Die Anziehungskraft der Natur bei HatjeCantz und anderswo


Eine Betrachtung und Sichtung von Franz Krahberger

Olaf Otto Becker fotografiert unter dem Licht des Nordens Island, dessen faszinierende Landschaften und Naturereignisse ohne die technischen und architektonischen Eingriffe der Jetztzeit ausser Acht zu lassen. Kevin Erskin fotografiert in SUPERCELL Tornados in den USA in Ihren praechtigen wie naturgewaltigen Erscheinungsformen. Beide bilden ab, sie dokumentieren auf hohem aesthetischen Niveau.

Es gab auch anderen Umgang der Kunst mit der Natur, in der Konzept, Technologie, Landart und Naturgewalten in einem verschmolzen worden sind. So in Walter de Marias Lightning Field im Westen von New Mexico , mit dem er spektakulaere Ergebnisse erzielen konnte, die weltweit beachtet worden sind.

Jeremy Lewison vergleicht in einem Band William Turner, Claude Monet und Cy Twombly. Wobei der erstere vor Ort gemalt und sich den Unbilden der Natur ausgeliefert hat, wie Erskin es heute noch tut. Monet bevorzugt mit der Einrichtung des Gartens von Givergny bereits das Konzept, die Variation und das in die gestaltete Natur verlegte Gartenatelier. Cy Twombly bietet eher visuelle Notaten zur Kunst, die sich mit Natur beschaeftigt hat. Arno Schmidt verortet sich mittels seiner Fotografien an dem Ort, an dem er gelebt hat, in Bargfeld in Niedersachsen.

Adalbert Stifter, der grosse oesterreichische Epiker des 19. Jahrhunderts zeigt mit seiner Malerei, wie sehr seine Malerei zu Turners Zeit State of the Art gewesen ist. Malerei die ansehenswert ist und Literatur, die sich nach wie vor in exemplarischer wie ueberzeugender Weise lesen laesst und trotzdem das klassische oesterreichische Schicksal erleidet: Mangel an genuegend internationaler Resonanz. Daran wird sich aber kaum etwas aendern lassen. Was verbindet Ai WeiWei mit Adalbert Sifter und Friedich Simony ? : Der Dachstein.

Jeremy Lewison hat mir in seinem Beitrag einen mir bislang verborgenen Zugang zu menschlichen Interaktionen zwischen Mann und Frau eroeffnet. Es geht um sein Verhalten gegenueber seiner zweiten Frau Alice, an der er den Schmerz ueber den Tod seiner ersten Frau Camille abreagiert. Lewison untermauert das mit Hinweisen auf Sigmund Freuds Erkenntnisse. Es sieht so aus, als ob wir solchen unterbewusst eingepraegten Strukturen zumindest eine Zeitlang hilflos ausgeliefert sind.

Es gibt auch andere Variationen des Themas, zum Beispiel die Briefe, die de Sade an seine Frau aus dem Gefaengnis geschrieben hat, Blaubart, der die Leichen seiner Maetressen hinter dem 13.Tor verborgen hat, und jeder Nachfolgerin verbietet, dieses Tor zu oeffnen, die dies in ihrer Neugier nicht achten und so den Weg allen Verflossenen gehen muessen.

Ich fuer meinen Teil habe noch Auszuege von Franz Kafka hinzugefuegt, die eher seinem Umgang mit dem Tod entsprechen > Melancholie ist die Entsprechung aller Romantik < als mit seiner persoenlichen Beziehungsgeschichte, die jedoch ebenso nachdenkenswert ist.

Aus dem Quell der duesteren Romantik ist Leben und Ende der ungluecklichen Mary Vetsara, die von Rudolf mit in den Tod gerissen worden ist und auf dem Friedhof von Heiligen Kreuz begraben liegt, gewachsen.

Ein breites Angebot von Buechern, in dem sich das weite Land der Seele ebenso entfalten kann, wie die Anschauung der Naturwissenschaften. Es ist eine Welt ohne Gott, es ist die Welt des Menschen und seiner Beziehungen zur eigenen und zur anderen Natur. Alle zeigen sie, wie der Mensch dem Fatum und den Naturgewalten unterworfen ist. Allein Walter de Maria hat sich funktional frei gespielt. Sein Werk ist so eigentlich nicht Gegenstand dieser Betrachtung.

Der faszinierenste Maler, auf den ich erstmals in den fruehen 70 er Jahren durch meine damalige Geliebte aufmerksam gemacht worden bin, ist und bleibt fuer mich William Turner. Vieles andere rankt sich um ihn. Allerdings, mein Gefallen an Malerei wechselt bei mir mit den Jahreszeiten. I am a man for all Seasons.


Caspar ueber den Wolken

Olaf Otto Becker under the Nordic Light > Eine Zeitreise. Island 1999-2011

Text von Petra Giloy-Hirtz, Gestaltung von Olaf Otto Becker Deutsch/Englisch / 2011. 160 Seiten, 93 farbige Abb. / Leinen / ISBN 978-3-7757-3190-4 / € 39,80 | CHF 53,90 /

Fotografien der isländischen Landschaft zwischen Natur, Zivilisation und Globalisierung / Seit über zehn Jahren bereist Olaf Otto Becker (*1959 in Travemünde) den hohen Norden. Auf der Suche nach dem noch nicht gesehenen Bild der Urlandschaft, in der das Auge an die Grenzen des gewohnten Sehens stößt und die Natur zum Spiegel der Seele wird, beobachtet er geografische Besonderheiten und wartet optimale Lichtverhältnisse ab. Erst dann macht er sich, häufig mitten in der Nacht, mit einer schweren Großformatkamera auf den Weg, um Nuancen auch bei weichem Licht einfangen und ein Maximum an technischer Qualität erbringen zu können - Beckers bewusst subjektiver Blick geht über die Abbildung der Realität hinaus und erschafft Bilder von großer Klarheit, Weite und Konzentration. Die Publikation führt bereits veröffentlichte und neue Aufnahmen von Island zusammen, die neben ursprünglichen Landschaften Spuren der Zivilisation und auch der Wirtschaftskrise zeigen.

Ausstellungen: Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen 10.9.-6.11.2011 | Stadthaus Ulm 11.12.2011-20.3.2012 | Galerie ƒ 5, 6, München 28.10.2011-21.1.2012








Kevin Erskine >>> Supercell

Texte von Richard Hamblyn, Redmond O'Hanlon, Gestaltung von Jutta Herden / Englisch / / / / 2011. 192 Seiten, 105 farbige Abb. / Leinen ISBN 978-3-7757-3209-3 / € 68,00 | CHF 91,00

Es ist ein Tosen in diesen Bildern, ein Ziehen und Krachen und Rotieren, dass es dem Betrachter den Boden unter den Füßen fortreißt. Man meint, das Grollen des Donners zu hören und den Wind zu spüren, der über die Ebene fegt. Dämonischer und zugleich einladender kann Fotografie nicht sein F.A.Z.

Mit 12 Jahren beobachtete Kevin Erskine (*1956 in Sharpsburg, Illinois) seinen ersten großen Sturm: Ein Tornado der Kategorie 4 tobte mit einer Geschwindigkeit von über 340 Stundenkilometern durch das Zentrum seiner Heimatstadt Hoskins in Nebraska. Fasziniert und inspiriert von dieser immensen Naturgewalt, begann Erskine, erste Aufnahmen mit der Kamera seines Vaters zu machen. Bis heute hegt er eine große Leidenschaft für die Fotografie und den respektvollen Umgang mit der Natur. Die Aufnahmen von Superzellen, die er mit seiner Großbildkamera einfängt, zeigen gewaltige Wolkenmassen in immer neuen Formationen - sei es vor oder während eines Tornados, von der roten Abendsonne beschienen oder bedrohlich dunkellila bis schwarz bei Nacht. Meisterhaft demonstriert Erskine die Ambivalenz zwischen der Angst einflößenden Macht der Natur und ihrer beeindruckenden Schönheit.











Arno Schmidt als Fotograf > Entwicklung eines Bildbewusstseins

Hrsg. Janos Frecot, Vorwort von Jan Philipp Reemtsma, Texte von Janos Frecot, Gabriele Kostas, Rainer Stamm, Thomas Weski, Gestaltung von Verena Gerlach / Deutsch/Englisch 2011. 160 Seiten, 64 Abb., davon 40 farbig ISBN 978-3-7757-3149-2

Arno Schmidt (1914-1979) ist nicht nur einer der bedeutendsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts - er schuf nebenbei auch ein fotografisches Werk, das seit den Publikationen und Ausstellungen ab 2003 mehr und mehr das Interesse der an Kunst und Fotografie interessierten Öffentlichkeit findet.

Seine Aufnahmen zeigen Orte, die er an Schauplätzen geplanter Erzählungen aufnahm; die meisten dokumentieren jedoch die norddeutsche Heidelandschaft um seinen Wohnort Bargfeld. In seinen Fotografien verwandelt er die Räumlichkeit der realen Landschaft in Farb- und Strukturflächen, die auf der Ebene des fotografischen Bildes Harmonie und Ausgewogenheit ausstrahlen. Mit seinem "gestaltenden Blick" gelingt es ihm immer wieder, aus unscheinbarsten Alltagsdingen wie einer Schubkarre und einem Wasserschlauch eindrucksvolle Stillleben zu generieren. Die Publikation untersucht dieses künstlerische Nebenwerk aus unterschiedlichen Perspektiven.

Ausstellungen: Günter Grass-Haus, Lübeck 8.7.-2.10.2011 | École Normale Supérieure de Photographie (ENSP), Arles 9.11-11.12.2011 | Literaturzentrum Vorpommern Koeppenhaus, Greifswald ab Februar 2012 | Deutsch-Italienisches Kulturinstitut Venedig ab April/Mai 2012 | Kurt Tucholsky Literaturmuseum Schloss Rheinsberg ab November 2012 | Deichtorhallen Hamburg | Kunsthalle Erfurt | Und weitere Stationen







Walter de Maria

















Turner Monet Twombly Later Paintings

Hrsg. Moderna Museet, Stockholm, Text von Jeremy Lewison, Beiträge von Jo Widoff, Gestaltung von Patric Leo / Deutsch 2011. 272 Seiten, 151 Abb. / ISBN 978-3-7757-3000-6 / € 29,80 | CHF 41,50 /

Die Spätwerke dreier großer Erneuerer der Malerei im Vergleich

J. M. William Turner (1775-1851), Claude Monet (1840-1926) und Cy Twombly (1928-2011) zählen zu den bedeutendsten Malern der letzten 150 Jahre. Sie galten jeweils als radikale Künstler, erweiterten die zu ihren Zeiten gültigen Grenzen der Malerei und waren zunächst umstritten. Der Band konzentriert sich auf das Spätwerk der Maler - Arbeiten von besonderer Leichtigkeit und Intensität, da die Ansprüche an Oberfläche und Vollendung sich mit der Gelassenheit des Alters wandeln. Die Künstler betrachten für sie zentrale Themen mit Abstand erneut, wobei ein klares Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit ihr Schaffen durchzieht. Der Band stellt die Modernität von Turner und Monet in den Vordergrund und demonstriert gleichzeitig die starke Anziehungskraft, die klassizistische Tendenzen auf Twomblys Spätwerk ausüben. Betrachtet wird auch das keinesfalls Mitte des 19. Jahrhunderts erloschene Interesse an der Romantik und am Erhabenen.

Ausstellungen: Moderna Museet, Stockholm 8.10.2011-15.1.2012 | Staatsgalerie Stuttgart 11.2.-28.5.2012 | Tate, Liverpool 22.6.-28.10.2012 /

Turner











Monet












Twombley










Charons Weg und Ende






FRANZ KAFKA


Jaeger Gracchus in Riva


Eine Barke schwebte leise, als werde sie über dem Wasser getragen, in den kleinen Hafen. Ein Mann in blauem Kittel stieg ans Land und zog die Seile durch die Ringe. Zwei andere Männer in dunklen Röcken mit Silberknöpfen trugen hinter dem Bootsmann eine Bahre, auf der unter einem großen blumengemusterten, gefransten Seidentuch offenbar ein Mensch lag.

* * *

Von der Bahre war das Tuch zurückgeschlagen. Es lag dort ein Mann mit wild durcheinandergewachsenem Haar und Bart, gebräunter Haut, etwa einem Jäger gleichend. Er lag bewegungslos, scheinbar atemlos mit geschlossenen Augen da, trotzdem deutete nur die Umgebung an, daß es vielleicht ein Toter war.

Der Herr trat zur Bahre, legte eine Hand dem Daliegenden auf die Stirn, kniete dann nieder und betete. Der Bootsführer winkte den Trägern, das Zimmer zu verlassen, sie gingen hinaus, vertrieben die Knaben, die sich draußen angesammelt hatten, und schlossen die Tür. Dem Herrn schien aber auch diese Stille noch nicht zu genügen, er sah den Bootsführer an, dieser verstand und ging durch eine Seitentür ins Nebenzimmer. Sofort schlug der Mann auf der Bahre die Augen auf, wandte schmerzlich lächelnd das Gesicht dem Herrn zu und sagte:

"Wer bist du?" - Der Herr erhob sich ohne weiteres Staunen aus seiner knienden Stellung und antwortete: "Der Bürgermeister von Riva."

* * *

Der Mann auf der Bahre nickte, zeigte mit schwach ausgestrecktem Arm auf einen Sessel und sagte, nachdem der Bürgermeister seiner Einladung gefolgt war: "Ich wußte es ja, Herr Bürgermeister, aber im ersten Augenblick habe ich immer alles vergessen, alles geht mir in der Runde und es ist besser, ich frage, auch wenn ich alles weiß. Auch Sie wissen wahrscheinlich, daß ich der Jäger Gracchus bin."

"Gewiß", sagte der Bürgermeister. "Sie wurden mir heute in der Nacht angekündigt. Wir schliefen längst. Da rief gegen Mitternacht meine Frau: ›Salvatore‹, - so heiße ich - ›sieh die Taube am Fenster!‹ Es war wirklich eine Taube, aber groß wie ein Hahn. Sie flog zu meinem Ohr und sagte: ›Morgen kommt der tote Jäger Gracchus, empfange ihn im Namen der Stadt.‹"

Der Jäger nickte und zog die Zungenspitze zwischen den Lippen durch: "Ja, die Tauben fliegen vor mir her. Glauben Sie aber, Herr Bürgermeister, daß ich in Riva bleiben soll?"

"Das kann ich noch nicht sagen", antwortete der Bürgermeister. "Sind Sie tot?"

"Ja", sagte der Jäger, "wie Sie sehen. - Vor vielen Jahren, es müssen aber ungemein viel Jahre sein, stürzte ich im Schwarzwald - das ist in Deutschland - von einem Felsen, als ich eine Gemse verfolgte. Seitdem bin ich tot."

"Aber Sie leben doch auch", sagte der Bürgermeister.

"Gewissermaßen", sagte der Jäger, "gewissermaßen lebe ich auch. Mein Todeskahn verfehlte die Fahrt, eine falsche Drehung des Steuers, ein Augenblick der Unaufmerksamkeit des Führers, eine Ablenkung durch meine wunderschöne Heimat, ich weiß nicht, was es war, nur das weiß ich, daß ich auf der Erde blieb und daß mein Kahn seither die irdischen Gewässer befährt. So reise ich, der nur in seinen Bergen leben wollte, nach meinem Tode durch alle Länder der Erde."

"Und Sie haben keinen Teil am Jenseits?" fragte der Bürgermeister mit gerunzelter Stirne.

"Ich bin", antwortete der Jäger, "immer auf der großen Treppe, die hinaufführt. Auf dieser unendlich weiten Freitreppe treibe ich mich herum, bald oben, bald unten, bald rechts, bald links, immer in Bewegung. Aus dem Jäger ist ein Schmetterling geworden. Lachen Sie nicht."

"Ich lache nicht", verwahrte sich der Bürgermeister.

"Sehr einsichtig", sagte der Jäger. "Immer bin ich in Bewegung. Nehme ich aber den größten Aufschwung und leuchtet mir schon oben das Tor, erwache ich auf meinem alten, in irgendeinem irdischen Gewässer öde steckenden Kahn. Der Grundfehler meines einstmaligen Sterbens umgrinst mich in meiner Kajüte. Julia, die Frau des Bootsführers, klopft und bringt mir zu meiner Bahre das Morgengetränk des Landes, dessen Küste wir gerade befahren, Ich liege auf einer Holzpritsche, habe - es ist kein Vergnügen, mich zu betrachten - ein schmutziges Totenhemd an, Haar und Bart, grau und schwarz, geht unentwirrbar durcheinander, meine Beine sind mit einem großen, seidenen, blumengemusterten, langgefransten Frauentuch bedeckt. Zu meinen Häupten steht eine Kirchenkerze und leuchtet mir. An der Wand mir gegenüber ist ein kleines Bild, ein Buschmann offenbar, der mit einem Speer nach mir zielt und hinter einem großartig bemalten Schild sich möglichst deckt. Man begegnet auf Schiffen manchen dummen Darstellungen, diese ist aber eine der dümmsten. Sonst ist mein Holzkäfig ganz leer. Durch eine Luke der Seitenwand kommt die warme Luft der südlichen Nacht, und ich höre das Wasser an die alte Barke schlagen.

Hier liege ich seit damals, als ich, noch lebendiger Jäger Gracchus, zu Hause im Schwarzwald eine Gemse verfolgte und abstürzte. Alles ging der Ordnung nach. Ich verfolgte, stürzte ab, verblutete in einer Schlucht, war tot und diese Barke sollte mich ins Jenseits tragen. Ich erinnere mich noch, wie fröhlich ich mich hier auf der Pritsche ausstreckte zum erstenmal. Niemals haben die Berge solchen Gesang von mir gehört wie diese vier damals noch dämmerigen Wände.

Ich hatte gern gelebt und war gern gestorben, glücklich warf ich, ehe ich den Bord betrat, das Lumpenpack der Büchse, der Tasche, des Jagdgewehrs vor mir hinunter, das ich immer stolz getragen hatte, und in das Totenhemd schlüpfte ich wie ein Mädchen ins Hochzeitskleid. Hier lag ich und wartete. Dann geschah das Unglück."

"Ein schlimmes Schicksal", sagte der Bürgermeister mit abwehrend erhobener Hand. "Und Sie tragen gar keine Schuld daran?"

"Keine", sagte der Jäger, "ich war Jäger, ist das etwa eine Schuld? Aufgestellt war ich als Jäger im Schwarzwald, wo es damals noch Wölfe gab. Ich lauerte auf, schoß, traf, zog das Fell ab, ist das eine Schuld? Meine Arbeit wurde gesegnet. ›Der große Jäger vom Schwarzwald‹ hieß ich. Ist das eine Schuld?"

"Ich bin nicht berufen, das zu entscheiden", sagte der Bürgermeister, "doch scheint auch mir keine Schuld darin zu liegen. Aber wer trägt denn die Schuld?"

"Der Bootsmann", sagte der Jäger. "Niemand wird lesen, was ich hier schreibe, niemand wird kommen, mir zu helfen; wäre als Aufgabe gesetzt mir zu helfen, so blieben alle Türen aller Häuser geschlossen, alle Fenster geschlossen, alle liegen in den Betten, die Decken über den Kopf geschlagen, eine nächtliche Herberge die ganze Erde. Das hat guten Sinn, denn niemand weiß von mir, und wüßte er von mir, so wüßte er meinen Aufenthalt nicht, und wüßte er meinen Aufenthalt, so wüßte er mich dort nicht festzuhalten, so wüßte er nicht, wie mir zu helfen. Der Gedanke, mir helfen zu wollen, ist eine Krankheit und muß im Bett geheilt werden.

Das weiß ich und schreie also nicht, um Hilfe herbeizurufen, selbst wenn ich in Augenblicken - unbeherrscht wie ich bin, zum Beispiel gerade jetzt - sehr stark daran denke. Aber es genügt wohl zum Austreiben solcher Gedanken, wenn ich umherblicke und mir vergegenwärtige, wo ich bin und - das darf ich wohl behaupten - seit Jahrhunderten wohne."

"Außerordentlich", sagte der Bürgermeister, "außerordentlich. - Und nun gedenken Sie bei uns in Riva zu bleiben?"

"Ich gedenke nicht", sagte der Jäger lächelnd und legte, um den Spott gutzumachen, die Hand auf das Knie des Bürgermeisters. "Ich bin hier, mehr weiß ich nicht, mehr kann ich nicht tun. Mein Kahn ist ohne Steuer, er fährt mit dem Wind, der in den untersten Regionen des Todes bläst."



















Claude Lorrains Arkadien








Claude Lorrain / Die verzauberte Landschaft / Hrsg. Martin Sonnabend, Jon Whiteley, Texte von Christian Rümelin, Martin Sonnabend, Jon Whiteley, Gestaltung von hackenschuh com. design Deutsch / 252 Seiten, 216 farbige Abb. / gebunden mit Schutzumschlag / ISBN 978-3-7757-3228-4

Claude Lorrain (ca. 1600/1604-1682) ist zu Recht der Vater der europäischen Landschaftsmalerei genannt worden. Der bedeutendste Landschaftsmaler des 17. Jahrhunderts schuf auf der Grundlage genau beobachteter Naturstudien vor allem der römischen Campagna arkadische und zeitlos klassische Ansichten, oft mit biblischen oder mythologischen Szenen. Lorrains in weiches Licht getauchte ideale Landschaften begeisterten schon früh die Romreisenden auf der Grand Tour, sodass viele seiner Werke sich heute in britischen Sammlungen befinden und der englische Landschaftsgarten entscheidend von seiner Ästhetik geprägt wurde. Zum Schutz vor Raubkopien seiner Gemälde schuf er die gezeichneten Kopien des Liber Veritatis, welches als Kunstwerk eigenen Rechts Ausdruck dafür ist, dass er seine Zeichnungen und Druckgrafiken als den Gemälden gleichrangig verstand. 140 von Lorrains Werken stellt der Band vor, darunter auch "Bildpaare", die das unkonventionelle Vorgehen des Künstlers besonders deutlich werden lassen.

Ausstellung: Städel Museum, Frankfurt/Main 3.2.-6.5.2012








DIA ART FOUNDATION Walter de Maria

Hatje Cantz


Medienbaustein


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