Josef Koppelhuber - Historical Ready Made 1934


aufbewahrt, gesammelt, montiert und in Szene gesetzt von Franz Krahberger

Die Briefe des Schutzbündlers Josef Koppelhuber befinden sich seit längerer Zeit in meinem Besitz. Sie stammen aus einem familiären Nachlass.
Josef Koppelhuber war einer der Aufständischen des 12. Februar 1934, ein Gefolgsmann des steirischen Landtagsabgeordneten Koloman Wallisch.
Wallisch, den die steirischen Bürger den ungarischen Bluthund nannten, wurde standgerichtlich hingerichtet.
Koppelhuber wurde vorerst in einem in Graz errichteten Anhaltelager festgehalten, aus dem er in die C.S.R. flüchten konnte und in Zbraslav Unterkunft in einem Flüchtlingslager der österreichischen Revolutionären Sozialisten gefunden hat.
Im Zuge der Reibereien der Schutzbündler mit ihrer Führung, insbesondere mit Otto Bauer, näherte sich Koppelhuber den Kommunisten an und wurde wegen dieser Abweichung aus der sozialistischen Fürsorge entlassen.
Ein, zwei Jahre später wurde in einer geheim gehaltenen Konferenz in Brünn in Anwesenheit von Otto Bauer die Aktionsgemeinschaft mit den Kommunisten verhandelt.
Koppelhuber, der sich verraten und im Stich gelassen fühlte, betrieb so wie sechshundert andere Schutzbündler seine Einreise in die Sowjetunion Stalins.
Die Briefe aus Moskau drücken seine Begeisterung aus, aber auch die zunehmende Indoctrination durch die Sowjetideologie.
Im Jänner 1935, vor seiner Einreise in die Sowjetunion traf ihn jedoch ein harter Schicksalsschlag. Seine Frau Ella verstarb eines tragischen wie plötzlichen Todes.

An sich wollte Koppelhuber seine Frau und den Sohn Harald in die SU nachholen. Mit seinem Vater, der ein Gasthaus am Brucker Bahnhof betrieben hat, brach er völlig. Dieser enterbte ihn nach den Ereignissen des Februar 1934.
Umso mehr bemühte sich Josef Koppelhuber, seinen Sohn nachzuholen. Dazu sollte es aber zum Glück des Kindes nicht mehr kommen.

Anfang 1938 wurde Koppelhuber in Kineschma, wohin er nach einem langen Moskauer Aufenthalt verzogen war, verhaftet. Man wollte ihm ein Geständnis abpressen, für die Deutschen spioniert zu haben. Koppelhuber hat fotografiert und hin und wieder schickte er belanglose Fotos in die alte Heimat. Fotografieren wurde damals vor allem in der Arbeiterkulturbewegung forciert, etwa vergleichbar der heutigen Lomografie Bewegung.
Später kam ich in Lektüre von Lev Kopolews Aufbewahren für alle Zeit dahinter, dass die Anschuldigung deutscher Spion sowohl für deutschstämmige Genossen, Internationalisten, wie auch für Angehörige der Roten Armee, die in deutsche Kriegsgefangenschaft gerieten, gleichermassen zum Muster stalinistischer Anklage- wie Gerichtspraxis zählte, die gegenüber österreichischen Schutzbündlern ebenso angewandt worden ist.
Ein Drittel der Österreicher, die in der Sowjetunion Zuflucht gesucht haben, ist so in die Fänge des stalinistischen Terrors geraten.
Nachdem die erste Anklage nicht verfing, wurde er mit einigen Genossen wegen Mitgliedschaft in einer konterrevolutionären, aufständischen Gruppe verurteilt. Darauf stand generell der berüchtigte Zehner, also zehn Jahre Haft, wie ihn Lev Kopolew in seinem Buch beschreibt. Kaum einer der politischen Häftlinge hat diese Strafe überlebt, da die stalinistischen Schergen die ebenso einsitzenden Kriminellen dazu motivierten, die politischen zu quälen und ums Leben zu bringen. Diese mörderische Allianz von Politik und Verbrechen zieht sich bis in die jüngste Geschichte der Sowjetunion und des Neuen Russlands.
Nach wissenschaftlichen Forschungsberichten soll Koppelhuber auf der Häftlingsinsel Kolyma oder nach anderer Quelle in Workuta gelandet sein. In einer privaten Mitteilung an die Familie aus dem Jahre 1940 ist von einem Zwangsarbeitslager in Kansk in Sibirien die Rede.
Wo und wie auch immer. Koppelhuber ist im Archipel Gulag verschollen und kläglich zugrunde gegangen.
Wie viele andere auch, ist er zwischen alle Fronten geraten und von der brutalen Maschinerie der Macht und des Stalinterrors völlig aufgerieben worden.
Sein Sohn hat Glück gehabt, dass es mit der Nachreise nicht geklappt hat. Er wäre sonst in jene Lageranstalt gekommen, in der die Söhne von deutschen Kommunisten und Sozialrevolutionären, die in den Stalinprozessen vernichtet worden sind, bist weit in die fünfziger Jahre hinein aufbewahrt worden sind.
Der Sohn, mein Cousin, lebt heute auf einem anderen Kontinent.
Über das Schicksal des Koppelhuber hat allein Anastasia, die Mutter Ellas mit mir geredet.
Alle anderen aus der Familie schwiegen zu dieser Geschichte. 1934 ist in der Obersteiermark streng tabuisiert worden.
Niemand wollte davon wissen und schon gar nicht darüber reden.
Das wird verständlich, wenn man weiss, mit welcher Gewalt die Staatsmacht über die Aufständischen den Stab gebrochen hat.
So halte ich es für angemessen, dies anhand von montierten Zeitdokumenten zu zeigen. Die Methode ist nicht neu, wurde sie doch schon von Georg Büchner in der Abfassung von Dantons Tod, unter Einbeziehung der Konventsprotokolle, angewandt.
Es bedarf keiner realistischen Nachschrift, um das Ausmass sowohl der gesellschaftlichen wie auch individuellen Tragödie in diesem prosaischem Doku-Drama zu erkennen.
In Form der Originalbriefe Koppelhubers, Zeitungsberichten vor allem der Kleinen Zeitung Graz aus den Februartagen 1934, sowie Regierungserklärungen, Erlässen und Verboten jener Tage.

Damit sei Josef Koppelhuber und seiner Frau Ella ein Gedächtnis gesetzt, das uns darin erinnern soll, dass die heutigen demokratischen Möglichkeiten damals nicht selbstverständlich gewesen sind, beziehungsweise unmöglich gemacht wurden oder völlig gefehlt haben.

Josef Koppelhuber - Briefe an die Familie

Historical Ready Made 1934

Fotos 1934

Der Staende Staat


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