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PHÄNOMENALE GEDICHTE


© Ferdinand Schmatz

vorgeben

etwas steuert, immer hin vor mir,
geläufig, halb erwacht, doch stets bedacht,
die andre hälfte zu umspinnen: ganz
- wo es die fäden binden, mustern -

dort spult es ab das garn, gibt vor
und an, weist dieses ein zu schwenken,
nach vorne ab zu wicklen, das kreisen
ein zu schreiben drinnen hinten -

flachst, dass sich die balken biegen
mit den wellen schneiden, binnen,
treiben deren ausgelöste wonnen

ab - zu setzen pflegen sie so schön gebärden,
vor dem, was über allem, grenze wies und schritt,
wo’s war, was ist, und bleibt, was werde

ab heben

etwas läuft, in mir, fasst unten an,
zieht das gar ungelenk hinauf,
bekniet gepflanzt nichts mehr,
entwirft sich - in der mitte glanz -

von oben selbst im blick, dreht plan
quer durch, entwischt dem wurf,
verstreut jedoch - im sprung - das ganze,
wirft alles für den, tiefen, fall

- ab, egal ob ball, egal ob ast,
den fuss vertritt, den hand da hat,
hebt, bar - gewicht verlischt -

bloss ab: von dieser schwere los
entspringt es schreibend dem, was wäre,
wie’s gewesen sein wird, wenn es ist

anstehen

etwas streckt sich, ausser mir, was vor,
und übt sich ein, die hand erreicht,
was aufwärts strebt, nie ausgeht, immer fort
auf zug ist - bis fuss stockt, dort hält,

auf sich gar vieles, steht darauf an
und ruht im stand, der wider tritt
in form, die nimmer kann ihm gleichen -
will es zwar, doch selbes fehlt:

egal, der finger zieht das eingelagerte
der stirn hervor, hebt auf, doch ab -
fällt es dem vorgesetzten ein, zu trimmen,

was zu schreiben drängt, im hirn sich fängt, und siebt:
gelegentliches durch, verirrt sich keines wegs,
und bleibt, wo jenes ist, das war, was wird

(fieber)glas

im gestiegenen
blick misst
durch sicht auf sich
selbst gebogenes
hoch und schnellt
ins zurück

(holz)rahmen

im vollen
bloss
um leere
winkelt es
beugnis

(an)griff

an stellung
verändert was
anderes
ins gegenteil
kehrt durch
- nicht ganz -
gedreht
alles um sich

zahl gedichte


sechs und fleisch

der finger, sonst als rechner gross,
setzt an sich, bohrt das ohr, erweicht,
verrecht es, vormals noch geritzt,

weicht wulstiges zurück - prall
vor ihm, der stur am läppchen hängt
es hört, wies prahlt ganz roh
hinauf zum haar, hinab zum moos
ganz quer vorm happen auf verzehr

schält er, gequält, erwähltes locker ab
der muschel bündelschwulst geschnür
beweint vorfeuchtes über allesrand hinaus,
um einzufreuen sich ins mal - zu rächen
jeden zeig, der ihn, im ringen stets ein fang,
bloss ahnen liess, was sich im schoss umtrieb

- fünf finger hoch dem sechsten an der zahl
trommelt er ins fell - dröhnt wort gestöhntes,
ruck für druck ein schreck - was fehlt,
er fällt vom tisch so reich ins ungeweckte,
weder fisch noch fleisch, befleckt und schal:
salat, - die muschel, schliesst ihr stück

hab! acht

ehe noch, bevor es wallt, gar kocht,
zieht sich zurück des ganzen schwarm,
erwartet, kauert unversorgt bedacht,
in hoffnung, gut, den nächsten schub,
der dann, befohlen, - beide schwärmer - weiter drallt
in richtung ziel verfehlt, passierts in tracht,
sie, verschlüsselt noch, macht auf ihr spiel,
er, zum tor hin, passt und rast,
einst noch rost, durch die falle,
wühlt’s auf, wogt und stobt - ins siebente,
was himmel hiess, doch spät bedacht,
nachdem es, unruhig stillt, versiegt,
fragt sie, er wacht: gabs sechs, gabs neun, gar alle?

ja und neun

er führt, wenn lust ihn - trieb

ziert sich, wicht hin oder her,
keines falls vor macht -

zwar nichts, vielmehr gibt er an,
das ja, wohl, zu hören: nicht nein,

wenn er, in gier, aufs neue
verbötlich drängt - hin, eins mit sich,

die scheu, einst ihr mal, wich aus -
und er, erweicht, versteht es,

sich auf neun und noch mehr zehn, zu stützen
- um zu hören: ja, komm rein, zu zweien

sein facht sie an, macht er sich’s fein, gar raus?

zehn und nagel

auf fuss, gross, daher
kommt so manchem
- stutzer am rist -
nach streichen die pein:
neun und ein strich,
setzt farbe für lust
schleift sie bis aufs bein

abwärts - schliesst bleichung
krummes, rot, das stockte,
schnellt hoch - entglitt,
ungelenk gesetzt, eintritt,
der pinsel ätzt die zehn,
der nagel dreht sich dem bett zu -
wetzt es im schein (ein mond),
lutscht und hadert dem, der da haut,
immerzu hämmert die statt
- nur zu liegen bloss

wüte gedichte


hefe, über schäumend

da haut er sich
- ganz in fahrt - raus,
schon platzt ihm
die faust auf -
den kragen
springt sie, schön, zu,
drein schaut,
- unweit guter sicht -
antlitz im verzug,
da nichts mehr geht:
schlag auf schlag
nur dröhnt was bläht ihn
braut

farbe, einverleibt

dort
unterhalb rudernd,
macht er im selbstfall
abgelenkt verarmt,
die feder gespannt
aufs ganze, den griff zu,
um oben halt, zu schwellen,
über haupt schädlich rotes
zu übertreten - im draufknall
auf jede platte gelegt,
schallt keines wegs feige
gewangtes vor ohr

feuer, ungelöscht

glut, auf riss entbrannt,
geht ihm, heiss, unter die haut,
zwickt der naht den faden ab

- beisst er sich in backen wund,
stosst festes auf,
stammelt’s zurück
in den schlund, beschreit’s:
harsch, preist schaden, sieht
unfroh auf wand im sprung
weiss, grundlos, schwarz

kopf, talwärts.
eine romaneske
beklommen kannst
du, kamm,
vom scheitel herab
am grat, ziehfaden -
leiten, genüge tun:
also teilen
das klammende
flucht bewegt
zum tafeldrauf

verschwommen wirst
du, schwamm,
von den brauen aus
am rücken, presslöcher -
saugen, verfügen,
also löschen:
das eingenabelte
ab geschaut
im blickverschlag

aufgekramt sollst
du, gramm,
von der schale aus
am balken, gleichgewicht -
messen, belegen:
also abwiegeln
das geladene
auf geschaukelt
maass verdreht

gelöst, sei
ich, welle,
von der stirn weg
dem bein zu, vorgefallenes -
lenken, gefügig machen:
also einbetten
das genagelte
im punktschwamm
weg geschwemmt

da fehlt die luft. dort ist der gipfel. hier geht der grat entlang. wie auf einem faden gezogen scheitle ich mir das haar. dort ist der kamm. hier ziehe ich den scheitel.
woanders binde ich mir das tuch um die stirn. das genügt.
das tal fluchtet weg. bereitbestellt auf einer tafel - dort der tafelberg.
er ragt in die höhe, liegt sehr, sehr fern.

ich drücke den schwamm über den augenbrauen aus. am nasenrücken entlang wandere ich, aufgerichtet, über einige löcher weiter. mit dem schwamm sauge ich den schweiss auf dem nasenrücken auf. er löst mir die poren. ein schweissbächlein rinnt bis zum nabel hinab und löscht die schwämme am boden aus.

der wind am kamm schlägt mir das auge auf.

halb gelöst greife ich mir an die stirn und kämme die haarwelle zurück. stirnbein und bein geraten ineinander und das eine geht im vergleich mit dem andern durch. eins oben, eins unten. es bläst auf dem kamm und misst das ganze. etwas schaukelt sich zu gewichtig auf. das gramm ist das maass. gleich ist gleich, recht oder welle (teil des kopfes, teils gesetzt).

gürteltier, drinnen

aufgefädet
ums geheuer
ringt in schläuchen
bewegen
mit stehen
herum
rinnen aus
inkreisen
blöcke
schieben lagen
aus
ziehen formen
schichten
belangen haltloses
mehrmals
einzuecken gewinde
auf zu spüren von sinnen
ab normen entstellt

gürteltier, draussen

aufgeschlungen
zwingt
zu stieren
von drinnen
gewelltes ins flache
zerrieben befangen
fliegen
fetzen an teilen
hinaus
drehen ins enge
umringe des ganzen
streuen es
zugekoppelt
von verweisen
herum
sehen ab
besitzendes
vom entschlossenen
los

gürteltier im ich:

verichtet
im gürtel
schnürt wichtel
gesichtelt
selbstbewehrt träge,
selbstverzehrt wehe
das, ungebläht, blöde
am leibe zu -
beissen
was hart haut,
nach binnen zu -
reissen den riemen:
umzurinnen
die zeichen
um härten
- ab und -
scheidend zu weichen

gürteltier im du:

verdutzt
da, zugestutzt,
vom geturtel
getunkt -
in die lache
bricht der umschlinge
dur -
den panzer
im ohr:
dudelt eingehört
pur gegurtetes pfand sichtbar am rohr

gürteltier im mann:

so’s hängt
versiegt
nach griff
angelendert - das
stiere hinab

gürteltier in frau:

so’s trägt
verfliegt
in wogen
aufgebüstet - das
wollene davon
gürteltier, gestrandet

hintrocknet
ausspur
gibt
ringe
ab druck
auf sicht
eingebrockt
zugewetzt
frei

gürteltier, geflutet

zufeuchtet
abstaub
kriecht
auf druck
ab sicht
umgekeucht
zugeschwänzt
davon

schale, plastisch

bist da
dort drinn,
wie’s fasst
so wirds -
gegebenes, enthütet
das: vor sinn

seife, angeschmiert

so’s rauht
schwillt’s
- ab:
gibt nur dazu,
um weg zu lösen
was, im nu,
das haut

hand, abgegriffen

nur zu,
kein pfiff darauf,
zanglangt
- was pfand
halt so begriff,
weil’s wiegt
nicht schwand -
was hat

blitz, weit weit hinten

oben -
zieht die hand,
den faden
am arm:

- nacht,
dies dunkel weitet
unten oberes
gibt
- in einem zug -
helles
am schnitthügel frei
aufdunkelt der fingerzeig
umform im schauauge
weggrast ab blende
- pracht

gas, hm...

einzug hält’s
in ummantels bogen
rauscht stille
ab flügels knick
angefaltet im
stich auf
bricht färbliches
gründlich- und
zweck bauscht loses

flug, schwere los

wenn’s hebt,
löst nichts
etwas eben,
klang oder kilo,
verpustet, aber
hinkt nicht drüber
nach

"fersengeld geben"

mit dem fuss die senkung abstand hält,
als läge zäh - unter der länge der zeile -
genagelt, punkt um, die stärke des lautes;
die stimme leerend, imstande -
durch heben der silben, nach noten zu tönen,
durch geben der verse, nach geltung zu heischen -
schau stellend ab zählung der zehn:

verschränktes klingt frei mass
- ding in vers, tand der setzung -
bis begriffenes, umfassend so manchen spruch,
spuren aufs blatt der stoffe druckt,
um namen zu geben: ab bild anderer werte, jetzt -
auf ruf der wörter, nach sicht der schrift,
als hinterleger der zeichen platzt gleich,
nach dem tritt der sohle, dem sprung des sinns,
der ballen des satzes ins offengeschnürte lallen

im wald

koträppchen,
bist du: rot oder schwer schwarz,
pferd oder haufen, ist dein schimmern schummel,
trug oder krug

mir dämmert
du gehst zum brunnen bis du
- zerbrichst, koträppchen
vielleicht schimmelst du
so gar?
unter den blättern leise, blattleise
trabst du durch moosmutters säle, die auen,
bist mittags am läppchen rot
am abend bleichst du deine blüte
im licht,

legst beider augen perlen - als äpfel,
braun fällt, was gepflückt

- wäre es das, koträppchen,
knödelig und blattleise
das geht nicht zusammen,
nicht im trab nicht im ..., sappalot!
jetzt bist du schon am weg
übersetzt du den bach oder
- pflanzt du uns
oder
- meuterst du über die meute hinter dir
in der landschaft, dein gedicht

koträppchen, mich lächelts,
ich spinne, dich aus und weg

- das wars.

ferdinand schmatz für h. c. artmann
wien, april 1996



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