Wir leiden heutzutage an einer Konferenz-Inflation. Wieviele Prospekte und
Einladungen muß ich liegen lassen zu events, die mich sehr Interessiert
hätten. Deswegen habe ich mir gedacht:
wenn Du schon zur Konferenz "neue Medien in der Stadtteilarbeit" fährst,
nimmst Du Deinen Laptop mit und berichtest. Streust ein paar persönliche
Assoziationen ein und schaust wer es lesen mag. Was ich nicht vorhersehen
konnte: die Message dieser Konferenz war sehr eindeutig und hat mir sehr
viel Auftrieb gegeben. Das wo momentan sich viele meiner Projektideen zum
globalen Dorf fokussieren, die Verknüpfung der Stränge Telekommunikation
und Lebensraumgestaltung im katalysierenden Impuls einer neuartigen
Bildungsinstitution, die mit neuen Medien und individueller Betreuung nach
dem Muster der öffentlichen Bibliothek arbeitet und dabei Impulse zur
Aufnahme globalen Wissens für lokale Handlungsfähigkeit gibt, war
eigentlich bei vielen Leuten als Vision für die Zukunft der
Stadtteilarbeit präsent. Das macht die Sache mitteilenswerter.
Zur Vorgeschichte: Ich kannte die Website www.stadtteilarbeit.de und fand
vor allem die hier versammelten Texte recht brauchbar, doch als mich
Wolfgang Prauser vom Kulturamt der Stadt Hannover im Sommer anrief und
einlud, das Schlußreferat zu halten, kam das recht unerwartet. "Wir werden
viele Praxisbeispiele geben, doch wir wollen auch in die Zukunft blicken"
meinte er. Wer wollte da nein sagen, selbst wenn man eigentlich nicht weg
kann?
Von der Stadt Hannover hab ich nicht viel gesehen, die Tagung fand im
Stadtteil Kronsberg im Süden der Stadt statt. In gewissem Gegensatz zur
Imagewerbung am Flughafen, die größte Messestadt Europas zu sein, stand
die Notwendigkeit des mehrmaligen Umsteigens bei der Fahrt vom Flughafen
zur Expo. Später erfuhr ich daß die Straßenbahnlinien nach der Expo wieder
geändert wurden. Doch schon die Fahrt mit der Kronsberger Linie bot einen
Vorgeschmack auf Kommendes, wie in einem modernen Flugzeug waren in
geringen Abständen Multimediaschirme montiert, die lokale
Reiseinformationen an die Straßenbahnbenützer mit allerlei Werbung und
sonstigem Mischmasch darboten.
Was ich vor der Fahrt nicht wirklich realisiert hatte, ist daß Kronsberg
quasi ein Bestandteil der Expo 2000 war. Hier führte der Weg zum Expo
Gelände durch, hier wurde ein neuer Stadtteil im Zeichen heutiger
technologischer Möglichkeiten und nachhaltiger Ziele errichtet.
Interessant an Kronsberg ist die Mischung von verdichtetem Flachbau bei
gleichzeitiger Weitläufigkeit und funktionalen Auflockerung, und die
konsequente Nutzung der öffentlichen Verkehrsachse als urbaner Zentralraum.
Der Tagungsort, das Stadtteilzentrum KroKus, ist das Hauptprojekt
Prausers: in einer unüblichen Offenheit liegen hier die Büros der lokalen
Verwaltungsdienststellen zusammen mit einem öffentlichen Bildungs- und
Tagungsangebot Tür an Tür. Die Referenten für Kulturelles, Soziales und so
weiter orientieren sich mit ihren kleinen Büros auf einen großen
Arbeitstisch in der Halle, den irgendjemand einmal "Dorfplatz" nennen
wollte; darunter ist die (überraschend gut ausgestattete) Bibliothek,
darüber der öffentliche Tagungs- und Seminarbereich, der auch von der
örtlichen Volkshochschule und vielen anderen Trägern genutzt wird.
Kronsberg ist ein Versuchsgelände für "vernetzte Stadtteilarbeit", so hieß
auch die Tagung vor 2 Jahren, aus der sich unter anderem die Website
"stadtteilarbeit.de" entwickelt hat. Und ich fände es spannend, auch in
Zukunft immer wieder mal Blicke in dieses Zukunftslabor zu werfen!
Um das eigentliche Stadtteilzentrum liegen einige Kneipen, Supermärkte,
ein erfreulich weitläufiger "Stadtplatz", der an die Marktplätze einer
Kleinstadt erinnert und vielleicht auch ähnlich genutzt wird. Nach hinten
geht es tatsächlich auf den Kronsberg, mit 131 Meter über dem Meeresniveau
ist dieser zwar eine kaum wahrnehmbare Erhebung, dennoch eine rare
Ausnahme im ansonsten recht flachen Umland und wird von den Einheimischen
daher respektvoll "der Berg" betitelt. Irgendwo in der Landschaft steht
ein Denkmal daß Kaiser Wilhelm hier eine Parade abgehalten hat. Angeblich
haben nach einer feuchtfröhlichen Lokalrunde ein paar Kronsberger
Pensionisten den Plan gefaßt, auf ihrem Hügelchen ein Gipfelkreuz mit
Hüttenbuch aufzustellen. Als Reinhold Messner dann ihren Berg "bezwang",
war das die Sternstunde des "Norddeutschen Kleinstgebirgsvereins". Es sind
solche kleinen Skurrilitäten die einem vielleicht am nachhaltigsten in
Erinnerung bleiben, die aber auch in der Thematik der Tagung selbst eine
nicht unwesentliche Rolle gespielt haben.
An einem Punkt meines Referates war meine These, daß sich das "Globale",
unsere Errungenschaften von Transport, Logistik, Kommunikation, neuen
Medien etc. notwendigerweise das "Lokale" als Konterpart suchen muß, um
überhaupt Kontur und Identität zu gewinnen und keine Geisterstädte zu
generieren. Kronsberg schien mir trotz seiner modernen Monokultur durchaus
vorgesehene Freiräume zu bieten, in denen das Lokale Wurzel schlagen kann.
In den Gebäuden gibt es große Höfe mit attraktiveren Orten für geselliges
Beisammensein als in den vielen anderen Wohnprojekten.
Untergebracht war ich mit einigen anderen Teilnehmern und Referenten im
"Agenda 21 Haus", einer Art permanenten Bauausstellung mit eingebauten
Gästeräumen. Eigentlich handelt es sich um ein neuartiges Hausbaukonzept,
das von einem Deutschen Verband für Handwerk und seinen Industriepartnern
angeboten wird. Das Konzept und seine Realisation hat die Anmutung von
Tofflers "Dritter Welle": Die Industrie macht das Rohgerüst, lokale
Handwerker stellen mit ihren Produkten das Innere jeweils nach den
individuellen Vorstellungen des zukünftigen Bewohners zusammen. Das ganze
insgesamt sehr kostengünstig und nachhaltig. Wer sich für das Konzept
interessiert, findet eine genauere Beschreibung am Internet
(agenda21haeuser.de). Schön war es, in solchen "Zukunftshäusern" auch
wohnen zu können. Die Agendahäuser sind beliebtes und vielgebuchtes
Quartier von Geschäftsreisenden. Der Herbergsvater ist zugleich
Baumanager, Kontakter der beteiligten Handwerksfirmen, Fremdenführer.
Daneben gab es in diesem Neubauviertel auch Privatquartiere. Alles Dinge,
die man wohl in einem Wiener Stadterweiterungsgebiet vergeblich suchen
wird. Eine "Kronsberger Route" führt zu 28 Stationen mit städtebaulichen
Innovationen, darunter Deutschlands größte Passivhaussiedlung, eine eigene
Umweltkommunikationsagentur, eigenen Fahrradstraßen und carsharing, eine
interkulturellen Siedlung und und und....leider bedürfte all das eigener
drei Tage, ich war zu müde um bei den Stadtteilführungen mizugehen.
Die Tagung selbst ging insgesamt über drei Tage, der erste Halbnachmittag
gehörte den politischen Repräsentanten. Der Bürgermeister der Stadt
Hannover (in Stil und Auftreten betont nicht Oberbürgermeister) ist
überraschend moderat für die technologieverwöhnte Stadt der CEBIT und EXPO
und betont, daß hier auch, mit dieser Tagung und ihrem Fokus,
Hannoveranisches Neuland betreten wird.
Wolf-Dieter Lukas, Vertreter des Bundesministeriums für Bildung und
Forschung hält eine Keynote "Anschluß statt Ausschluß". Sein Thema und
auch sein Spezialgebiet ist die Digitale Spaltung.
Er beginnt mit einer Menge Statistik: Ende 2001 gibt es 30 Mio
Internetbenutzer in Deutschland, seit 1998 220% immerhin Steigerung. Das
Einkommen, Alter und Wohngebiet sind noch Einflußgrößen auf
Internet-Nutzung, Bildung sowieso. 50% der Bevölkerung üben
"Internetzurückhaltung". Die Studenten sind mit 93% die häufigsten, die
Pensionisten mit 9% die seltensten Internet-Nutzer. Was sind Gründe für
diese "Zurückhaltung"? Lukas zählt auf: immer noch hohe Kosten,
komplizierte Technik, fehlende Anleitung und nicht nachfragegerechte
Aufbereitung von Inhalten. Dabei denke ich mir, daß er die "Nachfrage nach
Inhalten" und nach Kommunikation insgesamt unhinterfragt unterstellt.
Könnte es sein, daß sich viele Menschen nicht einfach ohnehin
"überinformiert" fühlen?
Lukas zitiert seine Ministerin: "Förderung von Bildung ist der beste Weg,
einer Spaltung der Gesellschaft entgegenzuwirken", "Bildungspolitik ist
auch Sozial- und Standortpolitik und vielleicht die beste
Wirtschaftspolitik". Er möchte darauf hinaus, daß die zukünftige Funktion
des Internet die Bildung ist.
Ist das Internet "Abbild" oder "Zerrbild" der Gesellschaft? Er sagt das
Internet ist Zerrbild, "das Internet lebt vom Rotlichtmilieu".
Wirtschaftliche und soziale Bezüge zur gegenwärtigen Gesellschaft fehlen
ihm weitgehend: "Die lokale Ökonomie ist ebensowenig im Internet
angekommen wie der lokale Pastor". Diese Diagnose ist wohl nicht verkehrt.
Seine Auseinandersetzung mit der Neuen Ökonomie gefällt mir weniger: "Sie
lieferte nur Kundenlisten, keine Produkte und Dienstleistungen." Das ist
in seiner Pauschalität sicher falsch denke ich mir, sie liefert Produkte
und Dienstleistungen, ohne nachhaltig präsent zu sein, ohne wirklich
verläßlich dahinterzustehen. Christian Eigners Gedanken zur New Economy,
die nichts vom Raum versteht, fallen mir ein. Lukas hingegen spielt weiter
die beliebte Melodie "Old versus new Economy": er greift gerade das an,
was historischer Fortschritt ist, denke ich mir: "Ökonomie zum Preis Null
funktioniert nicht, das Internet läuft immer noch über Angebote die nichts
kosten". Schade denk ich mir, wieder einer der das cluetrain manifesto
(www.cluetrain.org) nicht gelesen hat und nicht sieht wie das Internet
Kunden und Anbieter ins Gespräch bringen kann.
Immerhin ist das Gesamtbild erfreulich differenziert im Unterschied zum
üblichen Hype: Informierte Gesellschaft? "Drowning in information, thirsty
for Knowledge".
Electronic commerce? Er zeigt ein Balkendiagramm "Es passieren Kaum
Geschäfte von B2C, die B2C Säule bleibt auch in den Prognosen kleiner."
"Die Wirtschaft ist noch kaum im B2B Bereich angekommen, aber der
Verbraucherbereich ist außer rotlicht noch viel weniger abgedeckt."
Auch Gesellschaft und Staat sind im Internet nicht angekommen: Er meint,
der Staat muß nicht nur Rahmenbedingungen setzen und eventuell auch die
gleichberechtigte Teilhabe aller am Netz sichern, sondern auch selber
Inhalte zur Verfügung stellen und sich "statt um die Wirtschaft zu
kümmern" die Nutzung im öffentlichen Bereich vorantreiben. Soziale Bezüge
müssen im Internet ankommen. "Denken sie ans Telephon: da war der Staat
für die Telephonzellen verantwortlich" "Auch Bücher leiht man zunächst mal
in der Leihbücherei aus".
Mir kommt das seltsam jenseitig vor angesichts der globalen Offensive,
öffentliche Dienstleistungen zu privatisieren. So sehr die Position
sympathisch klingt, bleibt sie gerade das Argument schuldig, warum die
Wirtschaft gerade hier nichts zu suchen hätte.
Überleitung zu seiner Tätigkeit: der Aktionsplan "Innovation und
Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft des 21.Jahrhunderts" war ein
ressortübergreifendes politisches Projekt. Fast alle Ziele wurden
erreicht, vor allem die Schulen gingen ans Netz, was nun?
Das nächste Ziel heißt Internet für alle - doch wo ist der beste Zugang?
In Pubs, wie Tony Blair meinte? Eher nicht. In Bildungseinrichtungen also.
"Schulen haben am Abend zu. Sind auch nicht so ideal hinsichtlich
Betreuung. Auch nicht die Arbeitsämter, die das zuständige Ministerium
angeboten hat. Aber Deutschland hat ein relativ großes Netz von
öffentlichen Bibliotheken." Klasse, denke ich. Die sind auf ähnliche
Schlüsse gekommen wie wir in unserer "Bildung- und Begegnung" Initiative
von unten(www.bildungsundbegegnung.at). Also wurde ein Programm bundesweit
durchgezogen: Mediatheken in 1200 öffentlichen Büchereien, darunter 144
allein in Niedersachsen. allein 7 in HAnnover, insgesamt mehr als 3300
Surfplätze, Arbeitsämter machen dann noch 233 Standorte mit 2500
Surfplätzen, aber auch Jugendeinrichtungen mit 10.000 Surfplätzen. Das
Ganze enthält NICHT die Maßnahmen der deutschen Länder und Kommunen, und
ich denke mir daß diese Message auch unsere österreichischen
Bundesstrategen erreichen sollte. Oder können sich die deutschen Politiker
einfach besser verkaufen?
Das Programm "Bund online 2005" erinnert mich an Help GV.AT. Die deutsche
Bundesverwaltung hat gezählte 350 internetfähige Dienstleistungen. Keine
Ahnung ob das viel oder wenig ist und was die Beglückten sagen.
Er zitiert eine Informationswirtschafts - Prognose aus den USA, in der 3%
Einkaufen, 30% Kommunikation, 45% Bildung als Verteilung der
Internet-Benutzung für 2012 prognostiziert wird: "In 10 Jahren wird
Internet in erster Linie ein Instrument der Bildung sein: oder sollen wir
besser sagen 'soll'?"- Er sieht darin eine Gestaltungsaufgabe nicht nur
für Staat, sondern für viele Bildungsanbieter, gewaltige veränderungen des
Lernens und Lehrens. Auch hier fehlt mir die Frage nach einer qualitativen
Veränderung des Bildungsbegriffes. Sind wir nicht ohnehin vollgestopft mit
Information?
IT in Schulen: Einerseits sind in Deutschland alle Schulen kostenlos am
Internet (bis Herbst2001). Ein zentral verhandelter Durchbruch in Bonn.
Grundausstattung für den Unterricht ist fast überall verfügbar. Aber:
- zu wenig Computer stehen zur Verfügung, sind oft nicht einheitlich oder
gar nicht vernetzt.
- Wartung und Administration bleiben - "oft im Do-it-yourself verfahren" -
bei den Lehrkräften hängen. Sie übernehmen häufig IT arbeiten und
vernachlässigen ihren Bildungsauftrag und die Eltern geben eine Menge mehr
aus als vorgesehen und in der verfassungstheorie gedacht. (die einen haben
die Lappys und die anderen nicht - soll der Staat die Augen zumachen?)
- fehlen von Lernsoftware für alle Altersstufen und Fächer.
- Modellprojekte taugen weniger als Pilotprojekte, die mit vorhandenen
Mitteln neues bewirken
- Ideal wäre, wenn jeder von zuhause auf Schulserver zugreifen könnte.
Nun ist in Deutschland das Schulwesen weitgehend Ländersache, worin
besteht der Beitrag des BMBF?
- Entwicklung der Lehr- und Lernsoftware für alle Fächer. Verweist auf
internationale Intel (!) Initiative zur Entwicklung von
Unterrichrtsmaterialien. 170.000 (!!!) Lehrer wurden in Deutschland
qualifiziert. (http://www.heise.de/newsticker/data/anw-30.07.02-003/)
In D wurde ein verlag gefunden, der alle Beiträge kostenlos ins Internet
stellt und "ein paar davon professionell aufbereitet". - so kann er (der
verlag) auch sein geld machen. Er meint, Intel ist inside "mit der
lehrerfortbildung oder ohne", verfolge also kein unmittelbares
Geschäftsinteresse.
- Systemlösungen für die Computernutzung in Schulen (System, Software und
Support)
- Unterstützung der verbesserung der Computerausstattung. Marktplatz für
Sponsoren sowie Unterstützung der Regionalisirung, selbstorganisierten
privaten Initiativen D21 und n21
IT In der Berufsbildung: die sind ein wenig voran, haben nähere Kontakte
zu Wirtschaft. Entwicklung von lernsoftware, IT Weiterbildung statt
Produktschulung. Telelernen im HAndwerk. Keine schmalspurigen"Internet
berufe", sondern breite und solide IT Ausbildung.
1. Digitaler Spaltung begegnen - Teilhabe in Nutzung und Gestaltung,
bester Weg durch Förderung von Bildung
2. Gemeinsames vernetztes Handeln von Bund Ländern und Kommunen -
"Global Denken - lokal (sprich bottom up und in sozialen bezügen) handeln.
3. Nicht nur Bildung, sondern auch Kultur gehört ins Internet.
4. soziales Umfeld mit lokalen Bezügen müssen sich im Netz wiederfinden.
"Noch ist dem Internet kein wirklicher Sinn gegeben"
Die Frage nach der Unterstützung von Communities z.B. für Open Source
Lernsoftware wird nicht verstanden "Dafür haben wir kein Konzept". Schade.
Access Denied - Stoplerssteine und Barrieren auf dem Weg in die
Wissensgesellschaft
Stefan Welling - Forschungsgruppe Telekommunikation Bremen
Computerunterstütze Jugendarbeit /Community Informatics
Stefan Welling ist ebenfalls Spezialist für "Digital Divide" und beginnt
mit Internet-Nutzerstatistiken. 1/5 täglich, 1/3 der Bevölkerung
mindestens 1x die Woche
Immer noch ungleichverteilung, zusätzlich Männer-Frauen, Ost-West
ungleiche Bildungsverteilung (doppelt soviele ex-abiturienten wie
ex-hauptschüler)
Auch er nimmt Bezug auf die "Internetverweigerer": "rund ein drittel der
bevölkerung artikuliert, in den nächsten Monaten nicht online gehen zu
wollen"
der Spruch "das ist ja einfach" - gelte nicht für jeden. ein
barrierefreier Zugang sei nicht Allgemeingut und hänge von
Orientierungsinformationen ab; Kompetenz- und Wissenserwerb sei
Kapitalabhängig, nicht bloß im wirtschaftlichen Sinn, sondern im Sinne
"verschiedener Kapitalien" (Bourdieu):
* ökonomisches Kapital: relativer Armutsbegriff 50% unter
Durchschnittseinkommen;
* kulturelles Kapital (inkorporiert/wo Kinder aufwachsen, was gelernt
wird, wie gelernt wird vs. institutionalisiert/Titel und
Schulabschlüsse.): 4 Millionen funktionale Analphabeten hätten besondere
Probleme mit dem online-zugang.
* soziales Kapital: Netzen, Beziehungen, wechselseitige Erwartungen und
Verpflichtungen, Vertrauen, Normen; Der soziale Nahraum und die ihn
umgebenden Netzwerke "rahmen" die Etablierung sozialer Beziehungen und die
Entwicklung von Medienpraxen.
Familiäre lebensformen - Haushalt
informelle Netzwerke
organisierte Netzwerke
als konzentrische Kreise
Wichtig sei dies vor allem, weil:
Die Internetnutzung und -aneignung findet vor allem Zuhause statt
nur 3,6% im Internet Café
"Bedeutung und Sinngehalte des Internets definiert und artikuliert der
Haushalt auf Basis einer moralischen Ökonomie"....
individuelle Entscheidungen...Tätigkeiten unterschiedlicher Bewertungen
und Erwartungen, geknüpft an Biographien...
Sicherung der Reproduktion, Erfolg hängt von der Erreichung von identität
und Autonomie als sozialer Zusammenhang ab.
"Domestifizierung neuer Medien"...Haushalt ist an Bewältigung prinzipiell
konservierender Prozesse gebunden. So sei es zum Beispiel unüblich, daß
Kinder ihre Eltern lehren etc.
Nach diesen allgemeinen soziologischen Ausführungen über ihre Hintergründe
kam der Übergang zur eigentlichen Stadtteilarbeit:
DOPPELTE Bedeutung neuer Medien für Sozial-Kultur und
Bildungseinrichtungen:
- Effektivere gestaltung der betriebsorganisation und Kooperationen
- neue Angebote an Nutzer und Nutzerinnen
Er schätzt daß es ca 5-6tausend Zugangs- und Lernorte /ZULOS) in der
Bundesrepublik gibt; das Portal digitale-chancen.de listet über 4000
einträge in seihner Datenbank)
2/3 wenden sich an alle Zielgruppen 1/3 an Jugendliche, Senioren etc
über 40% aller Zulos in öffentlichen Bibliotheken gefolgt von
Internetcafes 21,7% und Jugendeinr 17%
In 2/3 der Zulos ist die Verwendung des Internet unentgeltlich
Das Angebot der ZuLos ist verbesserbar und ausbaubar
- technische Infrastrukturprobleme lösen (jeder Euro für hardware bedingt
einen folgeeuro für Support)
- Nutzungsangebote ausweiten und verbessern.
- Zusätzliche Finanzierungsmittel erschließen. Wenn weggegangen wird von
der regelfinanzierung hin zu projektfinanzierung, ist die frustration
vorprogrammiert.
- Die berühmten "private public partnerships" "sehen wir kaum bis gar
nicht".
- Es ist notwendig Qualifizierungslücken schließen bei MitarbeiterInnen.
- Es gibt eine krasse Unterversorgung sozial benachteiligter
Nachbarschaften, sozialer brennpunkte.
(Ich muß an diesem Punkt an das Projekt "Blue Line Televillage" in
Compton/Los Angeles denken. Dort habe ich selbst erlebt, wie ein
Telezentrum in einem extrem heruntergekommenen Teil von Los Angeles zu
hochinteressanten Formen von "virtuellem Ausbruch aus dem Ghetto" geführt
hat. (http://www.siembab.com/bltv.htm). Was wohl daraus geworden sein mag?
Nun gut, bei uns gibt es ja keine Ghettos....)
Stefan Wellig erzählt weiter, daß sich um einen Zugangs- und Lernort auch
leichter der Kern eines regionalen Bildungsnetzwerks bildet. Solche
Bildungsnetzwerke bilden attraktive Vorteile:
1.Größere Transparenz des Lernangebotes und höhere Durchlässigkeit der
Bildungsbereiche.
2. Kosteneinsparungen durch gemeinsame Infrastrukturnutzungen
3. Verbesserung der Angebotssituation als ganzes durch übergreifende
Qualifizierungsangebote.
Er beschreibt die Angebote der Stiftung Digitale Chancen
xx ServicePortal für die Betreiber von ZULOS
xx Informationsportal für Bevölkerung
xx Unentgeltliches Schulungskonzept für die Computerunterstützte
Projektarbeit
xx Barrierefreies Internet
In der Diskussion tritt das Bedürfnis nach Vertiefung zutage :
1. >warum halten wir eigentlich die neuen Medien für ne tolle Sache? Wenn
der eine sagt Internet >ist mehr Rotlichtmillieu, warum soll man sich
dafür stark machen.
2. >Wissen als Befähigung zum sozialen handeln. Wie ist das qualitativ zu
beschreiben??
3. >Ein guter Diskussionsprozeß von einigen Praktikern der Jugendarbeit,
der das mit dem "funktionalen Analphabetismus" ein wenig relativiert:
Schüler lernen Rechtschreibung durch Chatten. Übergänge zur
selbstständigen recherche. oder andere positive Beispiele: Jugendliche als
Co-Trainer in Bremen/dramatische Verbesserung im Verhältnis zu alten
Menschen.
Fazit: Stefan Welling hat sein Vortragsziel erreicht und die Teilnehmer
gleich zur Wahrnehmung "digitaler Chancen" provoziert.
Der letzte Redner des Einführungstages, Dr. Herbert Scherer vom Verband
für Sozial kulturelle Arbeit in Berlin spricht über "Globales Netz und
lokale Aktion". Seine feinen Beobachtungen stehen in schönem Kontrast zu
den verallgemeindernden Beobachtungen vorher und lassen an einzelnen
Beispielen und kurzen Beobachtungen sehr viele paradoxe Wahrheiten über
die neuen Medien durchscheinen.
Fängt an mit einem Gedicht (er wollte den vorschnellen Euphoriestandpunkt
dämpfen indem er ein Goethe Gedicht maschinell von deutsch über englisch
nach französisch wieder auf deutsch übersetzen läßt- aber war dann schon
ganz schön überrascht von der Leistungsfähigkeit der Übersetzungsmaschinen)
Weitere Geschichte über eine Suchmaschine: er sucht ein Mietauto, findet
ein Autohaus mit Dumpingangebot. In der realität war das eine kleine
Klitsche: "Das Medium Internet übernimmt keine Garantie und Haftung für
die Wahrheit der dargebotenen Information. Aber gibt auch den Kleinen eine
Chance.
War ehrenamtlich im Aufbau des offenen Kanals Berlins tätig. seit 1990
Geschäftsführer des Verbandes für Sozial-Kulturelle Arbeit Berlin,
Nachbarschaftshäuser. Seit 1993 Jugendmailbox und seit 1996 Jugendserver
Spinnenwerk.
Neue Medien in den 80er Jahren meinte eigentlich das Privatfernsehen.
Heute ist damit der Computer und im speziellen das www gemeint.
"Die neuen Medien veralten sich zu den alten medien wie der Buchdruck zur
handschriftlichen Vervielfältigung von texten im Mittelalter"
Brechung von Monopolen: KANN weitestreichende Auswirkungen haben. Hängt
von unserer Mitarbeit ab. (Stadtteilarbeiter). Es gibt Gegenkräfte.
Damals hat der Buchdruck das Wissen der Welt verfügbar gemacht und die
revolutionäre Umgestaltung der gesellschaft ermöglicht. Ohne Buchdruck
keine Reformation, keine öffentliche Meinung, keine Demokratie.
Dabei ist der Buchdruck die Speerspitze der alten medien. Der Medien die
einigen wenigen gehören und von ihnen verbreitet werden. Jetzt aber
unterliegen die Medien einer völlig neuen Gesetzmäßigkeit: selber suchen
und die eigene Sicht der Dinge ungehindert in einem weltweit zugänglichen
medium zu verbreiten.
Dieses Medium hat seine Vorgeschichte. Der Wesenswandel kultureller
Äußerungen im Zeitalter der Reproduzierbarkeit wird ja schon bei Benjamin
thematisiert. Nun ist die digitale Kopie keine Kopie mehr, sondern
geklontes Original. (Witz mit Wimpernzange: "sieht aus wie künstlich".
Mein Busen sieht schon so gut aus wie ein Silikonbusen: Was ist dann noch
Original, was ist dann noch der Gegenstand auf den wir uns beziehen?)
Wahrheitsfrage: Weltweit bekannt sind Manipulationen bei Stalin. Jetzt
gibt es enorme Möglichkeiten der digitalen Bearbeitung. Fazit: Wir sollten
uns vom Gedanken der objektiven Wahrheit zugunsten einer Fülle von
Patchwork-Wirklichkeiten verabschieden. Das fällt uns leichter, wenn wir
erkennen wie sehr das frühere "gemacht" und gelogen war.
Die Öffnung des Meinungswesens...die Aufwertung des einfachen Lebens - für
bislang ausgeblendete Sichtweisen von Individuen oder Gruppen: Hier
beginnt der bezug zur Stadtteilarbeit. Wieder eine Rückblende auf das
Aufkommen der portablen Videogeräte: Bilder, die aussahen wie Fernsehen:
damals wollte man Gegenöffentlichkeiten schaffen. "Das Medium war zwar
demokratisiert, aber es gab kaum Orte wo die Medien Massen erreichten".
Produktion für kleine Zielgruppen. Erst der Kabelkanal Ludwigshaven 1984
brachte einen Durchbruch (Privatfernsehen der Zeitungsverleger)
"Inhaltlich nix neues, dennoch war es ein urknall" . Offener Kanal: Chance
der Artikulation - Vehikel für Rollenwechsel.
Möchte Ergebnisse nicht vorwegnehmen: sondern ein paar Appetithäppchen
geben:
Zappen ist Paradigmenwechsel im Medienkonsum, unumkehrbar. Wir wollen uns
nicht von Programmachern zu einem Konsum anleiten lassen, sondern selbst
auf die Suche nach dem besten Programm machen.
Tauschbörsen
Suchmaschinen zeigen das neue Benutzerverhalten.
Und das entspricht am ehesten dem Interesse der Inhaltsproduzenten, die
eine Zielgruppe erreichen wollen und nicht Quoten. Haben meist, ohne
zeitliche Beschränkung eine bestimmte Gruppe im Ziel. Wenn ichs brauche,
nicht wenns gesendet wird.
Das Internet ist ein größerer offener Kanal als sich das die Väter der
idee vorgestellt hätten.
Weniger Bedarf an Sendezentralen, sondern eher mehr an
Unterstützungsstrukturen. Medienwerkstätten.
Ist das gewollt daß jedermann sich verbreiten kann?
Es gibt doch eine Menge Verhinderer:
Einen Sender machen wollen- bestimmen was das Programm ist - erzeugt
schlagartig lauter kleine Monopolisten: alle stürzen sich auf den
Jugendschutz als Medium ihrer Gelüste.
Scherers eigene Position: Nichts verbieten, sondern die Jugendlichen dafür
zu begeistern was wir für gut finden.
Seit ein paar Tagen ist er davon überzeugt, daß die Verhinderer keine
Chance haben. "Google hat erfolg, weil es nicht manipuliert, weil es ein
sehr ausgefeiltes Verfahren hat, die Websites zu bewerten". "Ich hab mal
eine Suchmaschine getestet und ich landete bei "sex" bei herrn jesus. da
stand 99999 mal "sex" auf der Seite. Google hingegen bringt nur das
hinauf, was am meisten genutzt wird."
Soll heißen: "diejenigen sind am erfolgreichsten, die sich an den
wirklichen Interessen der Menschen orientieren."
(Persönliche und skeptische Anmerkung: nach meiner Rückkehr von Hannover
traf ich einen sehr umtriebigen Erfinder aus Salzburg, Roland Mösl.
Tatsächlich zeigte er mir daß Google mittlerweile größer ist als alle
anderen zusammen. Seine Hauptgebiet ist derzeit die Beschäftigung mit
Verfahren, das Google-Rating automatisch zu erhöhen und "um breite Wort-
und Begriffsfelder zu kämpfen". Man findet ihn unter
"Suchmaschinenspezialist" in Google. Das ist für mich auch ein Argument
dafür, daß uns Suchmaschinen niemals die Bewertung werden abnehmen können,
daß wir eigentlich sowas wie digitale Klöster zur Ordnung und Sortierung
und zur Pflege der wildwachsenden Wissenslandschaften brauchen. Aber das
ist eine andere Geschichte ! zurück zu Herbert Scherer:)
Jugendarbeiter haben relevante Politiker in berlin dazu gebracht,
öffentlich Fragen von Jugendlichen zu beantworten (Mailbox). Wenige
Fragen, mit manchmal sehr aufwendigen Antworten. Ein Jugendlicher stellt
eine Frage und der Erfolg war daß der Apparat sich in bewegung setzt.
HAben dann einen Fußballplatz oder eine Förderung gekriegt. (Nur Thomas
Krüger (damals Jugendsenator, heute leitet er die Jugendzentrale für
politische Bildung) formulierte Antworten aus dem Unreinen).
Eigentlich unerhörte Chancen für die politische Bildung - war aber nicht
erfolgreich....
Datenbank mit Bewertungen. sozialer Einrichtungen.
Jetzt gibt es "DooYoh" eine Bewertung von Konsumgegenständen!!
Sozialtest durch die Nutzer.
Einige Kapitel überspringt er, wird sie hoffentlich in seinem
online-Referat ausführen:
immerhin erfahren wir die spannenden überschriften
Ein Enkel bringt seiner Großmutter emailschreiben bei. Ist sehr
mühsam...aber ein gewaltiges Lebenselixier. ad Stefan Wellings Bemerkungen
zum konservativen Mindset im Haushalt: "Vater Sohn ist ein Problem, aber
Oma Enkel ist eine Riesenchance".
Dann führt er aber dnoch noch ein kleines Kapitel aus. Das hat mit Bildung
und Lernen zu tun und bleibt gut in den Köpfen haften:
Scherer sieht, ganz in Anknüpfung an Toffler, eine Analogie zur Do it
Yourself Bewegung: wir fingen an Dinge selber zu lernen weil wir uns das
Delegieren an Spezialisten nicht leisten konnten. Das Verhältnis des
Einzelnen zum Wissen der Welt ändert sich dadurch aber dramatisch. Wir
bedienen uns schon laufend selbst, siehe zappen. Dann brauchen wir aber
vielleicht neue Berufe.
Der Lehrer sollte nicht mehr so tun, als vermittle er den Schülern das,
was er weiß. Eher sollte er sich nach dem Bild des Scouts sehen, der
vorausgeht im Dschungel. Der Sozialarbeiter der soziale Beratung macht
wird sich mit dem Kunden zusammen setzen und gemeinsam recherchieren; die
Klienten befähigen und ermächtigen, mit diesen Dingen umzugehen.
weitere Beispiele
Job center am Arbeitsmarkt: technische Möglichkeiten für Arbeitssuchende -
"sind viel sinnvoller als Bewerbungstrainings".
Bezirkscenter: Behörden wollen zu den Bürgern kommen. neue
Beratungskonzepte.
Ach ja denke ich, doch unser electroniccafe mit Bürgerservice
(www.electroniccafe.at) werden wir wohl dennoch nicht realisieren können -
bis sich das alles nach Floridsdorf durchspricht wirds noch lange
dauern.....
So endet der erste Tag und wir sind im Thema....ob ich noch dazu komme,
meine elektronische Mitschrift vom 2.Tag zu realisieren, bei dem es um
viele spannende örtliche Projekte ging, aus denen ich mir drei rausgesucht
habe, weiß ich nicht. kommt vielleicht auch auf die Rückmeldungen an....