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11. Die Wirklichkeit, ein Begriff, verfolgt mich wie ein drohender Schatten, der hinter mir steht, doch mein Blick, der sich nach vorn richtet, weiß nichts davon.


© Helmut Eisendle

Weit oben sieht er das dichte Buschwerk. Latschen und Kiefern, Gesträuch. Knapp vor dem phallusartigen Felsen eine riesige Zirbe, auf der ein Schwarm von Krähen Platz genommen hat. Die Sonne nähert sich dem Horizont und ändert sich vom strahlenden Gelb ins Rot. Es ist kühler geworden. Auf der Gegenseite sieht er den Mond. Die Schatten sind länger und der Berg scheint schon ein Stück der nahenden Nacht zu werden. Der Mann blickt hinunter auf den serpentinenartigen Weg, der in der Dunkelheit des Tales verschwindet.
Der Vogelschwarm erhebt sich von der Zirbe und stürzt sich kreischend ins Tal.
Ich wage gleichermaßen einen Seitensprung, einen Blick durch eine besondere Brille auf die Wirklichkeit, die mehr mein seltsames Gefühl und meine Gedankenwelt selbst trifft. Sosehr ich die Städte - welche immer - benötige, so gerne schätze ich es, sie zu verlassen. Eigentlich benehme ich mich wie ein Kater, der um den heißen Brei streunt. Allen Ernstes habe ich mir vorgenommen, mich aus den Chören der städtischen Weisheiten herauszuhalten und mir, nicht mehr und nicht weniger, Gedanken über mich und die Welt zu machen.
Hier bin ich in der Natur und denke. Während diese Gedanken vorüber rauschen, sieht er ein Bild vor sich, einen Traum und erinnert sich an ein Gespräch.Schau´n Sie, wir leben zwar in einem flinken, technischen Zeitalter; die Industrie, der Computer, die Flugzeuge, das Auto sind dabei ein positives und auch ein negatives Symptom. Negativ wird es, wenn man sich den Dingen unterwirft. Sich in den glorreichen Errungenschaften der Menschheit zu verlieren und die möglichen Leiden und Nachteile zu ignorieren, ist eine Vogel-Strauß-Politik unserer Zeit. Ich habe es aber eilig. Die Geschäfte. Termine, Termine, unterbrach mich der Mann und wischte sich mit einem Papiertaschentuch über die Stirn. Interessieren Sie sich für nichts anderes ? Für die Kunst, die Literatur, das Land, in dem Sie leben? Ein wenig, wenn ich Zeit dazu finde. Man muß gegen das Negative doch auch etwas tun, es nur hinzunehmen, ist zu wenig. Das tue ich ja. Ich bin abgefahren, warf der Mann ein und blickte aus dem Fenster auf den Stau, der nicht zu enden schien. Schau´n Sie, lieber Mann, ihre Haltung, allem Negativen aus dem Weg zu gehen, also - wie Sie sagen - abzufahren - ist mit jener des Arztes zu vergleichen, der kurz nach Vincent Van Goghs Selbstmord erklärt hat, der Maler könne nicht geisteskrank gewesen sein, er habe doch so wunderbare Bilder gemalt. Sie meinen, der Stau, da draußen, habe nichts mit Ihnen zu tun, Sie haben es eilig, nicht mehr. Und ? Ich habe es eilig, Mann. Ja, Sie behaupten - nehme ich an - Sie sind nicht der Verursacher der Probleme, die Fortschritt und Auto mit sich bringen. Sie haben es nur eilig, nicht mehr. Sicher, wenn es gut geht, sind Sie früher dort, wo Sie sein wollen oder müssen. Plötzlich aber ist ein Stau auf der Autobahn. Und Ihr Leben gerät in falsche Bahnen. Ich verstehe Sie nicht, Herr. Der Stau, mein lieber Mann, ist eine logische Folge. Wie beim Zusammentürmen der Wolken am Himmel, abhängig von der Temperatur ein Gewitter entsteht, bildet sich auch ein Stau auf der Autobahn. Zu viele haben es eilig. Es kracht und blitzt. Und danach ist wieder Ruhe und die Sonne lacht. Wie die Wolken am Himmel, türmen sich auch die Autos im Stau zusammen. Warum ? Weil es einige oder viele besonders eilig haben. So ist es doch, oder nicht ? Hätten einige es doch weniger eilig und würden übers Land fahren, käme es nicht dazu. Ja, die Eile behindert sich selbst und stiehlt jedem das, was er für notwendig hält, die Zeit. Würden mehr - nicht nur Sie - rechtzeitig - wie Sie sagen - abfahren in diese schöne Landschaft, eine kleine Pause in einem der Gasthäuser machen, liefe es wohl anders. Oder nicht ?Der Mann blickte aus dem Fenster. Endlich hat sich der Stau aufgelöst. Ich fahre. Gute Fahrt, sage ich zum Abschied boshaft. Nach meinem ersten Ausflug - es war tatsächlich eine Landpartie - in irgendein Hinterland war ich erstaunt und seltsam berührt. Ein sanftes Land öffnete sich vor mir, mit kleinen Städten, Dörfern, Teichen, Kanälen und Seen, etwas von Kultur oder Zivilisation in der unverbrauchten Natur. Je weiter weg von der Stadt, desto mehr Gefühl einer Romantik kam in mir auf. Obwohl mir klar war, daß gerade der Mangel an Überschwang, an Industrie und Verbauung den Reiz ausübte, sah ich auch das Verfallene in den kleinen Städten, fand aber trotzdem mehr Gefallen an den alten Aufschriften, am abbröckelnden Putz der Häuser aus der Jahrhundertwende, an den nicht zu Tode renovierten Kirchen, dem Kopfsteinpflaster der Dörfer, den Bauern, die mit Pferd und Wagen ins Land fuhren. Ich wurde an das Burgenland, an die südliche Steiermark, meine Heimat erinnert und zwar an das Land wie ich es als Kind in den Fünfzigerjahren erlebt habe. Die Hügel, Flüßchen, Teiche und kleinen Seen, die Flecken mit Häusern auf deren Kaminen Storchennester waren, die Bauern, die mit Karren und Ochsen auf die Äcker fuhren, die Straßendörfer, die kleinen Plätze mit Brunnen und Kastanien, alle dieser Bilder tauchten auf. Was ist los in der Stadt ? Im Zentrum des Taifuns herrscht Windstille; man sieht nichts und hört nichts, versteht nichts, nichts mehr. Die Gegend, von der ich spreche, ist der Südosten Österreichs, bald nach dem Krieg, in den Fünfzigerjahren, in denen ich die Schulferien am Land verbracht habe. Es ist eigenartig, daß gerade das mir gefällt. Genau genommen ist es natürlich das noch Unverbrauchte auf dem Land, die Dörfer, kleinen Städte, die Natur mit ihrer Vielfalt.
Oder sagen wir so: das sicher angenehme Gefühl entsteht eher aus der Tatsache, daß in meiner Erinnerung noch nichts verändert worden ist. Hinter den Felsen fliegt wieder ein großer Schwarm schwarzer Krähen auf. Der Mann sieht nach oben und wird durch die verdoppelnden Schatten in die Bewegung des Fluges eingeschlossen; ein leises Flirren in der Luft und ein lautloses Gleiten am Boden. Da könnte ich denken, daß all mein Denken und Fühlen nichts als die Sehnsucht nach der verlorenen Jugend ist. Ist das kein Anlaß, zumindest über die Natur oder mein Alter nachzudenken ? Und doch ist dieses Nachdenken nicht durch Vernunft zu steuern. Es ist von Zufällen, von irgendwelchen Gefühlen zu sehr abhängig. Erinnerungen sind - wenn sie entstehen und bleiben - kleine Lügen über die eigene Geschichte. Ein weiteres Bild:Ein Teich an einem Waldrand. Weidegestrüpp faßt das Ufer ein, der Laubwald nimmt den See in den Arm. In einem Boot stoße ich ab, und wenn ich das Schilf am Ufer streife, klingt es, wie wenn eine Hand über knisternde Seide fährt. Ich rudere rascher in der Erinnerung und die verführt mich zu einem Gleiten durch meine persönliche Geschichte. Ein Wald mit einem kleinen See taucht auf. In der Tiefe des Sees sind Teichrosen bis auf den Grund mit ihren Wurzeln zu sehen.
Ist das nicht ein Lügengespinst, das meiner Jugend nach dem Krieg etwas Schönes geben will ?Der See am Waldrand, die Nebelschwaden, das lehmige Ufer mit einem Holzsteg zwanzig Meter hinaus.Ein anderes Bild: Über wildwucherndes Unkraut hinweg gelange ich zu einer Türe mit einem rostigen Türstock. Die Scheiben liegen zerborsten und zerschlagen vor mir, mit Moos überwachsen. Der, wie es scheint, mit Wucht herausgebrochene Türflügel bietet mir einen Zugang ins Innere des hart am Hang gesetzten Hauses. An der, dem Abhang zugewandten Rückseite des langgestreckten Raumes modern Mauerreste an einem rostig braunem Eisenträger und armdicke Baumwurzeln, zu hölzernen Schlangen erstarrt, verschwinden in Fugen und Rissen. Unter dem liegen dicke Bohlen auf einer gemauerten Grube, aus der grünes Gebüsch hervorquillt. Ich klettere irgendwelchen Rohrleitungen entlang, einer geheimnisvollen Maschine folgend hinunter, fiebernd mit Phantasien eines Kindes. Das sind wohl Erinnerungen, die ein wenig seltsam erscheinen. Die Neugierde am Zerstörten spiegelt nichts anderes als meinen Zustand wieder. Über bleibt eine Erinnerungsspielerei an eine Landschaft, in der ich aufgewachsen bin: über die Kirchhofmauer klettern, ein Vogelnest bewundern oder die Grabsteine der kleinen Friedhöfe entziffern oder Weidenäste abreißen, einer Feuerwehrkapelle nachlaufen, die durch das Dorf zieht, den breiten Dialekt der Gegend als eigene Sprache begreifen. Das sind einige Eindrücke. Ob damit meiner Absicht, die Natur zu verstehen, geholfen ist, ist fraglich. Wenn plötzlich meine seltsamen Phantasien weiter in meiner Erinnerung zurückgreifen und alleine Bilder vor Bildern schieben, ist mir nicht geholfen. Nun, das waren oder sind mehr oder weniger Phantastereien, die - zumindest in meinem Kopf - mehr auslösen, als ich ahnen kann. Um etwas, gleichsam ein objektives Bild zu bekommen, sind die gedanklichen Ausflüge allerdings ungeeignet. Und doch, welche Erfahrungen, Erkenntnisse ich immer gewinne, Hauptsache ist, sie liegen quer oder gegen den Schwall, das endlose Gerede, die unerfüllbaren Versprechen, das Vergelten und die Zusagen, die seit Jahren in meine Ohren klingen. Gerade die Bezugnahme auf die Natur und die damit verbundenen Gefühle kommen mir sehr entgegen, eben diesem Redeschwall über die Welt zu entkommen. Diese Vorstellung von Welt, die ich bei diesen Ausflügen hatte, kann - das weiß ich nun - durch zahlreiche kleine Enttäuschungen verändert aber auch durch Träume über eine Neue Welt beeinflußt werden. Das Bild, der Eindruck der Welt ist ein anderer geworden. Ein positiver, weil ich es so will, ein Traum, den ich träume, ein Märchen, das ich erzähle. Ich spreche zugleich von Märchen oder der schrecklichen Wirklichkeit.
Was ist es nun ?Mir gefällt diese Gleichsetzung - Märchen oder schreckliche Wirklichkeit. Ich entscheide mich für das Wort Märchen, jenseits aller Gedanken, fernab von dem, was wirklich auf dieser Welt passiert. Die Sonne geht unter. Ein Dämmer liegt auf den Felsen und nur nach rechts hin, zwischen den Kiefern hindurch, blitzt es und flimmert es.Aus dem Felsengrund vor mir wachsen Hagebuttensträucher, kahl und windzerfahren. Rote Früchte hängen an den Zweigen, und zwischen den Ästen spannen sich Spinnweben und schillern in allen Farben des Regenbogens. Hinter den Felsen Moos und Dolden in langen Reihen, und dann eine Steinwüste weit, und am Horizont ein kühles Blau. Irgendwann - wenn ich oft genug durch das Land gestreift sein werde oder doch - früher oder später - mit irgendwem ins Gespräch gekommen bin, werden die Bilder einfach da sein als kleine Erlebnisse in einer mir vertrauten Welt, in der ich vorderhand noch leben will.

Keuchend geht er weiter.
Seltsam ist, daß ich mich verhalte, als wäre ich von allem berührt. In Wahrheit betrifft mich nichts so recht. Alles um mich, jedes Ereignis, alles, was in meiner Welt, in der ferneren und näheren Umgebung geschieht, stufe ich ein in Gedankenmodelle wie, Kultur, Zivilisation, Politik, Kunst, ohne es direkt auf mein Leben zu beziehen. So vermeine ich, ohne es zu betonen, es genüge von Kritik zu sprechen, um kritisch zu sein. Ich nehme, gleichsam kategorisch Inhalte auf, speichere sie im Gedächtnis, um sie bei Gelegenheit abzurufen und zu reproduzieren. Das halte ich tatsächlich für Engagement und persönliche Verantwortung meines Tuns und meiner Existenz. Ich mache mir kaum über die Tatsache Gedanken, daß Sprache und Handeln verschiedene Dimensionen sind und daß die Verwendung der ersteren zumindest Zweifel darüber aufkommen lassen müßte, ob das, was ich als Wirklichkeit betrachte, durch sie, die Sprache, abbildbar ist oder ob die Realität gar nur ein sprachliches Konstrukt ist, das in mir Bilder erzeugt. Ist das die Wirklichkeit ? Trotzdem halte ich mich für tatkräftig, schließ-lich gehe ich in meinem Alter auf einen Berg, und bin handlungsfähig, ich erkenne aber nicht, daß ich einem sauberen Psychologismus verfalle. Letzten Endes will ich doch so wie die anderen sein, ich gebe es zumindest vor, ohne zu verstehen, daß meine Denkweisen mich entfremdet haben. Meine Revolution hat nie stattgefunden, trotzdem erinnere ich mich an sie, ja, ich glaube sie ist mein Rückgrat, obwohl ich, genau betrachtet, allen, auch den Feinden mit Freundlichkeit und Toleranz begegne und zu ständigen Kompromissen bereit bin. Habe ich Feinde ? Unterscheidet mich etwas von meinen Vorfahren ? Ja, ich meine, ich bin kritischer, nützlicher, besser. Oder ist auch diese Behauptung ein Appendix meines Denkens ?
Arrangement ist doch mein unterdrückter Wunsch, Veränderung mein geäußertes Ziel. Meine erklärte Position, mein Denken in einer anderen Ebene erzeugt in mir ein angenehmes Gefühl. Natürlich, ich bin vom Dogma der Gleichheit beherrscht, obwohl ich es im Leben stets umgangen habe. Nicht selten habe ich das Leiden anderer für mich gebucht und von fremden Schmerzen wie von eigenen gesprochen. Man könnte meinen, ich wäre unfähig gewesen, meine Freiheit zu benützen, ich litte unter ihr wie unter einem Makel. Doch aber war und bin ich gierig nach Freiheit. Die Wirklichkeit, ein Begriff, verfolgt mich doch wie ein drohender Schatten, der hinter mir steht, doch mein Blick, der sich nur nach vorne richtet, weiß nichts davon.
Üblicherweise meide ich die Möglichkeit, die Phantasie ohne Wirklichkeitsbezug zu genießen und verurteile jene, die dies versuchen, zu Träumern und Illusionisten. Bin ich nicht der Träumer ? Ja, ich habe des öfteren behauptet, daß die Welt in den Gewändern der Phantasie und der Dekoration der Künste zu einem Artefakt degradieren würde und begriff dabei nicht, daß die Vielfalt des Denkens und auch der Künste mehr Lösungen schafft als die Beschreibung und Herstellung einer fiktiven Welt. Ich verfolge gleichermaßen ein Frage- und Antwort-Kalkül und schließe die Möglichkeit aus, daß es Antworten auch ohne Fragen gäbe. Durch dieses Fragespiel schaffe ich Rätsel von gleichsam beglückender Unlösbarkeit und erzeuge dadurch eine wohltuende Dramatik des Leidens.
Etwas ging oder geht dem Wort voran. Etwas ist die geistige Nahrung der Sprache. Was aber ? Ja, ich beobachte den Berg, gehe nach oben, und mein Handeln geht der Sprache voraus. Ich träume, daß ich am Gipfel bin. Ja, eine Logik des menschlichen Geschwätzes ist, daß ein unfertiger Eindruck durch eine bildliche Vorstellung zu einem Ausdruck wird. Die unzähligen Bedeutungen eines Wortes, zum Beispiel des Wortes Berg, sind ebensoviel Empfindungen oder Bilder vorausgegangen. Von meinen körperlichen Mühen ganz abgesehen, schließlich hat der Berg sie verursacht.
Ich spiegle in meiner Sprache nichts als mich selbst, ohne mir darüber im klaren zu sein, was ich tue. Ich sehe mich selbst und meine Bedeutung nur im Ersatz für andere, verflechte aber mich in meiner ständigen Selbstdarstellung. Meine Existenz ist von einem LeBon-Effekt bestimmt, nachdem die Identifikation nie herstellbar ist, weil ich für mich immer das Recht der Ausnahme in Anspruch nehme.
Ich ist mein liebstes Wort. Meiner künstlichen Natur entsprechend bin ich verbindlich, verzeihend oder von einer Apathie an Veränderung bestimmt, in meinem Wesen aber individualistisch und einzig dem Gedanken ergeben, den Zustand, der mir Befriedigung verschafft, zu erhalten und den Wechsel der Dinge nur in Deutungen und in der Sprache zuzulassen. Eine Toleranz und Largeur des Herzens, die alles verzeiht, weil sie alles zu begreifen meint, verhindert in mir die Entwicklung zum Menschen und hat schon lange aufgehört etwas Wirkliches zu sein.
Die Worte und Phrasen in meinem Kopf verhindern jeden Vollzug. Ich erkenne nicht, daß ich gleichsam nur mehr ein Sprachrohr oder eine Denkmaschine bin, jenseits des Verhaltens und jenseits allen Wechsels zu etwas Neuem. Trotz aller Versuche bin ich nie über mich hinaus gewachsen, sondern stets das geblieben, was ich schon in meiner Jugend war; eine Figur in Geschichten, die ich selbst verfasse. Da ich nur sprechen und Gefühle vorgeben kann, bin ich doch bestenfalls ein Stück, ein Konglomerat aus Denken und Phantasieren, mein eigenes Produkt, eine Erfindung eines seltsam verwirrtem Geistes.
Das, worüber ich dabei verblüfft und überrascht bin, eben daß das Ich und die Phantasie sich auf einen Nenner bringen lassen und daß ich beides unabhängig von mir betrachten und walten lassen kann, löst einer Reihe von Warum-Fragen oder Wie-Fragen aus: wie bezieht sich dieses Ich auf die Welt, wie frei handelt es, wie verbindlich sind seine Aussagen.
Der Mann ist beim Felsen angekommen, setzt sich und blickt in den Himmel.
Die Sonne ist untergegangen. Am Horizont sieht man noch einen roten Streifen.
Eine Theorie des Himmels, denkt der Mann, ist, wer immer sie auch gedacht hat, nur ein schwacher Schatten der Wirklichkeit. Die Aufzählung erreicht - mag sie die unzähligen Sterne übertreffen - nur ein kleines Maß. Die Beschreibung des Himmels ist und bleibt künstlich. Der kleine Bär steht am Fluß. Ein südlicher Fisch verfolgt den Kiel eines Schiffes. Der Fuhrmann des Bootes setzt eine Jungfrau über den Fluß. Am Ufer stehen ein Hündchen, ein Schwan, ein Skorpion, ein Löwe, ein großer Hund, im Hintergrund ein Bär und ein Stier. Ein Adler fliegt über den Horizont. Der Fuhrmann blickt in den Himmel, sieht den Himmelswagen, die Sterne, greift zur Leier und spielt. Und was gibt es noch ? Jagdhunde, Drachen, Giraffen, den Walfisch, Fische und das Haar der Berenike und Kassiopeia, Beteigeuze, Unuk und Kastor und Pollux. Das ist der Himmel. Ein Stück der Sprache über die Natur.
My heart leaps up when I behold a rainbow in the sky: So it was when life began; So it is now I am a man; So be it when I shall grow old. Or let me die ! sagt Wordsworth.
Ich werde auf den Morgen warten und denken und dann ?
Werde ich wieder zurückkehren. Ins Tal. Zu den Menschen.


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