundwehrdienst des Geistes gegen die neue Diktatur soll einrücken.

Die innere Leere und der Wunsch nach Einzigartigkeit haben auch eine Zunahme von Körpermodifikationen verursacht. Waren Tätowierungen früher Naturvölkern, Matrosen und Gefängnisinsassen vorbehalten, so sind sie seit 1989/91 zusammen mit Piercing und unnatürlichen Haarfarben ein Teil der Trachtenwende geworden. Durch die Tätowierung will man seine Einzigartigkeit im Dschungel des Sozialdarwinimus demonstrieren. Es gibt keine Körperstelle, die nicht gepierct oder tätowiert werden kann. Trendscouts sind unterwegs, um in den bunten Blättern die neuesten Phänomene zu preisen. Beim Intimpiercing werden die Geschlechtsteile mit Metall verbunden. Man kennt Dutzende Formen des Piercings wie etwa Fourchette, Princess Albertina, Dydoe, Oetan, Isabella, Suitcase, Ampallang usw. Hierbei werden Penis oder Vagina auf verschiedene Arten durchstochen und mit Metallkugeln geschmückt. Ein Sonderfall ist das Analpiercing. Bei plastischen Chirurgen werden immer öfter Schamlippenreduktionen verlangt. Das weibliche Sexualorgan soll nach Vorlagen aus Pornofilmen zu einer Designer-Vagina verkleinert werden. Es ist auch extrem schick geworden, sich Metallteile unter die Haut implantieren zu lassen. Es laufen schon Dutzende Teufel herum, aus deren Stirne Hörner gewachsen sind. Bei allen Risiken für die Ge-sundheit nehmen sie all das auf sich, um einzigartig und dadurch möglicherweise auch prominent zu werden.

6. Alle wollen Künstler werden
Migration und Mobilität.


Globalisierung bringt Mobilität und Mobilität bringt Migration. Allen lebenden Wesen, selbst den Tieren niederer Rangordnung, ist von der Natur eingepflanzt worden: Nach Nahrung und Fortpflanzung ist die Verteidigung des eigenen Lebensraumes der dritte, imperiale Trieb. Ohne eigenen Lebensraum sind Nahrungsaufnahme und Fortpflanzung nur schwer möglich. Die Geschichte zeigt in vielen Beispielen und überaus deutlich, dass Völker untergegangen sind, wenn man ihnen den Lebensraum genommen hat. Nun scheint Europa alt und krank oder zumindest fortpflanzungsunwillig geworden zu sein. Wiederum zeigt die Geschichte, dass in Fällen einer müde gewordenen Nation regelmässig jüngere und geburtenstarke Völkerschaften nachdrängen. Verfeinerte, schwache oder kranke Autochthone sind im schlimmsten Fall ausgemordet und weggemetzelt worden. Ebenso kam es vor, dass sie der Herrschaft beraubt und übersiedelt worden sind. Dann sind sie meistens in den zugewanderten Gruppen aufgegangen.Hinzu kommt die Erkenntnis, dass arme Bevölkerungen Unmengen an Nachwuchs produ-zieren, während den reichen Nationen die Wiegen fehlen.
Kämen keine Immigranten, würde Europa bei einer Reproduktionsrate von 1,4 in absehbarer Zeit aussterben. Europa wird aber im Süden und im Osten von armen und daher geburtsstarken Völkerschaften umgeben. Es herrscht grosse Drängerei in der globalisierten Welt. Mobilität ist die Hostie im Gottesdienst der Globalisierung. Und die Mobilität lässt die Migrationsströme fliessen. Europa kann aber unmöglich den ungebremsten Natalismus Afrikas aufnehmen, der seit Jahren jeden Sommer mit Booten gegen die spanischen und italienischen Küsten brandet. Das Kapital fordert die Einwanderung, damit die Autochthonen nicht höhere Löhne verlangen können. Das Kapital fühlt sich nur in einem Überschuss von Menschen wohl. Das Kapital liebt die Massen. Da kann man selektieren, aussuchen und die Löhne drücken. Doch funktioniert die moderne Wirtschaft mit immer weniger Menschen, bis in Zukunft fast alle Abläufe automatisiert sind. Nun müssen die historischen Massen am Fliessband wieder abgebaut werden. Wer nicht gebraucht wird, wird als Frührentner oder Arbeitsloser in das Präkariat entsandt. Sind dem Kapital die Arbeiter noch immer zu teuer, so wechselt man in Billiglohn-staaten. Dort werkt man nicht für zehn Euro die Stunde, sondern um ein Zehntel dieser Summe.

Um 1960 herum war das Gleichgewicht zwischen Arbeitsplätzen und Menschen noch gegeben. Die Arbeitslosigkeit war minimal. Es klagte damals das Kapital: Wie sollen wir produzieren, da wir keine Kräfte haben? Dass mit einer kräftigen Lohnerhöhung sofort Arbeitskräfte herandrängen würden, hat man nicht in Erwägung gezogen. Das Kapital hat damals mit Verträgen Arbeitermassen aus dem Süden und Südosten Europas importiert. Es wurden staatliche Anwerbestellen gegründet. Und die ersten Gastarbeiter sind freudig begrüsst worden. Die meisten sind geblieben und haben dann ihre Familien nachgeholt. Und seit der Wende 1989/91 kommen sie aus allen Richtungen. Gäbe es keinen Zustrom an billiger Arbeit aus dem Ausland, müsste das Kapital wohl heimischen Arbeitskräften höhere Löhne zahlen. Warum sollen eigentlich eine Krankenschwester oder ein Bauarbeiter nicht soviel verdienen wie ein Manager? Warum soll eine Kassierin im Supermarkt nicht so viel verdienen wie eine Krankenschwester. Hier geht es um die Hierarchie der Berufe, die nicht abzuschaffen, sondern nur aufzulockern ist. Einem Nachtwächterstaat, der sich aus allen Wagnissen zurückgezogen hat, wird das nicht gelingen. Das will auch dem Kapital nicht schmecken, das seinen Funktionsträgern obzöne Summen zahlt.

Immer mehr Menschen werden mit lügnerischen Einsparungsargumenten aus dem Arbeitsverhältnis entlassen, während die Gewinne ununterbrochen steigen und die Chefs immer höhere Summen kassieren. Die vom Kapital begonnenen und geförderten Migrationsströme sind bereits unumkehrbar geworden. Die Frage der Zuwanderung stellt sich nicht mehr, sondern nur mehr die Frage des Umgangs mit ihr. Eine Minderheit der Immigranten inte-griert sich schnell, doch die Mehrheit behält und verteidigt ihre Lebensform. Sie versammelt sich zu Parallelgesellschaften. In diesem Sektor kommt es laufend zu Spannungen und Zusammenstössen. Und zwar weniger zwischen Migranten und den Autochthonen, sondern immer öfter zwischen Einwan-derern aus verschiedenen Ethnien: Albaner gegen Serben, Russen gegen Tschetschenen, Afghanen gegen Nigerianer, Türken gegen Kurden usw. Immer mehr Details zeigen das Scheitern der Integration: In Friedhöfen werden moslemische Sektionen eröffnet, weil man nicht einmal im Tod integriert werden will. Der Saat zahlt islamische Religionslehrer, die vom Sieg Mohammeds über die Christen predigen. Moslemische Grundwehrdiener wollen vor der nationalen Flagge nicht salutieren. Langsam schleicht die Islamisierung um die Ecke. Die Justiz drückt die Augen zu, wenn Moslems laut Sure 4, Vers 34 des Korans ihre Frauen schlagen. Überall im Land stecken Minarette ihre spitzen Köpfe in den Himmel. Musliminnen, die eine Arbeit als Lehrer oder Beamtin erhalten, wollen in Amt und Schule, aber auch auf Fotos für Pass oder Führerschein das Kopftuch tragen. Moslemische Forderungen, die Arbeit zu Gebetszeiten ruhen zu lassen, sind von Gerichten anerkannt worden. Es mehren sich die Fälle, in denen Mädchen der Einwanderer beschnitten werden. Mehrere Schulen mussten geschlossen werden, da Schüler mit ethnisch verschiedenen Hintergrund einander bekämpften. Auch die Zwangs- und Kinderehe wird in diesen Kreisen gern gepflogen. Es kommt auch immer öfter vor, dass Mädchen oder Frauen, die sich sexuell mit Autochthonen einlassen, von ihren Familien hingerichtet werden. Es gibt Streit um Schwimm- und Turnunterricht in Schulen, da die Moslems Turnen nur in stark verhüllten Mädchengruppen fordern. In Hallenbädern wollen Mosleminnen nur schwimmen,wenn Männer draussen bleiben. Gerichte genehmigen Moslems den Zugzug ihrer Zweit- oder Mehrfrauen, die dann kostenlos mitversichert werden. Eine gute Mulsimin darf sich ohne einen männlichen Blutsverwandten nur 81 Kilometer von ihrer Wohnung entfernen. Das ist die Entfernung, die eine Kamelkarawane zu Zeiten des Propheten Mohammed innerhalb von 24 Stunden gewöhnlich zurücklegte.
Ausländer begehen über überdurchschnittlich viele Straftaten. Immer mehr von Einheimischen geführte Geschäfte müssen zusperren, während die Halal-Märkte expandieren.

Verdächtig ist die Tatsache, dass natürliche Abwehr-Reflexe fast zur Gänze fehlen. Diesseits des rechten Randes ist ein Konsens erzielt worden, dass Immigration notwendig ist. Sofort werden die Allzweckwaffen Faschismus und Rassismus erhoben, wenn man wagt, die gegenwärtigen Formen der Migration zu kritisieren. Wer wird den Dreck wegputzen, schwer arbeiten, die Alten pflegen und später auch unsere Renten zahlen? So fragt das Kapital, als ob es diese Aufgaben nicht schon vorher gegeben hätte. Das Kapital arbeitet fleissig an einer Hierarchie der Berufe. Nun will niemand mehr Strassenkehrer, Kanalarbeiter, Alten- oder Krankenpfleger werden, sodass diese Berufe immer mehr von Immigranten besetzt sind. Die weniger werdenden Autochthonen wollen nicht jene Berufe ergreifen, die gesellschaftlich notwendig wären.
Die junge Generation stürmt die Universitäten. Alle wollen sie Künstler, Ärzte, Wissenschafter, Anwälte, Börsenmakler, Konzernbosse werden. Durch den tosenden Starkult werden sie zu einem Anschlussdenken verführt. Am liebsten würden sie alle zusammen Filmschauspieler oder Popidole werden. Sie wollen alle möglichen Berufe ergreifen nur nicht jene, dies gesellschaftlich notwendig sind. Sie verachten und vermeiden die notwendigen Berufe. Die Ausländer werden immer mehr, während man gleichzeitig eine steigende Arbeitslosigkeit registriert. Dachdecker, Installateure, Reparaturfachleute, Bauarbeiter oder Arbeiter überhaupt werden gesucht. Es werden aber zusätzlich auch benötigt: Schleifer, Dreher, Packer, Fliessenleger, Rauchfangkehrer, Anstreicher und viele andere. Offenbar können Immigranten diese Lücken nicht ausfüllen. Ganz sicher können Immigranten jenen Beruf nicht ergreifen, den das Kapital am dringendsten sucht. Ganze Plantagen von Stellungsangeboten fragen nach Talenten, die den Menschen einreden können, allerlei unnötigen Kram zu kaufen und die Berge surrealer Produktion abzutragen. Sales Manager heisst diese Position.

7. Die neue Spezies Mensch
Die Zukunft des Sozialdarwinismus


In dem bunten Kleidern des Neoliberalismus verbirgt sich das Skelett der Sozialdarwinismus, der durch die Globalisierung weltweit verbreitet wird. Das Gesetz des Stärkeren wird heimlich exekutiert, denn wenn es gelten soll, dann kann Demokratie nicht gelten. Immer öfter kommt es vor, dass die Stärkeren, die Gewinner oder die Konzerne ihre Interessen auch gegen eine Mehrheit durchsetzen. Wir sind in den Dschungel zurückgekehrt. Der Pithe-canthropus winkt uns vom Bildschirm leutselig zu. Hinter der schnatternden Marktwirtschaft übt man Selektionen. Bindungslose Lohnvagabunden folgen den Bewegungen des Kapitals. Statt Diskurs und Diskussion sind nur mehr Gestammel und Geplapper zu hören. Alles wird zur Reklame für den Status quo. An allen Orten wird die Schönheit geltender Ordnung abgenickt. Gewaltig und in allen Farben entfaltet sich im Kaleidoskop des Seienden die grosse Bejahung. Das Thema Nr.1 steht auf auf wie eine Echse im Urschlamm, die mit ihren Tatzen jeden Zweifel niederschlägt. Es ist gut, dass es so ist, wie es hier und heute ist. Das Seiende ist O.K. Eine Milchstrasse aus Übereinstimmung wird gebaut. Man talkt rund um die Uhr, um das grosse Ja-Wort zu befestigen. Tosende Symphonien besingen die Fussnote als Dogma. Ein Tsunami der Affirmation fegt jede Kritik in einen Ozean des Applauses. Tiefdruckgebiete medialen Chloroforms liegen über den verstümmelten Hirnen. Tosendes Geschwätz führt zu kapitaler Narkose. Von allen Seiten tönt das grosse, schallende Ja. Überall donnern Choräle, die alle dafür sind. Das, was war, ist gut und gerecht, weil es sich hier und nicht woanders befindet. Der Telefaschismus lässt uns nur mehr die Wahl zwischen Star-Mania und Dancing Stars.

Schamlos triumphiert das Uneigentliche. Es gibt keine Wirklichkeit mehr. Alles ist als ein Event den Klatschzentren verkauft worden. Das Fuzzelchen zieht als Atombomber über die abgesaugten Ebenen. Das Eigentliche hat Schiffbruch erlitten. Das Schweigen über das Wesentlichen wird durch eine schallende Laudatio auf Beistriche übertönt. Die Zustimmung wird genau kontrolliert. Noch nie war die Kontrolle so umfassend und so wenig spürbar. Dankbar glucksen die Menschen unter den neuen, süssen Fesseln einer dreckverschmierten Elektronik. Die rückgeführten Affen sind ja so glücklich, dass sie nun mobil schnattern können. Tausend Instrumente der Kontrolle verzahnen sich gegen die neuen Dissidenten. Über elektronische Lebensspiele werden kritische Energien in das Meer von Internet geleitet. Bunter Ethnos taumelt auf den Strassen. Der alte Kontinent ist inkontinent geworden. Die Formen der Demenz sind vielfältig. Mikrozephale verrenken sich. Schwachmatiker wollen die stärksten sein. Allerlei Menschenvieh arbeitet sich ab, um die Nr.1 zu werden. Der Sozialdarwinimus zwingt die Idioteska zu ewigem Kampf. In tausenden Disziplinen des Stumpfsinns winken Preise und erste Plätze. Im Fernsehen sind Bataillone von Maulaffen angetreten. Berufsidioten wollen für ihr Gestammel höhere Honorare. Schwer Geschädigte begehren zur besten Sendezeit, eine Aussage zu machen. Halbaffen kreischen im Originalton, während Trotteltiere unbekannte Rechte einfordern. Dumpfbirnen diskutieren brüllend mit kopfkranken Deliranten. Ferkeltypen grunzen im Orignalton. Hirnochsen wollen publizieren. Supersepp will Model werden. Irrsinn, Schamlosigkeit, Hirndreck und Lärm nisten in den Eingeweiden dieser Gesellschaft. Grösser, schneller, höher, mehr und noch mehr. Millionen von Rekorden! Kein Halt! Keine Grenze! Millionen und Milliarden. Nur das Beste und das Teuerste! Man ist mit dem eigenen Körper nicht mehr zufrieden. Man will ihn modifizieren, ausdehnen und verändern. Charles Darwin hat beschrieben, wie durch ungezählte Veränderungen und Modifikationen eine neue Spezies entstand. Sehe ich den Lifeball im Wiener Rathaus oder die Love-Parade in Berlin, so ist mir, als ob diese neue Art Mensch schon da ist. Zwischen 1968 und heute liegen Jahrhunderte........


Photo by Fred Askew

Reverend Billys Stop Shopping Church


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