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Das Netz - eine kritische Zwischenbilanz


Geschäft, Information, Netzkultur, Netzkunst

© by Franz Krahberger

Die virtuelle Welt des Netzes versammelt Informationen aller Art, geschäftliches, informatives, mitteilsames, privates, wissenschaftliches, kulturelles, neumediales, literarisches, brisantes, beliebiges, wesentliches, unwesentliches, pornografisches, religiöses, philosophisches, zeitaktuelles, kriminelles und unter vielem anderen offizielles.

Für den Informatiker sind es schlichte HTML-Dateien, diverse Video und Audiodateien. Der Inhalt kümmert ihn nicht. Er sieht das Netz vor allem in seiner Verbindungs- und Übermittlungs- funktion, aus dem Blickwinkel der medialen Präsentation und der Interaktivität, als Datenmengen, nach selektiven Kriterien, nach Funktionen des Erfassens und des Auswählens.

Künstler, PR- und Werbeleute, Medientheoretiker preisen die revolutionären Perspektiven des Internets, entwerfen virtuelle Welten und beschwören erneut den Techniktraum dieses Jahrhunderts. Die Einflussphären der traditionellen Medien wie TV, Rundfunk, Presse werden in Frage gestellt und tatsächlich gibt es bereits merkbare Verschiebungen der Konsumentenströme vom TV hin zum Internet. Nicht nur das der Verkauf von PC jenen von TV Geräten im Jahr 2000 überholen wird, verbringt heute bereits eine wachsende Anzahl von Menschen mehr Zeit im Internet als vor den TV- Schirmen. Dort wo sich viele Menschen versammeln, werden alsbald die Signale und Botschaften der Marktwirtschaft ausgesandt.

All jene, die noch glauben, ihren gesellschaftlichen Utopien und künstlerischen Visionen mittels der Neuen Medien einen uneinholbaren Vorsprung erringen zu können, sind schlecht beraten. Die realen Verhältnisse bestimmen auch die virtuellen. Das Internet als Ort einer fröhlichen, anarchischen Gemeinschaft von Wissenschaftlern, Freaks und Medienkünstlern, die einer von Besitzverhältnissen freien Gesellschaft zustreben ist passe.

Dort wo Besitz- und Machtverhältnisse einziehen, werden die Grenzen erneut gezogen. Wirtschaft- und Grossprovider werden künftig den Charakter des Netzes entscheidend bestimmen. Der öffentliche Sektor hat seine Möglichkeiten zu wenig und vor allem zu langsam wahrgenommen. Die vielen kleinen Initiativen werden voraussichtlich ökonomisch nicht durchhalten.
Längst finden Verdrängungswettbewerbe unter den Providern statt, die grössere Verbände entstehen lassen, gegenüber denen kleine und mittlere Anbieter kaum mehr Chancen haben . Unter den kleinen geht die Angst um, weil sie einfach die finanziellen Mittel für eine langfristige Aufrechterhaltung des Betriebes und des Angebotes nicht aufbringen können bzw. den Ausbau ihres Angebotes bereits eingestellt haben, vielleicht auch deswegen, weil die erhoffte und ersehnte Resonanz ausgeblieben ist und zwangsläufig der Euphorie und dem emphatischen Handeln die reale Einschätzung folgt.
Für viele war das Internet eine Chance, gegenüber den traditionellen Medien mit geringen Mitteln potentielle Öffentlichkeit zu erreichen, aus dem öden Einerlei der Kabelprogramme und der Printmedien auszubrechen, einen virtuellen Traum zu träumen und gleichzeitig mit eigenem Angebot real präsent zu sein.
Sie waren die eigentlichen Schrittmacher der Vernetzung, die das Net aus dem akademischen Raum in den breiten öffentlichen getragen haben. Sie waren die ersten Siedler des elektronischen Kontinents und haben die Neugier einer grossen Öffentlichkeit geweckt. Jetzt müssen sie erkennen, dass ihre Kräfte begrenzt sind und sie gegenüber Kapitalinteressen nicht bestehen können.
Das entspricht dies der tragischen Rolle aller fortschrittlichen Initiativen in Gesellschaft, Kunst und Kultur. Eine kleine Avantgarde macht ein neues Feld publik, gestaltet es mit. Mit dem wachsenden Interesse der Massen wächst die Begehrlichkeit kapitalkräftiger Investoren, die das Feld dann unter ihren Einfluss bringen und nach ihren strengen Regeln und vor allem mit ihrer finanziellen Kraft bewirtschaften.

Noch ist jedoch nicht klar ob sich mit dem Netz auch jene Entertainmentkriterien und Infotainmentqualitäten entwickeln lassen, die den Zuspruch der Massen finden werden. Fast jedes Unternehmen das auf sich hält, hat eine virtuelle Auslage eingerichtet, in der ihre Produkte präsentierten, zum Teil bereits mit elektronischen Warenkörben für den On-Line Handel ausgerüstet. Wissenschaftliche und öffentliche Institutionen berichten über ihre Aktivitäten und im staatlichen Bereich werden die Grundlagen für bürgernahe elektronische Information und Verwaltung gelegt

Selbst verständlich rechnet es sich für ein paar Prospektoren der ersten Stunde, die im Aufwind zu Einfluss und Vermögen gelangen. Und es mag vielleicht ein paar Netzpiraten geben, die ihren desperaten Status in einen respektablen Beraterrang um- zuwandeln imstande waren.

Radikale halten gegenüber der fortschreitenden Kommerzialisierung Subversität für angebracht. bringen Infoterror und Infowar ins Spiel, num eine vermeintlich freie und nun wieder vereinnahmte Zone zu verteidigen. So wurde anlässlich der Ars Electronica 98 in Linz nicht nur der mediale Krieg profund diskutiert. Der holländische Netzaktivist Lovink hat gar in diesem Rahmen einen Info Weapon Contest ausgerufen.
Der Wiener t0 Server, versendet regelmässig Hassmails an den vermeintlich alles erdrückenden grossen Bruder Micro Soft Gates.
Der Server führt eine Leiste Info Terror, bringt umfangreiche Mitteilungen zum Thema Info War, sein Leiter lässt auf einer Londoner Website wissen, dass er quasi ein Medien Guerillia Camp führt. Man beschäftigt sich mit dem Datenunter- grund, mit dem Phänomen des Hackers und ähnlich virtuell Widerständigem Besonders auffällig ist, dass sowohl die Linzer Veranstaltung wie auch der Wiener Server ein Electronic Konzern sponsert, der zur Zeit in allen möglichen Zeitschriften Inserate, in denen Sicherheitseinrichtungen für Netzwerke feil geboten werden, schaltet. Wenn schon der Netzwerkalltag nicht auf Netzkrieg schliessen lässt, Einbrüche am eigenen Server bislang nicht vermerkt werden konnten, sorgt zumindest der schrille Hype Diskurs der Medienkunstszene für die nötige öffentliche Sicherheitshysterie, die dann entsprechende Verkaufszahlen bei den Herstellern und Anbietern von Netz Sicherheitstechnologien garantiert. Ich unterschätze die Sicherheitsproblematik im Netz generell nicht, finde es doch höchst merkwürdig, dass die Medienkunstszene sich mit diesem Problem aus der Perspektive der Kriegsführung, wenn auch nur des virtuellen Krieges,beschäftigt, und nicht etwa die potentielle Kontrolle über eine breite Öffentlichkeit, der das Internet als kommunikationssteuerndes Medium erst ins Einfamilienhaus steht, diskutiert.

Man trifft im Netz auf groteske Ideen, seltsame Gedankengänge und obskure Websites und fast allen bekannten Hoch- und Subkulturfiguren, positiven wie auch negativen Erscheinungen ist ein kleiner digitaler Web Altar eingerichtet, bereitet von Fans, die dafür sorgen, den Ruhm ihres Idols zu mehren und umgekehrt es nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Das Internet bietet generell mehr Alltagskultur als etwa originäre und anspruchsvolle Medienkunstprodukte. Es ist ein breites Feld privater Selbstdarsteller, die uns über ihre persönlichen Vorlieben berichten, ihre liebsten Links mitteilen und uns ahnen lassen, dass wie uns auf einem elektronischen Boulevard, auf einer virtuellen öffentlichen Meile bewegen, die ebenso schräg und schrill wie das ganz normale Leben auch sein kann.

Weder die Rechts- noch Linksradikalen fehlen. Von einer Vorherrschaft der Rechten über das Netz zu sprechen , wäre jedoch verfehlt.
Die Inhaltsebene des Netzes unterscheidet sich nicht wesentlich vom Informationsangebot in den Print Medien.
Die Nutzung von Information im Netz ist jedoch zeitökonomisch sinnvoll , weil man unabhängig von Ort und Zeit auf wissenschaftliche, politische und gesellschaftlich Inhalte zugreifen, ohne mühselig in Archiven, Bibliotheken recherchieren zu müssen. Die Menge und Vielfalt an Information ist derartig angewachsen, dass in fast allen Fragen erste Informationen eingeholt werden können, die man dann speziell noch mit Recherchen in Bibliotheken und Zeitungsarchiven ergänzt.
Damit ist es leichter geworden, den thematischen Rahmen abzustecken.
Durch diese vielfältige und in der Qualität unterschiedlichen Quellen gewinnt man sogar eine Verdichtung des jeweils zu bearbeitenden Themas, da man zusätzliche Facetten und Überschneidungen erfährt, denen man sonst vielleicht nicht so sehr Aufmerksamkeit entgegengebracht bzw. entgangen wären.
Es ist auch leichter geworden, per e-mail mit Fachleuten in Verbindung zu treten und so zusätzliche Informationen, so man als Gesprächspartner akzeptiert wird, einzuholen bzw. im direkten Wege zu überprüfen.

Das Wesen des Internets liegt also nicht unbedingt in der inhaltlichen Qualität angebotener Information.
Es ist vielmehr die Form des Zugangs zur Information, die Möglichkeit des Zugriffs auf vielfältige Informationsangebote, deren Umfang und Tiefe selbstverständlich vom Angebot abhängig ist, in der Interaktivität der Nutzung, die auch direkte Anfragen erlaubt.

An dieser positiv zu bewertenden virtuellen Informationsstruktur wird auch die unaufhaltsam Dynamik des globalen und multimedialen Marktes wenig ändern. Diese Informationsstruktur, die lange Zeit vordergründig erschien, wird zwar in der anwachsenden Fülle nur mehr eine Nische ausmachen. Doch ist anzunehmen, dass die, die daran inhaltliche profitierten, versuchen werden, diese Struktur mit allen Mitteln aufrecht zu erhalten und einen Qualitätsverlust weder durch öffentliche Regulierungsversuche noch durch das kommerzielle Breitbandangebot hinnehmen werden.

Kriminelle Abweichungen dienten dazu, den Ruf nach ausgedehnter Kontrolle zu rechtfertigen.
Die ursprüngliche Freiheit des Internet wurde missbraucht. Die Anonymität des Netzes wurde sowohl von politisch Radikalen benutzt, ihre menschenverachtenden und demokratiefeindlichen Ideologien zu verbreiten und von sexuell schwer gestörten Personen missbraucht, um ihre abartigen Begierden in Wort, Bild und Ton auszutauschen bzw. virtuelle Treffen zu veranstalten.

Das liegt daran, dass das Internet als zensurfreier Raum erscheint, in dem jeder seine Inhalte selbst bestimmt. Das führt eben dazu, dass im Internet Inhalte anzutreffen sind, die gegen bestehende Gesetze und Ordnungen gerichtet sind.
Da sind einmal radikale politische Gruppierungen, die den Sturz der demokratischen rechtsstaatlichen Ordnung anstreben, rassistische Sites und solche die die Grenzen erlaubter Sexualität überschreiten bis hin zur schamlosen Ausbeutung von Kindern. Dagegen gerichtete Zensurmassnahmen in Form von staatsanwältlichen Eingriffen entfachten grosse Proteststürme und erzeugten andererseits eine negatives Bild in der breiten Öffentlichkeit, die dem Image des Internets eher abträglich ist. Ursprünglich wurde das Internet als rechtsfreier Raum angesehen war, in dem es unter anderen auch keine Möglichkeit gab Urheberrechtsverletzungen zu ahnden.
Die allgemeine Tendenz geht jetzt dahin, die bestehende Rechtslage auch auf das Netz auszudehnen.
Damit geraten all jene Inhalte und Handlungen unter Beschuss, die der allgemeinen Rechtsauffassung zuwider handeln. Grosse Medienkonzerne klagen die Verwendung von urheberrechtlich geschützten Materialien ein, Firmen verwehren sich gegen die Verwendung ihrer Marken und Images in kritischen Kontexten und drohen mit hohen Entschädigungssummen, die so hoch angesetzt sind, dass sie den Serverbetreiber auf jeden Fall in den Ruin stürzen würden. Der Serverbetreiber wird in die Pflicht genommen und für den Inhalt der von ihm unterstützten Sites verantwortlich gemacht. Der hingegen versteht sich als nur als neutraler Betreiber einer Trägerstruktur und verteidigt sich etwa mit dem Argument, dass auch die Post nicht in die Pflicht genommen werden kann, wenn eine kriminelle Vereinigung via Telefon ihrer nächsten kriminellen Akt abspricht.

Es wird kaum jemanden geben, der die Existenz von kinderpornographischen Materialien im Netz verteidigen wird, ebensowenig lässt sich eine radicale Site rechtfertigen, auf der unter anderem Anleitungen zum Entgleisen von Eisenbahnzügen zu lesen waren. In beiden Fällen ist die Staatsanwaltschaft eingeschritten und hat strenge Grenzen gezogen. Gerichtlich werden also Inhalte verfolgt und untersagt. Das ist ein klarer Fall von völlig gerechtfertigter Zensur. Es werden öffentliche Grenzlinien gezogen, in denen es nicht um guten oder schlechten Geschmack geht. Das ist richtig so. Vor allem diesen Erscheinungen ist es zuzuschreiben, dass das Internet in den anderen Medien und damit in der öffentlichen Meinung in schiefes Licht geraten ist. Es ist durchaus anzuraten, diesen Missbräuchen kritisch und ablehnend gegenüber zu stehen, da sie grundsätzlich verachtenswert sind. Sie bewirken die Kriminalisierung des Internets und schwächen so ehrliche Bemühungen, die von der grossen Mehrheit der Internet Anbieter und deren User in vielfältiger und zeitaufwendiger Eigeninititative gesetzt werden. Toleranz ist ein hohes Gut unseres zivilen Lebens, sollte jedoch gegenüber menschenverachtenden und menschenfeindlichen Aktivitäten nicht geübt werden. Toleranz ist nicht Gleichgültigkeit.

Im Zuge dieser Verfahren gab es Anklagen gegen Provider, die den Bestand von kinderpornografischen Materialien in ihrer Domain zugelassen hatten, mit entsprechenden Verurteilungen.
Die Provider verteidigten sich damit, dass es sie nichts anginge, was den ihre Kunden der Öffentlichkeit mitteilen, dass der Betreiber einer Site selbst verantwortlich wäre. Das ist nun ebensowenig bestreitbar. Nur, wenn es um verbrecherische Inhalte geht, kann sich der Provider dem Vorwurf der Mithilfe und der Vorschubleistung nicht entziehen. So kam es auch zu entsprechenden Verurteilungen.
Die Provider wissen nun, dass auch sie zur Verantwortung gezogen werden können.

Das vielfältige und weitgehend durchkommerzialisierte pornographische Angebot trägt ebensowenig zur Verbesserung des Rufs des Internets bei. Bei Eingabe der entsprechenden Codierung XXX antwortet die Suchmaschine Altavista derzeit mit über 3, 5 Millionen Sites.
Doch damit wird man leben müssen und es steht jedem frei, derartiges zu meiden. Kommerzialisierte Sexualität und Pornographie ist nicht nur eine Erscheinungsform des Internets, sondern hat sich insgesamt in der Öffentlichkeit breit gemacht. In Form vieler bunter Heftchen, die offen an Kiosken verkauft werden, Videos, die offen im Versandhandel angeboten und in den Fernsehkanälen vor allem marktwirtschaftlich orientierter Sender. Auf Telekabel läuft derzeit 24 Stunden, also ununterbrochen, ein Hard Core Sex Kanal, in dem keine Stellung, keine Handlung von den Akteuren ausgelassen wird, leicht verzerrt und schwarzweiss, doch alles genau sichtbar und erkenntlich. Für einen entsprechenden Aufpreis gibts einen Decoder, der das Schwarzweissbild in Farbe verwandelt und den zugehörigen Ton mitliefert.
Nur, ich habe nichts davon gehört, dass Telekabel deswegen öffentlich angegriffen worden wäre. Künstler und Künstlerinnen, die das Thema Sexualität aufgreifen und verarbeiten, kommen hingegen sehr leicht unter Beschuss von Sittenwächtern, besonders dann, wenn öffentliche Fördermittel im Spiel sind.
Unsere Gesellschaft hat eine doppelbödige Moral entwickelt, die nicht mehr an die Moralvorstellung der Religion geknüpft ist, an gesellschaftliche Anstandregeln sich hält, sondern sich an der Herkunft des Geldes orientiert. Privat oder staatliche Mittel, das ist hier die Frage, und nicht ob erlaubt oder nicht erlaubt.

Österreichische Beamte gerieten kürzlich in grosse Schwierigkeiten, da man ihnen auf die Schliche kam, dass sie während ihrer Dienstzeit mittels des bundeseigenen Internetanschlusses Porno Sites aufgesucht hatten.
Dieser Vorgang machte auch jedoch nach aussen hin auch erstmals einer breiten Öffentlichkeit deutlich, dass man mittels Log Protokollen, die am Server laufen, höchst genau nachvollziehen kann, wer was wann ansieht. Das Internet ermöglicht erstmals, und das war jedem Informatiker, der sich in der Konfiguration eines Servers halbwegs auskennt, bekannt, das Lese- und Zugriffsverhalten eines Users penibel aufzuzeichnen.Das halte ich eigentlich für die grössere Problematik, als die Betrachtung von tits & cants durch irgendeinen Beamten welchen Ministeriums auch immer.
Das lässt uns einen Blick auf die Möglichkeit bestehender und künftiger Überwachung zu und wir müssen uns darüber bewusstwerden, das wir die Voraussetzungen unserer eigenen Überwachung durch unsere Teilnahme am Netz selbst mitschaffen.

Diese Möglichkeit der globalen Kontrolle ist wenigen präsent und bewusst. So beginnt sich ein Feld begrenzter Öffentlichkeit abzuzeichnen, eine Entwicklung, die dazu führen kann, dass Inhalte mit kritischen Tendenzen vom Provider mit missliebigen Augen betrachten, weil er fürchtet, dass sie ihm Schwierigkeiten einbringen. Er könnte sich eine Art Herausgeberinstanz anmassen, die ihm eigentlich nicht zusteht, zu der er keine Kompetenz besitzt.
So berichtet die Wiener Zeitung über eine groteskes Beispiel von Netzzensur seitens eines Providers gegenüber ihrer Internetseite. Ein user konnte von der aufgerufenen Front Site der Interausgabe der Wiener Zeitung nicht weiter zugreifen. und es wurde ihm auf Anfrage von seinem Provider beschieden, daß der Internet-Zugang des Unternehmens mit einer automatischen Sperre für pornographische Angebote ausgestattet sei. Dem Herren dürfte dabei nicht bewusst gewesen sein, dass er damit die offizielle Publikation der Republik Österreich aus dem Verkehr gezogen hatte.
Der zuständige Redakteur der Website der Wiener Zeitung ging der Sache nach und bemerkte, dass einer der Ordner in dem webtechnische Software- Werkzeuge lagerten mit XXX ausgezeichnet war, ein Kürzel das allgemein erotische Angebote signaliert. Offensichtlich setzt sich jener Provider mit automatischen Suchläufen über den Content von Servern in Kenntnis und entscheidet, ohne weiters nachzusehen nach entsprechenden Formen. Suchmaschinen und Agenten können jedoch nur logische Formen, einzelne Begriffe , aber keine Sinnzusammenhänge erkennen .

Einen lehrreicher Vorfall ereignete sich auf dem Thing Server. Ein junger österreichischer Künstler unterstellte den Mattel Puppen Ken & Barbie, HIV positiv zu sein. Ein rein symbolischer Vorgang, der der Realität in keiner Weise entsprechen kann. Trotzdem fürchtet Mattel eine Herabwürdigung seines Images und seines Produktes und droht den Serverbetreibern mit einer Klage in einer Höhe, die existentiell ruinös ist. Der Betreiber entfernte im Einverständnis mitt dem Künstler die Site aus dem Netz. Selbstverständlich gab es auch Meinungen, die zur Kompromisslosigkeit geraten haben, die die Freiheit der Meinung und die Freiheit der Kunst in Frage gestellt sahen. Allerdings haben alle eingesehen, dass ein Prozess gegen Mattel aussichtslos und ruinös gewesen wäre.

Die Zensur-Diskussion ist eine Auseinandersetzung um Inhalte und nicht um die von technischen Möglichkeiten.
Und natürlich ist es auch eine Auseinandersetzung um Machtverhältnisse, die jedoch, entsprechend dem Zeitgeist, permanent durch den emotionalisierenden Skandal verdeckt und verzerrt wird.
Um eine Zensurdebatte wirklich sinn- und wirkungsgvoll zu diskutieren, müssten wir ernsthaft über die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen reden.
Dieser Diskurs wiederum führt uns auf eher traditionelle Felder, mit gesellschaftspolitischen und moralisch, ethischen Inhalten.
Es geht keineswegs um einen diffusen Freiheitsbegriff, hinter dem sich alles mögliche, auch das Verbrechen, verbergen darf. Vor allem der Hedonist nutzt den diffusen Freiheitsbegriff, um keinesfalls in die gesellschaftliche Pflicht genommen zu werden und auch dem politischen Radikalen ist er genehm, in dem er durch das öffentliche Anprangern von angeblichen und bestehenden Repressionen seine Vorstellung von Macht umsetzen und durchsetzen will. Derartige Entscheidungen können nicht Providern allein überlassen werden. Über kurz oder lang wäre die freizügige Welt des Internet durch willkürliche und meist unüberlegte Entscheidungen zerstört.

Die Kontroll-und Eigentumsrechte werden zugunsten einer diffusen Virtualität von Gemeinschaft verwischt, die so nicht existiert. Wie überhaupt das Gemeinschaftsgefühl im Netz überbewertet wird. Der Cyborg, also jener propagierte neue Mensch_Maschinentyp, der seine Zeit vor allem vor dem Schirm und im Netz verbringt, der alle seine sozialen Kontakte weitgehend der virtuellen Welt überantwortet, ist ein Wahrheit einvereinzeltes, vereinsamtes Wesen, der die Welt nur mehr als vorüberziehende Reflexion von Daten, Information, als völlige künstliche Bilder und Textflut erfährt und sich aus den normalen vielfältigen Wahrnehmungen des Lebens selbst ausblendet, enfremdet.
Er(Sie) wird eins mit etwas, dass ihr(ihm) nicht gehört, auf das nur begrenzt Einfluss genommen werden kann, eben nur in jenen Aktivitätsgraden, die andere zulassen und bestimmen.Der Cyborg unterscheidet sich in seinem Konsumverhalten vom chronisch TV_ Süchtigen nur durch die unterschiedliche Funktionalität des Mediums.
Selbst der Real Time Chat, der sowohl offenen Dialog, Multilog wie auch die Entwicklung künstlicher Identität ermöglicht, ist virtuelle chimärische Existenz. Medienkünstler und Medientheoretiker haben im letzten Jahrzehnt viel Phantasie und vorgeblich analytische Einsicht darauf verwandt, diese künstlichen Welten als überlegenen avantgardistischen Fortschritt darzustellen. Doch die reale Erfahrung, die damit verbundene auf den Monitor redimensionierte Erlebniswelt bestätigt diese erhobenen Ansprüche und eröffneten Aussichten keineswegs.
Ich werde den Verdacht nicht los, das viele dieser Medientheoretiker und Medienpraktikanten nichts anderes tun, als die Phantasien der Werbe- und Marketingabteilungen der Elektronik- und Softwarekonzerne mit allen möglichen Utopien zu vermengen und zu perputieren und die Welt zu einer gigantischen kulturellen Eigenleistung zu stimulieren , die in einer eigenartigen Parallelstrategie zur Errichtung einer umfassenden technischen Infrastruktur, die wir selbst bezahlen und der wir auch noch eigenen Content zu liefern haben, geführt hat.
Der Vorgang ist nicht neu und entspricht durchaus der Einführung, Durchsetzung und Ausweitung des Telefons, ein Vorgang, der, wie wir heute wissen, noch längst nicht abgeschlossen und mit den Einführungen zur globalen punktuellen Erreichbarkeit führen wird. Auch hier können, wie wir aus der Vorfolgung von Telefonanrufen im Rahmen der Rieger Bank Affäre, bereits Bewegungs- und Aufsichtsprotokolle erstellt werden.
Wir müssen die technischen Hilfsmittel selbst erwerben, den Erhalt und die Nutzung der Infrastruktur bezahlen und den Content, das Gespräch, selbst beisteuern. Die wahre Erfüllung des Bedürfnisses ist ja nicht der Besitz eines Telefons, sondern die Möglichkeit von Kontakten und die Gespräche, die damit abgewickelt werden.
Das entspricht durchaus kapitalistischem Kalkül. Ein erfolgreicher und gewinnträchtiger unternehmerischer Vorgang wälzt alle entstehenden Planungs-, Herstellungs-, Distributions-, Verwaltungs- und Betriebskosten auf den Endverbraucher ab und erwirtschaftet dabei noch einen Überschuss, den unternehmerischen Gewinn. Aus kapitalistischer Sicht sind all diese Vorgänge richtig angelegt und phänomenal erfolgreich.
Zunehmend sind wir bereit, die Auswirkungen technologischer Innovationen als kulturelle Leistung anzuerkennen, und davon wird ja auch mehrheitlich der neumediale Diskurs bestimmt, der selbst immer wieder nach neuen Rechtfertigungstheorien verlangt und diese auch hervorbringt.
Es ist kein Sakrileg mehr, den Wert der traditionellen Künste zu bestreiten. Es ist vielmehr Sakrileg geworden zbsp. Medienkunst und Medienkultur anzuzweifeln. Und, Kunst und Kultur haben sich in einem Ausmass mit der Marktwirtschaft verbündet, dass traditionelle kulturelle Vorstellungen und klassische Produktionsformen von Kunst längst gesprengt hat.
Diese Widersprüche von Kunst- und Kulturauffassung und marktwirtschaftlichen Vorstellungen werden im Bereich der öffentlich staatlich geförderten Kunstproduktion im Verhältnis zum freien Markt sichtbar.
Der öffentliche Bereich fördert eher die individuelle Ansicht, einen elitären Bereich, der sich durch forcierte Zuspitzung definiert, während die marktwirtschaftliche Orientierung Produkte forciert, mit denen sich möglichst grosse und auch zahlungsfähige Bevölkerungsgruppen identifizieren können. Selbst das hochqualitative Mode-Designeprodukt ist heute an grossen Verkaufsmengen orientiert, die sich in der globalen Wirtschaft auch erzielen lassen. Die Exklusivität ist bei weitem nicht mehr oberstes gesellschaftliches Gebot. Erfolg definiert sich durch Umsatz, Reichweite und Gefallen des Publikums. Geschmack kann nicht verordnet werden.
Da ist ein grosser Unterschied zwischen marktwirtschaftlicher Kulturauffassung und traditionellem Kulturverständnis mit all seinen Leitbildern, Wertvorstellungen und seinem auf klassische Ewigkeit abzielenden Gültigkeitsanspruch.
Darin spiesst sich der öffentlich rechtliche Bildungsauftrag, der einem Bildungsideal nachhängt, dass im realen Leben längst nicht mehr gefordert ist und das auch keine reale Entsprechung mehr hat. Hier haben Verschiebungen stattgefunden und niemand diskutiert heut noch ernsthaft die Trennung von ernster und unterhaltender, von Hoch- oder Massenkultur.

Kritisch wird es allerdings auch für die Wirtschaft, wenn grundlegende Kulturtechniken verkommen oder nicht mehr von den staatlichen Stellen ausreichend vermittelt werden. So musste eine österreichische Bank jüngst feststellen, das nicht einmal 10 % Prozent jugendlicher Bewerber über ausreichende Kenntnisse in Rechnen, Schreiben und Lesen nachweisen konnten und diese Bank nicht einmal bei einem 10 fachen Überschuss der Bewerber die Anzahl der eingeplanten Lehrlingsstellen besetzen konnte.
Wenn diese Entwicklung wesenshaft wird, wird auch die Reproduktion von Wirtschaft dauerhaft in Frage gestellt. Die Frage nach kultureller Allgemeinbildung wollen wir in diesem Zusammenhang gar nicht mehr stellen.

Handeln in der Marktwirtschaft setzt ein Produkt voraus. Das kann sowohl ein praktischer wie auch ein künstlerischer Wert sein.
Da passiert jedoch im Kreislauf des Internets etwas eigenartiges. Der tatsächliche Content setzt sich aus Information unterschiedlichster Art, aber auch aus wissenschaftlichen, literarischen Texten, künstlerischen und kulturellen Inhalten und aus neumedialen Konstrukten zusammen, also meist Informationen und Inhalte die auch auf anderen Trägermedien erscheinen und erschienen sind. Nur die Inhalte der klassischen Trägermedien sind zu bezahlen, ob dies nun in Buchform, Videoaufzeichnung, oder Konsumtion des öffentlichen Rundfunks- oder Fernsehen passiert. Für jede Zeitung, für jedes Printjournal muss der festgelegte Marktpreis entrichtet werden.
Nur im Internet sind die Inhalte frei verfügbar und nichts deutet darauf hin, dass eine entsprechende Abgeltung durch den Endverbraucher in Sicht ist.
Der Endverbraucher bezahlt den Zugang zum Internet. Er muss sich eine Ausrüstung anschaffen, den Provider bezahlen und vor allem seine Telekom-Gebühren entrichten. Doch er bezahlt nichts für Inhalte. Das ist auf Dauer für den Hersteller von Inhalten ein unhaltbarer Zustand. Und doch lebt das Netz von diesen freiwillig und freizügig zur Verfügung gestellten Inhalten, die durchaus auch hohe Qualität haben und nicht nur zum Datenschrott sind.
Man hört oft die Klage, dass das Internet mehrheitlich Datenmüll beinhalte. Diese Kritiker vergessen, dass sie den Anbietern von Inhalten nichts bezahlen.
Auch hier wird der Vorrang des Distributors, der Funktionalität vor dem eigentlichen Inhaltsproduzenten bestätigt.
Nur seitens der deutschen Telekom habe ich gelesen, dass sie bereit ist, Inhalte zu sponsern, die Garant dafür sind, dass auch künftig der Gebührenzähler des Telefonanschlusses läuft. Als ich ein ähnliches Ansinnen an die österreichische Post herantrug, erntete ich bloss Erstaunen und völliges Unverständnis.
Das Netz bringt viel Geld für die Telekom, für die Computerhersteller sowohl im Hardware wie auch Software, für Programmierer und Website- Gestalter. Es bringt finanziell nichts für die Inhalteanbieter, die andererseits von dieser Form medialer Präsenz fasziniert sind. So nehmen sie die Mühe auf sich, ihre Projekte aus eigener Tasche oder über dritte zu finanzieren.

Die Angebote aus dem Wissenschaftsbereich werden mittelbar wiederum über die öffentliche Hand finanziert, ebenso wie ein Gros der technischen Einrichtungen, die auf Universitätsboden sich befinden und nach wie vor wichtiger Teil des Netzes sind, ebenso aus öffentlichen Mitteln bezahlt werden. In jedem anderen Wirtschaftsbereich müssen Leistungen penibel abgegolten werden, nur in der EDV-Branche ist es gang und gäbe, kostenlose Leistungen auf breiter Ebene zu evozieren und zu vereinnahmen und dabei auch noch Hard- und Software massenhaft zu verkaufen.
Da spielen Corporate Identifikationen eine Rolle, die über den jeweiligen Firmenrahmen weit hinausgehen. Das Entstehen einer neuen Kultur wurde vorausgesagt, eine wahre Revolution im menschlichen Umgang wurde vorhergesagt, und da durfte man natürlich nicht fehlen.

Es gibt unbestritten eine Menge nützlicher Aspekte,aber die wurden schon so oft hervorgehoben und propagiert, dass ich mir erlaube, im Rahmen dieses Textes nicht darauf einzugehen.

Was bleibt als wesentliches Zwischenergebnis dieses noch lange nicht abgeschlossenen Prozesses zu benennen. Ich meine, dass es die Vernetzung selbst ist. Das heisst, das entscheidende passiert auf der Ebene der Funktion und nicht auf der Ebene der Zeichen.
Günter Anders hat einmal über das Fernsehen gesagt, dass es nicht ein Fenster zur Welt wäre, sondern dass es die Welt, besser ein Vorstellung von Welt, ins Wohnzimmer brächte. Der und die Fernseher(in) werden in eine bestimmte vorgefertigte Vorstellung von Welt eingebunden.
Ähnliches passiert auch in der Vernetzung. Wir werden Teil eines grösseren Ganzen, das im Wege der Interaktivität vorgibt, aktive Teilnahme zu ermöglichen. Diese aktive Teilhabe ist jedoch ebenso fremdbestimmt wie der passive TV-Konsum. Mit dieser aktiven Teilnahme eröffnen wir jedoch Kontrollmöglichkeiten über unser Verhalten. Wir liefern uns aus. Wir erlauben letztendlich die Kontrolle unseres Interessenprofils, wie liefern uns einem Netz aus, in dem wir überwacht werden können.
Jeder der neben seinem aktiven Server eine Videokamera mit Blick in sein Büro installiert, eröffnet eine zusätzliches Kontrollfenster, wirkt mit an einem potentiell totalitären System, dass die Möglichkeit des Missbrauchs und totalitärer Machtausübung mit sich bringt.
Die Medien insgesamt nehmen längst zu viel Zeit der Menschen in Anspruch. Wir leben in einer medienzentrierten Gesellschaft, die Menschen täglich viele Stunden an das TV-Gerät bindet, an den Monitor am Arbeitsplatz bindet. Der Monitor mit seiner flachen Darstellungs- und Organisationsweise wird zum vorherrschenden Blickwinkel der Weltdarstellung und der Lebensorganisation. Der fortgesetzte Prozess der medialen Zivilisation entzieht dem Menschen sowohl inneren wie äusseren Gestaltungsraum.
Diesem Prozess stehen wir hilflos gegenüber und wir sind immer Mitspieler, selbst wenn wir glauben etwa durch das Internet zu selbstständigen Akteuren zu werden. Bereits heute zeichnet sich eine mächtige Hierarchie von Kontrollinstanzen ab, beginnend mit jenen, die zumindest Serverhoheit besitzen.
Wir müssen sehr vorsichtig sein mit all jenen propagandistischen Versprechungen und utopischen Visionen die von einer qualitativ höheren Kommunikation, von aktiver direkter Demokratie künden, die im Computer den Quell aller künftigen Kreativität sehen, vor jenen Rezepten, die alle Probleme schon gelöst sehen, nur wenn sie in digitalisierter Form abgebildet sind.
Das ganze kann auch zu einer quälenden Abhängigkeit führen, zur weiteren Auflösung zwischenmenschlicher Beziehungen, zur Isolation und zu weiterer Zentralisierung von Macht führen kann. Die zentrale Macht legitimiert sich durch die Menge der Einzelnen ins Netz eingebundenen.

Insgesamt leben wir bereits in einer erlebnisarmen und streng durch regulierten Gesellschaft . Die Entwicklung von Event-Freizeit und Erlebnisparks beginnt nun diese Sehnsüchte zu vermarkten. Die käufliche Simulation soll die trübe Wirklichkeit ersetzen. Das Surrogat ist längst zu unserer kulturellen Haut geworden, die beliebig nach Mode und Vermögen abgestreift und gewechselt werden kann.
Das Internet wird mit romantischen Kategorien verklärt. Da gibts den Cybernauten anstelle des realen Astronauten, da wird gesurft, navigiert, da werden Weltreisen in Aussicht gestellt, Zugang zu allem und jeden und eigentlich passiert nichts anderes als das man vor einem Monitor sitzt und Daten fernsieht, in der Zwischenzeit multimedial aufgebessert und attraktiver gemacht, insklusive Ton und bewegten Bildern.

Die moderne Form von Herrschaft ist die scheinbare Beteiligung an der Macht und damit ist das Internet die zeitgemässeste Beteiligung an der Macht und am öffentlichen Raum, ohne dass die obersten Kontrollinstanzen den Mächtigen entgleiten.

Hier wird wahr, was das demokratische System immer schon erstrebt hat. Menschen gründen aus eigener Initiative einen Kommunikationsverband, haben Zugang direkt zu den Quellinformationen aller möglichen Institutionen, können dauerhaft ihre Meinung plazieren, haben das Gefühl ein eigenes Medium zu betreiben und nicht nur passiv zu benutzen. Kluge Politiker sind gut beraten, das Internet nicht zu regulieren. Es schmälert die demokratische Macht nicht, es stellt sie scheinbar unter Beweis.
Und, wie schon erwähnt, die selbstregulierenden Instanzen stellen die wirkliche Medienmacht nie in Frage stellen.

Formen also einer direkten Demokratie und genau das ist es auch, das uns die Medientheoretiker schon lange einzureden versuchen.
Die Gesellschaft wird sozusagen in ihren höchsten Versprechungen und Idealen gefordert. Der mündige Bürger bekommt endlich jenes Instrumentarium in die Hand, ihm die Möglichkeit öffentlicher Dimension zu erschliessen, die dem Stammtisch weit überlegen ist.

Die direkte und aktive Beteiligung ist so neu nicht. Die Forderung nach aktivem Mitspiel im Theater Ende der 60 er zielte auf die Einbindung von Zuseher(in) in einen aktiven politischen Bewusstwerdungsprozess. Warhol stellte die Video - Kamera mit einer fixen Einstellung auf und liess die Protagonisten so agieren, wie diese wollten. In seiner Zeitschrift Interview portraitierte er Szenegänger und Szenefrauen und machte sie für eine Minute lang berühmt. Joseph Beuys versuchte den Kunstbegriff dahingehend zu demokratisierte in dem er alle und jede(n) zum Künstler erklärte. Die Wiener Gruppe verfolgte bereits in den 60 er Jahre eine Strategie, mit der sie das Publikum in Akteure verwandeln wollten. Diese Bestrebungen hatten auch den Hintergrund, Bürger und Bürgerin in einen politisch aktiv handelnden Menschen verwandeln. Der Wirtschaft ist es bislang noch immer gelungen, derart basisdemokratische Ansätze zu ihren Gunsten zu kanalisieren.
Un Brecht hat bereits in den dreissiger Jahren seine auf Interaktivität abzielende Radiotheorie, die dann im Amateurfunk auch tatsächlich realisiert wurde.
Insbesondere die TV-Wirtschaft profitiert heute von Unzahl seichter Talksshow und der Gier des Publikums nach Selbstdarstellung. Auch das Internet lässt eine ähnliche Entwicklung absehen.

Die EDV Industrie stellt schlicht die Mittel zur Verfügung, um die Inhalte schert sie sich zurecht nicht, weil sie schon aus der Geschichte des Telefons weiss, dass es um die freie Nutzung einer Bühne geht und nicht um Vorschriften, wie man sich auf dieser Bühne zu verhalten hat.
Und sie wissen ganz genau, dass sie die Schlüsselmacht über das Medium nach wie vor in der Hand haben. Sie bestimmen die technischen Filter, die technologische Konstitution des Netzes. Unter dem Deckmantel der Verbesserung, der Innovation, schaffen sie den permanenten Wandel der Zugangsvoraussetzungen. Wer nutzt heute noch den unbequemen ftp Zugang ? Völlig veraltetes System. Jetzt haben wir alle Webbrowser. Also lieber Datenanbieter, wenn du am Ball bleiben willst, portiere deinen Datenbestand gefälligst auf einen Webserver. Alter Browser, keine Frames? Besorg dir die nächste Browsergeneration.
In kaum einem anderen Medium wird soviel über die technologischen Voraussetzungen und Neuerungen diskutiert, wie im Internet, in den computergestützten Medien. Nach dem die Computerindustrie die Bereitschaft der Benutzer erkannt hat, diesem Wandel mehr oder minder bedingungslos zu folgen, forciert sie die Veränderung, diese ist zu einem guten Teil des Geschäftes geworden.
Der Wettbewerb bringt eine Unzahl von Softwarevarianten hervor, eine Reihe von Tools, die einem ermöglichen ein html Dokument noch rascher zu generieren, die es erlauben grosse Seitenmengen zu navigieren. Niemand fragt, in welchem inhaltlichen Zusammenhang dieses Sites zueinander stehen. Ich habe über längere Zeit mit einem Programmentwickler zusammen gearbeitet. Kürzlich hat er mir ein Werkzeug präsentiert, mit dem beliebige Ebenen, Kapitel, Unterkapitel, Querverweise, dynamische Fussnoten generiert werden können, ohne sich weiterhin noch mit dem lästigen Html-Code abgeben zu müssen. Sozusagen den ultimativen Website Generator. Er hätte mir die Software wahrscheinlich kostenlos zur Verfügung gestellt, wenn ich mich bereit erklärt hätte, ein zehntausend Seiten Projekt zu verwirklichen um die Mächtigkeit des Tools unter Beweis zu stellen.
Ich habe abgewunken, weil ich nicht weiss, wie ich ein derartiges Projekt in einer ökonomisch vertretbaren Zeit verwirklichen sollte, weil ich nicht weiss, wo ich das nötige Material hernehmen soll und weil es ganz einfach einer unglaublichen Autorenarbeit bedarf, soviel Content herzustellen.

Die Konvertierung der traditionellen Kulturinhalte in Texten und Bildern auf die digitale Ebene bereitet kaum mehr Schwierigkeiten. Diese Riesendatensauger werden damit fertig. Nach wie vor Mühe wird die geistige Aneignung bereiten. Wir sollten wieder zwischen geistiger Aneignung und Daten- und Informationsverarbeitung konsequent zu unterscheiden beginnen.

Es kommt in diesem Zusammenhang im neumedialen Diskurs zu unzulässigen Verwischungen. Die technische Gestaltungsüberlegenheit im Netz zu erreichen stand im Vordergrund. Nun zeigt sich die Schwäche des medialen Diskurses, der meist nur auf Form, Funktion und Möglichkeiten aus war und inhaltliche Themen weitgehend ausgespart hat. Es ist überhaupt eine Schwäche des postmodernen Diskurses, nicht zu thematischen Spezifizierungen zu gelangen.
Fast jedes Medienkonzept, dass mir in den letzten Jahren zu Gesicht gekommen ist, behandelte Form und Strukturprobleme. Inhalte blieben weithin ausgespart. Thematische Verdichtungen waren kaum erkennbar. Der Diskurs folgt einer Tendenz der Auflösung , der Entleerung etwa im Sinne eines Flussers, eines Virilios. Jetzt steht die Szene geschockt und hilflos vor der Tatsache, dass es da ethische, moralische, ästhetische, geschäftliche Ansprüche gibt und ist auch nicht vorbereitet auf eine Auseinandersetzung mit konservativen und reaktionären Kräften, die dieses Vakuum zu nutzen beginnen.
Der künstlerisch kulturelle Diskurs ist generell zur Form des Skandals verkommen. Der Skandal ist der Gegenstand der öffentlichen Auseinandersetzung. Kunst und Kultur sind nicht das Thema. Diese Tendenz ist jedoch auch in allen anderen öffentlichen Bereichen zu vermerken und es verwundert auch nicht, das Künstler den Skandal bewusst herausfordern um überhaupt in die Sphäre des öffentlichen Diskurses zu gelangen, ja die Bildung von öffentlicher Meinung ist.
Die Gegenwartskunst ist vor allem mit der Eroberung des öffentlichen Raumes beschäftigt. Zu substantiellen inhaltlichen Auseinandersetzungen bleibt da keine Zeit mehr. Die Einbeziehung des Internets in die allgemein gültige Gesetzeslage, in die Rechtskonstitution unserer Gesellschaft ist bereist voll im Gange. Das war vorhersehbar und überrascht nicht. Kultur- & Kunstserver geraten ebenso in eine eigenartige Situation, in der auf konkurierende Gruppen, Lobbys, Verbindlichkeiten im Kulturbetrieb und auf den öffentlichen Raum vermehrt Rücksicht und Bezug nehmen müssen.

Die romantisch verbrämte Zeit der Medienfreaks und virtuellen Piraten geht dem Ende zu.
Der Hacker gilt vielen als Held und schleicht sich doch nur auf fremdes Territorium. Das Netz verführt offensichtlich zu dem Trugschluss, dass es kollektives Terrain ist, auf das jeder persönlichen Anspruch hat, noch dazu wo sich doch alles auf dem persönlichen Monitor darbietet. Ein geschützter Passwortzugang stellt eben nicht jene massiv wirkende Abgrenzung dar, wie es etwa das stählerne Schiebegitter eines Bankportals darstellt.
Alle treibt die Neugier an. Jenen, der die Netzsoftware so ausgelegt hat, dass sich mit ihre alle Zugriffe protokollieren lassen und nachvollziehbar werden und ebenso den, der das Netz als unbegrenztes Jagdrevier ansieht, in dem es hin und wieder programmtechnische Sperren zu überwinden gilt.
Die widerrechtliche Datengewinnung aus Büronetzen wird nach wie vor als Kavaliersdelikt angesehen. Die FPÖ präsentierte zeitlich etwas zurückliegend Unterlagen sowohl im Parlament wie auch in den Medien, die aus einem Bürocomputer einer Salzburger Landespartei stammten. Den illegalen Vorgang der Informationsgewinnung stellte Haider als völlig unbedenklich hin und das wurde weitgehend auch so akzeptiert. Das Aufbrechen einer fremden Tür wird zurecht als Einbruch gewertet und als solcher auch bezeichnet. Eigenartig, warum darüber hinweggesehen wird, wenn jemand in einem fremden Computer eindringt und sich daraus wichtige Informationen verschafft.
Richard Nixon musste auf Grund seiner Mitwisserschaft in der Water Gate Aktion, die ebenso der illegalen Informationsbeschaffung diente, seine Präsidentschaft zurücklegen.
Es scheint so zu sein, dass im Umgang mit Computern, mit Daten und im Netz das normal gültige Rechts- und Unrechtsbewusstsein nicht so genau angewandt wird.

Die Faszination der technologischen Struktur überlagert den Dialog und die Kritik der Inhalte und verstellt den Blick auf die lauernden Gefahren.
Das liegen vor allem darin, dass mittels des Internets die Möglichkeit Verhalten und Bewegungsabläufe zu kontrollieren, in einer Weise Realität wird, die bislang Gegenstand utopischer Kritik gewesen ist. Das heisst, das der Funktionalität und deren Beherrschung von vornherein mehr Aufmerksamkeit zugewandt wird. Das derzeit geläufige Stichwort hiefür ist Medienkompetenz. Vermehrte Medienkompitenz bringt aber auch vermehrte Einbindung in künftige Vernetzungsstrategien mit sich.

Die wirkliche Kulturleistung des Internet ist, dass es uns einen globale Zusammenhang vorführt, dessen wir uns ohne dieses Mediums nicht so bewusst geworden wären. Das Internet entspricht dem globalen Handeln, ebenso wie der kontrollierbaren Einbindung in dieses globale Handeln. Charakteristisch ist hier dann doch die dauerhafte Telepräsenz. Informationen sind potentiell auf Dauer in der Öffentlichkeit verfügbar, sie bilden die Aktivitäten und das Bewusstsein der Gegenwart ab.
Eine kritische Ikonologie hätte sich also nicht nur mit dem strukturalen Zusammenhang flacher Formen, sondern auch deren inhaltlichen Beziehungen zu beschäftigen. Das ist aber ebenso unmöglich, wie der Versuch, den Inhalt einer ganzen öffentlichen Bibliothek zu erfassen und dann verdichtet abzubilden. Ikonologien werden als nur grobe Konturen nachzeichnen und Modelle des unfassbaren Ganzen bilden können. Hinzu kommt jedoch jene Ebene der interaktiven Funktionalität, die direkt unsere Verhaltensweisen und unseren Handlungsrahmen mitbestimmt, die über das klassische Modell des Zusammenhangs der Zeichen weit hinausgeht. Während das klassische Kunstwerk einen geistigen Interaktionsrahmen festlegt, bieten die elektronischen Medien einen aktives Handlungsfeld, dass sich alsbald als umfassende Kontrollinstanz herausstellen könnte. Diese Strukturen sind generell angelegt und somit auch leichter beschreibbar. Es wäre jedoch eine grosse Enttäuschung, wenn sich der Satz „Das Medium ist die Botschaft“ in letzter Konsequenz sich so darstellen würde, das die Verhaltenskontrolle, die soziale Reglementierung, das Electronic Government, die elektronische interaktive Aufsicht, das eigentliche Ziel gewesen ist. Alle utopischen Kommunikationsmodelle, alle freizügig offerierten Inhalte wären dann bloss Köder für dieses ordnungspolitische Ziel gewesen.
Das die Entwicklung der Medienkultur nicht mehr den urspünglichen Vorstellungen folgt, gibt einer ihrer hervorragenden Propagandisten Peter Weibel jüngst in einem Presseinterview zu bedenken.
Er interpretiert die Medien jetzt als psychotischen Ausdruck unserer Gesellschaft. Psychose wird als Verlust des Realitätssinnes und als Dominanz von Wunschvorstellungen definiert. Je mehr mediale Konstrukte uns umgeben, umsomehr laufen wir Gefahr, den Unterschied zwischen realem und psychotischem Raum nicht mehr zu erkennen. Der Bewohner des Medienraums läuft Gefahr „die Fähigkeit zu verlieren, eine reale Situation zu analysieren, Position zu beziehen und politische Rechte einzufordern.“
Er läuft aber ebenso Gefahr, wie im Fall von Infoterror und Datenguerilla, falsche Schlüsse zu ziehen. Datenkritik erscheint als unbewältigbares Unterfangen. Wir werden uns immer nur auf Ausschnitte konzentrieren können, die unsere thematischen Absichten betreffen. Die Gültigkeit und Relevanz solcher Quellen einzuschätzen, liegt an uns selbst.
Netzreflexion und Struktur- sowie wie Funktionskritik hingegen erscheint mir nötig, um a uf Missbrauch, Irrwege und falsche Versprechungen gebührend antworten zu können.

Wien, Dezember 1998


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