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Auszug aus HUMBOLTS REISE
© Franz Krahberger

Er dachte daran, dass nun die langen Naechte kommen wuerden, die Naechte des Wartens nach dem Wiederaufleben der Natur, und er spuerte, dass er ein Jahr aelter geworden war. Der Wechsel der Jahreszeiten laesst das Altern verspueren.

Wie wenig die technologische Welt auf diese Bewegungen eingeht. Der asynchrone Takt der Zivilisation zur Natur laesst die Natur als fremd und stoerend erscheinen.
Der Kultkalender der Bauern ist zu fragwuerdigen Symbolen, deren Bedeutung niemand mehr nutzt, verkommen.
Ueber das Leben wacht die digitalisierte Zeit, die uns glauben machen soll, dass es Kontinuitaet und Dauer gaebe.
Ueber diese Asynchronitaet, dem Fehlen von Uebereinstimmung, von chronologischer Zeit und sinnlicher Naturwahrnehmung soll nicht nachgedacht werden. Dieses Nachdenken gefaehrdet die kuenstliche Ordnung der Zivilisation. Die kuenstliche Ordnung der selbstkonstruierten Maschinen, das Spinnennetz aus Technologie und Verwaltung, das uns zur realen Welt geworden ist.
Sie hatten die Welt der Natur verlassen und waren zur technischen Ordnung uebergegangen.
Ich habe Anfang der 80 viele Tage im noerdlichen Waldviertel verbracht. Diese ungefaehr zwei Fahrstunden von Wien entfernte Gegend hatte den aus heutiger Sicht unschaetzbaren Vorteil, eine unterentwickelte Region zu sein. Hier hat der >Siegeszug< der Industrialisierung und des Autos noch nicht die Landschaft und die Ortschaften verwandelt. Auch schloss das Waldviertel mit der toten Grenze des eisernen Vorhanges ab. Dies wirkte sich durchaus guenstig auf das Ueberleben einer vielfaeltigen und intakten Natur aus.
Jedesmal, wenn ich am abgelegenen Hof ankam, bemerkte ich das gleiche Gefuehl der Befreiung. Es war, als ob ein gewaltiger Druck nachlassen wuerde, als ob Ballast verschwinden wuerde.
Ich begann ueber dieses Phaenomen, nachdem es sich puenktlich bei jeder Anreise wiederholte, nachzudenken und fand bald heraus, dass der Ballast mit der Realitaet der Grossstadt zusammenhing. In den Ballungszentren muessen wir auf bedeutend mehr Signale und Zeichen achten.
Wir bewegen uns nach Zeitplaenen, denen der Raum untergeordnet ist und wir sind permanent den Augenreizen der Werbung und der Information ausgesetzt. Die Bewegung in der Menge erfordert erhoehte Achtsamkeit. Hinzu kommen die terminlichen Belastungen, die Bewaeltigung der beruflichen und privaten Aufgaben. Anstelle der Gehetztheit in der Stadt trat im Waldviertel wieder die Vertrautheit mit den Dingen.
Ein Baum war ein Baum, und nicht das Zeichen eines Baumes, ein Haus war ein Haus und nicht Informationstraeger fuer anderes usw.. Das Ding ist das Ding fuer sich und deutet nichts anderes.
Auch der Zeithorizont ist anders. Dort auf dem Lande entsprach er vielmehr der natuerlichen Zeitauffasssung des Wechsels von Tag und Nacht, des Wechsels der Jahreszeiten, des Vergehens und Werdens, des Verschwindens und der Wiederkehr.
Die elektronisch strukturierte Zeit im Gegensatz zur genealogischen und an den Zyklen der Natur orientierten Zeit hebt die Unterschiede zwischen Gestern, Heute und Morgen, zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf.
Das Zeitgefuehl der Postmoderne fliesst im Raum des Gleichzeitigen, Gegenwaertigen zusammen und dessen Intention ist die Verlaengerung der Gegenwart.

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