<li><a href="../index.html">e.journal</a> : [ <a href="../toc-nf.html">Inhalt</a> ]<br> <li><b>es.say</b> : [ <a href="toc.html">Inhalt</a> | <b>Colonisation & Internet</b> ]<br> <hr>

Sili-Colonisation, Geschichte und Internet
Global denken, lokal handeln


© Reinhold Wagnleitner

Gewidmet meinen Eltern Felix und Paula Wagnleitner

So lange die Hauptaufgabe unserer Medien-Firmen in der
Anhäufung von Geld besteht sollte es auch eigentlich
Niemanden überraschen, dass das Trachten nach wahrer
Information vom Streben nach Geld ersetzt wird.
Matthew Priestley, "Honest News in the Slashdot Decade"

http://www.firstmonday.dk/issues/issue4_8/priestley/index.html

Anlass für diesen Vortrag war die Fachtagung der Bayerischen Akademie ländlicher Raum e.V. und der Leopold Kohr Akademie, Verein Tauriska, Neukirchen, vom 21.-23. Oktober 1999:
"Im Zeichen des Vermächtnisses von Leopold Kohr: Der ländliche Raum und die Informationsgesellschaft - Trends, Fakten, Auswirkungen".
Dabei wurde das Projekt "Geschichte@Internet der Leopold-Kohr-Akademie" in Neukirchen am Großvenediger und Salzburg aus der Taufe gehoben.

Im weiteren finden Sie eine reine Textversion des Vortrages. Sollten Sie an der Vollversion mit Statistiken, Grafiken und Illustrationen interessiert sein, lesbar mit Acrobat Reader, finden Sie einen entsprechenden Link im Anhang des Dokumentes.

Microsoftisation als Extrapolation...

Stellen wir uns einmal vor, wir bräuchten ein intelligentes, allgemein verständliches, daher global gültiges Marketing-Konzept für einen Welt-Konzern und dessen Produkte, wobei wir vorgeben wollen, dass wir die Philosophie von Leopold Kohr berücksichtigen – zumindest im Rahmen unserer Public-Relation- und Promotion-Strategie. Wir benötigen also erstens unbedingt einen Namen, welcher auf unsere Kleinheit und Ungefährlichkeit hinweist, denn Größe ist ja schlecht. Zweitens müssen wir selbstverständlich insbesondere unseren besonders kuschelweichen Umgang mit Mensch und Natur, unseren vorsichtigen Umgang mit Mitarbeitern, Kundschaft und Ressourcen hervorheben. Wir müssen also weich sein. Klein? Was ist kleiner als Micro? Und weich? Was ist sanfter als soft? Heureka: was ist schon angenehmer und wohlklingender als Microsoft? Wir haben damit den perfekten Namen für den nachgewiesenermaßen kleinsten und sanftesten Konzern der Geschichte gefunden. Small is beautiful, nun denn: Microsoft.

Macrohard oder Macrotough entsprächen natürlich der tatsächlichen globalen Hegemonie von Microsoft am Software-Sektor schon ein wenig besser, allerdings wäre(n) damit schon viel weniger Staat(en) zu machen. Keine Angst, liebe Leserinnen und Leser, sogar ich weiß, dass sich der Name Microsoft auf Mikroprozessoren bzw. Software bezieht. Aber man wird ja wohl - noch - denken dürfen? Denn Sprache ist verräterisch: schließlich versuchen wir doch ständig, unsere Computer aufzurüsten - während es im Englischen nur neutral upgrade heißt. Eine zentrale Metapher der Informations-Gesellschaft lautet ja nicht umsonst, dass sich die Technologie immer on the cutting edge befinden müsse: und alle, die schon einmal auf einer Rasierklinge saßen, wissen ganz genau, dass man sicher schneller über die Klinge springt, als dass es gelänge, sich auf ihr gemütlich einzurichten.

These 1: Das Informationszeitalter wird eher ein Desinformationszeitalter hervorbringen als eine Wissensgesellschaft - wenn man von "Eliten" absieht. Das Internet und seine Beherrschung - in jedem Sinne des Wortes - wird bei der zukünftigen Interpretation der Welt eine hervorragende Rolle spielen.

These 2: Das World Wide Web (W3) ist bisher eigentlich ein English Wide Web und global nur im Sinne der Verbindung der "Eliten".

These 3: Das W3 trennt daher mindestens ebenso stark wie es verbindet, nämlich die Haves von den Have Nots.

These 4: Die jüngsten Trends der Cyber-Economy lassen es zumindest als denkbar erscheinen, dass sich große Teile des Internet tatsächlich zum Intra-Net einiger Großkonzerne (Stichwort: Encartafication) entwickeln. Unser Dilemma heißt also: Gate Way oder Gates´ Way?

These 5: Dem virtuellen Verschwinden von geographischen und zeitlichen Grenzen und Distanzen, steht eine bisher unvorstellbare und alles andere als virtuelle Zunahme an Kontroll-, Abhör- und Spionagemöglichkeiten im zivilen, militärischen und - im Konflikt zwischen USA und Europa besonders wichtig - ökonomischen Bereich gegenüber. (Stichworte: Echelon, Enfopol und Industriespionage)

These 6: Das Internet ist nicht nur die größte Maschine, sondern auch die größte militärische Maschine, die je von Menschen gebaut wurde.

These 7: Klein sein oder nicht sein, das war Leopold Kohrs Frage. Die Alternative, die sich im W3 anbietet lautet: Design sein oder nicht sein.

These 8: Das Internet wächst und wächst und wächst und schrumpft zugleich.

These 9: Zumindest für das Internet trifft zu, dass das, was nicht kommuniziert wird, nicht existiert. Wir wissen seit Marshall McLuhan, dass das Medium sowohl Message (Botschaft) als auch Massage bedeutet. Daher liegt es eindeutig an uns, die Inhalte des Internet mitzubestimmen (Stichworte: Kreativität und Widerstand).

These 10: Folgen wir der Theorie der langen Wirtschafts-Zyklen von Nikolai Kondratieff, dann wird die sechste Kondratieff-Welle von den Inhalten bestimmt werden. Also wird ein großer Teil der zukünftigen Wertschöpfung durch die Interpretation ungenauen und paradoxen Wissens, das im ungeheuren Datenmüll der Informationsgesellschaft verschüttet liegt, geliefert werden.1) Und welches Wissen ist ungenauer und paradoxer als das um unsere Geschichte? Dies bedeutet zweifellos eine ungeheure Herausforderung, aber auch eine Chance für Geistes- und Sozialwissenschaftler im allgemeinen und für Historiker im besonderen. Denn der zunehmenden totalen Durchsichtigkeit des Menschen entspricht gleichzeitig eine fast absolute In-Transparenz der Machstrukturen, die eine Forderung unverzichtbar machen: jede kritische Historikerin und jeder kritische Historiker des 21. Jahrhunderts muss daher notgedrungen auch ein Hacker sein.

... der Coca-Colonisation, Disneyfication und McDonaldisation

Zur Zeit vergeht kaum eine Woche, in der nicht eine - alle bisherigen Zusammenschlüsse noch weit übertreffende - Fusion am Medienmarkt, im Bereich der Elektrizitätswirtschaft oder am Telephonsektor zu Stande kommt. Im Understatement des Jahres meinte Michael Dornemann, der Vorstand des Bertelsmann Fernsehens, erst kürzlich zur jüngsten Verschmelzung der zwei US-Mediengiganten Viacom und CBS, wobei mit 80 Milliarden Dollar gerade der bisherige Rekord erzielt worden war (alleine der Kaufpreis betrug 34,9 Milliarden Dollar). 2) "Es gibt keine Waffengleichheit, weil sie den direkten Zugriff auf internationale Produktionen haben. Deshalb sollten sich die europäischen Konzerne gegen die Amerikaner aufstellen. Es ist nicht sehr schön, wenn ein Land den Entertainment-Bereich der ganzen Welt beherrscht". 3)

Erst 1994 erschien mein Buch Coca-Colonization and the Cold War in den USA, und schon können wir im Online-Lexikon der Columbia Encyclopedia infoplease.com zum Stichwort coca-colonize folgendes lesen: Co ca-col o nize (kO"ku kol'u nIz", -kO'lu-), v.t., -nized, -niz ing. to bring (a foreign country) under the influence of U.S. trade, popular culture, and attitudes. Also, esp. Brit., Co"ca-col'o nise".4) "Ein fremdes Land unter den Einfluss des Handels, der populären Kultur und der Geisteshaltung der USA zu bringen", dieses Destillat meiner Forschung greift zwar doch einigermaßen zu kurz: Eines ist allerdings ziemlich sicher.

Der globale Siegeszug der amerikanischen populären Kultur zählt zu den wichtigsten Entwicklungen des 20. Jahrhunderts. Dieser Triumph hatte mannigfaltige Gründe, von denen die meisten - im Gegensatz zu den vorherrschenden Vorurteilen - in Europa zu suchen sind. Schließlich ist Amerika ein Produkt der Europäisierung der Welt. Europäischer Imperialismus, Rassismus und Unfähigkeit zur Zusammenarbeit spielten eine ebenso große Rolle, wie der daraus resultierende zweifache europäische Brudermord in den zwei Weltkriegen. Die Ausrottung und Unterdrückung vieler Vertreter der europäischen Moderne wirkte sich genau so verheerend aus, wie die Vertreibung zahlreicher Künstler und Wissenschaftler. Denn erst dadurch wurde ja die wissenschaftliche, militärische, ökonomische Macht und die kulturelle Attraktivität der USA langfristig immens gestärkt. Europas Aderlass war immer Amerikas Gewinn.

Zu all dem kamen seit dem Ersten Weltkrieg die uneingeschränkte und gezielte Unterstützung des globalen Exportes der Kulturprodukte durch die US-Politik. Präsident Calvin Coolidge konstatierte ja ganz allgemein in den 1920er Jahren lakonisch, dass das Business von Amerika das Business sei. Und sein Handelsminister Herbert Hoover sorgte im besonderen dann 1926 mit der Einsetzung einer kaum bekannten Filmexportkommission dafür, dass seit damals ganz offiziell das Show-Business das Business von Amerika wurde. Und dessen Produkte repräsentier(t)en denn auch die brillanteste Public Relations Kampagne aller Zeiten: die Kampagne für den American way of life - rund um den Globus und rund um die Uhr. Und das Entscheidende bei dieser Geschichte ist: das Publikum zahlt sogar noch für diese Werbung. Seit vielen Jahren schon sind die Produkte der US-Bewusstseins-Industrie - neben jenen der Rüstungsindustrie, von denen sie allerdings mittlerweile manchmal gar nicht mehr so leicht zu unterscheiden sind - deshalb auch zum bisher größten Exportschlager der US-Wirtschaft geworden. 5)

Hier sei aber darauf hingewiesen, dass die sensationellen Erfolge der US-Popkultur den seit langem ebenso feststellbaren Einfluss der USA im Bereich der "Hochkultur" völlig überschatten. Jedermann erkennt wohl die Auswirkungen auf unser Alltagsleben durch die wie Pilze aus dem Erdboden schießenden Shopping Center und Cineplexes an den Peripherien unserer Städte. Viel weniger Aufmerksamkeit wird in Europa dagegen einem wahrscheinlich viel entscheidenderen Phänomen geschenkt: der massiven Übernahme von Gütern im Bereich der Hochkultur.

Ganze Theorie-Gebäude, Fertigkeiten oder Techniken kommen, wie dies Janos Matyas Kovacs für die postkommunistischen Länder brillant analysierte, tatsächlich nicht nur in ganz Europa, sondern weltweit zum Zuge. Ob es sich dabei um die Personalisierung der Politik und andere politische "Reformen", z. B. gerade bei der Diskussion um die Zukunft der Gewerkschaften, handelt oder um Privatisierung, Universitäts-Reformen und um einschneidende Veränderungen im Kommunikationswesen, überall leuchtet die Neonreklame des "Modells Amerika" gerade besonders intensiv. Und diese Gebiete sind ja wohl "kulturell nicht weniger relevant... als der Bereich der Lebens- und Konsumgewohnheiten". (7

Diese Veränderungen betreffen nicht nur die gesamte Wirtschaft, von der Produktion über das Management, von der Werbung über den Verkauf, sondern auch die ungeheuer zukunftsmächtigen Bereiche der Wissenschaften (u.a. der Medizin) und der Kunst. Es sollte allerdings auch nicht überraschen, dass mit der Einführung einer neuen Geschäftskultur durch den Marshall Plan die Kultur noch mehr zum Geschäft wurde. Last, but not least, sei hier noch auf die ungeheuren Veränderungen im Rüstungsbereich hingewiesen. Die NATO-Osterweiterung mag für viele Menschen noch so viel Unsicherheit bedeuten, aber wenigstens einer Gruppe bringt sie Sicherheit: den Aktionären der US-Rüstungskonzerne. Stieg doch der Marktanteil der USA am Gesamtvolumen des weltweiten Waffenhandels von 25 Prozent im Jahre 1984 auf über 30 Prozent 1989, um sich schließlich am Ende des Jahrtausends bei bereits 60 Prozent einzupendeln. So verkaufte bzw. verschenkte die US-Regierung alleine zwischen 1993 bis 1997 Waffen im Werte von 190 Milliarden Dollar. Pikantes Detail am Rande: häufig wurden dabei beide gegnerische Parteien bis an die Zähne bewaffnet. Und nur ganz wenige Staaten der Erde wurden nicht bedient - wenigstens offiziell. Die von Russland im Vergleichszeitraum exportierten militärischen Güter überschritten dagegen pro Jahr nie den Wert von 3,5 Milliarden Dollar. 8)

Als besonders genant müssen allerdings im Bereich der Musik - gerade im vermeintlichen "Musikland Österreich" - natürlich die Entwicklungen im Bereich der populären Musik angesehen werden. So wird der verschwindende Anteil der österreichischen Produktion von 13,7 Prozent am heimischen Markt in allen Ländern der EU sowie der Schweiz nur mehr von Belgien und der Schweiz unterboten. Dafür nimmt Österreich bereits die dritte Stelle bei jenen Staaten ein, welche überhaupt die meisten Tonträger mit Musik importieren - nur Irland und die Schweiz überbieten Österreich bei den Importen. Die Tatsache, dass nun mehr als neunzig Prozent der österreichischen Tantiemen-Zahlungen pro Jahr ins Ausland fließen, während weniger als zehn Prozent hereinkommen, belastet nicht nur die Zahlungsbilanz, sondern bedeutet auch eine dramatische Veränderung gegenüber der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg: waren doch noch 1937 weit mehr als achtzig Prozent Richtung Österreich geflossen und viel weniger als zwanzig Prozent ins Ausland. Dass Österreich wenigstens im Klassikbereich hinter Ländern wie Spanien, Deutschland, Belgien und den Niederlanden an fünfter Stelle liegt, macht übrigens das Kraut auch nicht mehr fett, denn auch die "österreichischen" Klassikproduzenten gehören ja schon seit langer Zeit ausländischen Medien-Multis.

Trotzdem sollte man hier innehalten: denn bevor wegen des angloamerikanischen Musikbombardements gleich wieder der Untergang des Abendlandes ausgerufen wird, müssen wir uns doch wieder ganz kurz der tatsächlichen materiellen Entwicklungen besinnen. Die Tatsache, dass Johann Strauss (der Jüngere) am 3. Juni 1899 nur fünf Wochen nach der Geburt von Duke Ellington (am 29. April 1899) zu Grabe getragen wurde, ist zwar nicht ganz uninteressant, sie hat aber doch wohl weltgeschichtlich eher nur symbolischen Wert. Die Frage darf zumindest gestellt werden, ob nicht die Geigen der europäischen Walzerseligkeit von den Stahlgewittern vor Verdun und am Isonzo, in Flandern und in den masurischen Sümpfen weit mehr aus dem Takt gebracht wurden, als durch alle Angriffe des "amerikanischen Kulturimperialismus" im Jazz Age zusammengenommen. Schließlich zählt der Jazz als Soundtrack des zwanzigsten Jahrhunderts nicht nur zu den großartigsten Schöpfungen der populären Kultur, sondern stellt überhaupt den wichtigsten Beitrag der Vereinigten Staaten zur Kultur der Moderne dar. Es sollte übrigens auch niemanden überraschen, dass das Zeitalter der Extreme den Blues als musikalisches Leitmotiv unterlegt bekam.

Im wahrsten Sinne des Wortes besonders sichtbar wurde die "Amerikanisierung des Blickes" auf dem Gebiet des Films, wobei den Profiten im Bereich des Kinos und des terrestrischen Fernsehens in jüngster Zeit die Einkünfte bei Videos und anderen digitalen Bildträgern, Satelliten- und Kabelfernsehen bereits fast den Rang abgelaufen haben. In unserem Zusammenhang besonders interessant ist jedoch, dass gerade in den letzten Jahren ein flutartiger Anstieg der Hollywood-Exporte feststellbar ist. Ökonomisch, politisch und kulturell ist diese Entwicklung ja gerade deshalb so interessant, weil dadurch alle früheren Erfolge der US-Pop-Kultur in Europa (und allen anderen Teilen der Welt) - und die waren ja nicht gerade zu vernachlässigen - vollkommen in den Schatten gestellt werden.

Hollywood ist heute also weltweit so dominant wie nie zuvor. Nicht einmal in der unmittelbaren Nachkriegszeit waren die europäischen Kinos flächendeckend so mit Hollywood-Schrott zugedeckt wie heute. 10) Während der Anteil ausländischer Filme in den Kinos der USA 1970-1990 von sieben auf kaum mehr feststellbare ein Prozent zurückging, nahmen die Gewinne von US-Filmen in den Auslandsmärkten alleine zwischen 1985 und 1990 um mehr als das Doppelte zu, von 740 auf 1,650 Millionen Dollar. 1995 betrugen die Auslandsgewinne Hollywoods bereits zwei Milliarden Dollar. Insgesamt erhöhten sich die Auslandsprofite um 124 Prozent, dagegen belief sich der Zuwachs in den USA selbst auf nur 39 Prozent. 11) In diesen fünf Jahren stiegen die Einnahmen der Hollywood-Konzerne in Spanien um 188, in Großbritannien und Irland um 187, in Deutschland und Österreich um 185, in Belgien um 162, in den Niederlanden um 149, in Schweden um 145, in der Schweiz um 144, in Italien um 133 und in Frankreich um 109 Prozent. 12)

Am Ende der 1990er Jahre stamm(t)en schließlich bereits bis zu 95 Prozent aller in westeuropäischen Kinos vorgeführten Filme aus den USA, und in manchen osteuropäischen Ländern wurden überhaupt fast 100 Prozent erreicht. Dafür kam die dortige Filmproduktion fast vollständig zum Erliegen, und auch die westeuropäische wurde halbiert. Besonders betonen möchte ich in diesem Zusammenhang aber auch, dass es vor allem eine - ziemlich schamhaft verschwiegene weil hausgemachte - Entwicklung war, die den US-Produktionen in Europa die letzten Schleusen öffneten. Denn es war ja vor allem die fortschreitende Privatisierung im Fernsehbereich, die, gemeinsam mit der rasanten Zunahme von Kabel- und Satellitenkanälen, seit 1990 für eine Vervierfachung der Profite der US-Produktionen sorgte, und diese Entwicklung ist noch lange nicht abgeschlossen. Der Titel des Time Magazins vom 27.21995, das die europäischen Filmzwerge den Hollywood-Riesen in Gestalt von Arnold Schwarzenegger wie Gulliver niederzwingen lassen, trägt jedenfalls die bezeichnenden Worte: Europa gegen Hollywood (und nicht: Europa gegen die USA). Und schließlich wissen wir wie die Geschichte in Gullivers Reisen ausging.

Kulturgeschichtlich besonders reizvoll scheint mir deshalb die Untersuchung eines Phänomens, das wissenschaftlich überhaupt noch nicht angegangen wurde: nämlich die Frage nach der direkten Korrelation zwischen dem Niedergang des Sowjetreiches und der explosionsartigen Zunahme der Hollywood-Produkte in allen wichtigen Märkten in den fünf letzten Jahren des Kalten Krieges. Dass der US-Präsident damals von einem Schauspieler gegeben wurde - "our acting President", wie Gore Vidal präzise formulierte - war natürlich purer Zufall. Weniger zufällig scheint allerdings, dass genau zur selben Zeit eine massive Maskulinisierung des US-Films stattfand, die immerhin dazu führte, dass Rambo - dessen Darsteller ja den realen Vietnam-Krieg als Sportlehrer in einem Schweizer Mädchenpensionat überwintert hatte - wenigstens nachträglich den Indochina-Konflikt in den Studios von Hollywood für die USA entscheiden konnte: wenn er sich auch in die Pyjamas des Gegners gehüllt in Guerilla-Taktik übte, während der Hollywood-Vietcong mit schwerem militärischen Gerät kämpfte - und damit tatsächlich (nämlich im Film) die historische Rolle der US-Armee übernahm.

Während also Rambo gegen die reale Geschichte putschte, gelang auch den USA exakt zum gleichen Zeitpunkt der größte Coup ihrer Geschichte: die Einführung des Internet. Da es sich beim gleichzeitigen Zusammenbruch des Kommunismus in der triumphalistischen Sicht der USA bekanntlich um nicht weniger als das Ende der Geschichte handelte, wurde diese Transformation von Time in einem Millenniums-Rückblick auch wie folgt skizziert. "1989-1998: Das Melodrama der Geschichte ist überwunden. Das Melodrama der Technologie brennt hell. In der post-sowjetischen Ära wurden der amerikanische Kapitalismus und die amerikanische Technologie zum Motor des Wandels der gesamten Welt." Und beim Kleingedruckten kann man gerade noch lesen: "Information Overload. Bevor der Traum von 500 TV-Kanälen realisiert werden konnte verwandelte er sich schon in eine Million Websites." 14)

Handelt es sich bei der US-Medienindustrie also schon in unserer Gegenwart um die eigentliche Schwerindustrie (und bei Hollywood um die wichtigste Bildungseinrichtung) des 20. Jahrhunderts, so werden in Zukunft vorwiegend der intelligente und kreative Umgang mit dem Internet für alle Staaten und Kulturen darüber entscheiden, ob dem zu Ende gehenden amerikanischen Jahrhundert sogleich noch ein zweites folgen wird. Schließlich hatte Wernher von Braun schon in den 1950er Jahren darauf hingewiesen, dass sich in Zukunft die Fantasie ziemlich beeilen müsse, wenn sie die Realität einholen wolle.

Das World Wide Web als Resultat des Kalten Krieges

Als ich von Alfred Winter im Herbst 1998 in einem Pub in Dublin zu dieser Tagung eingeladen wurde waren 150 Millionen Menschen am Netz (2,5 Prozent der Weltbevölkerung). Als ich mich im August dieses Jahres zum Schreiben hinsetzte, waren es 195 Millionen (3,2 Prozent), 15) und heute sind es bereits über 200 Millionen (3,4 Prozent). Der Zuwachs der Internet-Nutzer wird nur mehr von der rasenden Ausdehnung des Netz-Volumens selbst übertroffen, denn der Inhalt des Netzes verdoppelt sich ständig innerhalb von nur 90 Tagen. Kinder sind dabei der am stärksten wachsende Sektor. Im Jahr 2002 werden alleine in den USA 22 Millionen Kinder und 16,6 Millionen Teenager am Netz erwartet, wobei die Kinder 100 Millionen, die Teenager 1,2 Milliarden Dollar ausgeben werden. (16

Es ist immer noch eine kaum bekannte Tatsache, dass das angeblich vollkommen freie Computer-Netzwerk, das gegen Ende des 20. Jahrhunderts bereits mehr als 200 Millionen Menschen verbindet, eigentlich ein wesentliches Monument der militärischen Pläne der USA aus der Zeit des Kalten Krieges darstellt. War es doch nach dem Sputnik-Schock von 1957 entwickelt wurden, damit die Kommandostrukturen der USA eine nukleare Katastrophe überleben konnten, um den befürchteten Endkampf mit der Sowjetunion siegreich zu überstehen. Ja, man könnte sogar behaupten, dass der spektakuläre Fortschritt im Bereich der westlichen Computer-Wissenschaften mehr zum Untergang der UdSSR beigetragen hat als irgendein anderer einzelner Faktor - vielleicht mit der Ausnahme des einzigartigen Siegeszuges der amerikanischen Populärkultur. Und die Situation der PC- und Internet-Nutzer in Russland ist tatsächlich einer der besten Beweise für den allgemeinen Niedergang dieser Großmacht. Denn entgegen allen Vorurteilen besitzt Russland zwei der wichtigsten Voraussetzungen für die Durchführbarkeit der Internet-Revolution: einerseits hoch gebildete Menschen als wichtigste Basis und andererseits eine riesige virtuell zu überwindende Landfläche. Und trotzdem ist Russland, abgesehen von einigen kleinen Inseln, bei Kommunikationsnetzen, Computern und Software im Vergleich zu den OECD-Staaten und Südostasien rückständig. Ja, die Konzentration auf die Schwerindustrie seit den 1970er Jahren war tatsächlich einer der Hauptgründe für den Niedergang der Sowjetunion. 17)

Es gehört ja wahrlich zu den Treppenwitzen der Weltgeschichte, dass bis heute gerade die Sowjetunion ob ihres traditionell überzogenen Rüstungsprogramms, dass allerdings vorwiegend Schrott produzierte, noch immer als ebenbürtige militärische Großmacht des Kalten Krieges gilt. Während es doch gerade die Vereinigten Staaten waren, die den Rüstungswettlauf nicht nur begonnen hatten, sondern ihn auch fast durchgehend kontrollierten, indem sie der UdSSR auf allen militärischen Gebieten tatsächlich bei weitem davongezogen waren. Und dies gilt insbesondere für unseren Bereich der Digitalisierung der Kriegsführung: in der Waffentechnik ebenso wie in der Spionage, Aufklärung, Kommunikation und (Des-)Information mittels Internet. Russland hatte Ende 1998 erst 1,2 Millionen Menschen am Netz, das waren 0,8 Prozent der Bevölkerung. (Die Vergleichszahlen aus den USA im Dezember 1998 76 Millionen = 27,9 Prozent, im Juli 1999 bereits 106,3 = 39,37 Prozent.) Brauchten wir noch einen weiteren Beweis für die tatsächliche Rückständigkeit Russlands, dann sollte die Information genügen, dass dort 91 Prozent aller Internet-Nutzer männlichen Geschlechts sind. 19)

Das World Wide Web - ein weltweites Netz?

Wenn wir vom World Wide Web sprechen, dann müssen wir unbedingt folgendes beachten. Weniger als vier Prozent der Menschen sind überhaupt online, und davon befindet sich die erdrückende Mehrheit in den "entwickelten" Ländern. In den USA stehen mehr Computer als im ganzen Rest der Welt zusammen. Bulgarien hat mehr Internet Hosts als das ganze Afrika südlich der Sahara (ausgenommen Südafrika), wobei besonders bemerkenswert ist, dass alle Bulgarien betreffenden Server noch Ende 1997 in den USA lokalisiert waren. 20) Ein Viertel der Weltbevölkerung in Südasien verfügt über weniger als ein Prozent aller Internet-Anschlüsse. Wo immer wir hinschauen, das Internet trennt gewiss genauso wie es verbindet: die Gebildeten von den Ungebildeten (60 Prozent der chinesischen Anwender besitzen Universitätsabschluss), Männer von Frauen (in Brasilien sind 75 Prozent der User Männer), die Reichen von den Armen (in Bangladesch kostet ein Computer acht Durchschnittsjahreseinkommen verglichen mit einem durchschnittlichen Monatseinkommen eines US-Bürgers). Es trennt die Jungen von den Alten (in Großbritannien sind die typischen Anwender unter 30) und die Stadt- von den Landbewohnern. Global gesehen ist der typische Internet-Anwender männlich, unter 35 Jahren, hat Universitätsabschluss und hohes Einkommen, lebt in der Stadt und spricht Englisch--er ist also ein Mitglied einer sehr kleinen Elite. 21)
Der Anteil der USA an der Weltbevölkerung entspricht fast genau dem Anteil der Menschen, die über einen Internet-Anschluss verfügen: drei Prozent.Mehr als die Hälfte der Internet User weltweit sind jedoch Amerikaner.
Englisch dominiert das Internet, obwohl es nur für 10 Prozent der Weltbevölkerung Muttersprache ist. Ebenso wichtig ist die Tatsache, dass über 90 Prozent der weltweit durch Computer gespeicherten Informationen in englischer Sprache verfasst sind. Englisch ist auch die Sprache von mehr als 90 Prozent der Websites. Wenige gigantische Korporationen kontrollieren immer größere Anteile am Weltmarkt. Alleine die Top 10 der Telekommunikationsfirmen beherrschten 1998 86 Prozent des Weltmarkts.
Insgesamt ist der prozentuelle Anteil der Internet-Nutzer der USA im globalen Vergleich abnehmend, dies zeigen auch diese beiden Vergleichsstatistiken über den Stand aus dem Jahre 1999 und die Prognose für 2002. Insbesondere die skandinavischen Staaten, aber auch Kanada und Island haben die Vereinigten Staaten in der Internet-Dichte bereits überholt. Auch eine Prognose über den Zuwachs bei den in den nächsten Jahren online gehenden Haushalten zeigt deutlich, dass sich die dominierende Position der USA im Abnehmen befindet.

In Österreich liegen - wie in so vielen anderen Fällen - Image und Realität übrigens wieder einmal sehr deutlich auseinander. Während die Jammerei über die vermeintliche Rückständigkeit der Österreicher schon zum guten Ton gehört, belegt die Alpenrepublik unter fast 200 Staaten der Erde immerhin den 13. Rang bei der Internet-Nutzung und liegt dabei besonders deutlich vor der Bundesrepublik Deutschland. Ein wichtiger Indikator für den Status des Fortschritts bei der Entwicklung der Internet-Nutzung ist übrigens der Verteilerschlüssel bei den Geschlechtern. 24,7 Prozent der österreichischen Männer und 15,2 Prozent der Frauen surfen bereits im Internet - doppelt so viele wie in der BRD. Innerhalb Österreichs korrespondiert die Vernetzung erwartungsgemäß ziemlich genau mit der wirtschaftlichen Position der einzelnen Bundesländer.

Das World Wide Web als Synergie der Synergien oder das Empire of the Fun

In den letzten zwei Dekaden waren wir Zeugen dramatischer Veränderungen am Kommunikationssektor. Bei allen Erfolgen der US-Medienkonzerne, war das Kommunikationswesen bis zum Ende der 1980er Jahre weltweit noch vorwiegend national geregelt. Zweifellos haben einerseits die jüngsten technologischen Entwicklungen ebenso zu dieser Dramatik beigetragen - so waren etwa bei den inneren Strukturen des Infotainment Business riesige Veränderungen zu beobachten waren. Andererseits machte der Niedergang der Sowjetunion zum ersten Mal in der Geschichte einen tatsächlich weltweiten Kommunikationsmarkt erst wirklich möglich. Und schließlich dürfen wir nicht vergessen, dass zu diesen Entwicklungen die neo-liberale Politik - ursprünglich aus den USA und Großbritannien kommend - in den letzten zwei Dekaden den Trend der "Globalisierung" der Medienlandschaft entscheidend beeinflussten. Denn es bedarf ja keiner großen Beobachtungsgabe, um festzustellen, dass das demokratische Potential des öffentlichen Rundfunks und Fernsehens in den 1990er Jahren, überall dort extrem beschnitten wurde, wo ihm das US-Modell des Privatfernsehens, also der institutionelle Rahmen des freien Marktes, übergestülpt wurde. Es bleibt abzuwarten, ob das Internet auch diesem Trend folgen wird und seine Infrastruktur - in den ökonomisch entscheidenden Bereichen - auch unter die Kontrolle privater Konzerne kommen wird, deren Besitzrechte dann als quasi-natürlich und unveränderbar angesehen werden. Gerade im Bereich der Medienwelt hatten Reaganomics und Thatcherism einen ungeheuren Einfluss auf die Deregulierung, die dadurch zum globalen Standard der transnationalen multinationalen Konzernwirtschaft wurde. Deregulierung ist aber eigentlich gar nichts anderes als ein Code, also eine Verschlüsselung für die Tatsache der aus ihr resultierenden Zunahme der sozialen Unverantwortlichkeit der Wirtschaft. 22)

Die 1990er Jahre repräsentieren daher den bedeutendsten Einschnitt im Bereich der globalen Kommunikation. Trotz der immensen Macht der US-Medien nach dem Zweiten Weltkrieg waren die meisten Mediensysteme bis in die 1980er Jahre vorwiegend national ausgelegt. Die Entwicklung eines tatsächlich globalen kommerziellen Medienmarktes muss daher unvorhersehbare Konsequenzen haben. Und diese Konsequenzen der Hegemonie der globalen kommerziellen Medienkonzerne werden durchaus nicht nur im Bereich der Wirtschaft spürbar werden, sondern natürlich auch im Bereich der Politik und Kultur. 23) Dieses System wird 1999 bereits von weniger als zehn transnationalen Konzernen kontrolliert, wodurch der traditionell oligopolistische Markt immer weiteren Konzentrationsprozessen unterliegt.

Gerade dämmert das 21. Jahrhundert herauf, und wir sind auch schon Zeugen eines noch nie da gewesenen Kampfes um die Kontrolle des elektronischen Handels, des Televisions- und Kabelbereiches, der digitalen Telephon-Technologie und der Satelliten-Technologie. Multinationale Medien-, Software-, Telephon- und Elektrizitätskonzernen sind die globalen Spieler, und sie sorgen seit dem Beginn der 1990er Jahre für die größten Wirtschaftstransaktionen der neueren Geschichte überhaupt. Ob im Bereich des Fernsehens, bei Video und Kino, oder beim Internet: hier wird tatsächlich kein Stein auf dem anderen bleiben, denn die Konzerne, die in Zukunft die Datennetzwerke kontrollieren werden, üben damit auch die Kontrolle über alle Datenflüsse des 21. Jahrhunderts aus - ob es sich dabei um politische Informationen, Geld, Waren oder Kulturgüter handeln wird.

Neben der Attraktivität der US-Popkultur für die Jugend ist die Globalisierung des US-Modells auf die enorme ökonomische und militärische Macht der USA und der seit dem Ende des Ersten Weltkriegs konsequent durchgezogenen globalen Medienpolitik zurückzuführen. Der Zusammenbruch der Sowjetunion ließ alle Schranken fallen, und das US-Modell eines von Privatinteressen kontrollierten Medienbereichs wurde überall als exklusive archetypische Organisation der weltweiten Medienstrukturen angewandt. Über viele Jahre puschten die Regierungen der USA - in Zusammenarbeit mit einigen Verbündeten - einerseits eine globale Politik der Durchsetzung privat strukturierter, offener, neo-liberaler Wirtschaften und nicht-staatlicher, markt-gestützter Mediensysteme. Andererseits unternahmen sie größte Anstrengungen, um alle Systeme, die den freien Markt behinderten, auf globaler Basis zu destabilisieren. Die wichtigsten Pfeiler dieser Politik waren: die komfortable Hegemonie der US-Kulturindustrie, deren unbestrittene Wettbewerbsvorteile in allen Bereichen des Kommunikationswesens, sowie die Attraktivität der Produkte des US-Infotainment. Auf diesem sicheren Kissen ruhend, insistierten alle US-Regierungen seit 1945 immer wieder darauf, dass nicht nur alle Kommunikationsmärkte im weltweiten Rahmen geöffnet werden, sondern darüber hinaus auch privatisiert werden müssten - mit dem Resultat der globalen Erosion des öffentlichen Raumes. 24)

Dies führte schließlich zu immensen Wettbewerbsvorteilen für die führenden Mediengiganten. Denn die ungeheueren Synergie-Effekte entstehen durch horizontale und vertikale Integration, in der alle Teilbereiche vernetzt sind: vom Filmstudio bis zum globalen Televisionsnetz, vom Internet-Betreiber bis zum Nachrichtensatelliten, von der Kontrolle über Zeitungs-, Zeitschriften- und Buchverlage bis hin zu Public-Relations-Firmen, Meinungsumfrageinstituten und Reklamebüros, von Theme Parks bis zu Trend-Sport-Veranstaltungen, vom Kinderspielzeug bis zum Geschenksartikel (etc). Diese Synergie ist tatsächlich global, und sie bedeutet nicht weniger als dass die Dominanz in der Politik die Hegemonie im Bereich der politischen Information unterstützt. Diese resultiert wiederum in der Dominanz im Bereich der populären Kultur, die ihrerseits wieder die Hegemonie im Bereich der Technologie verstärkt. Dies untermauert dann wiederum die Hegemonie im Bereich des Journalismus - vom Inhalt zum Stil -, wodurch die Dominanz der englischen Sprache weiter gefördert wird. Und so weiter, oder ist es doch andersrum? 25) Jedenfalls geht im Empire of the Fun die Sonne nie unter.

Das Internet als (gar nicht so) virtuelles Schlachtfeld der Weltwirtschaft

Das Internet hat sich also zu dem entscheidenden (Cyber-)Raum entwickelt, in dem die ökonomische, kulturelle, politische und militärische Konkurrenz im globalen Maßstab statt findet. Dadurch wurde der Spieleinsatz für die Zukunft der Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten, ihren Gegnern sowie ihren Alliierten enorm erhöht. Schließlich bezeichnete selbst Präsident Bill Clinton das Internet in selten praktizierter Offenheit nicht umsonst als das "Schlachtfeld für den ökonomischen Weltkrieg", den Amerika zu gewinnen gedenke. 26) In diesem Konflikt, der von den meisten Europäern noch nicht einmal registriert wurde, haben zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Vereinigten Staaten noch einen großen Vorsprung. Ja, ernstzunehmende Prognosen lauten dahingehend, dass bereits in sieben Jahren fünfzig Prozent aller Jobs der USA im Bereich der Kommunikationswirtschaft und deren Nutzern liegen werden.

So standen am Ende 1998 fast 99 Prozent der Server in Nordamerika, Westeuropa und Japan. Der Rest der Welt, zu vernachlässigende fünf Milliarden Menschen, wurden von einem Prozent der Server repräsentiert. 27) Darüber hinaus hat sich der Konflikt über die künftige Vergabe der Internet Domänen zu einer der drängendsten ökonomischen Fragen zwischen den USA und der Europäischen Union entwickelt. Der Vorschlag der USA, der im Green Paper der Clinton Administration niedergelegt wurde, ignoriert die Wünsche anderer Länder wieder einmal vollständig. Zumindest beim Stand Ende 1999, sieht es so aus, als würde Washington weiterhin darauf bestehen, in allen Internet-Angelegenheiten das letzte Wort zu haben. 28)

Denn schon alleine durch die monopolisierte Namensvergabe der Internet-Adressen bei Top-Level-Domänen durch US-Agenturen wird bis ein bis zum jetzigen Zeitpunkt anhaltender Ungleichheitseffekt weitergeführt. Während daher US-Adressen im allgemeinen auf den Suffixen .com, org., .gov., .mil. und .edu enden, haben alle nicht-amerikanischen Adressen einen Code, bestehend aus zwei Buchstaben, der den jeweiligen Staat benennt. Amerikanische Internet-Nutzer sind daher im Zentrum des Internet positioniert. Die Vereinigten Staaten repräsentieren daher die "Heimat" des virtuellen Raumes, alles andere ist Ausland. Daher befinden sich alle Internet-Nutzer außerhalb der USA immer noch im Exile on Domain Street. 29)

Das Internet und seine Beherrschung - in jedem Sinne des Wortes - wird bei der zukünftigen Interpretation der Welt eine hervorragende Rolle spielen. Das Internet wird nicht nur Informationen in Sekundenschnelle global verbreiten, es wird auch Geschichte machen. Wir müssen bereits jetzt davon ausgehen, dass das Internet von ähnlich säkularer Bedeutung ist wie die Erfindung des Buchdrucks. Dabei muss außerdem beachtet werden, dass es sich beim Internet nicht nur um die größte Maschine, sondern auch um die größte militärische Maschine, die je von Menschen gebaut wurde, handelt. Dabei spielt natürlich neben der Information die Desinformation eine sicher nicht weniger wichtige Rolle. Außerdem wird das Internet zur nationalen, internationalen, ja globalen Überwachung eingesetzt. 30)
Kevin Kelly, der Herausgeber des Internet-Magazins Wired hat vor kurzem angedeutet, was wirklich gespielt wird. Die Neue Digitale Wirtschaft (New Digital Economy) werde selbstverständlich die "Amerikanisierung" der Welt noch weiter beschleunigen. Auf die Frage, ob der vermeintliche Rückstand Europas überhaupt aufzuholen sei, meinte Kelly ganz gelassen: "Ja, aber warum wartet ihr noch? Wie viele Beweise braucht ihr denn, bevor ihr euch endlich bewegt? Die Party hat begonnen, die Einladung steht. Hereinspaziert! Nur eins dürft ihr nicht übersehen: Man kann nicht Internetanschlüsse für alle fordern und sich davor fürchten, dass Europa kulturell an die USA rückt. Ihr müsst euch da wohl ein bisschen an uns anpassen." 31) Da kann es schon nicht mehr überraschen, dass gerade Ende 1999 ein Buch mit dem Titel Die Welt soll Coca-Cola trinken. So machte Roberto Goizueta Coca-Cola zur Nr. 1 die deutsche Bestsellerliste bei den Wirtschaftstiteln anführen kann. 32)

Die Besitzenden und die Habenichtse - die Kluft ist nicht virtuell

Bereits im Juli 1999 warnten die Vereinten Nationen vor einer weiteren rasenden Verschärfung der Ungleichheiten im Rennen um die wichtigste Ressource des 21. Jahrhunderts - Bildung und Wissen. Die Entwicklung von künstlicher Intelligenz, Software und die Entschlüsselung genetischer Codes haben am Ende des 20. Jahrhunderts längst jenen Platz eingenommen, der früher der Suche nach Gold, der Eroberung von Ländern und der Herrschaft über Maschinen als sicherer Weg zur wirtschaftlichen Macht reserviert war. 33).

Die großen Wirtschaftskonflikte des 21. Jahrhundert werden sich besonders auf einen völlig neuen Markt konzentrieren: auf Bildung und Wissen. Die großen Infortainment-Konzerne erwarten auf diesem Markt - Stichworte: Distance Learning und Digital Education - bereits in den nächsten zehn Jahren Zuwächse des Gesamtgewinns im Ausmaß von 30 bis 40 Prozent. Um diesen riesigen Markt werden sich in der nächsten Runde der GATT-Verhandlungen Machtkämpfe zwischen den US-Giganten und den europäischen Zwerg-Produzenten abspielen, die alles bisher da gewesene in den Schatten stellen. Dass die World Trade Organisation diese Gespräche spätestens am 1. Jänner 2000 einberufen wird hat mehr als symbolische Bedeutung für den entscheidenden wirtschaftlichen Kampf um die wichtigste Ressource der Menschheit: die Bildung. Mit Ausnahme von Rüstungsexporten (und Rauschgift) lässt sich auf keinem anderen Gebiet der Weltwirtschaft so viel Geld verdienen. Dass die Mehrheit der europäischen Entscheidungsträger diese Entwicklung - mit tiefgreifenden ökonomischen und kulturellen Auswirkungen - bisher ignoriert fällt meiner Meinung nach, um es höflich zu formulieren, in den Bereich der groben Fahrlässigkeit.

Eine entscheidende Rolle in dieser Auseinandersetzung wird das Internet spielen. Es ist das am schnellsten wachsende Kommunikationsmittel in der gesamten Geschichte der Menschheit. Zwar handelt es sich beim Internet einerseits um den größten Hype der Menschheitsgeschichte. Es steht andererseits allerdings auch außer Zweifel, dass Informations- und Kommunikations-Technologie an sich hervorragende Mittel sind, um auch in bisher ökonomisch weniger entwickelten Regionen ökologisch verträgliches Wirtschaftswachstum zu erzeugen. Indiens Produktion von Software, Irlands Computer Dienste und die karibischen Datenverarbeitungsnetze führen dies gerade deutlich vor. Und solche Chancen bestehen für jede Region.

Trotzdem: gerade die große Mehrheit derjenigen, die den Anschluss am meisten benötigen, bleibt weiter vollkommen ausgeschlossen. Das World Wide Web verbindet eben nicht nur, es trennt auch noch mehr als andere Parameter der Abhängigkeiten. Eine weitere unsichtbare Kluft ist im Entstehen, die tatsächlich durch ein weltweites Netz dargestellt wird, und zwar durch ein Netz, das auf der einen Seite noch mehr verbindet und die Habenden noch weiter zusammenfügt und hochzieht, während es andererseits still und leise die anderen, die draußen Gebliebenen, noch tiefer absinken lässt. Das Bild hat aber auch noch eine andere Seite. Denn: Ob die im Netz gefangenen tatsächlich frei sind, das ist eine andere Frage.

Der Unterschied zwischen den Besitzenden (Haves) und den Habenichtsen (Have Nots) nimmt jedenfalls in beängstigender Geschwindigkeit zu. Außerhalb der OECD-Staaten haben überhaupt nur Bruchteile von einem Prozent der Menschen Zugang zum Internet. Die OECD steht für 19 Prozent der Weltbevölkerung (Europa, Nordamerika, Japan, Australien, Neuseeland, Finnland, Mexiko, die Tschechische Republik, Ungarn, Polen und Südkorea. Man kann daher auch feststellen, dass das World Wide Web für die überwältigende Mehrheit der Menschheit überhaupt nicht existiert, dass also die Welt überhaupt nur für eine ganz spezielle Klasse von Menschen global ist: für eine Art globaler Mittelschicht. Der "Rest" taucht überhaupt nur als Opfer von Kriegen, Revolutionen und Naturkatastrophen in unserem Bewusstsein auf. 34)

Wenn kaum ein Promille der Afrikaner Zugang zum Internet hat muss sich die Frage ja geradezu aufdrängen, für wen denn das World Wide Web weltweit ist. Die hohen Wachstumsraten sind daher im tatsächlichen weltweiten Denken kaum mehr als Reklame-Hype der Medien-Industrie, wenn ein Drittel der Weltbevölkerung keinen Stromanschluss und die Hälfte der Menschheit noch nie telefoniert hat. Jedenfalls sollten wir nicht vergessen, dass es in Manhattan mehr Telefonleitungen gibt als in Afrika südlich der Sahara. Zudem ist äußerst fraglich, ob und wie das Web den vier Milliarden politisch und wirtschaftlich Ausgeschlossenen dieser Welt helfen kann. Was nützt denn die schönste Homepage, wenn die Hälfte der Menschheit kein sauberes Wasser hat und täglich mehr als 40.000 Kinder verhungern? 35) Und was tun, wenn ein Modem mehr kostet als eine Kuh? Und was, wenn man sich beides nicht leisten kann? Das World Wide Web erspart jedenfalls eines nicht: wirklich global zu denken - und lokal zu handeln.

Aber wenn auch der erste funktionierende Computer - Konrad Zuses Z-1 1936 37) in Berlin stand und der Brite Tim Berners-Lee das World Wide Web 1989 bei der CERN in Genf entwickelte - so ist doch die gesamte Computer- und Internet-Kultur mit dem Hauch "des Amerikanischen" umgeben. Und sowohl Mythologie als auch die Ideologie des Internet wurden - wie Armin Medosch feststellte - auch tatsächlich in den USA entwickelt. Ihre Grundelemente - organisierter Dissens (welcher der Underground Rock- und Popkultur nachempfunden ist), Individualismus, Opposition durch Hacker, Internationalismus - sprechen mit ihren Versatzstücken amerikanischer Populärkultur daher vor allem die Jugend der Metropolen an. Allerdings haben - allen hippen Hacker-Images zum Trotz - auch beim Internet bisher die großen multinationalen Medien- und Telekommunikationskonzerne in ihren Expansionsbestrebungen freie Bahn. "Das Internet kann damit auch zu einem Wasserträger jener Art von Globalisierung werden, die so viel Schaden für zuvor geschützte lokale Wirtschaften und Kulturen bringen kann. 'Angeschlossen' zu werden, heißt ja nicht nur Zugang zur gesamten Netzwelt zu haben, sondern auch umgekehrt, dass das alles auf einen selbst zukommen kann." (39

Das World Wide Web explodiert - und schrumpft zugleich

Wir sind gerade am Ende des 20. Jahrhunderts Zeugen eines besonders interessanten Vorgangs. Denn es zeigt sich gerade, dass das Web immer noch "amerikanischer" zu werden scheint, obwohl die nichtamerikanischen Internet-Nutzer und Websites besonders rasant zunehmen. Wir stehen vor dem Paradoxon, dass das World Wide Web, je mehr es zum Massenmedium wird, umso mehr schrumpft. Je mehr das Web zur Normalität wird, je mehr Durchschnitts-Nutzer und Nicht-Experten surfen, desto "normaler" und "durchschnittlicher" wird auch das Verhalten am Netz - und verkommt zum puren Konsum.

Ähnlich wie beim Fernsehen zieht es daher immer mehr Menschen immer häufiger zu einigen wenigen Homepages, und das sind - dreimal dürfen wir raten - eben wieder die Seiten der großen internationalen Medien-Konglomerate. "Webreisende folgen den ausgetretenen Pfaden zu ähnlichen Orten", titelt die Los Angeles Times. Eine relativ kleine Zahl von Websites erhält die größte Aufmerksamkeit, die im Zeitalter der Medien direkt in Geld umsetzbar ist. Und der Trend der Aufmerksamkeitsverengung scheint schnell zuzunehmen. Haben im Juni 1998 noch 33,7 Prozent der Menschen ihre Online-Zeit bei den Top 100 Websites verbracht, so waren es im Juni 1999 schon 39,4 Prozent. Bei den Top 50 Websites waren es 35 Prozent (Juni 1998: 27,3 Prozent), bei den Top 10 Websites 19,2 Prozent (Juni 1998: 16 Prozent). Ähnlich sieht es bei den Seitenaufrufen aus. Auch andere Erhebungen kommen zu vergleichbaren Ergebnissen. Nielsen/NetRatings behauptet, die 10 größten Websites ziehen 21 Prozent der Aufmerksamkeit der Surfer auf sich, Reston glaubt, dass gar 32 Prozent der Online-Zeit bei den Top 10 verbracht wird, wobei allein fünf Minuten stündlich auf Yahoo entfallen. 40)
Dabei könnten die jüngsten von Media Matrix veröffentlichten Vergleichsdaten im Bereich der Zunahme in Europa, Japan und Südostasien insgesamt durchaus optimistisch stimmen. So wuchs die Zahl der Internet-Anwender etwa zwischen Mai 1998 und Mai 1999 um 15 Prozent, in Japan dagegen alleine um 50 Prozent. Und erst am 18. Oktober 1999 wurde eine Untersuchung des britischen Marktforschungsinstituts Ovum veröffentlich, nach der sich in den kommenden sechs Jahren die Zahl der Internet-Nutzer in Westeuropa von heute 38 Millionen auf 150 Millionen vervierfachen wird. 41) Das bedeutet, dass im Jahre 2005 damit die Hälfte der europäischen Bevölkerung online sein soll.

Alleine im Mai 1999 wurden 28 Milliarden Websites angeklickt, das sind um 70 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Im Durchschnitt blieben die Surfer 7,6 Stunden online, im Vergleich zu 5,3 1998. Aber, trotz aller quantitativen Zuwächse der Internet-Anwender außerhalb der USA, wurde die US-Dominanz im qualitativen Bereich nicht nur nicht gebrochen, die amerikanische Hegemonie nahm sogar noch zu. Denn die zehn meistbesuchten Websites heißen nach wie vor AOL Network, Microsoft, Yahoo, Lycos, Go Network, GeoCities, Exite Network, Time Warner Online, Amazon und AltaVista. Bei Jahresende 1999 wird das e-Business bereits auf mehr als 15 Milliarden Dollar geschätzt, bis 2002 wird ein Wachstum auf 1,2 Trillionen Dollar prognostiziert wird.

Aber die Unterschiede zwischen den Vereinigten Staaten und dem Rest der Welt sind tatsächlich schwindelerregend. Die USA alleine werden heuer am Netz 842 Milliarden Dollar generieren, während auf den Rest der Welt ganze 300 Milliarden kommen werden. 42) In ganz Westeuropa wurden am Internet 1999 nur 0,1 Prozent der Gesamtausgaben gemacht, in den USA lag die Zahl vier mal höher. Während 10 Prozent der US-Bürger am Internet einkaufen, sind es in Europa erst 1,5 Prozent. 43) Alleine im heurigen Weihnachtsgeschäft (1999) erwarten die US-Online-Anbieter eine Steigerung von 4,5 Milliarden Dollar 1998 auf 12,2 Milliarden 1999. Auf Europa werden dabei 15,5 Prozent, auf die USA 70 Prozent entfallen. 44) Für die europäische Wirtschaft sollten schon lange die Alarmglocken schrillen, aber noch hat man keine koordinierte Antwort parat. So ist zum Beispiele in Nordamerika die Nachfrage nach High-Tech-Arbeitern bereits so groß, dass alleine im letzten Jahr mehr als 140,000 hochbezahlte ausländische Experten in den USA Arbeit fanden, während in Europa der Mangel an Internet-Kenntnissen dazu geführt hat, dass hundert Tausende hochwertiger Arbeitsplätze gar nicht erst geschaffen werden konnten. 45)

Gute Verbindungen sind wichtiger als je zuvor

Schon seit langem wissen die Menschen was es bedeutet, gute Verbindungen zu haben. Dieser Topos wurde geradezu zum Synonym für Aufstieg, Sicherheit und Reichtum (und Korruption). Es war noch nie so wichtig, gute Verbindungen zu haben, aber dabei spiele ich nicht auf das sprichwörtliche Vitamin B an, sondern auf den dringlichen Zugang zum Netz für alle. Jene Menschen, die im wahrsten Sinn des Wortes, über gute Verbindungen verfügen haben einen überwältigenden Vorteil gegenüber all denen, die nicht angeschlossen sind. Die Menschen ohne Verbindung sind genau jene Menschen, deren Stimmen und Anliegen innerhalb der weltweiten Konversation ungehört bleiben müssen. Der Markt alleine wird diese gigantische Ungleichheit zwischen den Wissenden und den Nicht-Wissenden sicher nicht berichtigen. Für die Armen bleibt der technische Fortschritt außer Reichweite. Um sicherzustellen, dass die globale Kommunikationsrevolution wirklich global wird muss daher eingeschritten werden. Es ist völlig klar, dass durch den fehlenden Zugang zu den neuen Wissenstechnologien die große Mehrheit der Menschheit noch weiter marginalisiert werden wird - aber diese ständig zunehmenden Ungleichheiten sind nicht unausweichlich.

Leopold Kohr hat immer wieder betont, dass eine Region, die ihre Kultur und Sprache verliert, auch ihrer Identität verlustig geht. Ganz ähnlich - allerdings im größeren Rahmen der Grande Nation - argumentierte der verstorbene französische Präsident Françoise Mitterand, der mehrmals darauf hinwies, dass eine Nation, die aufhöre, sich selbst in Images zu repräsentieren, auch aufgäbe, überhaupt eine Nation zu sein. Denn eine solche Kultur, die all ihre geistigen Bilder und ihre Vorstellungswelt importiere und aus zweiter Hand nachempfinde, wäre gewissermaßen dazu verurteilt, nur im Zustand der Ableitung, also als Derivat zu existieren. In der Aufmerksamkeitsökonomie zählt die Darstellung mehr als die Produktion im klassischen Sinn - und die globale Aufmerksamkeit zieht heute Hollywood auf sich. Deshalb fließt heute auch der alte Reichtum, also das Kapital, heute in Richtung der Besitzer des Neuen Reichtums. Sie sind es, welche alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Wir nennen sie Stars, Prominente, Zelebritäten. 46)

Diese Überlegen können überdies gewiss noch weiter gesponnen werden. Denn es sollte ja nicht überraschen, dass Regionen, die ihre Geschichte bereits fast verloren haben, ja gar nicht mehr erahnen, geschweige, denn wissen können, was ihre eigenen Identität überhaupt bedeutet.
Es sollte sich jedenfalls schon herum gesprochen haben, dass es sich beim Internet um das revolutionärste Informationsverarbeitungssystem seit Erfindung des Buchdruckes handelt. 47) Wenn auch die Gutenberg-Galaxie bereits so oft begraben worden ist, dass sie uns sicherlich noch eine Weile erhalten bleiben wird. 48)

Jedenfalls entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass das blühendste Online-Geschäft von der größten Buchhandlung der Welt - www.amazon.com - gemacht wird. Und zu den Todesanzeigen für das jeweils letzte gerade in der Gruft versenkte Medium möchte ich an einen Ausspruch erinnern, den der chilenisch-amerikanischen Multi-Media-Künstlers Juan Downey bei einer Vernissage im Museum von Florida machte. Downey erwiderte nämlich auf die Frage, ob denn der Film überhaupt noch ein lebendiges Medium sei, dass er bereits nicht nur den Tod Gottes überlebt habe, sondern ebenso den Tod des Autors, des Romans und des Films. Und dennoch seien alle vorher Genannten noch immer am Leben.

Colonisation & Internet - Version für Acrobat Reader
© Reinhold Wagnleitner

1) Leo Nefiodow, Der sechste Kondratieff (St. Augustin: Rhein-Sieg Verlag, 1998)

2) Der Kaufpreis für CBS war übrigens schon doppelt so hoch wie der für Capital Cities/ABC den Disney hinlegen musste. Zu den zehn größten Fusionen gehören: der Kauf von Capital Cities/ABC durch Walt Disney um 18.28 Milliarden Dollar im Februar 1996; der Kauf von Warner Communications durch Time Inc. um 15.11 Milliarden Dollar am 10. Jänner 1990; der Kauf von Paramount Communications durch Viacom um 9.47 Milliarden Dollar am 7. Juli 1994; der Kauf von Turner Broadcasting durch Time Warner um 9.1 Milliarden Dollar am 10. Oktober 1996; der Kauf von Blockbuster Entertainment durch Viacom um 8.49 Milliarden Dollar am 29. September 1994; der Kauf von MCA durch Matsushita Electric Industrial um 7.66 Milliarden Dollar am 3. Jänner 1991; und der Kauf von Jacor Communications durch Clear Channel Communications um 6.35 Milliarden Dollar am 4. Mai 1999. Biggest Media Merger
http://cnnfn.com/1999/09/07/deals/media_mergers/ (accessed 20. September 1999)

3) Der Spiegel 37(13. September 1999): 93.

4) Reinhold Wagnleitner, Coca-Colonisation und Kalter Krieg: Die Kulturmission der USA in Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg (Wien: Verlag für Gesellschaftskritik, 1991); Infoplease.com "Stichwort: Coca-colonize"
hhttp://www.infoplease.com/ipd/A0378175.html [accessed 25. Oktober 1999]

5) Nancy Snow, Propaganda, Inc.: Selling America´s Culture to the World (New York: Seven Stories Press, 1998)

6) Ich danke Erwin Giedenbacher für die Unterstützung bei der Herstellung der Grafiken und Tabellen.

7) Janos Matyas Kovacs, "Turbulenzen im Vakuum: Anmerkungen zur kulturellen Globalisierung in Osteuropa" in IWM Newsletter 65 (Mai - Juli 1999): 13-14.

8) "U.S. Arms Sales: Arms Around the World" Mother Jones MOJO wire
http://www.motherjones.com/arms/ (accessed 14. Oktober 1999)

9) Paul Rutten, "Global Sounds and Local Brews: Musical Developments and Music Industry in Europe" in Paul Rutten (ed.), Music, Culture and Society in Europe (Brüssel: European Music Office, 1996): 64-76.

10) Die Chiffre "Hollywood" steht hier selbstverständlich für eine bestimmte Film-Strategie, die nicht nur den geographischen Ort meint.

11) Reinhold Wagnleitner, "Die Marilyn-Monroe-Doktrin oder das Streben nach Glück durch Konsum: Die US-Popkultur und die Demokratisierung Österreichs im Kalten Krieg" IWM Working Papers 5/1997
http://www.univie.ac.at/iwm/htm/p-wpa-et.htm#Wagnleitner (accessed 13. Oktober 1999)

12) S.E. Siwek, "The Dimensions of the Export of American Mass Culture" in Ben J. Wattenberg (ed.), The New Global Culture: Is It American? Is It Good for America? Is It Good for the World? Conference Paper, American Enterprise Institute, Washington, D.C. 1992; Annemoon van Hemel, Hans Mommaas und Cas Smithuijsen (eds.), Trading Culture. Gatt, European Cultural Politics and the Transatlantic Market (Amsterdam: Boekman Foundation, 1996)

13) Ich postuliere mit diesem Satz natürlich keine Verschwörung, meine aber, dass Erklärungsansätze in diese Richtung zumindest durchaus reizvoll und nachdenkenswert sind.

14) Time 6. März 1998

15) NUA Internet Surveys. Worldwide
http://www.nua.ie/surveys/how_many_online/world.html [accessed 5. Oktober 1999]

16) "Kids and Teens to Spend More Online" Cyberatlas
http://www.cyberatlas.com/big_picture/demographics/teens.html [accessed 7 May 1999]

17) Stefanie Harter, "Russland und das Internet. Ökonomische Aspekte der virtuellen Integration" Berichte des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche Studien (21-1999)

18) How Many Online? NUA Internet Surveys
http://www.nua.ie/surveys/how_many_online/n_america.html [accessed 9. Oktober 1999]

19) COMCON: 81 Percent or Russian Users Are Male
http://www.comcon-2.com/ [accessed 9. Oktober 1999]

20) Maha El Said, Tutun Mukerjee and Valentina Rainova, "Cultural Flavor in Cyberculture", American Studies Center Workshop Project "The Internet: Networking, Research and Popular American Culture" 26. November bis 5. Dezember 1997, Salzburg Seminar, Schloss Leopoldskron.
http://www.salsem.ac.at/csacl/progs/internet/group5/cultural.htm [accessed 20. Oktober 1999]

21) United Nations Development Programme, Human Development Report 1999: Reducing the Gap Between the Knows and the Know-Nots
http://www.undp.org/hdro/E3.html [accessed 10. September 1999]

22) Herbert Schiller, Information Inequality (New York: Routledge, 1996).

23) Robert W. McChesney, "Corporate Concentration: A Threat to the Right to Communicate?"
http://commposite.uqam.ca/videaz/docs/romcen.html [accessed 23 June 1999]

24) Edward S. Herman and Noam Chomsky, Manufacturing Consent: The Political Economy of the Mass Media (New York: Pantheon Books, 1988); Edward S. Herman, The Global Media: The New Missionaries of Corporate Capitalism (London: Cassell, 1997).

25) J. Michael Jaffe and Gabriel Weimann, "New Lords of the Global Village? Reconsidering Theories of Media Domination," in Reinhold Wagnleitner und Elaine Tyler May (Hrsg.), Here, There, and Everywhere: The Foreign Politics of American Popular Culture (Hanover, London: University Press of New England, 2000)

26) Harald A. Friedl, "Cyber-Paradies für Arme? Statt Reisfelder und Demokraten gedeihen im virtuellen Weltdorf "Internet" hauptsächlich Info-Müllberge - auch ohne die vier Milliarden Menschen unter der Armutsgrenze" Kulturaustausch via Internet - Chancen und Strategien, Haus der Kulturen, Berlin
http://www.hkw.de/forum/forum1/doc/text/d-friedl.html [accessed 5. Oktober 1999]

27 ) The Emerging 20 Nations, in
http://www.cyberatlas.com/market/geographics/index.html [accessed September 18 1998]

28) "Frankreich kritisiert US-Pläne" Internet intern
http://www.intern.de/98/06/04.shtml [accessed 14 May 1999]

29) Luc Hatlestad, "With its government contract soon expiring, Network Solutions is losing its lock on the domain-name registration business."
http://www.redherring.com/mag/issue69/news-netsol.html [accessed 20. September 1999]

30) Hingewiesen sei hier nur auf das globale Abhörnetzwerk der USA "ECHELON" und das Abhörprojekt der EU "Enfopol". ECHELON geht auf einen Vertrag aus dem Jahre 1947 zurück. Zu seiner Existenz wurde bis vor kurzem von den offiziellen Stellen der fünf UKUSA-Gründerstaaten (USA, Großbritannien, Kanada, Neuseeland und Australien) seit mehr als 50 Jahren grundsätzlich keine Stellungnahmen abgeben. Der Vertrag regelt die Zusammenarbeit der genannten Staaten beim Betrieb des globalen Abhörnetzwerks ECHELON, einem Verbund aus mittlerweile mindestens 120 Stationen von Australien bis Alaska, den der US-Geheimdienst National Security Agency dominiert.
Code Name ECHELON: A Report to the European Parliament States
http://www.qainfo.se/~lb/echelon.htm [accessed 20. Oktober 1999];
Das Originaldokument Enfopol vom 3. September 1998
http://www.telepolis.de/tp/deutsch/special/enfo/6326/1.html [accessed 20. Oktober 1999]

31) "Zukunft der vernetzten Gesellschaft" in Format , No. 36, 5. September 1999.

32) Von David Greising (Moderne Industrie, La., 1999)

33) United Nations Development Programme, Human Development Report 1999: Reducing the Gap Between the Knows and the Know-Nots
http://www.undp.org/hdro/E3.html [accessed 10. September 1999]

34) Siehe dazu bYtES For aLL: an online newsletter from South Asia http://www.bytesforall.org [accessed 6. Oktober 1999]

35) Harald A. Friedl, "Cyber-Paradies für Arme? Statt Reisfelder und Demokraten gedeihen im virtuellen Weltdorf "Internet" hauptsächlich Info-Müllberge - auch ohne die vier Milliarden Menschen unter der Armutsgrenze" Kulturaustausch via Internet - Chancen und Strategien, Haus der Kulturen, Berlin
http://www.hkw.de/forum/forum1/doc/text/d-friedl.html) [accessed 5. Oktober 1999]

36) Shahidul Alam, "When a Modem Costs More Than a Cow:" bytes for all 30. April 1999
http://www.bytesforall.org/2nd/shahidul1.htm [accessed 13. Oktober 1999]

37) Konrad Zuse und seine Rechner
http://irb.cs.tu-berlin.de/~zuse/Konrad_Zuse/index.html [accessed 07.07.1999]

38) "The Man Who Invented the Web”2Time Magazin 19. Mai 1997
http://cgi.pathfinder.com/time/magazine/1997/dom/970519/tech.the_man_who_i.html [accessed 07.07.1999]

39) Armin Medosch, Diskussionsbeitrag, Kulturaustausch via Internet. Haus der Kulturen, Berlin
http://www.hkw.de/forum/forum1/doc/d-doc1.html [accessed 21. Oktober 1999]

40) Florian Rötzer, "Das Web wird zum Massenmedium: Immer mehr Menschen zieht es zu einigen Webseiten" telepolis 25. August 1999.
http://www.heise.de/bin/tp/issue/search.pl?language=deutsch&autorname=R%F6tzer&suchbegriff=&ok.x=51&ok.y=14 [accessed 25. August 1999]

41) Der Standard 18. Oktober 1999.

42) Deloitte Consulting: Ecommerce to Top USD 1.1. Trillion by 2002
http://www.nua.ie/surveys/?f=VS&art_id=905354980&rel=true [accessed 24. Juni 1999]

43) See "Europe´s Handicap" in Time digital 28 June 1999
http://www.timedigital.com [accessed 3.Juli 1999]

44) GartnerGroup's Dataquest Says Online Holiday Shopping to Nearly Triple this Year. Dataquest Projects 30 Percent of Sales to Occur Outside the United States
http://gartner6.gartnerweb.com/dq/static/about/press/pr-b9953.html [accessed 10. Oktober 1999]

45) "Internet ist Massenarbeitgeber der Zukunft. Vize Präsident Al Gore,"
http://futurezone.orf.at/futurezone.orf?read=detail&id=2048&tmp=45864 [accessed 24. Juni 1999]

46) Michael H. Goldhaber, "Prominenz statt Geld. Die Aufmerksamkeitsökonomie und das Netz - Teil I und II
http://www.heise.de/tp/deutsch/special/eco/6195/1.html [accessed 25. Oktober 1999]

47) John Naughton, A Brief History of the Future (London: Weidenfeld & Nicolson, 1999)

48) Herbert Marshall McLuhan , The Gutenberg Galaxy: The Making of Typographic Man (Toronto: University of Toronto Press, 1962); Eugene F. Provenzo, Jr. Beyond the Gutenberg Galaxy: Microcomputers and the Emergence of Post-Typographic Culture (New York: Teachers College Press, 1986); Norbert Bolz, Am Ende der Gutenberg-Galaxis: Die neuen Kommunikationsverhältnisse (München: W. Fink, 1995)


<li><a href="../index.html">e.journal</a> : [ <a href="../toc-nf.html">Inhalt</a> ]<br> <li><b>neue.medien</b> : [ <a href="toc.html">Inhalt</a> | <b>Colonisation & Internet</b> ]<br>
·^·