Konrad Bayer

Besprochen von Hermann Hendrich


Anzuzeigen ist ein vor kurzem erschienener Band, der ein großes Konvolut von handschriftlichen Notizen des 1964 verstorbenen Schriftstellers Konrad Bayer samt einer Reihe von zugehörigen oder zuzuordnenden Beiträgen verschiedener AutorInnen umfasst. Die faksimilierten Blätter in der Handschrift von Bayer stammen aus einem Vorlss von Gerhard Rühm, der im Literaturarchiv der OeNB betreut wird. Die Herausgeber dieses Bandes des Archivs, Thomas Eder und Klaus Kastberger haben aus der großartigen Fülle von entsprechenden Blättern eine Auswahl getroffen, die den Band mit seinen 312 Seiten sein "Fleisch" geben. Dazu ist der Beitrag von Dominik Srienc Konrad Bayer im Vorlass Gerhard Rühm. Ein Bericht aus dem Archiv als besonders wichtig zu empfehlen.

Zu den Beiträgen - der Rezensent darf sich nicht als Literaturwissenschaftler gerieren, er ist allerdings mit der Mehrzahl der erwähnten Personen dieses Bandes bis heute befreundet - wird mehr oder weniger das Folgende anzumerken sein. Über die Archive der Avantgarde referiert Klaus Kastberger unter Acte und Akten, und - abgesehen von seiner großen Darstellungskunst - muss der Rezensent schon feststellen, dass er sorgfältig jeden Zettel in der OeNB umgedreht haben muss, und die Gabe besitzt, den jeweils bescheidenen Informationsgehalt des einzelnen Blattes in eine Gesamtschau einzuordnen.

Mich hat die Bemerkung Der Gedanke bringt uns ins Zentrum der Überlegungen: . . ." auf Seite 19 fasziniert, denn mein Denken um die sogenannte Wiener Dichtergruppe seit 1959 findet da von einem Angehörigen der nächsten Generation die Erleichterung.

Die Analysen auf dem Boden der Literaturwissenschaft von Innerhofer, Eisenhuber und Füchsl sind sicher sehr interessant, wobei mich der Beitrag Shades of Blue. .... von Roland Innerhofer stark berührt hat.

Thomas Eder verfolgt minutiös den möglichen Einfluss des Konzeptes des Bewusstseinstromes in der Literatur auf das Schreiben von Bayer, ich halte das für eine interessante Parallele, die sich von den Texten her kaum nachweisen lassen dürfte. Mir sind keine Beispiele aus der gleichzeitigen österreichischen Literatur bekannt.

Gabriele Jutz, deren Beiträge und Bücher zur Geschichte des Avantgardefilms in Österreich unverzichtbar sind, befasst sich mit ihrem Essay Der sechste sinn und die siebente Kunst. Künstlerische Strategien bei Konrad Bayer und Ferry Radax. über die erweiterte künstlerische Umgebung der Wiener Gruppe, eine äußerst informative und umfassende Analyse dieser Literatur-Film Beziehung von Bayer und Radax. Es war ihr anscheinend zeitlich nicht möglich, auf die entsprechenden Beiträge in Vision, Utopie, Experiment; Ferry Radax (Hrsgb. G. Vogt, O. Mörth, I. Hirt, Sonderzahl 2014) einzugehen.

Ihr Beitrag eröffnet dem aufmerksamen Leser jedoch das Fenster, oder besser, die Fenster, zu den Zusammenhängen der Personen der Wiener Dichtergruppe mit der sonstigen Avantgarde der Architekten, Bildhauer, Filmemacher, Komponisten, Maler, Musiker, und auch anderer Literaten. Da fehlt noch die umfassende Darstellung dieser Zeit, die - auch mit diesem besprochenem Band - nur teilweise erfolgt ist.

Laura Tezarek eröffnet uns in ihrem Beitrag eine guillotine hat die wahrnehmung erledigt einen Ausblick auf die philosophischen Beziehungen und Leselisten der Gruppe, ohne diese Informationen bliebt wohl sonst Vieles unverständlich in den Arbeiten von Bayer. Freilich schreibt Frau Steinlechner aus der Haltung der Schriftstellerin, die auch die Situation des Rezensenten ist, und es scheint, das sie vieles erhellen kann, was vielleicht von der vergleichenden literarischen Wissenschaft nicht so richtig wahrnehmbar ist.

Der Rezensent empfiehlt ihren Beitrag als Ersten zu lesen: das ist der Zugang zu den Texten von Bayer. Aus den persönlichen Nachrichten der folgenden Beiträge lässt sich leider nicht viel bisher Unbekanntes erfahren, Freilich spielt da die Schlüsselposition von Gerhard Rühm als Herausgeber der Bücher über die Wiener Dichtergruppe und Konrad Bayer im speziellen eine große Rolle,, allerdings besticht der Beitrag von Friedrich Achleitner durch seine Kühle und Geradlinigkeit, die es dem Rezensenten nur zur eindeutigen Zustimmung reicht. Der Bericht von Ingrid Wiener (Schuppan) stimmt mich schon etwas elegisch, habe ich sie doch am Vorabend ihrer Abreise nach Monterosso im Hawelka durch Zufall getroffen. Freilich ergibt sich aus den anderen Beziehungen über Radax und Hundertwasser (La Picaudiére) meine persönliche Beziehung zu den beiden, war doch meine verstorbene Frau Lotte eben auch 1959 bei Fritz in der Picaudiére, und ich kannte Fritz aus der Galerie nächst St. Stephan.

Oswald Wiener erinnert sich sehr genau an seine sehr frühen Begegnungen mit Bayer, der größere Teil seines Beitrages ist seiner persönlichen Initiation in die damalige Szene der Avantgarden in Wien der 50er Jahre gewidmet, die der Rezensent um einige Jahre verspätet so durchaus bestätigen kann. Die abschließende Gesprächsrunde vom 21. 9.2014 im kunsthaus muerz erhellt - außer einer menschlicheren Nähe von Bayer - nichts über seine singuläre Stellung in der Literatur der 50er/60er Jahre.

Ich würde abschließend glauben, dass dieser voluminöse Band eine ganz besondere Lücke in der Rezeption der Texte von Konrad Bayer schließt, Freilich muss noch manches der Neugier offen bleiben, weil die Literaturgeschichte der zweiten Hälfte der 50er Jahre - mit Ausnahme der Beiträge von Andreas Okopenko und eindrücklicher von Gerhard Rühm- noch nicht geschrieben ist. Herausgegeben von Thomas Eder und Klaus Kastberger unter Mitarbeit von Dominik Srienc, 312 S., Paul Zsolnay Verlag Wien 2015. © 2016 Hermann J. Hendrich


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