Das Ende der Gutenberg_Galaxis

Computer Aided Culture 1988 Linz VLA Programm


© Franz Krahberger


Die wahren Revolutionen des ausgehenden 20.Jahrhunderts laufen in aller Stille ab. EDV_elektronische Datenverarbeiitung, das Kind der zweiten Haelfte des 20.Jhdts, war bloss der Anfang eines tiefgreifenden und umwaelzenden Prozesses.

CAI_Computer Aided Industry-Strategien streben zunehmend die Vernetzung von Verwaltung. Konstruktion und Produktion. CAI, der Informationsverbund eines ganzen Unternehmens beinhaltet das CAO_Computer Aided Office mit den Bereichen Personalwesen, Rechnungswesen, Vertrieb, Unternehmensplanung und Buerokommunikation, die Verfahrenskette CAM Computer Aided Manufactoring, Werkstattsteuerung, Ueberwachung und Fertigung, die Verfahrenskette PPS Produktionsplanung und Steuerung, die Verfahrenskette CAE Computer Aided Engeneering und CAD Computzer Aided Design und CAP Computer Aided Planing und schlussendlich die Verfahrenskette Global Distribution.

Die CAI Vision dezentralisiert und erweitert den Informationsfluss und fuehrt schliesslich zu neuen Formen der inner- und ausserbetrieblichen Aktion und Kommunikation.

Die strukturelle Revolution des interaktiven Ganzen laesst in einer weiteren Meta_Ebene die Vision einer globalen Computer Aided Culture entstehen. Vom LAN Local Aerea Network zum WAN, zum weltumspannenden Wide Area Network,das Koij Kobayashi, Chief Executive Officer CEO der NEC Nippon Electric Company, in seiner Vision Computers und Communications C&C herausgegeben vom MIT, beschreibt, ist kein grosserSchritt mehr notwendig.

Die auflagenstaerkste Zeitschrift der USA, mit 5,541 Millionen Lesern, 1 Million mehr als das Wallstreet Journal, USA_TODAY, publiziert von Gannet Co.Inc. mit zentraler Redaktion in Arlington Va. wird nicht nur computerunterstuetzt hergestellt und umgebrochen. Um die Zeitzonen national und international in den Griff zu bekommen, wird der gesamte Datenblock der Daily Ausgabe via Satellit an die regional platzierten Druckereien gesendet. Ebenso wird die taegliche Information ueber ein global ausgreifendes computerunterstuetztes Net Work eingeholt.

Von der Vision Kobayashis unterscheidet sich diese Struktur noch dadurch, dass der Traeger des Produktes INFORMATION das klassische Medium Papierzeitung ist, waehrend der Japaner den Endverbaucher bereits am Monitor sieht. Hinzu kommt, das die C&C Version die Zweiwegkommunikation bis hin zum Multilog zulaesst, waehrend die Zeitung nach wie vor nur in ONE WAY nutzbar ist. (abgesehen von Leserbriefen im Gelben Snake Post Modus).

Trotz des klassischen Traegers Zeitung macht sich in USA TODAY die C_adäquate formale Gestaltung mittels Text- und Grafiksystems bemerkbar. Visualisierte und symbolisierte Statistiken (siehe Otto Neurath), die in knappen Zahlen Auskunft geben ueber die soziologische und wirtschaftliche Situation der USA, uebersichtlich gehaltenes Lay Out, Verwendung von Farben zur Unterscheidung, Wirtschaftsgrafik und die ganzseitige Weltwetterkarte, die praegnant und kurz gehaltenen Texte weisen hin auf wirksam genutztes COMPUTER AIDED EDITING.

USA TODAY macht den Ueber(be)grif GLOBAL ERA, von Marshall McLuhan ironisch Global Village genannt, erst anschaulich und deutlich.

Die Firmen bewegen ihren Geschaeftsverkehr und ihre taegliche Information in INTER NETWORKS. Eine Reihe von Mail Box Netzen, die das Postamt tatsaechlich an den Schreibtisch in Form des Desktops bringen, ueberzieht den Planeten. Interkontinentale Videokonferenzen ersetzen den Flug im Jet.

Die digitale Aufloesung komplexer Information in 0 oder 1 ermoeglicht den Transfer jeglicher Form von Mitteilung ausserhalb direkter menschlicher Kommunikation, sei es in Bild, Ton, Text oder Zahl.

Die grossen internationalen Boersen sind bereits digitalisiert. Die Geschaeftsbewegung verlaeuft als Transfer von kompexen Zahlen. Datenkompressoren verringern die Laufzeiten im Inter Network. Information wird beschleunigt, strukturiert verdichtet.

Bernd Lutterbeck, Institut fuer Informatik in Hamburg stellt in seinem Text ueber die Auswirkungen des Computereinsatzes auf Arbeitsmarkt und Arbeitsbedingungen in der Nr.2 des Heftes Technik Kontrovers 1980 fest, dass ohne den Einsatz von Computern weder Betriebe noch die gegenwaertige Gesellschaft steuerbar waeren. Computer werden zunehmend zu stabilisierenden Faktoren unserer offenen und pluralistischen Gesellschaftsstruktur. Moderne Industrie, unabhaengig von ihrer wirtschaftlichen und politischen Konstitution, benoetigen die elektronischen Datenverarbeitung, um ueberhaupt noch vernuenftige oekonomische Entscheidungen treffen zu koennen.

Das Versorgungs- und Verwaltungswesen, der industrielle Bereich, der hoch diversifizierte Markt, infrastrukturelle Einrichtungen; Grossprojekte, High Tech Innovation, die modernen Massenmedien produzieren durch ihre Aktivitaet eine Menge von Daten, die durch die allein von Arbeitskraeften besetzte Verwaltungsmaschine, durch die Buerokratie des 19. Jahrhunderts nicht mehr bewaeltigbar, nicht mehr strukturierbar und so nicht mehr interpretier waere. Romane verzapfen noch immer die Gefuehlsduselei des 19.Jahrhundert. Der Alltag im 21.Jahrhundert verlaeuft auf anderen Ebenen

Hinzu kommt der zu erfassende Problemkreis Energie- und Rohstoffgewinnung, Resourcen und Umweltqualitaet.

Die Verwaltungsgrundlagen der Neuzeit, die schriftliche Datenerfassung und Dokumentation durch hypertrophe Buerokratien, deren linieare und hierarchisch orientierte Selektion und Nutzung sind hoffnungslos ueberholt und ausserstande die Probleme menschlicher und technischer Ballung zu loesen.

Anstelle der linearen Formen treten kybernetische Input / Output Modelle, die imstande sind, die komplexen Pozesse dynamisch darzustellen und zu entwickeln.

Zur Entfaltung dieser neuen und effektiven Form hat zweifellos das groesste High Tech Unternehmen unseres Jahrhunderts, die Raumfahrt beigetragen. Nirgend wo anders ist die EDV so als Produktuv- und nicht als pure Verwaltungskraft eingesetzt worden, wie in diesem Bereich. Houston und Baikonur sind nicht allein die terrestrischen Oeffnungen ins All. An diesen Orten hoechst entwickelter Technologie wurden die TOOLS fuer die bestehende und kuenftige Industriegesellschaft entwickelt. Erst die Bewaeltigungen dieser komplexen Aufgaben oeffneten den weiteren Weg in den oekonomischen, soziologischen und oekologischen Bereich.

Die naechsten Schritte der Digitalisierung der Produktion, des Informationswesens und des Kulturellen sind folgerichtige Nachjustierungen.

Der binaere Code, basierend auf 0 or 1 und deren formale Verknuepfung hat saemtliche bis dahin existierende menschlichen Notationssysteme, das Alphabet, die Mathematik, ua. die darstellende Geometrie, die audiellen und visuellen Notationssysteme erfasst und transformierbar gemacht. Gutenbergs Galaxis, die Welt des alphabetischen Zeichens und der Entwicklung des Denkens in chronologischen linearen Strukturen, gehoert moeglicherweise bereits der Vergangenheit an.

Ein Notationssystem- und Mitteilungssystem, dass nicht mehr imstande ist, das entwickelte Ganze zu reproduzieren, hat seine Bedeutung und damit seine Wirksamkeit verloren. Dies bedeutet nicht, dass der binaere Code bereits imstande ist, all jenes zu substutieren, das in Sprache und Zeichen sich niederschlaegt. Es bedeutet jedoch jedoch, dass die vereinfachte Syntax des Binaeren insgesamt mehr bewaeltigt, als die bisherigen Grammatiken.

Die Fundamente der neuen Sprache sind gelegt. Sie wird in einem evolutionaeren Prozess die alten Inhalte in ihrem Kern bergen muessen, und doch den Rahmen zu neuer Erkenntnis hin sprengen und erweitern. Der operative Aspekt der Information wird gestaerkt und vielfaeltiger handhabbar.

Der Zerfall der alten Sprache, das noch immer nicht voll konturierte Baumaterial des Kuenftigen, bedeutet einen Sprung in der Entwicklung und nicht die Fortsetzung eines Kontinuums.

Diese Entwicklung bedeutet zweifellos eine Herausforderung fuer den kulturellen Bereich. Heute wissen wir zu genau, dass das Medium selbst die Botschaft sein kann. Das heisst, dass neue Technologie und damit auch neue Kommunikationsmedien die Form und das Wesen des informellen Ajustausches und damit die kulturelle Gestalt veraendern und mitbestimmen.

Wien 1988


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