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Johannes Carlerius Gerson, Theologische Werke

(Gesamtausgabe), 3 Bände, Strassburg 1488.-Ink. 73.40

Jean Charlier, meist mit seinem latinisierten Vornamen und seinem Herkunftsort benannt, war 1363 in Gerson bei Rethel in der Diözese Reims geboren worden und 1427 in Lyon gestorben. Seit 1377 hatte er in Paris studiert, wo er ab 1395 als Theologieprofessor und Kanzler der Universität tätig war. Als Träger des Ehrentitels "doctor christianissimus" ("allerchristlichster Lehrer") war er ein überaus einflußreicher mystischer Theologe, der sein Denken immer mehr von scholastischer Spekulation auf die subjektiven Momente der Glaubenserfahrung gerichtet hatte. Dieser Grundhaltung wusste er sich auch in seinem Wirken als Kirchenpolitiker, Reformer und Seelsorger verpflichtet. Er entfaltete eine vielseitige schriftstellerische Tätigkeit und befaßte sich auch mit den Werken großer scholastischer und mystischer Theologen des Hochmittelalters wie etwa Bonaventura und Bernhard von Clairvaux, deren Schriften er kommentierte und in die Volkssprache übersetzte.

Die hier vorliegende Ausgabe der Werke Gersons ist deren zweite Edition (eine erste war schon 1483-1484 in Köln erschienen), die allerdings für lange Zeit die gültige und maßgebliche bleiben sollte. Den auf drei Bände angelegten Druck hatte Johann Grüninger 1488 in Straßburg besorgt, doch waren diese Bände nicht in deren numerischer Reihenfolge hergestellt worden: Der erste Band mit einem Umfang von 230 Blättern war am 8. September, Band zwei mit seinen 286 Blättern hingegen schon am 3. Juli und der mit 360 Blättern umfangreichste dritte Band immerhin auch schon zwei Tage vor dem ersten fertiggestellt worden. Da sich diese Ausgabe doch nicht als vollständige Gesamtedition herausstellte, wurde sie 1502 um einen vierten Band mit 336 Blättern erweitert, und in dieser Form diente sie bis ins 17. Jahrhundert allen weiteren Editionen als Vorlage. Ein 50-seitiges "lnventarium", das dem ersten Band vorangebunden wurde, erschließt als detailliertes Inhaltsverzeichnis die Masse der vielen Dutzend in dem Werk versammelten kleineren und größeren Traktate.

Der erste Band, am Beginn des eigentlichen Textanfanges aufgeschlagen, zeigt links in einem (vielleicht nach einer Vorlage von Albrecht Dürer hergestellten) kolorierten Holzschnitt den Autor (?) als Pilger mit Stab und Tasche, sein Familienwappen in der Rechten haltend, in rötlich-violetter Kleidung; er wandert mit seinem Hund durch eine stilisierte Landschaft mit Bäumen und einer Burg rechts im Hintergrund. - Auf der rechten Seite beginnt der Text mit einem Brief des Gerson an seinen Bruder, unterhalb folgt ein Lobspruch des Herausgebers auf den Verfasser. Die Initiale J(ohannes)" ist auf Goldgrund mit Deckfarben in Lila gemalt und wird von einem rechteckigen Rahmen mit farblich geteilten Leisten eingefaßt. Von den linken Ecken gehen nach oben und nach unten grüne und violette Ranken aus. Diese Art der künstlerischen Ausstattung, die natürlich erst durch den Büchersammler veranlaßt wurde, wird uns auch in den weiteren präsentierten Drucken begegnen.

Johann Tomaschek

 
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